Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldete am 9.November 1989 auf ihrer Titelseite: „Die Koalition findet Kompromißformel zu Polens Westgrenze“. Weiter hieß es:
„Der vom Bundestag bei vier Gegenstimmen und 22 Enthaltungen angenommene Antrag bekräftigt: [...] ´Das polnische Volk [..] soll wissen, daß sein Recht in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft von Gebietsansprüchen in Frage gestellt wird.´ [...] In Bonn ist eine Koalitionskrise vor der Reise des Bundeskanzlers nach Polen abgewendet worden...“
Am Abend desselben Tages wurde der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl in Warschau von der Meldung überrascht, dass die DDR-Führung die innerdeutsche Grenze geöffnet habe. Die Dynamik der Entwicklung veranlasste Kohl, den Staatsbesuch am nächsten Tag abzubrechen und nach Berlin zu fliegen.
Das historische Ereignis der Maueröffnung bewirkte zudem, dass die vom Bundestag zuvor behandelte und auch auf seiner Reise angesprochene Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze bald wieder auf der politischen Tagesordnung stehen sollte - diesmal aber im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses. Kein politischer Beobachter hätte es damals für möglich gehalten, dass schon ein Jahr später, im November 1990, ein wiedervereinigtes Deutschland und die Republik Polen die Oder-Neiße-Grenze endgültig und unwiderruflich bestätigten.
So selbstverständlich diese Tatsache uns heute erscheinen mag, die Frage der Grenzanerkennung, war neben der Regelung der militärischen Bündniszugehörigkeit eines wiedervereinigten Deutschlands, das zentrale Problem der internationalen Verhandlungen zur deutschen Einheit. Der Weg zum deutsch-polnischen Grenzvertrag vom November 1990 war von innen- und außenpolitischen Irritationen und Auseinandersetzungen geprägt. Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe den Verlauf der Verhandlungen und die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Staaten darzustellen. Abschließend soll versucht werden, das Verhalten der verschiedenen Akteure, insbesondere das der polnischen Regierung und des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, mit verschiedenen Theoriemodellen der Außenpolitik zu erklären.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Oder-Neiße-Grenze in der deutschen Außenpolitik vor 1989
3 Die Verhandlungen zur Oder-Neiße-Grenze 1989/ 90
3.1 Positionen der Akteure
3.1.1 Bundesrepublik Deutschland
3.1.2 Die DDR
3.1.3 Polen
3.1.4 Die Alliierten
3.2 Das 2+4 – Außenministertreffen in Paris am 17.Juli 1990
3.3 Die Anerkennung der Grenze durch das vereinte Deutschland
4 Analyse
4.1 Realismus und Neorealismus
4.2 Liberalismus
4.3 Konstruktivismus
5 Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldete am 9.November 1989 auf ihrer Titelseite: „Die Koalition findet Kompromißformel zu Polens Westgrenze“. Weiter hieß es:
„Der vom Bundestag bei vier Gegenstimmen und 22 Enthaltungen angenommene Antrag bekräftigt: [...] ´Das polnische Volk [..] soll wissen, daß sein Recht in sicheren Grenzen zu leben, von uns Deutschen weder jetzt noch in Zukunft von Gebietsansprüchen in Frage gestellt wird.´ [...] In Bonn ist eine Koalitionskrise vor der Reise des Bundeskanzlers nach Polen abgewendet worden...“[1]
Am Abend desselben Tages wurde der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl in Warschau von der Meldung überrascht, dass die DDR-Führung die innerdeutsche Grenze geöffnet habe. Die Dynamik der Entwicklung veranlasste Kohl, den Staatsbesuch am nächsten Tag abzubrechen und nach Berlin zu fliegen.
