Als Begründer der Laryngaltheorie gilt FERDINAND DE SAUSSURE Durch die Forschung ALBERT CUNYS gelangte sie 1912 nahezu auf den heutigen Stand. Die Theorie setzt drei uridg. Konsonanten an, die aus forschungsgeschichtlichen Gründen als Laryngale bezeichnet werden. Sie konnten in den idg. Einzelsprachen zunächst nicht als erhaltene Laute identifiziert werden. Dies änderte sich 1914 mit der Entdeckung des He-thitischen ḫ, das im Hethitischen als Fortsetzer des rekonstruierten Laryngals *h2 angenom-men werden konnte. Mit dieser Erkenntnis wurde die bis dahin noch unbewiesenen Theorie im Nachhinein bestätigt.
Über die phonematische Bestimmung der Laryngale herrscht noch keine Einigkeit, auch nicht über ihre Anzahl. Sehr häufig sprechen sich Forscher für eine Laryngaltrias aus. Doch nicht selten werden auch Mono- und Poly-Laryngalsysteme vertreten (vgl. Szmerényi 1989: 132). Laryngale bewirken je nach Stellung im Wort eine Veränderung ihrer lautlichen Umgebung. Diese Wirkung ist sehr vielseitig und reicht von Vokalisierung und Aspiration bis hin zu Dehnung und Umfärbung der sie umgebenen Laute (vgl. Meier_Brügger 2002: 103 ff.). Der Wert der Laryngaltheorie zeigt sich vor allem bei der systematischen Rekonstruktion der
uridg. Morphemstrukturen und des uridg. Ablauts (vgl. Tichy 2000: 34).
INHALT
1. Einleitung
2. Das Lautinventar der indogermanischen Grundsprache
3. Die Laryngaltheorie
3.1. Begriff und Symbolik
3.2. Die Geschichte der Laryngaltheorie
3.3. Der indogermanische Vokalismus aus Sicht der Laryngaltheorie
3.4. Die phonetische Natur der Laryngale
3.5. Das Grundprinzip der Laryngaltheorie
3.6. Die Anzahl der Laryngale in der indogermanischen Grundsprache
3.7. Die Auswirkungen von urindogermanisch *h1 *h2 und *h3 auf indogermanische Einzelsprachen und ihre Vorstufen
3.8. Hethitisch ḫ
4. Der urindogermanische Ablaut aus der Perspektive der Laryngaltheorie
5. Zusammenfassung und Ausblick
LITERATUR
1. Einleitung
Ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt der historisch vergleichenden Sprachwissenschaft ist die Analyse genetischer Sprachbeziehungen. Auf diese Weise können Sprachen hinsichtlich diachronisch-historischer Gesichtspunkte klassifiziert werden (vgl. Hutterer 1999: 11). Den ersten wissenschaftlichen Nachweis für die genetische Verwandtschaft der indogermanischen Sprachen konnte FRANZ BOPP (1791-1867) erbringen, indem er Flexionsendungen der verschiedenen Einzelsprachen verglich und dabei auf Gemeinsamkeiten stieß. Seither gilt er als der Begründer der vergleichenden Indogermanistik (ebd.). Das Ergebnis dieser vergleichenden Methode war die Zusammenfassung genetisch verwandter Sprachen unter den Begriff indogermanische Sprachfamilie (ebd.). Damit verbunden war die Erkenntnis, dass die indogermanischen Sprachen auf eine gemeinsame Grundlage zurückgeführt werden können (ebd.: 12). Die moderne Forschung geht dabei aus von einer „(…) indogermanische[n] Grundsprache, die als Beziehungsbasis verwendet wird (…)“ (Hutterer 1999: 30; Hervorhebungen im Original). Dieses Bezugssystem kann die tatsächliche dialektale Vielfalt der damaligen Sprache nicht widerspiegeln. Sie bleibt ein abstraktes Konstrukt, mit deren Hilfe neu erschlossene indogermanische Sprachen in ihre Familien eingeordnet werden können.
