Die archäoastronomische Arbeit behandelt die im Südschwarzwald gelegenen Kalendersteine am Hohfelsen bei Endenburg-Stalten. 1988 wurden sie von Johann Hügin erstmals erforscht. Die Buchpublikation präsentiert seine Forschungsergebnisse und vertieft das Wissen um diese Kalendersteine mit weiteren Forschungen. Mit dem Ergebnis zeigt sich, dass auch im Südwesten Deutschlands mit Kalendersteinanlagen die Zeit gemessen wurde und eventuell dort auch Kultplätze vorhanden waren.
Inhaltsverzeichnis
Steine geben Rätsel auf
Was sind Kalendersteine?
Wozu dienten die steinernen Kalenderanlagen?
Die Entstehung des Luni-Solarkalenders
Wie funktioniert eine Visur?
Eigenheiten der Mondbahn und die Mondwenden
Die vermuteten Kalendersteine beim Hohfelsen in Endenburg-Stalten – die Entdeckung Johann Hügins
Die Lage der vermuteten Kalendersteine auf ca. 860 m
Die Zuordnung der Steinformationen nach Johann Hügin
Die mit GPS gemessenen Positionen der Steinformationen
Vom Computer berechnete Azimutwinkel für den Breitengrad 47.5°
Die Zuordung der Steinformationen zu den berechneten Azimut-winkeln
Der Azimutwinkel der Sommersonnwende 21.06.2020 in der Com-puter Berechnung
Die nordöstliche Visur (nach errechneten Azimutwinkeln)
Der vermutete Visurstein (Menhir)
Die Steinformation V
Die südöstliche Visur (nach errechneten Azimutwinkeln)
Die Steinformation I
Mögliche Visurlinie Sonnenaufgang an der Tag- und Nachtgleichen vom Oststein des Hohfelsen zum Rohrenkopf
Wer könnte die vermuteten Kalendersteine am Hohfelsen errichtet haben?
In der Vorzeit große Steine bewegen
Religion, Kult und Megalithbauten
Die Bedeutung der Sonne für die religiösen Vorstellungen
Die Vorstellungen über den Tod bei den Kelten
Keltische Feste – an Sonne und Mond ausgerichtet
Sonneneinfall an Großsteingräbern
Der Hohfelsen, ein Naturheiliger Ort?
Fazit
Das rechtwinklige Dreieck, das Steine verbindet
Weitere Steinformationen und megalithische Zeugnisse in der näheren Umgebung
Ausblick
Nachwort
Literatur
Danksagung
Die Vorstellung, dass am Hohfelsen in Endenburg/Stalten in einer weit zurückliegenden Zeit Menschen den Lauf der Sonne und des Mondes verfolgt und damit die Zeit berechnet haben und vielleicht ihre religiösen Kulte und Feste gefeiert haben, ist faszinierend. Erstmals erschloss dies Johann Hügin. Dank seiner schriftlichen Dokumentation in einer Fachzeitschrift können wir diese Spur heute noch verfolgen und weitersuchen.
Für die Unterstützung danke ich Herrn Jürgen Kammerer, der mir in einer Führung den Hohfelsen erschlossen hat. Ebenso danke ich Herrn Ralf Binz, der mir als Geodät mit Rat zur Seite stand und sich bei Begehungen des Geländes Zeit genommen hat, um sich einen Eindruck von der vermuteten Kalenderstein-Anlage zu verschaffen und Hinweise zur Lage der Steinformationen gab.
Dank sage ich auch vielen Freunden und Freundinnen, die in unermüdlicher Geduld zugehört und auch bei den Steinformationen mitgesucht haben.
Patrick Graf
im Juli 2022
Steine geben Rätsel auf
Es ist nun mehr als 30 Jahre her, dass der Uhrmacher Johann Hügin aus Brombach im Landkreis Lörrach bei einer „Wanderung durch den Schwarzwald“, wie er selber schreibt, ein paar Felsen gesehen hat und diese scheinbar seine Neugier weckten. Der Hohfelsen bei Stalten auf der Gemarkung des Ortes Steinen- Endenburg ragt markant und unver-mittelt auf einem Berghang oberhalb des Dorfes in die Höhe. Vom Fel-sen aus hat man, wenn das Laub der Bäume im Winter abgefallen ist, einen Blick nach Osten in Richtung des Bergrückens oberhalb von Wehr zum Hotzenwald. Was liess Johann Hügin aufmerksam werden, dass er in diesem Moment, als er auf den Felsen traf, scheinbar intuitiv zu for-schen begann. Nach dem Abschreiten der vielen Fels- und Steinfor-mationen mit Kompass und Massstab veröffentlicht er seine Erkennt-nisse in dem Artikel: „Kalendersteine aus der Megalithzeit im südlichen Schwarzwald“ in Schriften der „Freunde alter Uhren“. Band XXVII, 1988“ in der deutschen Gesellschaft für Chronometrie, Stuttgart 1988. Vorsitzender war damals Prof. Dr. Richard Mühe, der Leiter des deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen war. Den Vorsitz der deutschen Gesellschaft für Chronometrie hatte er von 1981 bis 1999. Im selben Band wurde noch ein zweiter Artikel veröffentlicht über „Prähistorische Kalenderastronomie“ von Harald Hindrichs. Er hatte Grabhügel, Schälchensteine und Schiffssteinsetzungen in Dänemark auf ihre astronomische Ausrichtung untersucht und dies in derselben Ausgabe publiziert.
Die Entdeckung Johann Hügins am Hohfelsen unterhalb der hohen Stückbäume fand kaum oder keine Resonanz in der archäologischen Fachwelt. Interessiert haben sich eher Autoren, die die spirituelle Ausstrahlung des Ortes wahrnehmen wie z.B. die Autorin Birgit Cathrin Duval. Sie schrieb das Buch „Kraftorte im Südschwarzwald. Wanderungen zu mystischen Orten und geheimnisvollen Plätzen“1. Dort heisst es u.a. die Steine, die nach dem Abtauen der Gletscher abgelagert wurden, „wurden später von den Menschen während der Megalitzeit zusammengetragen und nach den Himmelsrichtungen und dem Lauf der Gestirne aufgesetzt. Sie fungierten quasi als eine Art Kalender oder gar Computer, an dem die bevorstehenden Ereignisse wie Sommersonn- und Wintersonnwende abgelesen wurden.“ Da die Berglage unterhalb der Hohen Stückbäume nach Osten ausgerichtet ist, konnten nur die Sonnenaufgänge beobachtet werden. Es heisst dann weiter: „Die Priester konnten mit den Steinen die Festtage Beltane und Samhein bestimmen.“2 Dass solche Kalendersteine mit einem Computer aus neolithischer Zeit verglichen wurden, hatte seinen Ursprung in der Entschlüsselung der Stonehenge Anlage durch Gerald S. Hawkins3 in den 1960er Jahren. Rolf Müller übernimmt diesen Vergleich in seinem Buch, „Der Himmel über den Menschen der Steinzeit“. Auch Johann Hügin verwendet in seinem Artikel diese Bezeichnung. Tatsächlich war aber das eigentlich Wichtige die Vorhersagen der Mondfinsternisse oder gar Sonnenfinsternisse, die durch die Mondbeobachtung mittels Kalendersteine wie in Stonehenge möglich waren. Es brauchte dazu aber noch ein Zählwerk, wie die 56 Aubrey Steine in Stonehenge oder „Mondhörner“, wie sie im Züricher Oberland gefunden und entschlüsselt wurden4. Diese Voraussagen verliehen den Priesterastronomen großes Ansehen und Autorität.
