Die Transplantationsmedizin rettet Leben - jedoch steht auf der anderen Seite der Spender. Das Krankenpflegepersonal arbeitet nahe an diesen Spendern und begleiten ihn von der Diagnosestellung bis hin zur Organtransplantation. Sie pflegen einen toten Menschen, sorgen sich um eine würdevolle Behandlung und erleben sein physisches Sterben durch die Organexplantation. Dies kann zu massiven Belastungen führen, welche die vorliegende Literaturarbeit anhand einer ausführlichen Literaturrecherche vorstellt.
Im ersten Teil geht es um die Transplantationsmedizin. Es wird der Frage auf den Grund gegangen, was die Organspende bedeutet und ab wann ein Mensch als tot gilt. Im zweiten Teil geht die Autorin auf Belastungen und ethischen Dilemmata ein, denen die Pflegenden bei der Betreuung von hirntoten Menschen ausgesetzt sind. Hier werden aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt und die Bedeutung der Thematik verdeutlicht. Im nächsten Teil werden mögliche Hilfsangebote für Pflegekräfte vorgestellt. Der letzte Teil beinhaltet eine Diskussion der Aktualität der Thematik, sowie ein Ausblick für die Zukunft, in dem deutlich wird, dass pflegewissenschaftlich noch viel getan werden muss.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Aufbau der Bachelorarb eit
1.3 Begrifflichkeit
2. Methodik
2.1 Bücher
2.2 Wissenschaftliche Datenbanken
3. Theretischer Hintergrund
3.1 Die Organtransplantation
3.1.1 Die geschichtliche Entwicklung der Organtransplantation
3.1.2 Die Bedeutung der Organspende
3.1.3 Das Transplantationsgesetz in Deutschland
3.1.4 Die Spendertauglichkeit
3.1.5 Die Akteure und die Wahl des Organempfängers
3.1.6 Der Ablauf der Organtransplantation
3.2 Das Konezpt des totalen Hirnfunktionsausfalls
3.2.1 Definition
3.2.2 Die Diagnostik
4. Die Aufgaben der Transplantationspflege
5. Belastungen durch die Pflege von Organspendern
5.1 Psychische und emotionale Belastungen
5.1.1 Bedeutung des Hirntodkonzepts als sicheres Todeszeichen
5.1.2 Die Bedeutung der Freiwilligkeit
5.1.3 Das Modell der Ganzheitlichkeit im Kontext der Transplantationspflege
5.1.4 Die Würde des Organspenders
5.1.5 Gewissenskonflikte
5.1.6 Die Identifikation mit den hirntoten Patienten und Patientinnen
5.1.7 Die Betreuung der Angehörigen
5.1.8 Versagensgefühle
5.1.9 Di e pfl egeri sche B ezi ehung
5.1.10 Die Angst vor einer fehlerhaften Hirntoddiagnostik
5.1.11 Mangelhafte interdisziplinäre Kooperation und Kommunikation
5.1.12 Die operative Organentnahme
6. Hilfeangebote für Pflegende
6.1 Multidimensionale Gesprächsmöglichkeiten
6.2 Aus- und Weiterbildung
6.3 Seminare zur Angehörigenbetreuung
7. Aktualität der Thematik
8. Fazit
8.1 Fazit / Ausblick
8.2 Fazit der Arbeit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract
Die Transplantationsmedizin rettet Leben - jedoch steht auf der anderen Seite der Spender. Das Krankenpflegepersonal arbeitet nahe an diesen Spendern und begleiten ihn von der Diagnosestellung bis hin zur Organtransplantation. Sie pflegen einen toten Menschen, sorgen sich um eine würdevolle Behandlung und erleben sein physisches Sterben durch die Organexplantation. Dies kann zu massiven Belastungen führen, welche die vorliegende Literaturarbeit anhand einer ausführlichen Literarturrecherche vorstellt.
Im ersten Teil geht es um die Transplantationsmedizin. Es wird der Frage auf den Grund gegangen, was die Organspende bedeutet und ab wann ein Mensch als tot gilt. Im zweiten Teil geht die Autorin auf Belastungen und ethischen Dilemmata ein, denen die Pflegenden bei der Betreuung von hirntoten Menschen ausgesetzt sind. Hier werden aktuelle Forschungsergebnisse vorgestellt und die Bedeutung der Thematik verdeutlicht.
Im nächsten Teil werden mögliche Hilfsangebote für Pflegekräfte vorgestellt. Der letzte Teil beinhaltet eine Diskussion der Aktualität der Thematik, sowie ein Ausblick für die Zukunft, in dem deutlich wird, dass pflegewissenschaftlich noch viel getan werden muss.
The possibilities of today ’s organ donation save live and can contribute to a better quality of life for the recipients. But on the other hand there is the organ donor. The transplantation nurses mostly have the most one-on-one contact with these patients, they follow the process from the diagnosis until organ donation. They nurse a person, that is physically alive, but considered to be dead by medicine. They fear a loss of human dignity and are witnesses of his physical dead by removal of organs. In this whole nursing process, mental strains, which can lead to stress, are more and more prominent. These psychological stresses are identified in this paper, based on a literature research.
The topic of the first part is the process of organ donor. A theoretical background is necessary to discuss the following topics. This part identifies, what the removal of organs means and what the point is, that someone is understood to be cerebral dead. The second part presents the multiple psychological stresses of transplantation nursing. The results of current research are discussed. They indicate a need of urgent action, to improve the situation for the nurses.
