Die vorliegende Arbeit mit dem Titel "Die weiblichen Charaktere in Erich Kästners 'Emil und die Detektive' und 'Pünktchen und Anton'“ beschäftigt sich mit der Darstellung von Mädchen und Frauen in Kästners Kinderromanen. Bei der Untersuchung wurden insbesondere die Rolle von Pony Hütchen und Pünktchen beachtet.
Der Hauptteil dieser Hausarbeit behandelt die Frage warum Kästner in seinen Erzählungen das Gewicht auf weibliche Charaktere legt und welche Vorstellungen und Ideen dahinter stecken.
Gliederung:
1. Einleitung
2. Pony Hütchen und Pünktchen im Vergleich
2.1. Pony Hütchen
2.2. Pünktchen
3. Geschlechterrollen bei den kindlichen Charakteren
3.1 Das Ideal eines Mädchens
3.2. Jungen und Mädchen im Vergleich
4. Frauenfiguren als Identifikationsangebote?
4.1. „Emil und die Detektive“
4.2. „Pünktchen und Anton“
5. Kästners „Blick auf die Frauenwelt“
6. Die beiden Großstadtromane: Mädchen- oder Jungenbücher?
7. Zusammenfassung
8. Literaturangaben
1. Einleitung
Kästner versucht die Aufmerksamkeit in den Erzählungen „Emil und die Detektive“ (1929) und „Pünktchen und Anton“ (1930) auf die männlichen Hauptfiguren zu lenken, der Einfluss und die Bedeutung der weiblichen Charaktere lässt sich jedoch nicht bestreiten. Bezeichnend ist vor allem das Mutter-Sohn-Verhältnis der beiden Jungen, Emil und Anton, mit Frau Tischbein und Frau Gast. Auch Pony Hütchens und Antons Großmutter sowie Pünktchens Kindermädchen sind wichtige Personen für die Handlung, die Kästner sehr genau definiert hat. In „Pünktchen und Anton“ ist das Mädchen wichtig genug um im Titel genannt zu werden. Die Männer und Jungen in den Erzählungen scheinen eher farblos im Hintergrund zu agieren. Ob und warum Kästner in seinen Erzählungen das Gewicht auf weibliche Charaktere legt und welche Vorstellungen und Ideen dahinter stecken, wird im Folgenden untersucht.
2. Pony Hütchen und Pünktchen im Vergleich
Die beiden weiblichen (kindlichen) Figuren sind beide in die Handlung involviert. Während Pony Hütchen jedoch mehr im Hintergrund agiert, nimmt Pünktchen die Handlung selbst in die Hand und tritt in den Vordergrund.
2.1. Pony Hütchen
Pony Hütchen wächst wohlbehütet in einer gut situierten Familie auf. Sie ist ein Großstadtmädchen mit wenig Verpflichtungen und der Freiheit eines eigenen Fahrrads. Sie ist selbstbewusst, aufgeweckt, keck und kokett. Zudem ist sie jedoch auch sehr verantwortungsbewusst und achtet beispielsweise gut darauf immer pünktlich zu Hause zu sein. Auch hat sie sehr weibliche Züge und ist stolz darauf, so steht sie „wie eine Schönheitskönigin“ vor den Jungen, die ihr mit offenem Mund hinterher schauen[1]. Sie genießt die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wird und reagiert enttäuscht, als sie nicht mehr im Mittelpunkt steht: „So plauderten sie und waren denkbar guter Laune. Die Jungen benahmen sich äußerst aufmerksam. Der Professor hielt Ponys Rad. Krummbiegel ging, die Thermosflasche und die Tasse ausspülen. …“.[2] „Sie liefen, rannten und stolperten durchs Tor. Pony Hütchen blieb, etwas beleidigt, allein zurück.“[3]
Auch betont sie immer wieder, welche Pflichten „wir Frauen“ haben: „Und Pony Hütchen (…) trug eine Schürze von ihrer Mutter und quiekte: Vorsicht! Ich habe nasse Hände. Ich wasche nämlich Geschirr ab. Wir armen Frauen!“.[4] Sie betätigt sich als eine Art mütterliche Sekretärin für die Jungen: Sie übermittelt Botschaften und versorgt die jungen Detektive mit Kaffee und Brötchen. Im Haushalt hilft sie viel mit und als alle Probleme gelöst sind, mokiert sie sich über „Jungs“. Obwohl sie erst relativ spät und nur zu einem geringen Teil eine Rolle in der Erzählung spielt, sorgen ihr Charakter und ihr Geschlecht dafür, dass sie hervorsticht.
