Bereits in den siebziger Jahren begann Schweden als erstes europäisches Land, seine Sozialpolitik zugunsten mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auszurichten. Als Resultat dessen gilt Schweden heute in der Forschung als Musterbeispiel eines so genannten „schwachen Ernährermodells“. Das Gegenstück dazu, das „starke Ernährermodell“, wird unter anderem von Deutschland verkörpert.
Ausgangspunkt für diese Klassifizierung bildet die wohlfahrtsstaatliche Sozialpolitik, die in ihrer Gestaltung qualitativ variieren kann. So sorgt sie dafür, dass die geschlechterspezifische Arbeitsteilung im starken Modell gefestigt oder im schwachen Modell verringert wird.
Das Konzept der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung wiederum beruht zumeist auf einem traditionellen Leitbild, welches Frauen primär die unbezahlte Reproduktions- und Sorgearbeit und Männern die marktvermittelte Lohnarbeit zuweist. Eine derartige Arbeitsteilung ist ein Grund, weshalb es zum Auftreten von Geschlechterungleichheit kommt.
Im Zentrum dieser Arbeit soll nun die Überlegung stehen, inwiefern es möglich ist, durch Übertragung bestimmter sozialpolitischer Elemente eines schwachen auf ein starkes Ernährermodell, im starken Modell mehr Gleichberechtigung zu erzielen.
Da ein wichtiges Element in der Vermittlung zwischen Familie und Beruf die Elternzeit- und Erziehungsgeldregelung ist, erscheint es interessant, den Umgang Schwedens (als Beispiel eines schwachen Ernährermodells) dem Umgang Deutschlands mit dieser Problematik (als Beispiel eines starken Ernährermodells) gegenüberzustellen.
Im Folgenden werden zunächst in einem kurzen Abriss die Grundzüge der beiden Modelle erläutert. Anschließend wird die konkrete Ausgestaltung der Elternzeit- und Erziehungsgeldregelung in Deutschland betrachtet, bevor diese der schwedischen Elternversicherung gegenübergestellt wird. Danach wird der Vergleich nach ausgewählten Kriterien fortgesetzt. Bevor aus der Auswertung des Vergleichs Schlussfolgerungen für Deutschland gezogen werden, wird darüber diskutiert, inwiefern der Staat überhaupt Möglichkeiten bietet, durch Gesetze in die individuelle Lebensgestaltung seiner Bürger einzugreifen und diese zu regulieren.
Gliederung
1 Einleitung
2 Erläuterungen zur Klassifizierung des „Männlichen Ernährermodells“
3 Vergleich von Elternzeit und Erziehungsgeld im starken und schwachen Ernährermodell am Beispiel Deutschlands und Schwedens
3.1 Ausgestaltung der Elternzeit und des Erziehungsgeldes
3.1.1 Deutschland – Beispiel eines starken Ernährermodells
3.1.2 Schweden – Beispiel eines schwachen Ernährermodells
3.2 Vergleich nach ausgesuchten Kriterien
3.2.1 Väterbeteiligung und Arbeitsteilung
3.2.2 Frauenerwerbsquote
3.2.3 Geburtenrate
3.2.4 Geldleistungen contra Dienstleistungen
3.2.5 Leitbilder
4 Theoretisches zur Arbeitsteilung
5 Ableitungen für Deutschland
6 Fazit
7 Literatur
1 Einleitung
Bereits in den siebziger Jahren begann Schweden als erstes europäisches Land, seine Sozialpolitik zugunsten mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern auszurichten. Als Resultat dessen gilt Schweden heute in der Forschung als Musterbeispiel eines so genannten „schwachen Ernährermodells“. Das Gegenstück dazu, das „starke Ernährermodell“, wird unter anderem von Deutschland verkörpert.1
Ausgangspunkt für diese Klassifizierung bildet die wohlfahrtsstaatliche Sozialpolitik, die in ihrer Gestaltung qualitativ variieren kann. So sorgt sie dafür, dass die geschlechterspezifische Arbeitsteilung im starken Modell gefestigt oder im schwachen Modell verringert wird.2
Das Konzept der geschlechterspezifischen Arbeitsteilung wiederum beruht zumeist auf einem traditionellen Leitbild, welches Frauen primär die unbezahlte Reproduktions- und Sorgearbeit und Männern die marktvermittelte Lohnarbeit zuweist.3 Eine derartige Arbeitsteilung ist ein Grund, weshalb es zum Auftreten von Geschlechterungleichheit kommt.
Im Zentrum dieser Arbeit soll nun die Überlegung stehen, inwiefern es möglich ist, durch Übertragung bestimmter sozialpolitischer Elemente eines schwachen auf ein starkes Ernährermodell, im starken Modell mehr Gleichberechtigung zu erzielen.