In the last part you can find possibilities of assistance and support for nurses. A discussion of the topicality of the subject and an outlook for the future conclude this work.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anzahl der postmortalen Organspender in Deutschland in den Jahren von 1998 bis 2015
Abbildung 2: Hirntod-Diagnose
Abbildung 3: Protokoll zur Hirntoddiagnostik
Abkürzungsverzeichnis
BÄK Bundesärztekammer
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BZGA Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung
DSO Deutsche Stiftung Organtransplantation
TPG Transplantationsgesetz
1. Einleitung
Organtransplantationen sind heute ein Standard in unserem medizinischen System. Sie können vielen Menschen das Leben retten und bieten dabei eine verbesserte Lebensqualität (vgl. Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung [BzGA], 2016, o.S.). Genau mit diesem Slogan werben viele Zeitschriften und Informationsmaterial, z.B. von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung [BzGA]: „Organspende rettet Leben“. Dieser Werbespruch hat oft zum Ziel, die Bereitschaft zur Organspende zu fördern. Oder zumindest die Menschen zum Nachdenken anzuregen und die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Über 10.000 Menschen in Deutschland warten auf eine Organtransplantation. Doch nur knapp über 3.000 Organe sind im vergangenen Jahr 2015 transplantiert worden. Daher ist es sehr wichtig, dass sich Menschen mit der Transplantationsmedizin auseinandersetzen und jeder seine ganz eigene Entscheidung trifft (vgl. Rahmel, 2016, S. 31).
Eine Beschäftigung mit der Thematik um Hirnfunktionsausfall und Organspende bedarf es auch aus pflegeprofessioneller Sicht. Beispielsweise ist es notwendig, dass alle Mitarbeiter der Intensivstation ausreichend über das Erkennen eines potenziellen Spenders informiert sind. Selbstverständlich ist die Diagnostik an sich eine Aufgabe der Ärzte, aber auch die Pflegepersonen werden hier teilweise in Verantwortung gezogen (vgl. ebd., S. 31). Dies rührt daher, dass Intensivfachpflegekräften auch kleinste Veränderungen im Gesundheitszustand ihrer Patienten und Patientinnen auffallen, welche sie an die zuständigen Ärzte weitergeben müssen. Denn besonders die Pflegekräfte arbeiten stets nah an dem Patienten und verfolgen den Weg von der Hospitalisation, über die Diagnosestellung des totalen Hirnfunktionsausfalls bis hin zur anschließenden Organtransplantation mit (vgl. Dominguez-Roldan, Garcia-Alfaro & Hernandez-Hazanas, 2009, S. 552; Westendorf, 2009, S. 36; Henshaw, 2012, S. 214).
Die Versorgung und Betreuung eines Menschen nach einem Hirnfunktionsausfall kann vom Pflegepersonal mitunter als belastend empfunden werden und schwerwiegende ethische Konflikte hervorrufen. Organspende rettet zwar Leben, aber auf der anderen Seite steht auch immer der Spender - ein Mensch, dessen Tod anderen Leben schenkt. Die Organtransplantation besteht aus zwei Vorgängen: der Organentnahme, und dem Organempfang. Das heißt, ein Leben kann nur gerettet werden, wenn ein anderer dafür einen Teil seines Körpers - bei der postmortalen Spende gar sein Leben - dafür gibt (vgl. Hilpert, 2016, S. 13).
Eine Organspende ist nur dann möglich, wenn bei dem Spender der unumkehrbare Hirnfunktionsausfall festgestellt wurde. Das Wort „Hirntod“ beschreibt genau, was es aussagt: Das Absterben der Hirnmasse (vgl. Angstwurm, 2016, S. 273). Die Hirnzellen sterben bei einem Stillstand der Durchblutung des Gehirns, welcher entsteht, wenn der Druck in der Schädelkapsel den für die Hirndurchblutung normalen Blutdruck übersteigt. Für diesen Zustand kann es zwei Auslöser geben: ein Anschwellen der Hirnmasse, z.B. in Folge einer Verletzung, eines Traumas, oder bei Verschluss der Hirngefäße, aber auch sekundäre Schäden durch Organschädigungen. Diese treten beispielsweise nach einer Sauerstoff- und Blutmangelsituation auf. Im Falle eines Herzstillstandes mit ansonsten erfolgreich erfolgter Reanimation können solche auftreten (vgl. ebd., S. 274). Nach einer kardiothorakalen Operation, z.B. durch einen Myokardinfarkt, leiden bis zu 50 Prozent der Überlebenden unter einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall (vgl. Lewis & Purim-Shem- Tov, 2011, S. 160). Durch die zeitweise auftretende Unterversorgung mit Sauerstoff kommt es zur Mangelversorgung des Gehirns und daraufhin zum Absterben der Gehirnzellen: Es folgt der totale Verlust sämtlicher Funktionen des Gehirns (vgl. Angstwurm, 2016, S. 274).
Dies ist jedoch lediglich die naturwissenschaftliche Sicht, welche mit dem Menschenbild der Krankenpflege kollidieren kann: In der Krankenpflege geht man von dem Ideal der ganzheitlichen Pflege aus. Ganzheit wird, zumindest in den meisten Pflegekonzepten, als Einheit von Körper, Geist und Seele gesehen. Die gängigen Pflegemodelle basieren darauf, dass sich diese Ganzheit nicht messen lässt - sie sehen keine Loslösung einzelner Anteile des Menschen, wie z.B. seiner Organe, vor (vgl. von Stößer, 2013, S. 81). Menschen mit einem totalen Hirnfunktionsausfall aber werden künstlich beatmet und zeigen daher noch Zeichen von „Leben“: Sie atmen, regulieren konstant ihre Körpertemperatur, sondern weiterhin Exkremente ab und reagieren auf Schmerzreize mit ansteigendem Blutdruck (vgl. de Reuter, 2015, S. 21). Auch die möglicherweise auftretenden Lazarus-Zeichen: unwillkürliche, aber teilweise zielgerichtet wirkende Bewegungen, wie z.B. das Heben der Arme, könnten als Lebenszeichen missinterpretiert werden (vgl. Haslinger, 2009, S. 29).