In etlichen Wanderführern für den Südschwarzwald taucht der Hohfelsen als Wanderziel auf, manchmal mit dem Hinweis darauf, dass dort „Kalendersteine“ sind. Auf einer Internetseite wird der Hohfelsen aufgeführt unter dem Titel: „Archäologie, Paraarchäologia, Schalensteine, Wuhren, Steinkreise, Schanzen, Wellen etc“5. Auf seiner Internetseite „Textatelier“ führt der Wissenschaftspublizist Heinz Scholz die Kalendersteine am Hohfelsen auf. Diese dienten „nach Meinung von Fachleuten als astronomischer Kalender, aber auch als eine religiöse Kultstätte.“6.
Die sich „spirituelle Meisterin“ nennende Maria Priska Gmünder führt „mystische Wanderungen“ zu den Kalendersteinen, die aus der Zeit von 3000 – 2000 v. Chr. stammen, wie sie auf ihrer Homepage mitteilt.7 Roland Kroell wagt schließlich eine mutige Fragestellung, wenn er schreibt: „Diese rätselhaften Steine erinnern mich an Carnac in der Bretagne, wo im Zentrum der bekannten Steinreihen ein Opferstein liegt, der diesem hier am Hohfelsen gleicht. Der ganze Platz ist ebenfalls befestigt. Ich kann noch zwei weitere Steinplätze ausmachen, die aber nicht so imposant sind. Hatte man in alten Zeiten an diesen Plätzen Opfer dargebracht? Nachdenklich gehe ich zurück.“8 Insgesamt sind es aber acht bis zehn Fels-/Steinformationen, die Johann Hügin einst entdeckte und die er - geschult durch seine Tätigkeit als Uhrmacher und Kenner von Sonnen- und Sternenuhren – versucht den Sonnen- und Mondaufgangspunkten zuzuordnen. Die Geschichte der Zeitmessung in der Vorzeit hat er im Hinterkopf und muss sich bewusst gewesen sein, dass er vielleicht eine grossartige Entdeckung machte. Sollte es tatsächlich so sein, dass bereits in der Megalithzeit an diesem Ort Menschen die Zeit mit Steinen gemessen haben und durch Steinsetzungen einen Kalender errichtet haben, so wäre dieser Fund eine Sensation. Am Ende seiner Erforschung ist er sich sicher, die Steinformationen markieren die Aufgangspunkte der Sonne bei Sommersonnwende und Wintersonnwende, sowie die Aufgangspunkte des Mondes bei den kleinen und grossen Mondwenden, sowie die Daten von Festtagen, die vor allem in der keltischen Zeit wichtig waren.(Beltain 6. Mai u. Samhain 1. Nov.)
Die Mondextremen, also die Mondwenden an ihrem nördlichsten und südlichsten Punkt, an solchen Kalendersteinen zu rekonstruieren, erweist sich als erheblich schwieriger als die Markierungen der Aufgangspunkte der Sonnwenden und der Sonnenaufgänge der Tag – und Nachtgleiche.
Wir können davon ausgehen, dass die Publikation Hügins in der historisch-wissenschaftlichen Reihe der Schriften des Fachkreises „Freunde alter Uhren“9 keineswegs leichtfertig war, im Gegenteil, Johann Hügin ist sich seiner Verantwortung vollends bewusst. Das Renomé seines Fachkreises darf nicht durch eine Fehleinschätzung einer mutmaßlichen Kalenderstein-Anlage beschädigt werden.
Seine Publikation in der Reihe der Schriften dieses Fachkreises „Freunde alter Uhren“ lässt keinen Zweifel daran, dass Johann Hügins Entdeckung mehr als nur eine Vermutung ist. Doch wie bei allen megalithischen Bauten oder Menhiren gilt, dass es nun einmal hypo-thetisch ist, da es in der Regel enorm schwierig ist, wirkliche archäologische stichhaltige Beweise zu finden, die aus der Hypothese ein gesichertes Faktum machen.
W. Schlosser weist z. B. bei der Fragestellung um die vorzeitlichen Schalensteine darauf hin, dass dieser „hypothetische Charakter durchscheint“.10 Auch bei der ganzen Fragestellung um die mutmaßlichen Kalendersteine am Hohfelsen bei Endenburg müssen wir uns dieses „hypothetischen Charakters“ bewusst sein. Dies soll keineswegs den Verdienst Johann Hügins schmälern, aber es bedarf sicherlich nochmals der wissenschaftlichen Präzisierung und Vertiefung, um noch stärker bewusst zu machen, was seine Entdeckung für unsere Gegend und das kleine Wiesental bedeutet.
Was sind Kalendersteine?
Vor allem aus England, Schottland, Irland und der Bretagne kennen wir Steinkreise, Menhire, Dolmen und steinerne Grabstätten. Am meisten wurden schon recht früh Ende des 19 Jh. und Anfang des 20 Jh. in England, Schottland, Irland und Frankreich diese Steinmonumente erforscht. Das berühmteste, aber nicht das älteste, ist das Steinmonument von „Stonehenge“. William Stukeley (1687 – 1765) machte als einer der ersten astronomische Berechnungen für Stonehenge und stellte die Ausrichtung zur Sommersonnwende fest. Forscher wie Sir Norman Lockyer, Admiral Boyle Somerville11, Prof. Alexander Thom und Gerald S. Hawkins untersuchten eine grosse Anzahl dieser Steinsetzungen und Steinformationen, die ihrer Meinung nach u.a. auf die Auf- und Untergangspunkte der Sonne am 21. Juni und 21. Dezember und des Mondes mit seinen kleinen und grossen Wenden ausgerichtet seien. Die Forschungen ergaben, dass diese Steinanlagen u.a. im Neolithikum, in der Jungsteinzeit, bis in die Zeit der Kelten als steinerne Kalenderanlagen dienten. Doch zunächst fanden die neuen Archäoastronomen kaum Gehör. Vor allem auch die Untersuchungen von Boyle Somerville wurden kaum beachtet. Dennoch wurden die angelsächsischen Forscher mit ihren Entdeckungen zu den Vätern der „Archaeoastronomie“. Auch wenn sie in den Anfängen ihrer Wissenschaft zunächst auf taube Ohren stießen und weder von den Archäologen noch von den Astronomen anerkannt wurden, so setzten sich doch ihre Forschungsergebnisse im Laufe der Jahrzehnte zunehmend durch und finden auch bei anerkannten Archäologen und Astronomen heutzutage die nötige Anerkennung und Wertschätzung.12
Auch in Deutschland entdeckte man immer mehr Steinmonumente mit astronomischen Ausrichtungen. 1970 veröffentlichte Rolf Müller sein Buch mit dem Titel: „Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit“.
Vermutlich eine der ältesten - allerdings aus Holzpfählen (!) gebaute Anlage - um Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge zu beobachten, liegt in Sachsen Anhalt im Ort Goseck. Vor 7000 Jahren, also ca. 5000 v. Chr. bauten die Bewohner der Gegend aus Holzpfählen eine kreisrunde Anlage mit 47m Durchmesser, deren Holzstümpfe im feuchten Erdreich konserviert waren. In den 1990er Jahren wurde diese Anlage rekonstruiert, sie kann heute besichtigt werden. Die Einfallsöffnungen für das Licht der Sonne an den Aufgangs- und Untergangspunkten der Sonne bei Sommersonn – und Wintersonnwende sind dort gut zu erkennen.
