Wenn man sich die gegenwärtige Popularität eines Aktionskünstlern wie Santiago Sierra vor Augen führt, kommt man nicht umher, seine explizit politischen und sozialkritischen Ambitionen im Kontext eines globalisierten Kunstmarktest zu sehen, dessen monopolisierten Machtpositionen im bereits etablierten und kommerzialisierten Kanon der Institutionskritik nicht nur scheinbar aufgegangen, sondern hierbei gerade seine assimilierenden Fähigkeiten innerhalb einer solch ambivalenten Problematik unserer Kultur offen zulegen scheint. Man wird nur sehr schwer eine ernsthafte Eingliederung seiner Positionen in die Gegenwartskunst unternehmen können, wenn man den Bezug zum Kunstraum in seinen Arbeiten außer Acht zu lassen versucht. Auch wenn seine Auftragsarbeiten für Museen und Galerien politisch weitaus abgestumpfter gehalten sind, verfügen sie dennoch über eine eigene systemvehemente Dialektik innerhalb seiner Machtgebungs- und Sinnstiftungsproblematik. Diese gilt es ebenso zu untersuchen, wie jenes spezifisch politische Moment seiner Arbeiten, für das ihn die Welt der Kunstkritik als geradezu berüchtigt heißt, und seinen Umgang mit dem minimalistischen Ästhetikvokabular, welches uns in seiner kunstrhetorischen, analytischen Genügsamkeit als Bindeglied zwischen diesen beiden realitätsbewältigenden Polen seiner eigentlichen Impulssetzung für eine Bestandsaufnahme der Gegenwartskunst dienen soll.
Seine politische Aktionskunst, mit Wurzeln in der minimalistischen Kunst, behandelt schwerpunktmäßig den Wert des Menschen und den Sinn, beziehungsweise Zweck der Arbeit. Darüber hinaus befragt er in seinen Arbeiten die Realität „Wer? Wie? Über Wen?“ verfügt und führt somit die erzwungene Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie die Frage nach der durch Geldlegitimierung gehaltenen Existenzberechtigung innerhalb unserer globalisierten Gesellschaft, immer wieder ad absurdum.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Einleitendes Werk: 300 Tonen
3. spezifische politische Signifikanz
4. minimalistische Ästhetik
5. Bezug zum Kunstraum
6. Abschließendes Resümee
7. Literaturverzeichnis und Quelltextverweise
1. Einleitung
Wenn man sich die gegenwärtige Popularität eines Aktionskünstlern wie Santiago Sierra vor Augen führt, kommt man nicht umher, seine explizit politischen und sozialkritischen Ambitionen im Kontext eines globalisierten Kunstmarktest zu sehen, dessen monopolisierten Machtpositionen im bereits etablierten und kommerzialisierten Kanon der Institutionskritik nicht nur scheinbar aufgegangen, sondern hierbei gerade seine assimilierenden Fähigkeiten innerhalb einer solch ambivalenten Problematik unserer Kultur offen zulegen scheint. Man wird nur sehr schwer eine ernsthafte Eingliederung seiner Positionen in die Gegenwartskunst unternehmen können, wenn man den Bezug zum Kunstraum in seinen Arbeiten außer Acht zu lassen versucht. Auch wenn seine Auftragsarbeiten für Museen und Galerien politisch weitaus abgestumpfter gehalten sind, verfügen sie dennoch über eine eigene systemvehemente Dialektik innerhalb seiner Machtgebungs- und Sinnstiftungsproblematik. Diese gilt es ebenso zu untersuchen, wie jenes spezifisch politische Moment seiner Arbeiten, für das ihn die Welt der Kunstkritik als geradezu berüchtigt heißt, und seinen Umgang mit dem minimalistischen Ästhetikvokabular, welches uns in seiner kunstrhetorischen, analytischen Genügsamkeit als Bindeglied zwischen diesen beiden realitätsbewältigenden Polen seiner eigentlichen Impulssetzung für eine Bestandsaufnahme der Gegenwartskunst dienen soll.
Seine politische Aktionskunst, mit Wurzeln in der minimalistischen Kunst, behandelt schwerpunktmäßig den Wert des Menschen und den Sinn, beziehungsweise Zweck der Arbeit. Darüber hinaus befragt er in seinen Arbeiten die Realität „Wer? Wie? Über Wen?“ verfügt und führt somit die erzwungene Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sowie die Frage nach der durch Geldlegitimierung gehaltenen Existenzberechtigung innerhalb unserer globalisierten Gesellschaft, immer wieder ad absurdum.