Das Konzept des totalen Hirnfunktionsausfalls als Tod des Menschen widerspricht somit dem Bild der Ganzheitlichkeit: Der Mensch wird als tot bezeichnet und so gehandelt, zeigt aber noch deutliche Zeichen des Lebens. Er fühlt sich warm an, das Herz schlägt noch, vielleicht zeigt er anhand ansteigendem Blutdruck auch Schmerzsignale. Hier entsteht eine deutliche Diskrepanz zwischen der naturwissenschaftlichen Auffassung vom Tod des Menschen, und der Ausbildung der Pflegenden zur Ganzheitlichkeit hin. Bei einer geplanten Organtransplantation kommt man demnach ab vom Ideal der ganzheitlichen Pflege, hin zur rein organerhaltenden Pflege (vgl. Haslinger, 2009, S. 28).
Mit der Diagnose „Totaler Hirnfunktionsausfall“ ändert sich die Therapie. Der Fokus der Behandlung ist nicht mehr, dem Menschen zu helfen oder ihn zu retten, sondern die Erhaltung der Organe, bis sie transplantiert werden können (vgl. ebd., S. 27). Pflegende fühlen sich unter Umständen dafür zuständig, dem Patienten bei einer Besserung seiner Gesundheit zu unterstützen - doch dies ist im Fall der Organtransplantation nicht sichtbar für die Pflegekräfte der Intensivstation. Im Gegenteil: Der operierte Mensch verlässt am Ende im nun auch wahrnehmbar verstorbenem Zustand den Operationssaal (vgl. Rahmel, 2016, S. 34). Nicht selten wird der Hirntod eines Menschen sogar als Folge eigenes fehlerhaften Handelns oder Niederlage interpretiert, insbesondere, wenn der Patient schon einige Zeit auf der Station gepflegt wird (vgl. Haslinger, 2009, S. 29).
Auch das Gespräch und der Kontakt mit den Angehörigen des Organspenders kann eine große Belastung für die Pfleger und Pflegerinnen sein (vgl. ebd., S. 34). Die Pflege ist erster Ansprechpartner für Angehörige und der Umgang mit trauernden und verzweifelten Angehörigen eine große Herausforderung für die Pflegekräfte. Hier wird ein hohes Maß von Kommunikationsfähigkeit und Empathie von den Pflegenden gefordert, und auch psychisch wird das Aushalten der Verzweiflung und Trauer der Angehörigen möglicherweise als problematisch erlebt.
1.1 Zielsetzung
Ziel dieser Bachelorarbeit ist eine Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes über die komplexen Belastungen und ethischen Herausforderungen, welche mit der Pflege von Organspendern einhergehen. Um diese Belastungen herausarbeiten zu können, ist es nötig, die Bedeutung der Organspende und des Hirntodkonzepts für die Pflege vorzustellen und damit die Bedeutung des Themas zu verdeutlichen.
Damit ist die konkrete Zielsetzung, die bisherigen Erkenntnisse über Anforderungen und ethische Dilemmata, denen Pflegekräfte bei der Pflege von hirntoten Menschen ausgesetzt sind, im Kontext zu ihrer Tätigkeit und des Hirntodkonzeptes herauszuarbeiten und vorzustellen.
1.2 Aufbau der Bachelorarbeit
Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wird themeneinführend der theoretische Hintergrund vorgestellt. Hier erläutert die Autorin, wie die Organspende definiert wird, wer Spender werden kann und wie die Transplantationsmedizin gesetzlich geregelt ist. Weiterhin wird die Definition des totalen Hirnfunktionsausfalls thematisiert - es wird der Frage auf den Grund gegangen, ab wann der Mensch als tot zu betrachten ist. Hier wird die Bedeutung des Weltbildes des Betrachters deutlich. So wird Pflegenden in der Ausbildung das Konzept der Ganzheitlichkeit gelehrt - der Mensch ist ein untrennbares Konstrukt aus Geist, Körper und Seele. Jedoch steht die Auffassung des Todes der naturwissenschaftlichen Seite dem gegenüber und führt gerade bei der Betrachtung des Konzeptes vom totalen Hirnfunktionsausfalls zu ethischen Konflikten bei den Pflegekräften.
In einem weiteren Kapitel werden kurz der Ablauf der Hirntoddiagnostik vorgestellt, um auch der naturwissenschaftlichen Sicht Raum zu geben und den theoretischen Hintergrund vollständig abzurunden.
In diesem naturwissenschaftlich geprägten Teil werden bereits erste mögliche ethische Konflikte offengelegt, welche dann im nächsten Teil der Literaturarbeit aufgearbeitet werden: Es folgt eine Darlegung von möglichen ethischen Konflikten und Belastungen, denen Pflegekräfte bei der Pflege von Menschen mit totalem Hirnfunktionsausfall ausgesetzt sind. Hier werden möglichst aktuelle Studienergebnisse vorgestellt und auch subjektiven Äußerungen wird Raum gegeben, um die Belastungen verständlicher zu machen. Es wird dabei differenziert in emotionale, psychische und physische Belastungen. Auch auf die Pflege von besonderen Organspendern wird eingegangen.