Doch dabei blieb es nicht, auch in Österreich und Bayern fanden sich Kreisgrabenanlagen mit Holzpfählen zur Sonnenvisur. Zunehmend entdeckte man aber auch Großsteinbauten und steinerne Ganggräber in Norddeutschland.13 Schaut man heute auf die Landkarte der britischen Inseln und des europäischen Festlandes bis zur russischen Grenze so finden sich rund 40.000 Monumente teils nach entsprechenden Him-melsrichtungen ausgerichtete Grabhügel, Ganggräber, Menhire, Dol-men, Steinkreise, Schalensteine, Näpfchensteine und ähnliches. Dazu gehören auch die steinernen Anlagen für die Sonnen- und Mond-beobachtung, die sogenannten Luni-Solarkalender. Nicht jede Steinan-lage oder Steinsetzung war für beide Aufgaben gleichzeitig konstruiert. Es gibt reine Solarkalenderanlagen oder kombinierte Kalender. Selten gibt es eine reine Mondbeobachtungsanlage.
Im Schwarzwald ging man davon aus, dass eine frühe Besiedlung nicht stattgefunden habe, da das Klima zu rauh gewesen sei. Nur in den Tälern, vor allem Rheintal, Hochrheintal und dem niederem Voralpenland habe eine Besiedlung in Steinzeit, Jungsteinzeit und Bronzezeit bis hin zu Kelten und Römern stattgefunden. Allerdings wurden geschützte etwas höhere Lagen oder Hochterrassen in der Jungsteinzeit bevorzugt.14
Inzwischen haben Funde belegt, dass auch die höheren Lagen des Schwarzwaldes früher besiedelt wurden, als bisher angenommen.
Funde von frühzeitlichen Faustkeilen, Feuersteinsplittern, Klingen von Steinäxten und ähnlichem dienen als Beleg. Aber auch Steinmonumente wurden freigelegt und eingehend untersucht. So wurde der Begriff vom „Schwarzwald-Stonehenge“ ein beliebter Ausdruck.15 Für die Steinkreise und Megalithen bei Blasiwald am Schluchsee wird von der Tourist Hoch-schwarzwald geworben für Führungen am „Stonehenge am Schluch-see“.16 Dazu sei gesagt, nicht jeder Stein, über den man zur Sonne peilen kann, muss gleich ein „Stonehenge“ sein, zumal Stonehenge in Süd-england ein einzigartiger ungeheuer komplexer vorzeitlicher Bau ist. Dennoch bleibt die Frage offen: Gab es oder gibt es im Südschwarzwald Orte, an denen der Sonnenlauf und der Lauf des Mondes über das Jahr hindurch und über längere Zeitphasen in der Vorzeit beobachtet wurde? Gibt es heute noch Überreste davon?
Wozu dienten die steinernen Kalenderanlagen?
„Der Neusteinzeitmensch war Ackerbauer, der zur Erzielung guter Ernteerträgnisse verständlicherweise einer genauen Kalenderteilung be-durfte. Zwangsläufig musste er den im Wechsel der Monate und Jahre sich abspielenden Himmelserscheinungen Beachtung schenken oder, wie es der religiöse Kult verlangte, die Feste bestimmen, damit sie wirklich auf feste Tage fielen. Wenn es auch von diesen frühen Zeiten keine schriftliche Überlieferung gibt, so vermögen doch Steine zu sprechen. Es ist eine stumme und doch eindringliche Sprache, die der Astronom wohl versteht, und die ihm zu sagen vermag, welch geschickte Beobachtungen die Priesterastronomen etwa über ihre Steinkreise hinweg mit ihren steinernen Ziellinien oder Visureinrichtungen vollbrachten.“17
Mit anderen Worten: Die Menschen damals verfolgten die natürlichen Zyklen und bedienten sich dazu der Beobachtung der Gestirne am Him-mel. Sie entwickelten ein astronomisches Wissen, das über viele Ge-nerationen mündlich weitergegeben wurde. Man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass sie damals sogar in der Lage waren aufgrund ihrer Beobachtungen der Gestirne Sonnen- und Mondfinsternisse vorherzusagen. Gleichzeitig dienten die Steinmonumente auch zu kultischen Zwecken. Ob es sich um Sonnenkulte, Mondkulte oder Begräbnis- und Ahnenkulte handelt ist je nach Steinanlage verschieden und schwer zu überprüfen.18 Während astronomische Ausrichtungen leichter zu überprüfen sind, ist die Frage nach den Kulten immer sehr hypothetisch solange keine archäologischen Funde eindeutige Hinweise geben. Die wissenschaftliche Diskussion um diese Frage tendiert mal zum Einen, mal zum Anderen, je nach Wissenschaft: Die Astronomie eher zur astronomischen Funktion der Bauwerke, also zur Funktion als steinerne bäuerliche Kalender, die Archäoethnologie eher zur kultischen Funktion. Volker Bialas formuliert: „Das Setzen großer Steine gibt für wandernde Nomadenvölker wenig Sinn. Megalithe bilden kultische Zentren für eine weitgehend seßhafte Bevölkerung. Zudem erfordern Transport und das Aufstellen von gewaltigen Steinblöcken und Felsplatten eine organisierte Gemeinschaftsarbeit….Dies alles verlangt nach einer ideellen Erhöhung, nach einer tiefgreifenden, für die gesamte Kultur wesentliche Motivation, die in den endlichen Zwecken des Daseins selbst nicht zu finden sind.“19. Die Megalithe gewinnen für die seßhaft gewordenen Menschen kultische Bedeutung, gleichzeitig erfüllen sie aber auch astronomische Aufgaben. Es geht oft Hand in Hand.
Dabei ließen sich im Laufe der Forschung zwei große Tendenzen herauskristallisieren: Bevorzugt bei Grabanlagen oder bei steinernen Monumenten für Totenkulte ist die Ausrichtung auf den Sonnen-untergang bei der Wintersonnwende. Aber auch da gibt es Ausnahmen oder lokale Abweichungen. Zum Beispiel ist in New Grange in Irland der kleine Lichttunnel in das Ganggrab zum Aufgangspunkt der Sonne an der Wintersonnwende nach Südosten ausgerichtet.
Für die Verwendung der Steinanlagen als Kalender spielte vorwiegend die Ausrichtung auf den Sonnenaufgang bei der Sommersonnwende eine wichtige Rolle. Dieses „Fundametaldatum“20 war für die Einteilung in das bäuerliche Jahr mit 16 Monaten entscheidend, entsprechend wurde mit solchen Steinen der Aufgangspunkt der Sonne bei der Sommersonnwende markiert. Aber auch Objekte in größerer Entfernung, z.B. Berggipfel oder Bergsättel konnten zur Visur der Aufgangspunkte dienen.