Diese Seminararbeit hat zum Ziel, mit dieser schwerpunktmäßigen Interpretationssetzung eine stringente Wirkungstendenz innerhalb der zeitgenössischen Kunst im Werk von Santiago Sierra herauszuarbeiten und somit die Frage zu beantworten, ob sein Werk eine bloße kurzlebige Popularitätserscheinung innerhalb der heutigen Kunstwelt ist, oder ob es eine fundamentale Wertsetzung für die künftige Kunstentwicklung anzubieten hat. Beginnen möchte ich jedoch mit der Präsentation und Analyse einer seiner zentralen Aktionen, welche zunächst im Verlauf einer Einleitung zum Künstler zur Aufgabe hat, seine Legitimation als respektable Künstlerpersönlichkeit zu hinterfragen und seinem Werk gegebenenfalls ein entsprechendes Qualitätsmaß zuzuschreiben.
Bevor ich beginne, möchte ich noch einige schnelle Worte zur Person einschieben, welche helfen sollen, Santiago Sierra Motivationen und Ambitionen zu politisch-, sozialkritischen Intensionen innerhalb seiner Arbeiten nachvollziehbarer zu machen. Er lebt seit über 13 Jahren in Mexiko City, Mexiko. Als gebürtiger Spanier kehrte er der europäischen Kunst- und Lebensauffassung den Rücken, weil sie ihm, nach eigenen Aussagen, bei weitem zu arrogant und selbstgerecht erschien.[i] In dieser Stadt lernte er „lauter sprechen“[ii] und der Gesellschaft mit Hilfe der Kunstwelt einen äußerst aufsehenerregenden Spiegel vorzuhalten. Seine stark realistischen Tendenzen begründen sich in einer persönlichen Ablehnung gegenüber Ausbeutung und Klassifizierung der Menschen, wie sie in unserer globalkapitalistischen Gegenwart besonders in ärmeren Regionen stark zum Vorschein treten. Die Lebensentscheidung, freiwillig aus dem europäischen Wohlstandsparadies in solche sozialen Spannungsverhältnisse überzusiedeln, scheint hierbei eine besondere Rolle zu spielen und hat in ihm einen starken Willen zur Konsequenz heranwachsen lassen, welcher sich in der Radikalität und intensiven Wirkung seiner Arbeiten bei Gönnern wie Kritikern gleichermaßen äußert.
2. Einleitendes Werk: 300 Tonen
Santiago Sierras Arbeiten bilden in ihrer Essenz eine Brücke zwischen Minimal Art, welche in der Tradition der Arte Povera anzusiedeln ist, und politischer Performance-, Konzeptkunst der 60/ 70er Jahre. Wobei sich seine starke Anlehnung zur Aktionskunst der 60/ 70er Jahre vor allem an drei Punkten gut veranschaulichen lässt. Zum einen übernimmt er von ihr stark konzeptuell minimierte Anweisungen und sachlich nüchterne, aktionsbeschreibende Arbeitstitel, zum anderen entstehen viele seiner vor allem provozierenden, politischen Aktionen außerhalb schützender Kunsträume und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dokumentiert werden seine Arbeiten in schwarz-weiß gehaltenen Foto- wie Videoaufnahmen und dies nicht aus einer ästhetischen Anschauungen heraus, sondern um gezielt den Anschein zu erwecken, ein Künstler der 60er Jahre zu sein.[iii] Allein schon an dieser Betrachtung wird deutlich, wie professionell und intelligent Sierra es versteht mit Begriffen und Verweisen der Kunstwelt zu spielen und sich entsprechend in selbsterwählten Bezügen gegenüber Kritikern wie Gönnern zu vermarkten und positionieren.
Bei dem Werk, auf das ich nun zu Beginn eingehen möchte, handelt es sich um eine Auftragsarbeit für das Kunsthaus Bregenz im April 2004. Das österreichische Kunsthaus, welches vom Architekten Peter Zumthor nach der konsequenten Anwendung minimalistischer Formprinzipien erbaut wurde[iv], riskierte mit diesem Projekt in gewisser Weise seine eigene Existenz, wenn man sich das konzeptuelle Ziel dieser Arbeit vor Augen hält. In „300 Tonen“ erstrebt Sierra jenen maximal zulässigen Wert der Belastbarkeit des Gebäudes, wonach es als Einsturzgefährdet zu klassifizieren ist, und reizt somit Mensch wie Material bis ans äußerste legitimierbare Limit.