Im letzten Segment der Arbeit folgt eine kurze Übersicht, welche Hilfsangebote es für Pflegekräfte bereits gibt. Dies rundet das Thema in seiner Gesamtheit ab und macht einen Ausblick möglich.
Abschließend wird die Autorin ein Fazit ziehen und einen Ausblick für die Herausforderungen in der Zukunft geben.
1.3 Begrifflichkeit
Ein Hinweis vorab: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in der folgenden Arbeit die Begriffe „totaler Hirnfunktionsausfall“ und „Hirntod“ synonym benutzt.
In der vierten Fortsetzung der Richtlinie zur Festlegung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls wird das Wort „Hirntod“ nicht mehr genutzt, stattdessen der neue, deutlich sperrigere Begriff „endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms“ (vgl. Tonn, 2016, S. 123).
Die Synonyme „Hirntod“ und „totaler Hirnfunktionsausfall“ sind weniger sperrig und verbessern die Lesbarkeit. Beide Begriffe werden in der Literatur genutzt - auch noch der „ältere“ Begriff des Hirntodes - und bezeichnen das selbe Phänomen.
Weiterhin wird in der vorliegenden Arbeit rein von der postmortalen Organspende und damit von der Seite des Organspenders ausgegangen, da insbesondere bei der Pflege von hirntoten Menschen komplexe Belastungen auftreten können. Bei der Pflege der Organempfänger treten für gewöhnlich keine ethischen Dilemmas auf (Windels-Buhr, 1997, S. 146, zit. nach Großseidel-Klaus, 2002, S. 201f; vgl. BZGA, 2011, S. 44).
2. Methodik
Zur Literaturrecherche wurden insbesondere Bücher als Medium genutzt, als auch Artikel und Kapitel aus wissenschaftlichen Datenbanken.
Aufgrund der sehr sensiblen Thematik wurde besonders darauf geachtet, keine auffallend religiös geprägte Literatur zu nutzen, um eine möglichst wertefreie Betrachtung der Thematik zu ermöglichen. Wenn Literatur von christlichen Verlagen genutzt wurde, dann lediglich um Information zum Hintergrund des Themas zu erhalten oder einen Einblick in eine andere Sichtweise erlauben zu können.
Auf die Aktualität der Literatur wurde ebenfalls geachtet und viel Literatur der letzten Jahre verwendet. In manchen Fällen wurde auch ältere Literatur genutzt, wenn die Erkenntnisse für die Arbeit wichtig waren. Dies war besonders bei Studien über die Belastungen durch die Transplantationspflege der Fall. Viele Erkenntnisse sind vor Jahren veröffentlicht wurden, aber im deutschsprachigen Raum gibt es wenig neue pflegewissenschaftliche Untersuchungen.
2.1 Bücher
Bei der Recherche über Bücher als Medium ging es im ersten Teil insbesondere um grundlegende Literatur, welche sich mit der Organtransplantation, deren Ablauf und das Hirntodkonzept beschäftigt. Im zweiten Teil der Arbeit wurden dann allgemeine pflegerische Werke herangezogen, insbesondere welche, die sich mit der Pflegeethik oder der Intensiv-/Palliativpflege beschäftigen.
Einige Bücher lagen der Autorin bereits im Vorfeld vor, da eine Kommilitonin von ihr in der Vergangenheit eine themenverwandte Hausarbeit geschrieben hatte und der Verfasserin der Arbeit themenrelevante Bücher zur Durchschau gab. So lagen beispielsweise bereits im Vorfeld die Werke von Wolfgang U. Eckart vor. Weiterhin wurde der Katalog der Bibliothek der Fachhochschule Bielefeld genutzt und themenbezogene Bücher dort entliehen.
Mit Hilfe der Schneeballtechnik wurden weitere Quellenhinweise verfolgt und neue Literatur akquiriert.
2.2 Wissenschaftliche Datenbanken
Die wissenschaftlichen Datenbanken wurden insbesondere genutzt zur vertiefenden Literaturrecherche.
Es erfolgte eine Recherche in den folgenden Datenbanken: Springer-LINK, BASEDatenbank, Statista, CINAHL, bibnet und Ebrary mit folgenden Suchbegriffen: Organspende, Pflege Organspende, Hirntod, totaler Hirnfunktionsausfall, Pflege bei Organtransplantation und spezifische Suchbegriffe wie Diagnostik Hirnfunktionsausfall.
Auch hier wurde das Schneeballsystem genutzt und aus vorliegender Literatur weitere Literaturhinweise und Quellen akquiriert. Eine Tabelle mit Darlegung des genauen Verlaufs der Literaturrecherche ist im Anhang zu finden.
3. Theoretischer Hintergrund
Um ein Verständnis für die vielfältigen und komplexen Belastungen zu erhalten, denen Pflegekräfte während der Versorgung von Organspendern und allgemein von Menschen mit Hirnfunktionsausfall ausgesetzt sind, müssen zuerst Kenntnisse über die Organtransplantation und das Konzept des vollständigen Hirnfunktionsausfalls an sich vermittelt werden. Erst das Wissen über den theoretischen Hintergrund macht eine ethische Betrachtung der Thematik erst möglich (vgl. Hiemetzberger, 2006, S. 123). In diesem Kapitel wird bewusst die naturwissenschaftliche Seite in den Fokus gestellt, um dieser Sichtweise im weiteren Verlauf der Arbeit das Modell der ganzheitlichen Pflege entgegen zu stellen.