Diese Form des Kalenders mit Ausrichtung auf die Sommersonnwende „beschreibt also den 16 monatigen Zyklus eines Sonnenjahres von 365 Tagen. Es sind 11 Intervalle zu 23 Tagen, 4 Intervalle zu 22 Tagen und ein Intervall mit 24 Tagen gebildet. Die Möglichkeit eines weiteren Tages, um eine Ausgleichung des Kalenders an die Länge des tropischen Jahres zu gewährleisten, wird für möglich gehalten. Es wird aus der Analogie zu Traditionen des altenglischen Kalenders vermutet, dass zu Beginn bestimmter Monate religiös kultische Feste zelebriert wurden.“.21
Erst nach Jahren der Beobachtung der Gestirne wurden dann Stein-setzungen vorgenommen. Zunächst wurden die Markierungspunkte mit Holzpfählen abgesteckt und teilweise Jahrzehnte später wurden Steinhügel angelegt oder Menhire gesetzt. Der Mensch „merkte sich die Verschiebung von Sonnenauf- und Untergängen, vielleicht mit Hilfe von weit erntfernten Orientierungspunkten“ oder indem er „Steine als Markierungen auf den Boden legte.“22
Die Entstehung des Luni-Solarkalenders
Auf dem Weg zum seßhaften Ackerbauern entwickelte der Mensch die Fähigkeit den Lauf der Gestirne, vor allem des Mondes und der Sonne, zu seinen Diensten zu nutzen. Man muss sich vorstellen, wir hätten keine Uhr und müssten nur anhand der natürlichen Phänomene wie den Jahreszeiten und dem Lauf von Sonne und Mond unser Jahr erleben. Ben Moore beschreibt in seinem Buch „Mond. Eine Biografie“, wie ein erster Steinzeit- Astronom oder eine erste Steinzeit-Astronomin versucht sich zu erschließen, wie die Welt funktioniert. „Wir nennen sie Eva und beginnen am Anfang, bei dem, was Eva aus ihrer Beobachtung des Himmels mit bloßem Auge lernen konnte, indem sie die Bewegungen von Sonne und Mond, den Planeten und den Sternen über ein Jahr verfolgt“. Die Jahreszeiten waren selbstverständlich dieser Steinzeitastronomin bekannt. Doch das Kommen von Frühling, Sommer, Herbst und Winter hatte Abweichungen und war vom Wettereinfluss abhängig. Um einen zeitlichen Überblick zu haben, bot sich vor allem der Mondzyklus an. Die Mondphasen schienen wie ein präzises Uhrwerk. War der Mond näher an der Sonne, hatte er die Form des Neumondes. Er verschwand dann sogar für ein paar Tage. Stand er fast direkt über der Sonne bei ihrem Aufgang und Untergang, war er in der Mitte seines Zyklus. Stand der Mond der Sonne gegenüber, dann war Vollmond. Ein guter Beobachter bzw. eine gute Beobachterin konnte das erschließen. „Eva merkte schnell, dass der Mondzyklus sich alle 29 oder 30 Tage wiederholte. Das war ein praktisches Muster, mit dem sich der Kreislauf der Jahreszeiten aufteilen ließ – einfacher, als alle Tage des Jahres zu zählen“. Schwierig war, die Länge des Mondzyklus genau zu definieren, denn der Mond erscheint während drei Nächte so gut wie voll. „Eva hielt schließlich nach dem ersten Zeichen des Neumonds Ausschau – ein einfacherer Weg, Anfang und Ende des Mondzyklus aufzuzeichnen. Nachdem sie auf diese Weise während mehrerer Monate den Mond beobachtet hatte, wurde ihr deutlich, dass der Mondzyklus 29,5 Tage dauerte und dass sich nach zwölf solcher Mondzyklen, also nach 354 Tagen, die Jahreszeiten wiederholten.“23 Mit diesem Zyklus des synodischen Monats definierte sich das Jahr mit 12 Monaten. In den frühen Zivilisationen begann man hauptsächlich mit dem Mondkalender die Zeit zu vermessen. Doch es kam ein Problem auf, denn irgendwann bemerkten die Menschen, dass die Jahreszeiten nicht mehr richtig mit dem Mondjahr zusammenstimmten. „Der Winter und der Sommer begannen in ihrem Verhältnis zu ihren zwölf Mondmonaten immer später. Irgendetwas konnte nicht stimmen.“24
Die logische Konsequenz daraus war, dass der Mensch sich mehr auf die Sonne konzentrierte, denn sie war stärker mit den Jahreszeiten verbunden. Man erkannte, dass sich die Aufgangspunkte der Sonne bei ihrem Auf- und Untergang verschoben. Wenn es wärmer wurde, dann wanderte der Aufgangspunkt nach Norden. Wenn es kälter wurde, verschob er sich nach Süden. Auch am Höchststand der Sonne am Mittag konnte der Mensch in der Vorzeit dies erkennen. In den heißeren Monaten stand die Sonne höher bzw. senkrechter über ihm am Himmel. In den Wintermonaten dagegen stand sie niedriger über ihm. An Steinsäulen oder markanten Punkten in der Landschaft, auch an Bäumen, war dies einfach abzulesen. „Erst nach zwölf Monaten und 11 Tagen ging die Sonne wieder an denselben Orten auf und unter, und dieser Zeitabschnitt war auch im Einklang mit den Jahreszeiten. Eva wurde klar, dass die Sonne die Jahreszeiten bestimmte, aber der Mond war immer noch das einfachere Hilfsmittel, um das Jahr in zählbare Abschnitte zu unterteilen.“25 So entdeckte der Mensch, dass an der Sommersonnwende der längste Tag ist, allerdings zog sich das über mehrere Tage hin. Man konnte es nicht ganz genau bestimmen. Auch die Tag- und Nachtgleichen, an denen der Tag und die Nacht genau 12 Stunden haben, sind nicht ganz einfach zu bestimmen. „Doch Eva gab nicht auf. Sie legte bedachtsam ihre Markierungssteine aus und passte deren Positionen jedes Jahr aufs Neue an, damit sie die Schatten und Sonnenaufgänge dieser wichtigen Daten genau bestimmen konnte. Ihr fiel auf, dass an diesem Tag kurz vor Sonnenaufgang und kurz nach Sonnenuntergang immer die gleichen Sternbilder am Himmel standen. Dies gab ihr eine weitere Möglichkeit, diesen Zyklen nachzugehen.“26
Nachdem der Mensch jahrzehntelange Beobachtungen gemacht hatte, gelang es ihm schließlich die Tage der Sonnwenden und der Tag- und Nachtgleichen genauestens zu bestimmen. So wurde erkannt, dass das Jahr etwa 365 Tage hatte und es war möglich, mit dieser Kenntnis den Mondkalender so zu korrigieren, dass er in Übereinstimmung mit dem Sonnenkalender kam. Indem einfach 11 Tage in jedem Jahr hinzugefügt wurden oder aber alle paar Jahre ein zusätzlicher Mondmonat eingeführt wurde, konnte das Problem gelöst werden. „Eva hatte also einen Mond-Sonnenkalender entwickelt und konnte Anfang und Ende der Jahreszeiten korrekt vorhersagen. Sie wusste nun, wann man säen und ernten sollte, wann man sich auf Flut oder Schnee vorbereiten sollte, und wann eine gute Zeit für ein großes Fest war, was diese wiederkehrenden Zyklen würdigte.“27
Wie funktioniert eine Visur?
Die drei Bilder auf den folgenden Seiten verdeutlichen am Beispiel einer Sonnenvisur/-peilung am Bahnhof Lörrach-Haagen, Brombach, im Jahr 2019 die Wanderung des Sonnenaufgangpunktes bzw. der anfänglichen morgendlichen Sonnenbahn ca. zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr von Nord nach Süd im Laufe eines Halbjahres zwischen Juni 2019 und Januar 2020 jeweils im zeitlichen Umfeld der Sonnwenden und der Herbst Tag- und Nachtgleiche.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Sonne wandert zwischen Sommer und Winter bei jedem Aufgang ein Stück weiter nach Süden und die Aufgangspunkte können am Horizont mit Kompasswinkeln, den sogenannten Azimutwinkeln, abge-lesen werden. Durch die vorangeschrittene Zeit sind hier die Azimut-winkel etwas größer als beim Sonnenaufgang am flachen Horizont, da die Sonne auf ihrer Bahn schon etwas fortgeschritten ist. In der Regel werden die Aufgangspunkte der Sonne für die Visur genommen, wenn die Oberkante des Sonnenballs über dem Horizont erscheint. Zwischen Winter und Sommer wandert die Sonnenbahn wieder zurück in Richtung Norden. Dieses Wandern der Sonnenbahn hängt mit der Neigung der Erdachse zusammen. Diese neigt sich um ca. 23°.