Da ein wichtiges Element in der Vermittlung zwischen Familie und Beruf die Elternzeit-und Erziehungsgeldregelung4 ist, erscheint es interessant, den Umgang Schwedens (als Beispiel eines schwachen Ernährermodells) dem Umgang Deutschlands mit dieser Problematik (als Beispiel eines starken Ernährermodells) gegenüberzustellen.
Im Folgenden werden zunächst in einem kurzen Abriss die Grundzüge der beiden Modelle erläutert. Anschließend wird die konkrete Ausgestaltung der Elternzeit- und Erziehungsgeldregelung in Deutschland betrachtet, bevor diese der schwedischen Elternversicherung gegenübergestellt wird. Danach wird der Vergleich nach ausgewählten Kriterien fortgesetzt. Bevor aus der Auswertung des Vergleichs Schlussfolgerungen für Deutschland gezogen werden, wird darüber diskutiert, inwiefern der Staat überhaupt Möglichkeiten bietet, durch Gesetze in die individuelle Lebensgestaltung seiner Bürger einzugreifen und diese zu regulieren.
2 Erläuterungen zur Klassifizierung des „Männlichen Ernährermodells“
Bei der Betrachtung von Wohlfahrtsstaaten fällt auf, dass die Geschlechterspezifik in verschiedenen Ländern auf unterschiedliche Weise ausgeprägt ist.5
Aus diesen länderspezifischen Unterschieden leitet sich die Dreiteilung in starkes, moderates und schwaches Ernährermodell ab, die Jane Lewis und Ilona Ostner Anfang der neunziger Jahre vornahmen.6
Um die Unterschiede zwischen den Modellen besser herausarbeiten zu können, wird in dieser Arbeit das „moderate Ernährermodell“7, welches einen Mittelweg bildet, vernachlässigt und lediglich das starke mit dem schwachen verglichen.
Die Grundlage für diese Einteilung bildet das so genannte „männliche Ernährermodell“, welches – ganz allgemein – eine Sozialordnung bezeichnet, in der Männer als Erwerbstätige mit entsprechenden Sozialleistungen ausgestattet sind und den Lebensunterhalt der von ihnen abhängigen Frauen gewährleisten. Die Frauen verrichten hingegen die private und unbezahlte Erziehungs- und Hausarbeit.8
In Reinform existiert das männliche Ernährermodell jedoch nicht. – Für Lewis und Ostner ist es deshalb zur „Folie einer Länderklassifizierung“ geworden, im Zuge derer untersucht wird, wie weit sich Wohlfahrtsstaaten vom männlichen Ernährermodell entfernt haben. Als Kriterien zur Beurteilung der Ländervariation dienen Ausmaß der Frauen- und Müttererwerbstätigkeit, Vorhandensein öffentlicher Betreuungsleistungen und Ausgestaltung sozialer Sicherung von Frauen als primär eigenständige oder abgeleitete Leistungen.9
Gemäß diesen Betrachtungen entspricht Deutschland, zusammen mit Irland, Großbritannien und den Niederlanden, dem starken Ernährermodell. Für diesen Typ ist charakteristisch, dass eine niedrige Erwerbsbeteiligung von Müttern herrscht, diskontinuierliche Erwerbsbeteiligung von Frauen insgesamt10, dass Frauen in hohem Maße auf abgeleitete Sozialleistungen angewiesen sind, sowie dass Fürsorge primär als von Frauen privat zu erbringende Arbeit betrachtet wird.11
Die nordischen Länder, insbesondere Schweden, Finnland und Dänemark, repräsentieren ein schwaches männliches Ernährermodell. Das heißt, Frauen weisen hohe Erwerbsquoten auf, die gleichzeitig wenig zwischen Frauen mit Kindern und Frauen ohne Kinder differieren. Auch gehen die Sicherungssysteme von einem geschlechtslosen „Erwerbs-Eltern-Bürger“ aus. Abgeleitete Sicherungselemente wie Witwenrente und private Unterhaltspflichten sind weitgehend abgeschafft, und Erziehungsarbeit wird von umfassenden Sozialleistungen flankiert, die die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie sowie die Aufteilung der Erziehungstätigkeit zwischen Müttern und Vätern fördern.12
Als Beispiel dafür ist das in Schweden bereits 1974 eingeführte geschlechtsneutrale Erziehungsgeld zu nennen, dessen Ausgestaltung im Folgenden vorgestellt wird. – Zuvor erfolgt ein Blick auf die deutschen Verhältnisse.