3.1 Die Organtransplantation
3.1.1 Die geschichtliche Entwicklung der Organtransplantation
Unter dem Begriff der Transplantation versteht man die Übertragung von Organen, Zellen oder Gewebe, z.B. die Explantation von Herz, Leber, Niere, etc. Hat ein Mensch beispielsweise eine Herzerkrankung, so besteht heutzutage die Möglichkeit, das Herz eines hirntoten Menschen zu explantieren und dem herzkranken Menschen zu implantieren (vgl. Holznienkemper, 2005, S. 19).
Die Möglichkeit, Organe und Gewebe des Menschen zu ersetzen, übte schon immer eine Faszination auf den Menschen aus. Organe zu transplantieren versuchte man schon früh, doch erst seit wenigen Jahrzehnten ist dies dank des Fortschritts der Medizin möglich. Die chirurgisch mögliche Hypothermie wurde entdeckt und auch die Gefäßchirurgie entwickelte sich immer weiter, so dass nach vorhergehenden Versuchen an Tieren ein Chirurg in Kapstadt im Jahre 1967 das erste menschliche Herz transplantierte (vgl. Eckart, 2011, S. 156).
Die Transplantation anderer Organe folgte wenige Jahre später. Es dauerte jedoch noch einige Jahre bis in die 1970er, bis man die Überlebenschancen der transplantierten Menschen erhöhen konnte dank neu entwickelter Immunsuppressiva und der Verbesserung der Organkonservierung (vgl. ebd., S. 160).
Im Jahre 1967 wurde Eurotransplant gegründet, um eine gründliche Erfassung der Spenderorgane und deren gerechte Verteilung sicherzustellen. Seit 1997 entwickelte sich die Organtransplantation immer weiter, insbesondere nach der Implementierung des Transplantationsgesetzes [TPG] und dem Aufbau von mehreren Transplantationszentren in der westlichen Welt (vgl. ebd., S. 160).
3.1.2 Die Bedeutung der Organspende
Auf der Warteliste für neue Organe stehen zurzeit über 10.000 Menschen (vgl. Deutsche Stiftung Organtransplantation [DSO], 2016, o.S.). Das Bundesministerium für Gesundheit spricht auf seiner offiziellen Internetpräsenz sogar von 11.000 Menschen, die auf ein Spenderorgan warten (vgl. Bundesministerium für Gesundheit [BMG], 2016, o.S.). Die Chancen stehen jedoch nicht gut: Täglich sterben im Durchschnitt drei von ihnen, da sie kein neues Organ rechtzeitig erhalten konnten (vgl. DSO, 2016, o.S.). So wurden im Jahre 2015 nur ca. 3000 Organe transplantiert (vgl. Rahmel, 2016, S. 31). Ein Organspender rettet bei Multiorganentnahme im Durchschnitt drei Menschen das Leben.
Laut einer Statistik von Statista ist die Zahl der postmortalen Organspender in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. So gab es im Jahre 1998 noch 1.111 postmortale Organspender in Deutschland, 2007 ganze 1.313 Organspender, und 2015 nur noch 877 Organspender. Folgende Grafik macht deutlich, dass die Zahl der Organspenden seit dem Jahre 2007 drastisch sinkt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anzahl der postmortalen Organspender in Deutschland in den Jahren von 1998 bis 2015
(entnommen von www.statista.de)
Dies könnte ein Hinweis sein für die fehlende Beschäftigung mit dem Thema und der sinkenden Bereitschaft der Menschen, eine Entscheidung für die mögliche Organspende zu fällen. Die DSO gibt auf ihrer offiziellen Webpräsenz an, dass in Deutschland nur „etwa 35 Prozent haben Ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis festgehalten“ (DSO, 2016, o.S.). Möglicherweise hängt dies auch mit negativen Schlagzeilen über Organhandel und ähnliches zusammen, jedoch kann an dieser Stelle darüber nur spekuliert werden.
Das TPG hat seit dem 26.10.2012 eine Neuerung in Kraft gesetzt: Jeder Krankenversicherte, der das 16. Lebensjahr erreicht hat, wird regelmäßig gefragt, ob er Organspender werden möchte und erhält Informationsmaterial mit einem Organspendeausweis. Mit diesem Schritt wird die aktive Entscheidungsfindung gefördert. Sie hat jedoch noch nicht zu einem spürbaren Anstieg der Bereitschaft zur Organspende geführt (vgl. Eckart, 2013, S. 351).
3.1.3 Das Transplantationsgesetz in Deutschland
Das Transplantationsgesetz wird in dieser Bachelorarbeit nur kurz beleuchtet, da eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem TPG und allen Änderungen den Rahmen der Arbeit sprengen würde.