Die Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache schließt die Rekonstruktion des urindogermanischen Lautsystems, den „Archetypen“ der Laute der modernen idg. Sprachen mit ein (Hutterer 1999: 32). Die Erforschung des uridg. Lautsystems verlief dabei auf vielen Um- und Irrwegen. Nach Einbezug des Hethitischen und des Tocharischen in die indogermanistische Sprachfamilie im 20. Jahrhundert, hat sich der Umfang des Ausgangsmaterials für die Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache stark vergrößert (ebd.). Seitdem beschäftigen sich indogermanistische Sprachforscher eingehend mit theoretischen Fragestellungen. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei einer revolutionären Theorie FERDINAND DE SAUSSURES zu, mit der er 1879 das gesamte indogermanische Vokalsystem auf den Kopf stellte. Diese Theorie, die erst später unter dem Namen Laryngaltheorie in die indogermanistische Sprachwissenschaft einging, legte nämlich jeder urindogermanischen Wurzel nur einen einzigen Vokal (- e -) zugrunde (vgl. Tichy 2000: 34). Fortan wurden DE SAUSSURES Gedanken von Sprachwissenschaftlern kontrovers diskutiert und weiterentwickelt.
Diese Entwicklung aufzuzeigen ist ein Anliegen des dritten Kapitels dieser Arbeit. Ihm steht ein knapper Überblick über das urindogermanische Lautsystem im zweiten Kapitel voran. Im dritten Kapitel steht die Theorie DE SAUSSURES selbst im Vordergrund. Dabei werden die Entwicklungsgeschichte, das Grundprinzip der Laryngaltheorie und ihre Auswirkungen auf wesentliche indogermanische Sprachen vorgestellt. Das hethitisch ḫ spielte eine bedeutende Rolle bei der Konstituierung DE SAUSSURES rein theoretischer Überlegungen zu einer materiell nachweisbaren Theorie. Dieser anatolische Laut ist daher ebenfalls Gegenstand des dritten Kapitels. Die Revolution des urindogermanischen Vokalsystems verändert auch die bisherigen Überlegungen zur Wirkungsweise des urindogermanischen Ablauts. Das vierte Kapitel beschäftigt sich deshalb mit dem urindogermanischen Ablaut aus der Perspektive der Laryngaltheorie. Die Kernaussagen dieser Arbeit werden im fünften Kapitel zusammengefasst, dass mit einem kurzen Ausblick abschließt.
2. Das Lautinventar der indogermanischen Grundsprache
„Die Einheit der Auffassungen zur indogermanischen Lautlehre, die im 19. Jahrhundert nach Kämpfen und Umwälzungen (FRITZ BECHTELS Buch von 1892 beschreibt sie) einen vorläufigen Haltepunkt erlangt zu haben schienen - sie ist noch nicht erreicht.“
(Mayrhofer 2004: 54)
Dieses Zitat MANFRED MAYRHOFERS beschreibt den Forschungsstand zum Phonem- und Lautinventar der idg. Grundsprache. Es verdeutlicht, wie schwer sich die Suche nach einem einheitlichen System erweist. Bis heute existieren viele verschiedene Modelle parallel.
Das Lautsystem der idg. Grundsprache wird durch die Auswertung idg. Wortgleichungen rekonstruiert. Zwei Vorgangsweisen sind dabei sehr hilfreich: a) das Prinzip der Lautgesetzlichkeit und b) das Prinzip der artikulatorischen Nähe, bei dem Laute ausgewählt werden, die ihren einzelsprachlichen Entsprechungen so ähnlich wie möglich sind (vgl. Mayrhofer 2004: 54.)
TICHY (2000) gibt einen Überblick über das uridg. Lautinventar, das zwar nicht unbestritten ist, aber zum Verständnis der vorliegenden Arbeit genügt (Tichy 2000: 25f.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Die Laryngaltheorie
Im Folgenden werden die Entwicklungsgeschichte der Laryngaltheorie sowie das zugrunde liegende Prinzip und wichtige durch sie erzielte Forschungsergebnisse vorgestellt.
3.1. Begriff und Symbolik
Laryngale bezeichnen drei uridg. Phoneme, genauer Konsonanten der idg. Grundsprache, die so genannten Engellaute (vgl. Meier-Brügger 2002: 106). Die Bezeichnung der Konsonanten als Laryngale liegt in ihrer Forschungsgeschichte begründet (vgl. Meier-Brügger 2002: 106). In der heutigen Forschung werden die Laryngale durch die Konsonanten *h1 *h2 und *h3 vertreten. Wenn nur ein h-Charakter, nicht aber die konkrete Zuordnung zu * h1, *h2 und *h3 rekonstruiert werden kann, wird das Cover-Symbol H verwendet (vgl. Meier-Brügger 2002: 106).