3 Vergleich von Elternzeit und Erziehungsgeld im starken und schwachen Ernährermodell am Beispiel Deutschlands und Schwedens
3.1 Ausgestaltung der Elternzeit und des Erziehungsgeldes
3.1.1 Deutschland – Beispiel eines starken Ernährermodells
Für knapp 86 % aller Haushalte13 besteht zur Zeit in Deutschland ein Anspruch auf Elternzeit (den früheren „Erziehungsurlaub“). Dieser gilt für jeden Elternteil, ist zur Betreuung und Erziehung des Kindes gedacht und dauert bis zur Vollendung dessen dritten Lebensjahres.14
Dass dieser Anspruch von beiden Eltern gleichzeitig genutzt werden kann, ist eine Neuerung15, die zum 1. Januar 2001 in Kraft trat. Zuvor musste sich das Elternpaar entschieden, wer von den beiden die Elternzeit nimmt.16
Elternzeit ist ein Anspruch seitens des/der Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin gegenüber dem/der Arbeitgeber/in. Während der Elternzeit ruhen die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis selbst aber bleibt bestehen, so dass die Arbeitnehmer/innen nach Ablauf der Elternzeit einen Anspruch auf Rückkehr zum ursprünglichen bzw. zu einem vergleichbaren Arbeitsplatz besitzen.17
Im Zuge der Reformen wurde auch die zulässige wöchentliche Arbeitszeit während der Elternzeit von ehemals 19 auf nunmehr 30 Stunden erhöht. In Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern besteht außerdem ein Rechtsanspruch für die Eltern, eine Teilzeitbeschäftigung mit 15 bis 30 Wochenstunden während der Elternzeit einzufordern. Ein vergleichbarer Rechtsanspruch bestand vor dem 1. Januar 2001 nicht. Auch ist es nun möglich, mit Zustimmung des Arbeitgebers bis zu zwölf Monate der Elternzeit auf den Zeitraum zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes zu übertragen („Flexible 12 Monate“).18
Für eine Zeit von bis zu zwei Jahren wird den Berechtigten ein Erziehungsgeld gewährt. Dieses ist eine steuerfinanzierte, einkommensabhängige Familienleistung für Eltern, die ihr Kind, das das zweite Lebensjahr noch nicht vollendet hat, betreuen und nicht mehr als 30 Stunden erwerbstätig sind. Der Regelbetrag beträgt bis zu 300 Euro monatlich, wobei für dessen Festlegung Einkommensgrenzen gelten.19
Um den individuellen Bedürfnissen und Lebenssituationen der Familien Rechnung zu tragen, gibt es des Weiteren die Möglichkeit, das Erziehungsgeld auf ein Jahr zu befristen. Diese Variante wird „Budget-Angebot“ genannt und beinhaltet ein monatliches Erziehungsgeld von maximal 450 Euro bis zum ersten Geburtstag des Kindes (anstelle von 300 Euro monatlich bis zum zweiten Geburtstag).20
[...]
1 Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime im internationalen Vergleich, 2005, in: www.gender-politik-online.de, S. 7.
2 Vgl. Sainsbury, Diane (Hrsg.): Gendering Welfare States, London 1994, zitiert nach: Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime im internationalen Vergleich, 2005, in: www.gender-politik-online.de, S. 7.
3 Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime, S. 3.
4 In Deutschland werden die Bezeichnungen „Elternzeit“ und „Erziehungsgeld“ gebraucht. In Schweden spricht man hingegen von „Elternurlaub“ und „Elterngeld“ – meint aber prinzipiell dasselbe, weshalb die Worte in dieser Arbeit synonym verwendet werden.
5 Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime, S. 4.
6 Vgl. Lewis, Jane / Ostner, Ilona: Gender and the evolution of European Social Policies, Zentrum für Sozialpolitik Bremen, Arbeitspapier Nr. 4, 1994, zitiert nach: Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime im internationalen Vergleich, 2005, in: www.gender-politik-online.de, S. 8.
7 Der moderate Typ wird von Frankreich und Belgien verkörpert. In diesen Ländern herrscht eine relativ hohe Müttererwerbsquote. Des Weiteren sind Transferleistungen familialisiert und zielen nicht auf Umverteilung der Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen.
8 Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime, S. 8.
9 Lewis, Jane / Ostner, Ilona: Gender, zitiert nach Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime, S. 8.
10 Bei der Klassifizierung bezieht sich die Forschung vorwiegend auf die Bundesländer des ehemaligen West-Deutschland.
11 Kulawik, Teresa: Wohlfahrtsstaaten und Geschlechterregime, S. 8.
12 Ebd.
13 empirica: Studie zu den Auswirkungen der Neuregelungen der Elternzeit gemäß §§ 15 und 16 Bundeserziehungsgeldgesetz – Gesamtergebnis in Kürze, 2004, S. 2.
14 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (Bundeserziehungsgeldgesetz), in: http://www.bmfsfj.de/kategorien/gesetze,did=3262.html – Download am 7. Juni 2005.
15 Bundeserziehungsgeldgesetz, §§ 15 und 16.
16 empirica: Studie zu den Auswirkungen der Neuregelungen der Elternzeit, S. 1.
17 BMFSFJ: Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit
18 empirica: Studie zu den Auswirkungen der Neuregelungen der Elternzeit, S. 1.
19 BMFSFJ: Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit
20 Ebd.
- Quote paper
- Anonymous,, 2005, Vereinbarkeit von Beruf und Familie im starken und schwachen Ernährermodell , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129533
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