Seit der Implementierung Ende des Jahres 1997 regelt das Transplantationsgesetz in Deutschland sämtliche Verfahren der Organspende. So legt es fest, dass in Deutschland eine erweiterte Zustimmungslösung herrscht. Dies bedeutet, dass zur Organentnahme die Zustimmung des Betroffenen oder, im Falle einer postmortalen Spende, seiner nahen Angehörigen erforderlich ist. Die Einwilligung des Betroffenen zur postmortalen Spende muss in schriftlicher Form vorliegen, in Form eines Organspendeausweises beispielsweise. Ist dies nicht der Fall, sind die Familienangehörige in absteigender Reihenfolge (Lebenspartner, Kinder, Eltern, etc.) zu fragen. Der mutmaßliche Wille des potenziellen Spenders steht dabei stets im Fokus. Immer wieder steht auch die Widerspruchslösung im Fokus der Diskussionen (vgl. Eckart, 2011, S. 161). Diese herrscht bereits in Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland und einigen weiteren Ländern und geht von einer Einwilligung in die Organspende aus, solange kein Widerspruch verfasst wurde (vgl. Holznienkemper, 2005, S. 66; Körtner, 2012, S, 189). So hat der Nationale Ethikrat 2007 eine Stellungnahme verfasst, die für die Widerspruchslösung spricht. Diese Maßnahme soll bei dem herrschenden Organmangel zu einer Steigerung der Anzahl der Spenderorgane führen. Eine Novellierung des Gesetzes in diese Richtung ist nicht in Sicht. Jedoch erlebte das TPG 2012 eine Erneuerung, die die Entscheidungsfindung anregen soll. Seit 2012 werden alle Krankenversicherte ab 16 regelmäßig mit Informationsmaterial zur Auseinandersetzung mit der Thematik versorgt (vgl. Eckart, 2011, S. 161; vgl. Eckart, 2013, S. 351).
Wenn lebensnotwendige Organe entnommen werden sollen, ist der zweifelsfrei festgestellte totale Hirnfunktionsausfall des Menschen erforderlich. Dies bezieht den Funktionsausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms mit ein. Der Hirntod muss stets nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, am besten mit neuesten apparativen Mitteln, festgestellt werden. Die genau erforderte Ausbildung der Ärzte ist genauso festgehalten im TPG, wie die genaue Diagnostik (vgl. Eckart, 2011, S. 161). Zum Vorgehen der Diagnosestellung finden Sie weitere Informationen im Kapitel 3.2.2.
Das Einsetzen der Organe darf nur in einem Transplantationszentrum stattfinden. Diese Transplantationszentren führen Wartelisten, die von Eurotransplant regelmäßig und stichprobenartig kontrolliert werden. Die Auswahl des Empfängers muss nach medizinischen Kriterien erfolgen, wie z.B. der Dringlichkeit, und nicht nach finanziellen oder sozialen Aspekten. Jede Art von Organhandel steht unter Strafe. Dies dient dem Schutz der Menschen und beugt eventuelle falsche Hirntoddiagnosestellungen, als auch Manipulationen der Wartelisten, vor (vgl. ebd., S. 161).
3.1.4 Die Spendertauglichkeit
Aufgrund der sinkenden Organentnahmen und der gleichzeitig steigenden Zahl der potenziellen Organempfänger auf der Warteliste gibt es kaum Kriterien, die ein Organ spendenuntauglich machen. Wichtig ist eine genaue Anamnese des potenziellen Spenders anzufertigen, in der festgehalten wird, welche Vorerkrankungen vorliegen, möglicher Nikotin- und Alkoholabusus und der Zustand des Spenderorgans anhand von Laboruntersuchungen. Lediglich schwere Systemerkrankungen führen zur Ablehnung. Ein höheres Alter des hirntoten Menschen gilt ebenfalls nicht von vorneherein als hinderlich für eine Organtransplantation, es wird der Zustand des Spenderorgans bewertet (vgl. Bein, 2016, S. 1216).
Den Erfolg der Organtransplantation bestimmt nicht nur die Intensivtherapie des Spenders, sondern auch eine möglichst schnelle Organentnahme und -transplantation nach der Hirntoddiagnostik (vgl. ebd., S. 1217).
3.1.5 Die Akteure und die Wahl des Organempfängers
Die Deutsche Stiftung Organtransplantation [DSO] hat ihren Hauptsitz in Frankfurt am Main und ist eine gemeinnützige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie hat zur Aufgabe, Organvergaben bundesweit zu koordinieren. So haben Ärzte die Pflicht, jeden totalen Hirnfunktionsausfall, und damit mögliche Organspender, der DSO mitzuteilen. Die Stiftung organisiert die weitere Untersuchung des Spenders, die Entnahme der Organe sowie den Transport mit der Konservierung der Organe während des Transportierens. Eine weitere wichtige Aufgabe des DSOs ist es, mögliche Spenderorgane an die gemeinnützige Stelle Eurotransplant zu melden (vgl. I Care Pflege, 2015, S. 807).
Eurotransplant verwaltet die Wartelisten der potenziellen Organempfänger und ist verantwortlich für die Vermittlung der Organe zur Transplantation. Eurotransplant hat als Mitgliedsländer Deutschland, Slowenien, Kroatien, Belgien, Niederlande, Luxemburg und Österreich und kümmert sich um jegliche bundesweite Verwaltungsakte, die mit der Vermittlung von Organen zu tun haben (vgl. I Care Pflege, 2015, S. 807). Die Vermittlung der Organe erfolgt nach den Richtlinien, die die Bundesärztekammer beschließt (vgl. Breitenbach, 2014, S. 321).
Eurotransplant ermittelt nach der Datenübermittlung über ein Spenderorgan einen passenden Organempfänger anhand mehrerer Kriterien. Die Kriterien sind folgende:
- Blutgruppenkompatibilität: Die Blutgruppe muss übereinstimmen, um Abwehrreaktionen zu vermeiden.
- Gewebeverträglichkeit: HLA-Merkmale (humane Leukozyten-Antigene) müssen bei manchen Organen zusammenpassen.
- Konservierung des Organs: Sobald das Organ entnommen worden ist, wird es nicht mehr durchblutet und mit Nährstoffen versorgt. Die Zeitspanne bis zum Eintreffen bei dem Organempfänger muss möglichst kurzgehalten werden, daher werden lokal mögliche Spender bevorzugt.