Dennoch erzählt Kästner nicht viel zu ihrer Person. Während er in der „Vorstellungsrunde“ am Anfang der Erzählung zu anderen Charakteren einiges zu berichten weiß, hält er sich bei Pony Hütchen mit Geplänkel über die Bezeichnung „Cousine“ und „Base“ auf. Dann erklärt er die Verwandtschaftsverhältnisse und das „Pony Hütchen“ ein Spitzname ist. Über das Mädchen selbst hat der Leser damit nichts erfahren.
2.2. Pünktchen
Pünktchen kommt aus einem reichen Elternhaus. Ihre Eltern beschäftigen ein Kindermädchen, einen Chauffeur und eine Köchin, sie kümmern sich nicht viel um ihr Kind. Der Vater arbeitet viel, die Mutter ist mehr mit sich selbst beschäftigt[5] als mit dem Mädchen. Trotzdem ist Pünktchen glücklich und aufgeweckt. Das Mädchen genießt seine Freiheit und scheint trotz des Luxus mit dem sie aufwächst, auch Freude an kleinen Dingen zu haben. Sie ist weder zickig, noch selbstbezogen, wie man es aufgrund ihrer Herkunft und ihres Daseins als Einzelkind erwarten könnte, sondern steht für ihren Freund Anton ein. In ihr drückt sich Kästners idyllisches Bild des Zusammenlebens und vorbehaltlosen Umgangs unterschiedlicher Bevölkerungsschichten (Arm und Reich) miteinander aus. Dieses Ideal, dass sich durch seine Bücher zieht, hatte dem Autor unter anderem die Kritik eingebracht er schriebe „sozialversöhnlerische Kindergeschichten“[6].
Pünktchen spielt gerne „Theater“, sie probt nicht nur ihren „Auftritt“ als Bettlerin sorgfältig, sondern sie kopiert auch das Verhalten und die Äußerungen von Erwachsenen und gibt altkluge Bemerkungen von sich. Sie ist kein „typisches“ Mädchen, wie sie in der Literatur der Weimarer Republik oft beschrieben werden: Durch ihre „freie Erziehung“ ist sie weder ein zukünftiges Hausmütterchen, noch ein Mädchen, von dem man erwartet, dass es einmal wird, wie seine Mutter.
3. Geschlechterrollen bei den kindlichen Charakteren
Mädchen und Jungen unterscheiden sich in den beiden Erzählungen durch mehr als „typische“ geschlechtsspezifische Merkmale und Eigenschaften. Hinter den unterschiedlichen Personen, die Kästner entworfen hat, stecken bestimmte Vorstellungen von Idealen und von Erziehung.
3.1 Das Ideal eines Mädchens
Die Mädchen in den beiden Erzählungen sind klug, aufgeweckt und eigenständig, und so scheinen sie Kästner am liebsten zu sein. Angesichts der Schlagfertigkeit und Keckheit Pony Hütchens bleibt sogar den Jungen der „Detektiv-Bande“ der Mund offen stehen.[7] Auch den Erwachsenen entgeht nicht, was für eine außergewöhnliche Person sie in Pünktchen vor sich haben: „Herr Bremser stand still. Die anderen Lehrer lauschten. Pünktchen war in voller Fahrt.“[8]
Beide Mädchen sind gut erzogen. Im Fall von Pony ist die Rollenzuweisung als Mädchen jedoch um einiges deutlicher als bei Pünktchen. Während Pünktchen keine Ahnung von Hausarbeit und traditionell „weiblichen“ Arbeiten hat, ist Pony stolz darauf eine kleine Dame und Hausfrau zu sein. Auch wenn das Ende der Erzählung „Pünktchen und Anton“ vermuten lässt, das es mit Pünktchens großer Freiheit vorbei ist, durchläuft sie dennoch nicht eine Wandlung zur „gesellschaftsfähigen jungen Dame“. In diesem Punkt ist das Mädchen emanzipierter als ihre „Vorgängerin“ Pony.