Das gleiche Wandern des Sonnenaufgangspunktes oder des Verlaufes der Sonnenbahn konnte auch vor 4000 Jahren an den Felsen der vermuteten Sonnen - und Mondbeobachtungsanlage, den sogenannten „Kalendersteinen“ - Hohfelsen bei Endenburg theoretisch beobachtet werden. Da heute dort durch den Bewuchs mit den Bäumen die Beobachtung stark erschwert ist, wurde die Visur – Peilung in Brombach als Beispiel für diese Sonnenbahnbewegung verwendet.
Die Größe der Azimutwinkel richtet sich nach dem Breitengrad von dem aus die Messung gemacht wird, hier bei N 47°37‘59‘‘/E 7°40‘50‘‘. Er differiert nicht stark zum Breitengrad bei Endenburg.
Schematische Darstellung der Sonnenaufgangspunkte an den drei Terminen:28
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eigenheiten der Mondbahn und die Mondwenden
Um einiges schwieriger als die Beobachtung der Sonnenbahn und der Sonnenwenden ist die Beobachtung der Mondbahn für den vorzeitlichen Himmelsbeobachter. Denn der Verlauf der Mondbahn hat seine Eigenheiten, die heute zwar gut berechnet werden können, für jemand, der aber den Mond beobachtet, zeigt sich zunächst ein relativ schnelles Pendeln der Bahn zwischen Norden und Süden. Jeweils ca. alle zwei Wochen wandert die Mondbahn zwischen Norden und Süden hin und her und die Wenden sind manchmal in einem breiteren Bereich, manchmal in einem schmäleren Bereich. Schließlich musste irgendwann der Mensch in der Vorzeit gemerkt haben, dass es eine äußerste nördliche und eine äußerste südliche Mondwende gibt, sie werden „große Mondwenden“ genannt. Die Mondwenden im schmäleren Bereich werden „kleine Mondwenden“ genannt. Die englische Bezeichnung für die Wenden ist „Lunar standstill“ „Stillstand des Mondes“. Das kommt daher, dass bei den Wenden der Mondaufgang über 1-3 Tage am nahezu gleichen Aufgangspunkt geschieht. Durch eine Neigungsstörung bewegt sich der Aufgangspunkt leicht hin und her, bevor der Verlauf dann wieder weitergeht. Dieses Phänomen konnte in Schottland an den Menhiren und Recumbent Stones in der End-Jungsteinzeit beobachtet werden und wird „Dance of the Moon“ genannt29. Auch in unseren Breiten war es möglich, dieses Phänomen zu beobachten. Vor allem Alexander Thom versuchte an Steinsetzungen in Schottland herauszufinden, wie es damals den Menschen gelungen ist, die Markierungen für die Mondwenden zu setzen, denn die grossen und kleinen Mondwenden kehren erst alle 18.6 Jahre wieder, dabei sind die kleinen Mondwenden um 9.3 Jahre versetzt zu den großen Mondwenden. Es bedurfte also eines langen Atems für die Astronomen in der Zeit um 2000 v. Chr. um diese Beobachtungen durchzuführen und dann die Markierungen zu platzieren. Desweiteren vertrat A. Thom die These, dass es den Vorzeitastronomen möglich war, Mondfinsternisse genau vorherzusagen30. Eine These, die bis heute umstritten ist. Ebenso ist nicht eindeutig zu sagen, ob sie sogar Sonnenfinsternisse vorhersagen konnten.
Bereits die Babylonier, die als erste Aufzeichnungen über lange Zeiträume führten, wussten schon über die Besonderheit der Mondbahn und der Wanderung durch die „Mondknoten“ bzw. die Wanderung der Knoten an sich Bescheid und waren in der Lage Finsternisse vorauszusagen. „Wie wir gesehen haben, gäbe es jeden Monat sowohl eine Sonnen- als auch eine Mondfinsternis, wenn die Mondbahn in genau derselben Ebene um die Erde verliefe wie die der Erdbahn um die Sonne, weil der Mond und die Erde in Beziehung zur Sonne zweimal genau hintereinander stünden und der Schatten eines Körpers auf den anderen fallen würde“.31 Die Neigung der Mondbahn um ca. 5° führt dazu, dass der Mond entweder unterhalb oder oberhalb der Linie Erde-Sonne vorüberzieht, aber „Die Mondbahn schneidet die Erdbahn tatsächlich zweimal im Monat, die Schnittstellen werden Knoten genannt. Wenn der Mond durch einen dieser Knoten geht und die Knotenlinie – eine imaginäre Linie durch beide Knoten und die Erde – zur Sonne zeigt, tritt eine Finsternis ein.“32 Da die Mondbahn nicht fixiert ist sondern sich ihrerseits durch die Einwirkung der äußeren Knoten auch dreht, verschiebt sich die Mondbahn im Verhältnis zu den Sternen langsam. „Diese Knotenpräzession braucht für einen volle Umdrehung 18,61 Jahre, so dass die Knotenlinie sich nicht alle 365,25, sondern alle 346,6 Tage nach der Sonne ausrichtet. Das ist das sogenannte Verfinsterungsjahr.“33 Betrachtet man die Bewegungen des Mondes nur in einem kurzen Zeitraum, so fällt es nicht auf, dass sich die Verfinsterungen in einem Zyklus wiederholen. Wie Ernst Born hingewiesen hat, war ein Menschenleben in der Megalithzeit recht kurz und reichte eventuell, um zweimal den Zyklus zu beobachten. Das Wissen darum musste mündlich über Generationen überliefert werden. „Da der Mond alle 29,5 Tage in eine fast genaue Ausrichtung nach Sonne und Erde kommt, wird eine Verfinsterung über derselben Erdgegend dann stattfinden, sobald diese beiden Zyklen und der Zyklus des tropischen Jahres zusammenfallen. Diese Zyklen werden alle 6585 Tage oder 18 Jahre und 11 Tage phasengleich. Diesen Zeitraum nennt man „Sarosperiode“. Ein beharrlicher Beobachter, der genaue Aufzeichnungen führt, könnte vielleicht zuletzt erkennen, dass, wenn in einem bestimmten Jahr eine bestimmte Folge von Finsternissen eintritt, dieselbe Folge sich achtzehn Jahre später wiederholt.“34 Während die Babylonier Aufzeichnungen hatten, gab es in den Kulturen in unserer Gegend und auf den britischen Inseln im Zeitraum um 2300 v. Chr. keine schriftlichen Aufzeichnungen. Es wird vielfach diskutiert, ob die Sarosperiode den Beobachtern in unseren Breiten und auf den britischen Inseln bekannt war. Da vermutlich an manchen Steinsetzungen Mondbeobachtungen vorgenommen wurden und die kleinen und großen Mondwenden markiert wurden, scheint es plausibel, dass die Wiederkehr der Finsternisse vorhersehbar war.