- Wartezeit des Empfängers: Die Chance, ein Spenderorgan zu erhalten, steigt mit der fortschreitenden Wartezeit des Empfängers.
- Dringlichkeit der Transplantation: Die Dringlichkeit wird beurteilt nach dem Zustand des potenziellen Organempfängers. Diese wird eingeteilt in High Urgency (sehr dringlich), Urgency (dringlich) und Transplantable (Möglich zur Transplantation).
Weiterhin wird die Aussicht auf Erfolg und auch die Chancengleichheit in die Bestimmung des Organempfängers mit einbezogen (vgl. I Care Pflege, 2015., S. 807).
Die Transplantationszentren sind zuständig für die eigentliche Organtransplantation und die vollständige Nachsorge des Organempfängers, als auch jeweils für die Wartelisten der einzelnen Zentren. (vgl. Breitenbach, 2014, S. 321).
3.1.6 Ablauf der Organtransplantation
Der Spender muss noch vor der Entnahme der Organe Eurotransplant gemeldet werden, die den weiteren Vorgang planen. Dies ist im TPG entsprechend geregelt. Des Weiteren muss bei einem unnatürlichen Todesfall die Staatsanwaltschaft einer Organexplantation zustimmen (vgl. Förderreuther & Brandt, 2013; S. 808, vgl. Liehn, 2016, S. 750). Die Mitarbeiter von Eurotransplant gleichen die Wartelisten mit dem Spenderorgan ab und suchen einen geeigneten Empfänger heraus. Die Gesamtkoordination der Entnahme, Konservierung und Transport des Organs obliegt dem DSO-Koordinator. Der Zeitpunkt der Operation zur Organexplantation wird mit dem OP-Manager oder dem Anästhesisten abgesprochen. Der OP-Koordinator ist auch während dem Eingriff anwesend. Die abdominalen Organe werden von Ärzten entnommen, die von der DSO gesandt werden und oft von dem nächsten Transplantationszentrum kommen. Lunge und Herz entnehmen die Chirurgen des Empfängerzentrums - es können bei einem Explantationseingriff also mehrere Chirurgenteams anwesend sein (vgl. Liehn, 2016, S. 750).
Während der Operation ist keine Narkose nötig, da das Gehirn keine Schmerzreize mehr empfangen und verarbeiten kann. Dennoch werden Relaxantien verabreicht, um mögliche willkürliche Muskelbewegungen auf Rückenmarksebene auszuschalten, das sogenannte Lazarusphänomen. Das Operationsteam kontrolliert während dem Eingriff kontinuierlich die optimale Sauerstoffversorgung und einen stabilen Kreislaufzustand, damit die Organe unbeschädigt bleiben. Der Patient oder die Patientin wird beatmet, und erst nach Organentnahme extubiert (vgl. Liehn, 2016, S. 750).
Der Empfänger erfährt keine Details über den Spender (vgl. ebd., S. 753). Sowohl der Organspender, als auch der Empfänger, bleiben anonym. Die DSO bietet jedoch die Möglichkeit, dass der Empfänger oder die Empfängerin der Familie des Spenders oder der Spenderin einen Brief über die DSO zukommen lässt, und sich die Familie des spendenden Menschen über das Wohlbefinden des empfangenden Menschen erkundigen kann. Dies geschieht alles anonymisiert (vgl. BMG, 2016, o.S.).
3.2 Das Konzept des totalen Hirnfunktionsausfalls
Beschäftigt man sich mit der Organspende und insbesondere mit der postmortalen Organexplantation, stellt sich die Frage, ab wann ein Mensch als tot anzusehen ist. Die Festlegung des Todeszeitpunktes sorgt schon seit vielen Jahren für Kontroversen in der Medizinethik und der Pflege. Laut den Barmherzigen Brüdern Österreichs lassen sich 3 verschiedene Meinungen in der Öffentlichkeit ausmachen:
1- Das vollständige Herz-Kreislauf-Versagen mit eindeutigen Todeszeichen (Leichenstarre, Totenflecke, etc.) erst markiert den Tod des Menschen.
2- Der irreversible Ausfall des Großhirns kann bereits als Todeszeichen gewertet werden.
3- Der Tod tritt mit dem totalen Ausfall der gesamten Hirnfunktion auf, also mit dem vollständigen Hirnfunktionsausfall.
In weiten Teilen Europas hat man sich für den totalen Hirnfunktionsausfall, umgangssprachlich Hirntod genannt, als Todeszeitpunkt entschieden (vgl. Barmherzige Brüder Österreichs, 2010, S. 107).
Die Barmherzigen Brüder sprechen sich in ihrem Buch von 2010 über den Ethik-Codex in der Pflege dafür aus, dass das Konzept des vollständigen Hirnfunktionsausfalls ein solides Konzept ist, welches den Tod des Menschen kennzeichnet und diesen empirisch feststellbar macht. Sie distanzieren sich jedoch von Teilhirntodkonzepten als Todesfeststellung (vgl. ebd., S. 107). Die Autorin teilt diese Ansicht.
3.2.1 Definition
In der Literatur wird der Hirntod als Zustand des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls beschrieben. Bein gibt an, dass bei dem totalen Hirnfunktionsausfall die gesamte Funktion des Kleinhirns, des Großhirns und des Hirnstamms erloschen ist und das Gehirn keine Signale mehr an die restlichen Organe sendet. Das Herz-Kreislauf-System wird künstlich am Leben erhalten durch die Beatmung, ohne die ein dauerhaftes Weiterleben nicht möglich wäre (vgl. Bein, 2016, S. 1210). In weiten Teilen der Welt entspricht es dem medizinischen Standard, das Hirntodkriterium als gesicherten Todeszeitpunkt anzuerkennen. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gilt das Ganzhirntodkonzept, in anderen Ländern gibt es auch Teilhirntodkonzepte (vgl. Körtner, 2012, S. 186).