3.2. Die Geschichte der Laryngaltheorie
FERDINAND DE SAUSSURE gilt als Begründer der Laryngaltheorie, nachdem er das indogermanische Vokalsystem in seinem Buch „Mèmoire sur le système primitif des voyelles dans les langues indo-europèennes“ (Leipzig 1879) eingehend untersuchte (vgl. Szmerényi 1990: 128). Durch seine Analysen veränderte DE SAUSSURE das Bild des ältesten idg. Vokalismus (ebd.). Seine Ergebnisse bilden die Basis für die heutige Laryngaltheorie. Dabei geht die Bezeichnung Laryngal auf den den Dänen Hermann Möller zurück (ebd.).
In seinem Mèmoire geht er davon aus, dass idg. *ē, *ā, *ō ursprünglich Diphtonge waren, die später monophtongiert wurden. Er konnte feststellen, dass „Überall da, wo andere Verbalwurzeln Normalstufe haben (d.h. *a1i, *a1u, a1r, a1n usw.; *a1= Brugmanns *e), weisen z.B. Wurzeln vom Typus gr. stā- „stehen“ einen langen Vokal auf.“ (Lindemann 1970: 19). DE SAUSSURE schlussfolgerte daraus, dass die auf Langvokal endenden Wurzeln (*stā) ursprünglich diphtongische Wurzeln gewesen seien. Ein gr. stā- wie in stā-(mōn) ‚Aufzug am Webstuhl“ wäre folglich ursprünglich ein *sta1 A - (vgl. Lindemann 1970: 19). Dabei handelt es sich nach DE SAUSSURE bei a1 um den Grundvokal aller idg. Wurzeln und bei A um den Partner der mit a1 den Diphtong der Wurzel bildet (ebd.). Weil DE SAUSSURE A für die zweite Komponente eines Diphtongs hielt, musste es sich dabei um einen von ihm so bezeichneten „sonantischen Koeffizienten“, also um einen Halbvokal handeln (ebd.). Neben A kommen auch *i, *u, *r, *l, *m und *n als „sonantische Koeffizienten“ in Betracht (ebd.). Durch theoretische Überlegungen, kommt DE SAUSSURE zu dem Schluss, dass dem Wurzelvokal - e - ein sonantischer Koeffizient folgen kann, der in der Nullstufe zum Kern der Silbe werde. Der Vokal - e - erscheint in der Nullstufe selbst nicht mehr (Memoire: 127, zitiert in Szmerènyi 1990: 127). Die folgenden Beispiele verdeutlichen diese Aussage (Szmerènyi 1990: 127):
Beispiele:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ein kurzes - a - wie in gr. statos führt DE SAUSSURE auf ein ursprüngliches *st A - zurück, so dass sich die Gleichung stā-(mon):sta-(tόs) = *sta1 A:st A ergibt (vgl. Lindemann 1970: 19).
In Analogie führt DE SAUSSURE dō- (wie in gr. Präs. dídōmi) und dŏ - (gr. PP. dŏtόs) auf *da2 O bzw. *d O - zurück (ebd.). O steht dabei stellvertretend für einen weiteren sonantischen Koeffizienten (vgl. Szmerènyi 1990: 128). Die Wurzelvokale -a- und -o- wären laut DE SAUSSURE immer die Nullstufe von e A und e O (ebd.). Die Vollstufe entstehe folglich durch eine Kontraktion zwischen dem sonantischen Koeffizienten und dem vorstehenden Vokal - e- in der Nullstufe. Mit dieser Erkenntnis entstand die Idee, von der Einvokaligkeit des indogermanischen Vokalsystems, bei dem die langen Vokale als Kontraktion von e+A/O zu sehen sind (ebd.).
Auf diesen Annahmen beruhend, betrachtet DE SAUSSURE den alten Ablautswechsel *e/o nun als *a1/a2, mit a1 und a2 in ihrer Stellung vor den beiden „sonantischen Koeffizienten“A und O.
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