Das historische Ereignis der Maueröffnung bewirkte zudem, dass die vom Bundestag zuvor behandelte und auch auf seiner Reise angesprochene Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze bald wieder auf der politischen Tagesordnung stehen sollte - diesmal aber im Rahmen des deutschen Einigungsprozesses. Kein politischer Beobachter hätte es damals für möglich gehalten, dass schon ein Jahr später, im November 1990, ein wiedervereinigtes Deutschland und die Republik Polen die Oder-Neiße-Grenze endgültig und unwiderruflich bestätigten.[2]
So selbstverständlich diese Tatsache uns heute erscheinen mag, die Frage der Grenzanerkennung, war neben der Regelung der militärischen Bündniszugehörigkeit eines wiedervereinigten Deutschlands, das zentrale Problem der internationalen Verhandlungen zur deutschen Einheit. Der Weg zum deutsch-polnischen Grenzvertrag vom November 1990 war von innen- und außenpolitischen Irritationen und Auseinandersetzungen geprägt. Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe den Verlauf der Verhandlungen und die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Staaten darzustellen. Abschließend soll versucht werden, das Verhalten der verschiedenen Akteure, insbesondere das der polnischen Regierung und des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, mit verschiedenen Theoriemodellen der Außenpolitik zu erklären.
2 Die Frage der Oder-Neiße-Grenze in der deutschen Außenpolitik vor der politischen Wende in Europa 1989
Um die Argumentationen der Akteure in den Jahren 1989/ 90 nachvollziehen zu können, sollen zunächst einige historische Aspekte zur Entstehung der Oder-Neiße-Linie[3] und ihrer Rolle in der deutschen Außenpolitik vor 1989 dargestellt werden.
Das Potsdamer Abkommen vom 2.August 1945 bestimmte in Kap. IX:
„..., daß bis zur endgültigen Festsetzung der Westgrenze Polens die früheren deutschen Gebiete östlich einer Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, ... der Verwaltung des polnischen Staates unterstellt werden.[...] Die drei Regierungschef bekräftigen ihre Auffassung, dass die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zur Friedensregelung zurückgestellt werden soll.“[4]
Dennoch ging die kommunistische Regierung Polens bald dazu über, diese in Potsdam ausgesprochene vorläufige Verwaltungshoheit als endgültige Übertragung territorialer Souveränität zu betrachten. Dies geschah auch auf Drängen der Sowjetunion, die ihren in Potsdam erzielten Gebietsgewinn im Osten Polens zementieren wollte und auch die Regierung der DDR gezwungen hatte, ihren Gebietsverlust zu akzeptieren. So bekannte sich das SED-Regime im Februar 1950 zur Oder-Neiße-Linie, als einer „Friedensgrenze“ mit Polen und erteilte allen Revisionsforderungen, auch aus den eigenen SED-Reihen[5], eine Absage. Im Juli 1950 erfolgte im Görlitzer Abkommen zwischen Polen und der DDR die formelle Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze.[6]
[...]
[1] Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 09.November 1989 (Nr.261), S.1f.
[2] Vollständiger Vertragstext in: Jacobsen, Dokumente, S.544 f.
[3] Die ausführlichste Darstellung hierzu ist von Lilge, Carsten: Die Entstehung der Oder-Neiße-Linie als Nebenprodukt alliierter Großmachtpolitik während des Zweiten Weltkrieges, Frankfurt/M. u.a. 1995.
[4] Zitiert nach Jacobsen, Dokumente, S.66. Für die folgende Darstellung vgl. Blumenwitz, S.517-519.
[5] Ausführlich hierzu: Malycha, Andreas: „Wir haben erkannt, dass die Oder-Neiße-Grenze die Friedensgrenze ist“. Die SED und die neue Ostgrenze 1945 bis 1951, in: Deutschland-Archiv 2/ 2000, S.193-207.
[6] Vollständiger Vertragstext in: Jacobsen, Dokumente, S.72 f.
- Citar trabajo
- René Schlott (Autor), 2002, Die Frage der endgültigen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze in den internationalen Verhandlungen zur deutschen Einheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12965
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