3.2.2 Die Diagnostik
Am 30.03.2015 genehmigte das Bundesministerium für Gesundheit [BMG] die vierte Fortschreibung der Richtlinie zur Feststellung des Hirnfunktionsausfalls. Diese Richtlinie wird von der Bundesärztekammer vorgelegt und muss vom BMG anstandslos genehmigt werden, bevor sie eingesetzt werden kann (vgl. Tonn, 2016, S. 122). Sie erläutert die erforderliche Diagnostik des Hirnfunktionsausfalls, welche Qualifikation die praktizierenden Ärzte erfüllen müssen und mögliche apparative Untersuchungsmethoden. Damit bildet sie die Grundlage für die Bestimmung des Todeszeitpunkts (vgl. Tonn, 2016, S. 122).
Der Neurochirurg J. C. Tonn erläutert in einem Artikel in der Februarausgabe von 2016 der Zeitschrift „Der Nervenarzt“, wann die Diagnostik eines möglichen Hirnfunktionsausfalls in den Interessensmittelpunkt rückt: Wenn die intensivmedizinisch stets überprüften Hirnströme nicht mehr nachweisbar sind und der Blutkreislauf nur noch apparativ am Leben erhalten werden kann, durch künstliche Beatmung und ständiger Überprüfung der kardiovaskulären Funktion (vgl. Tonn, 2016, S. 122; Dominguez-Roldan et al., 2009, S. 547). Dabei wird die Feststellung des eingetretenen Todes den ärztlichen Aufgaben zugerechnet (vgl. Tonn, 2016, S. 122). Die Diagnose des Hirntodes ist unabhängig von einer möglichen Organspende zu sehen und wird in jedem Falle einer auftretenden erloschenen Hirnfunktion durchgeführt, egal ob eine Organexplantation vorgesehen ist oder nicht (vgl. ebd., S. 123).
Im Transplantationsgesetz ist in Paragraph 3 festgehalten, dass eine Entnahme der Organe nur zulässig ist, wenn der Tod des möglichen Spenders eindeutig festgestellt wurde. Vorgegangen werden muss hier nach den aktuellsten wissenschaftlichen Kenntnissen und mit neuesten apparativen Verfahren. Der Tod gilt dann als anerkannt, wenn nachgewiesen wurde, dass ein Gesamtausfall der Funktionen des Gehirns vorliegt. In Deutschland gilt hier das Konzept des Gesamthirntodes, Teilhirntodkonzepte werden nicht angewendet. Im Gesetz und mit jeder Richtlinienveröffentlichung macht der Gesetzesgeber deutliche Vorgaben und legt den Rahmen der Diagnostik fest (vgl. ebd., S. 122).
Bei der Diagnosestellung wird ein dreistufiges Schema verfolgt:
1- Prüfung der Voraussetzung: Die Schwere der Hirnschädigung, als auch die Ursache (sekundär oder primär), muss zweifelsfrei bestätigt und in einem Musterprotokollbogen, vorgegeben von der BÄK, dokumentiert sein (vgl. Bein, 2016, S. 1210). Dazu zählt, dass mögliche reversible Ursachen der Symptomatik eines Gehirnfunktionsausfalls, z.B. Schock, schwere Hypotension oder Intoxikation, ausgeschlossen sein müssen (vgl. Tonn, 2016, S. 123, vgl. Bein, 2016, S. 1210).
2- Klinische Symptome: Die Symptome eines Ausfalls der Gesamtfunktion des Gehirns müssen zweifelsfrei nachgewiesen sein. Anzeichen eines Hirntodes sind u.a. Koma, Fehlen von Reaktionen auf Schmerzreize, Fehlen sämtlicher Reflexe und der Ausfall der Spontanatmung. Sind nicht alle Symptome überprüfbar, sind apparative Untersuchungen unumgänglich (vgl. Tonn, 2016, S. 123; Striebel, 2014, S. 675).
3- Nachweis der Irreversibilität der Symptome: Bei Erwachsenen und Kindern ab 3 Jahre muss einwandfrei nachgewiesen sein, dass die Symptome irreversibel sind. Das bedeutet, dass eine zweite Untersuchung durch einen vom ersten unabhängigen Arzt durchgeführt werden muss. Bei primären Hirnschädigungen beträgt die Wartezeit mindestens 12 Stunden, bei sekundären Schädigungen der Hirnmasse 72 Stunden. Durch apparative Untersuchungen, wie z.B. EEG oder Dopplersonographie, kann die Wartezeit abgekürzt werden (vgl. ebd., S. 124). Wichtig ist ebenfalls der Ausschluss von sedierenden oder schmerzstillenden Medikamenten als Ursache für die Symptomatik. Auch aus diesem Grunde muss eine ausreichend lange Pause zwischen Medikamentengabe und zweiter Untersuchung liegen (vgl. Bein, 2016, S. 1210).
Im folgenden Schaubild findet man eine Darstellung des Schemas:
Anmerkung der Redaktion: Die Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abbildung 2: Hirntod-Diagnose
(entnommen von Charite, 2016, o.S.)
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- Arbeit zitieren
- Melanie Schieck (Autor:in), 2016, Die Pflege von Organspendern und die einhergehenden vielfältigen Belastungen für Pflegekräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1292468
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