Zur Skizze auf der folgenden Seite:
Die großen und kleinen Mondwenden kommen zustande durch die Neigung der Mondekliptik um ca. 5° und die Neigung der Erdachse um ca. 23°. „Um zu verstehen, wie die verschiedenen in der Mondbewegung mitwirkenden Einflüsse die Extremwerte der Deklination nach Nord und Süd hervorbringen, die schon in vorgeschichtlicher Zeit das besondere Interesse aufmerksamer Beobachter gefunden haben, müssen wir von den Mondwenden ausgehen. Diese treten dann ein, wenn die Mondbahnknoten mit den Punkten der Tag- und Nachtgleichen auf der Ekliptik zusammenfallen. Eine „große Mondwende“ ereignet sich dann, wenn der aufsteigende Knoten („Drachenkopf“) auf den Frühlingspunkt trifft. Nach 9,3 Jahren fallen dann der absteigende Knoten („Drachenschwanz“) und der Frühlingspunkt zusammen, und wir haben dann die „kleine Mondwende“. Nach weiteren 9,3 Jahren folgt darauf die nächste große Mondwende.“35
Die Mondbahn ist ca. 5° zur Erde gegen die Ekliptik geneigt. Während des Jahres gibt es beim Umlauf der Erde um die Sonne nur zweimal die Stellung von Erde, Mond und Sonne, bei der es eventuell zu Finsternissen kommen kann. Dort, wo die Mondbahn die Ekliptik schneidet, sind die sogenannten Knoten (N nach englisch: Nodes) Steht der Mond auf der Ekliptik zwischen Sonne und Erde kommt es zur Sonnenfinsternis. Steht auf der Ekliptik die Erde zwischen Mond und Sonne kommt es zur Mondfinsternis, der Mond hat dann eine dunkelrote Farbe (Skizze P.Graf nach Cornell James a.a.O. S.42).
Die Möglichkeit Mondfinsternisse vorherzusagen, mag erklären, warum kleine und große Mondwenden überhaupt beobachtet wurden, denn die Finsternisjahre hängen mit dem Erscheinen dieser Mondwenden eng zusammen und mit der größten Neigungsstörung der Mondbahn. „Für „Für eine Kultur, die keine Schrift kannte, muß das Auffinden von Finsterniszyklen, wie der Saros, nicht einfach und die Anwendung besonders schwierig gewesen sein. Vielleicht war es möglich, Finsternisse durch indirekte Beobachtung des Mondes vorauszusagen, wenn man wusste, dass die positive Verschiebung seiner Position in den Intervallen halber Finsternisjahre eintritt. Dieser Störungszyklus läuft ständig weiter, aber die Verschiebung wird noch durch die anderen Störungen der Monddeklination mit beeinflusst.“36
Die Markierungen der Aufgangspunkte der kleinen und großen Mond-wenden an den zahlreichen megalithischen Sonnen- und Mondbeobachtungsanlagen zeigen, wie ausgefeilt besonders auch die Beobachtung des Mondes und seines Laufes gewesen sein muß. Diese Beobachtung mit Steinmarkierungen fand vielleicht schon ca. 8000 Jahre v. Chr. statt. In Nordost-Schottland (Aberdeenshire) erforschte der Archäologe Vince Gaffney und sein Team im Jahr 2009 ein Menhir Alignement (Megalith-Steinreihe) und er entdeckte, dass die in einer Reihe aufgestellten Menhire der Beobachtung der Mondwenden dienten.37
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Skizze: P. Graf nach Krupp C. Edwin: Astronomen, Priester, Pyramiden. München 1980: S. 33)
Durchaus bemerkenswert und von enormer Bedeutung könnte es sein, dass bei den Kalendersteinen in der Zeit um 2300 v. Chr. sowie danach die große nördliche und südliche Mondwende beobachtet worden sein könnten Es ist im südwestdeutschen Raum bisher keine Steinsetzung bekannt, wo dies der Fall wäre. Bei der Forschung über das Belchen-dreieck wird vermutet, dass Grosse und Kleine Mondwenden von der keltischen Siedlung Arialbinum (heute nahe Knorringue) aus über die entsprechenden Berggipfel beobachtet worden sein könnten, darüberhinaus ist aber nichts bekannt in unserer Gegend, wo große oder kleine Mondwenden beobachtet wurden.
Die Bedeutung der Mondwenden für die Beobachter
Verschiedentlich wird gefragt, wozu es für die Menschen in der späten Jungsteinzeit bis in die Zeit der Kelten wichtig war, die Mondwenden zu beobachten. So stellt Ernst Born bei seinen Ausführungen über die Menhire bei Yverdun-le-Bains fest: „Bei einer Lebenserwartung von 30 bis 40 Jahren konnte ein Mensch nach seiner Volljährigkeit rund 20 Sonnenwenden beobachten. Die Große und Kleine Mondwende erlebte er dagegen in seinem Leben nur einmal und er musste es den nächsten Generationen überlassen, festzustellen, ob es sich bei deren Auf- und Untergängen um feste Grenzwerte mit 19-jähriger Periode handelt. Da diese Erscheinung mit dem täglichen, monatlichen und jährlichen Wechsel in keinem Zusammenhang steht, hatte sie auch keine praktische Bedeutung und war höchstens von theoretischem Interesse. Wie weit dieses Interesse und das abstrakte Denken zur Zeit der Megalithkultur bereits vorhanden war, ist unbekannt, aber damit nicht unmöglich.“38
Sonnenwenden sind eindeutig zu interpretieren, denn sie markieren im Einklang mit den Jahreszeiten Anfang oder Ende der warmen bzw. kalten Jahreszeit. Entsprechend konnten Aussaat und Erntezeit bestimmt werden. Dass megalithische Steinsetzungen der Markierung der Sonnwenden dienten, darüber besteht kein Zweifel. Eine Beurteilung der steinernen Markierungen für die Mondwenden ist aber eher schwierig. Bei diesen kommen vermutlich stärker astronomische Ereignisse in den Blick, die man vielleicht vorherbestimmen wollte wie Mondfinsternisse. Unklar ist, ob auch Sonnenfinsternisse vorherbestimmt wurden, da sie zeitlich sehr weit auseinanderliegen, bis zu 150 Jahren. Die Beobachtung der großen nördlichen Mondwende und der Sommersonnwende, die ja vom Azimut her nahe beieinanderliegen, ermöglichten die Vorhersage von Mondfinsternissen. Sir Hoyle Fred weist in der Diskussion um Stonehenge darauf hin: „Für ein Volk, das sich solche Mühe gab, die nördlichen Positionen von Sonne und Mond festzuhalten, mag die Vorstellung der Mondknoten nicht so schrecklich abgelegen sein. Mit anderen Worten, es könnte durchaus möglich gewesen sein, dass die Leute von Stonehenge Verfinsterungen mit der Himmelsgeometrie der Sonnen- und Mondbahnen in Zusammenhang brachten, statt mit Finsterniszyklen, gewonnen aus der Gemeinschaftserfahrung längst vergangener Ereignisse.“39
Diese Feststellung mag vielleicht auch für Steinsetzungen auf dem europäischen Kontinent zutreffen, wo die Weitergabe des astronomischen Wissens in der ausgehenden Jungsteinzeit von Generation zu Generation ebenfalls durchaus denkbar oder gar sehr wahrscheinlich ist. Wenn man bedenkt, dass Mondkulte in der religiösen Praxis eine Rolle spielten, so war die Beobachtung von Mondfinsternissen und deren Voraussagen eventuell auch wichtig, da sie „unheimlich“ waren und in diesem Zusammenhang vielleicht kultische Handlungen ausgeübt wurden.40 Damit aber befindet man sich schon tief in der Diskussion, ob Steinsetzungen mehr für die kultische Praxis und für religiöse Feiern sowie deren zeitliche Bestimmung dienten, oder ob sie tatsächlich mehr für die Astronomie dienten, sozusagen als vorzeitliche „Sternwarten“ bzw. „Observatorien“. Für einige schottische megalithische Steinkreise und Steinsetzungen formuliert Ray Norris: „Auf jeden Fall, die Studien zeigen, dass das Interesse des megalithischen Menschen in diese Himmelskörper von ritueller Bedeutung war (d.h. von niederer Exaktheit). Es war weniger ein Versuch Positionen am Himmel zu bestimmen, um sie als Hilfe für Finsternisvorhersagen oder den Bau von Kalendern zu verwenden.“41
Auf der anderen Seite stellt Margeret Ponting für die Steinsetzung in Callanish (Isles of Lewis, Schottland) fest: „Zweitens, es war Somerville (1912), der als erster feststellte, dass die auffallenden Steine 9 und 34 in süd-westlicher und nord-östlicher Richtung des Steinkreises nicht in das Arrangement des Kreises und der Steinreihen passten. Diese beiden Steine dienten als Markierungen der äußersten nördlichen Deklination des Mondaufgangs. Das war die erste sichere Feststellung überhaupt, dass der prähistorische Mensch Mondbeobachtungen machte. Dies bedeutet, es sind akkurate Observatorien keine rituellen Tempel.“42
Diese Kontroverse zieht sich durch die ganze archäoastronomische Forschung und wird später im Kapitel über Megalithbauten und Religion nochmals zur Sprache kommen. Was aber sichtbar wird, ist, dass Steinsetzungen egal wo, ihre jeweiligen Eigenheiten haben und oft im Kontext ihrer lokalen Volksgruppen und ihrer Umgebung verwendet wurden. Auch wenn Alexander Thom in Schottland gewisse Gemeinsamkeiten verschiedener Steinkreise entdeckte, dennoch sind sie immer auch sehr spezifisch und individuell. Was man daraus schließen kann für die vermuteten Kalendersteine in Endenburg ist, dass auch diese eine ganz eigene individuelle Gestaltung und Bedeutung gehabt haben könnten. Auch ihr Gebrauch war vielleicht ganz spezifisch in dieser Gegend. Heute ist es aber eher schwierig, die Markierungspunkte für die Mondwenden eindeutig nachzuweisen.