Sierra lässt ein Gewicht von 292 Tonen in Form von 14600 Ziegelsteinen, was einen Materialbedarf von 4 Einfamilienhäusern entspricht, zu 14 Kuben mit den Maßen 3 x 3 x 3,3 Meter im obersten Stock des Gebäudes aufbauen. Das Gewicht wird durch provisorische Stützen innerhalb der anderen Geschosse gleichmäßig verteilt und auf diese Weise für die Besucher sichtbar und erfahrbar gemacht. Die restlichen acht Tonnen sollen von den Besucher selbst aufgebracht werden, was einer Besucherzahl von ungefähr 100 entspricht und zur Konsequenz hat, dass sich nie mehr als 100 Personen im Gebäude aufhalten dürfen.
Das Gefühl, unerwünscht zu sein, sich in relative Gefahr zu begeben und zugleich als Teil eines komplexen dekonstruktiven Vorgangs eingespannt zu werden, sind höchst interessante Werksauswirkungen, die eine ungeheuere Interpretationsdichte zulassen und zugleich in der ambivalten Beziehung zwischen angestrebter Destruktion und erzwungener Konstruktion, welche allein schon die notwendige Selbstzüchtigung einer jeden Gesellschaft unserer Welt entspricht, in Form von abstrakten, bedrohlich relativen Baubestimmungen repräsentiert wird. Die Begründung einer offensichtlichen Kompatibilität zwischen dieser vorgeführten Radikalität wie ihrer gleichzeitiger Begrenzung und unserer Kunstgesellschaft findet sich in einem Verweis Sierras an das Werk von Richard Serra, der gerade die gewichtige Substanz innerhalb der Skulptur wie der Kunst im Allgemeinen offengelegt und somit in gewisser Weise eine solche Aktion legitimiert hat.[v]
Der faszinierendste Aspekt an dieser Arbeit liegt in der metaphorischen Unmöglichkeit einer expliziten, eindimensionalen Einordnung, weder in Kategorien der Skulptur noch der einer bloßen Konzeption. Die gezielte Randgängerschaft und ihre intensive, intelligente Interdisziplinarität will hier von der qualitativen Dimension in der künstlerischen Person Sierras zeugen.
3. Spezifische politische Signifikanz
Wie ich bereits in der Einleitung erwähnt habe, ist Santiago Sierra vor allem für seine politischen und sozialkritischen Ambitionen in der Kunstwelt berüchtigt. Die spezifische politische Signifikanz seiner Werke ist zugleich das provozierende und kritikträchtigste Element seiner künstlerischen Position.
Bei Santiago Sierra wird der Mensch durch seine Abhängigkeit gegenüber des Arbeitsverhältnisses zur bloßen Ware. Diese Entwicklung begann bei ihm damit, dass er einen Mann mittleren Alters im Mai 1998 dafür bezahlte, sich eine Tätowierung in Form einer senkrechten Linie auf den Rücken stechen zu lassen, der nach eigenen Aussagen keine Tätowierung haben wollte. Was nun hierbei interessiert, ist nicht die Linie als das Sinnbild der modernen Kunst, wie sie durch die Arbeiten von Richard Long oder Walter De Maria zu genüge vorgeführt wurde,[vi] oder den künstlerischen Eingriff ins lebende Fleisch des Menschen, sondern jener Gestus Sierras über den Willen des Menschen hinaus zu verfügen und hierdurch gezielt Fragen nach dem Wert des Menschen im Kontext eines jeden Arbeitsverhältnisses zu stellen. Die Begrifflichkeit der Arbeit beschreibt er in Anlehnung an Marx im folgenden:
“Ein Arbeiter ist ein Mensch, der seine Zeit, seinen Körpfer und seinen Verstand auf dem Markt verkauft, um dafür einen Teil des Gewinns zu erhalten, den seine Arbeit zum Vorteil eines anderen abwirft. Das ist nicht meine Vorstellung von Arbeit, sondern die vernünftig betrachtet einleuchtendste.” [vii]
[...]
[i] vgl.: Mackert/Matt, 2002, S. 32-33 vgl.: Schneider, 2004, S. 38
[ii] vgl.: Schlüter, 2004, S. 91
[iii] vgl.: Mackert/Matt, 2002, S. 50
[iv] vgl.: Schneider, 2004, S. 49
[v] vgl.: Behring, 1998, S. 60-61
[vi] vgl.: Schneider, 2004, S. 28
[vii] zitiert nach: Mackert/Matt, 2002, S. 23
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