Pünktchen und Pony sind beide wild und aufgedreht und haben viel Phantasie, die sie gerne ausleben: „‚Hurra!’, rief Pony Hütchen und ritt mit ihrem Stuhl ins Schlafzimmer“[9]. Auch Pünktchen stimmt sich ganz auf ihre Rolle als arme Bettlerin ein: „ ‚Mutter ist völlig erblindet und noch so jung.’ “.[10] Beide Mädchen sind neugierig und lieben das Abenteuer. So wie Pünktchen Spaß am nächtlichen Aus-dem-Haus schleichen und dem Betteln hat, so genießt es auch Pony Teil der Verbrecherjagd zu sein: „‚Ich fahre rasch nach Hause und erzähle dort das ganze Theater’.“[11], „‚Also, Emil, du Rabe’, sagte sie, ‚kommt nach Berlin und dreht gleich ’nen Film’.“.[12] Für sie ist das, was für Emil einer ernsthafte Angelegenheit ist, ein großer Spaß: „Pony Hütchen rief noch: ‚Wisst ihr, wie ihr ausseht? Wie ein großer Schulausflug!’ Dann bog sie, heftig klingelnd, um die Ecke.“[13]
Auch Pünktchen betrachtet ihre nächtliche Bettlerei als großen Spaß und als Abenteuer und macht sich keine ernsthaften Gedanken. Dafür wird sie von Kästner in seinen „Nachdenkereien“ getadelt: „Pünktchen lügt, und das ist sehr unanständig. Wir wollen hoffen, dass sie sich, durch ihre Erlebnisse belehrt, bessert und das Lügen künftig bleiben lässt.“[14]
Was Kästner sich also wünscht sind gut erzogene Mädchen (Kinder), die ehrlich und respektvoll sind. Man soll ihnen jedoch auch ihre Freiheiten lassen, so dass sie ihre Kreativität ausleben können. Die Erziehung zu einer gesellschaftsfähigen Dame scheint für Kästner nicht wichtig. Die Mädchen sollen sich ausleben können wie Jungen auch, dass die Interessen dabei unterschiedlich sein können, ist jedoch natürlich.
Die Realität der Mädchen in der Weimarer Republik (19919 – 1933) sah weniger frei aus, „Hauptziel“ eines Frauenlebens war, wie sich auch anhand der weiblichen Charaktere bei Kästner zeigt, eine Heirat und die Gründung einer Familien. An Romanen wie der „Nesthäkchen“-Reihe (1913 – 1925) von Else Ury zeigt sich, welches Leben für Mädchen in der Mädchenliteratur der Zeit vorgezeichnet war. In Literatur für Jungen spielten Mädchen wiederum keine große Rolle, sie waren entweder nicht existent oder sie blieben farblos und undefiniert. Kästner zeichnet vor allem mit seiner Gestaltung von Pünktchen eine neue Generation von Frauen. Genau wie Pünktchens Vater, so scheint es, wünscht er sich ein Mädchen, das anders wird als die jungen Frauen vorhergehender Generationen.
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[1] Erich Kästner: Emil und die Detektive. Cecilie Dressler Verlag, 151. Auflage. Hamburg 2006., Seite 106
[2] Emil und die Detektive, Seite 123
[3] Emil und die Detektive. Seite 124
[4] Emil und die Detektive. Seite 152
[5] Erich Kästner: Pünktchen und Anton. Lizenzausgabe der Süddeutschen Zeitung GmbH, München (für die Süddeutsche Junge Bibliothek 2005), Ulm 2005, Seite 18
[6] Reiner Wild (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur, J.B. Metzler Verlag, 2. Auflage, Ulm 2002, Seite 252
[7] Emil und die Detektive, Seite 106
[8] Pünktchen und Anton, Seite 82
[9] Emil und die Detektive, Seite 171
[10] Pünktchen und Anton, Seite 64
[11] Emil und die Detektive. Seite 135
[12] Emil und die Detektive, Seite 105
[13] Emil und die Detektive. Seite 135
[14] Pünktchen und Anton, Seite 109
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