Die vermuteten Kalendersteine beim Hohfelsen in Endenburg-Stalten – die Entdeckung Johann Hügins
Es war die Entdeckung des Uhrmachers Johann Hügin aus Lörrach- Brombach, die uns die Welt der Archäo-Astronomie in der Umgebung von Steinen- Endenburg eröffnete. In einem Artikel beschreibt er unter der Überschrift „Kalendersteine aus der Megalithzeit im südlichen Schwarzwald“ seine Entdeckung. Geht man den Weg vom Haus Stalten hinauf in Richtung Hohe Stückbäume, so trifft man auf die markanten Steinanhäufungen und Felsformationen östlich des Weges und nur der Kenner der archäoastronomischen Zusammenhänge kann erschließen, wie sich das Puzzle am Hohfelsen in Endenburg zusammensetzt. Bis heute ist unsicher, inwieweit die Forschungsergebnisse von Johann Hügin und dem Züricher Astronom William Brunner Bosshard hypothetisch sind oder, ob sich tatsächlich am Berghang oberhalb von Endenburg in östlicher Richtung eine Sonnen-/ Mondbeobachtungsan-lage im größeren Ausmaß aus der Megalithzeit bzw. aus dem Neoli-thikum (3000 – 2000 v. Chr.) befindet.
Auf das Neolithikum (Jungsteinzeit) folgen die Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) und die Eisenzeit, ca um 800 v. Chr. bis zur Zeitenwende. In den letzten Zeitabschnitt fällt auch die Phase der keltischen Besiedlung. Innerhalb dieser großen Zeitspanne erweist es sich als sehr schwierig, die Datierung einer Kalenderstein-Anlage festzulegen, wie dies oft bei Megalithbauten das Problem ist. Teilweise wurden sie schon sehr früh gebaut (um 7000 v. Chr), eine große Zahl z.B. Ganggräber mit astronomischen Ausrichtungen wurden zwischen 2000 – 1800 v. Chr gebaut. Manchmal wurden die steinernen Anlagen nur 300 – 400 Jahre genutzt, dann gerieten sie in Vergessenheit, um später z. B. von den Kelten wieder „in Betrieb genommen“ zu werden und teilweise ergänzt oder erneuert zu werden, wie z.B. in Stonehenge.43
Nehmen wir an, dass die Funde in Endenburg tatsächlich auf eine Sonnen- und auch Mondbeobachtungsanlage des Neolithikums, der Jungsteinzeit und der später folgenden Zeitphasen hinweisen, so lassen sich die Winkel, die sogenannten Azimutwinkel,44 der jeweiligen Aufgangspunkte der Sonne zur Sommersonnwende und zur Wintersonnwende für entsprechende Jahre zurückberechnen. Azimute sind auf Geografisch Nord ausgerichtet. Sucht man die Steinformationen mit dem Kompass, muss die Missweisung berücksichtigt werden, da der Kompass sich nach Magnetisch Nord ausrichtet. Für Endenburg ist die Missweisung 2,6°. Dies war die Methode, mit der Johann Hügin vorging um seine Vermutung zu präzisieren. Auch die Azimutwinkel der Mondaufgänge in ihren großen und kleinen Extremen können rekonstruiert werden, was allerdings um einiges schwieriger ist als bei den Aufgangspunkten der Sonne, da die großen und kleinen Mondwenden in ihrem Extrem nur alle 18,6 Jahre stattfinden.
Die vermuteten „Kalendersteine“ beim Hohfelsen sind auf der Ostseite des Hanges unterhalb des Gipfels „Hohe Stückbäume“ gelegen, was bedeutet, dass nur die Sonnen auf gänge bei der Sommersonnwende, Wintersonnwende, der Tag- und Nachtgleiche und evtl. zu Terminen von Festen (z.B. Frühlingsfest) beobachtet werden konnten und heute noch beobachtet werden können. Die Sonnen unter gänge hingegen konnten nicht über diese Visuranlage gesehen werden. Allerdings könnte es durchaus sein, dass an der südwestlichsten Spitze des Platzes über eine Steingruppe der Sonnenuntergang bei der Wintersonnwende zu sehen ist. J. Hügin hat diese Steingruppe nicht erwähnt. Man müsste dies noch erforschen.
Das gleiche gilt für den Mond bei seinen kleinen und großen Wenden. Auch nur die Aufgänge des Mondes können am Hohfelsen beobachtet werden.
Anhand der Skizze, die Johann Hügin anfertigte, kann man sehen, welche Steinformation den jeweiligen Aufgangspunkt anzeigt. Das heißt in der Theorie: man hat in der Vorzeit zum entsprechenden Zeitpunkt der Sommersonnwende im Juni oder der Wintersonnwende im Dezember vom Visurstein aus, einem vermutlich umgestürzten ehemals 4 Meter hohen Menhir etwas westlich des Holzverladeplatzes, in die entsprechenden Himmelsrichtungen nach Nord-Ost bzw. Süd-Ost geschaut. Dort befinden sich ca. 100 – 300 m entfernt die Steinformationen. Sie dienten bei der Peilung sozusagen als „Korn“, worüber man die Sonne bzw. den Mond zu den entsprechenden Zeitpunkten aufgehen sah. Vor ca. 4000 Jahren dürfte der Wald durch Brandrodung entfernt gewesen sein, so dass freie Sicht auf die Steinformationen war. Heute geht die Sonne nicht mehr exakt über den entsprechenden Steinformationen auf, aber doch in ihrer unmittelbaren Nähe.
Die Kalendersteinanlage ist auf natürlichen Felsformationen aufge-baut. Dies ist etwas Besonderes in Endenburg, lagen doch diese Felsfor-mationen in entsprechend guter Position, so dass man darauf nur ent-sprechend Steine aufschichten musste, um das Niveau der Horizonthöhe auszugleichen. Dann musste nur noch der Visurstein (Menhir) entsprechend platziert werden. Vermutlich wurde dieser Visurstein von Menschenhand gesetzt. Gewisse Zweifel sind jedoch angebracht, da er ein enormes Gewicht gehabt haben muss. Der Sockel ist noch im Boden und ragt ungefähr 90 cm in die Höhe, der obere Teil des Visursteines liegt oberhalb des Sockels auf der Erde in ungefährer Ost-West Richtung. Es könnte sein, dass er bei einem Erbeben umstürzte, so vermutet Jürgen Kammerer.45
Wie gesagt, es ist denkbar, dass dieser Menhir bzw. Visurstein von Menschhand an diesen Ort gebracht wurde. Johann Hügin vermutet, dass der Menhir beim Aufstellen so eingerichtet wurde, dass er für die Peilung über die natürlichen Felsformationen den richtigen Standort hat.
Einen Stein dieser Größe und dieses Gewichtes dort so zu platzieren, ist eine ungeheure Leistung. Dass dies möglich ist, zeigen andere von Menschen errichtete Menhire und Megalithen an anderen Orten in Europa. Johann Hügin beschreibt, dass bei den entsprechenden anvisierten Felsformationen ergänzend Steine oder Steinhaufen aufgeschichtet wurden, um darüber die Sonnen- und Mondaufgänge besser visieren zu können. Man braucht zwei Punkte, um eine Visurpeilung vorzunehmen. Sie sollten für die Visur von Sonne und Mond auch auf gleicher Niveauhöhe liegen. Vor allem dürfen sie nicht zu nahe beieinanderliegen, am besten sollten sie mindestens 100 m Entfernung haben. Wie beschrieben, diente der Visurstein als Ausgangspunkt der Beobachtung und er könnte auch als „Gnomon“ verwendet worden sein, zur Bestimmung des Durchgangs der Sonne an ihrem höchsten Punkt im Tageslauf. (Meridiandurchgang) Auf diese Weise konnte man auch die Zeit bis zur Sommersonnwende oder Wintersonnwende feststellen.46
Johann Hügin ordnete dann die Steinformationen zu und benannte die entsprechenden Steinformationen mit römischen Zahlen von Süden nach Norden entsprechend der astronomischen Praxis. Diese Nummerierung ist eher unüblich, da vor allem in der englischen Praxis entsprechend der geometrischen Aufzählung in der Regel die Nummerierungen der Steine oder Steinformationen von Nord nach Süd mit dem wachsenden Azimutwinkel im Uhrzeigersinn vorgenommen wurden. Um aber die Übersichtlichkeit zu bewahren und nicht zusätzlich zu verwirren, wird in der Darstellung in diesem Buch die Nummerierung von Johann Hügin beibehalten und von Süd nach Nord durchgezählt.
Die Lage der vermuteten Kalendersteine auf ca. 860 m
Eine Besonderheit stellt die Lage der vermuteten Kalendersteine dar. Sie liegen unterhalb des Gipfels des Schwarzwaldvorberges Hohe Stückbäume auf ca. 860 m Höhe. Entgegen der Praxis, dass Steinsetzungen für die Sonnen- und Mondbeobachtung am besten in der Ebene liegen und man - wenn möglich - rundherum in einen flachen Horizont blicken kann, liegen in Endenburg Stalten die vermuteten Kalendersteine oberhalb des kleinen Tales bei Endenburg, das zum Pass Stühle führt und unterhalb des Gipfels Hohe Stückbäume. Was könnte die Menschen damals bewogen haben, diese Stelle auszuwählen? Oder muss man von vornherein in Frage stellen, dass sich dieser Platz überhaupt eignete. Natürlich ist der Hohfelsen mit seiner markanten Form im wahrsten Sinne des Wortes herausragend. Von ihm aus wurde die gesamte Anlage vermutlich konzipiert, denn er liegt nach der Darstellung Johann Hügins im Azimutwinkel für die Große Mondwende Süd. Dass Felsen eine wichtige Rolle in den religiösen Vorstellungen und in der religiösen Praxis in der Jungsteinzeit und danach spielten, wird im Kapitel „Religion, Kult und Megalithbauten“ dargestellt. Von daher war der Hohfelsen in der Gegend markant und konnte allein deshalb schon für die Wahl interessant gewesen sein. Ein weiteres ist der Horizont im Osten der Kalendersteinanlage.
Die Gipfel Schlöttleberg, Hohfelsen, Rohrenkopf und Hohe Möhr gaben markante Visurpunkte für die Beobachtung der Sonnen- und Mondaufgänge. Vor allem zwischen Schlöttleberg und Hohfelsen (Gipfel) konnten die Aufgänge bei der Sommersonnwende gut beobachtet werden.
Bei der Tag und Nachtgleiche steht der Rohrenkopf genau in Ostrichtung. Über ihm geht am 21. März und am 21. September die Sonne auf und kann vom großen Oststein des Hohfelsen aus gut beobachtet werden.
A. Thom entdeckte bei seinen Forschungen in Schottland immer wieder, dass solche Markierungspunkte in der Landschaft, Berggipfel, Bergrücken oder Bergsattel und Einkerbungen im Gelände für die Visur wie „das Korn“ bei einem Gewehrlauf gedient haben mussten.47
Auffallend ist, dass in Endenburg der Visurstein und die Steinformationen mit Ausnahme des Hohfelsen, die gleiche Höhe haben. Es wäre wieder ein Zufall der Natur, wenn dies ohne die Beteiligung durch Menschen so präzise entstanden wäre. Der Hohfelsen selbst bildet die Ausnahme, er liegt ca. 20 m unter der Endhöhe der anderen Formationen und des vermuteten Visursteines. Der gegenüberliegende Horizont mit den Gipfeln und Bergrücken liegt annähernd auf gleicher Höhe.
[...]
1 DUVAL Birgit-Cathrin: Kraftorte im südlichen Schwarzwald, Wanderungen zu mystischen Orten und geheimnisvollen Plätzen. Reutlingen, 2019.
2 DUVAL Birgit-Cathrin a.a.O.: S. 50.
3 HAWKINS S. Gerald/WHITE John B.: Stonehenge decodet. New York 1965.
4 BRUNNER-BOSSHARD William Dr.: Hinweise auf urgeschichtliche astronomische Kenntnisse. In: Helvetia Archaeologica, 16/1985, S. 62ff.
5 siehe: https://aschkf.wordpress.com/ 2014/05/14/hohfelsen/).
6 siehe: https://www.textatelier.com/index.php?id=996& blognr=44 17.
7 siehe: https://www.mariagmuender.com/mein- angebot/ wanderungen/ hohfelsen- bei-endenburg.html.
8 GROELL Roland: Sagen, Mythen und Legenden. Wandern im Dreiland. Basel 2000, S. 42.
9 HÜGIN Johann: Kalendersteine aus der Megalithzeit im südlichen Schwarzwald. In: Schriften des historisch-wissenschaftlichen Fachkreises „Freunde alter Uhren“ in der deutschen Gesellschaft für Chronometrie (Hrsg.) Band XXVII, 1988, S. 71 – 88.
10 SCHLOSSER Wolfhard/CIERNY Jan: Sterne und Steine. Eine praktische Astronomie der Vorzeit. Darmstadt 1996, S. 93.
11 SOMERVILLE Boyle T.: Astronomical Indications in the megalithic Monument of Callanish. In : Journal of the british Astronomical Association XXiii (1912), S. 83 – 96 Somerville entdeckte in Callanish, dass auch die Mondextreme mit Steinanlagen beobachtet werden konnten. « The Site first achieved astronomical notoriety when a survey was published by Vice-Admiral Boyle Somerville in 1912. It includet the first ever suggestion that a megalithic monument might have been aligned upon the moon at an extreme rising or setting point in its 18.6 – year cicle, known as the lunar node cycle » Diese Aussage bezieht sich auf die Steinanlage in Callanish, Isle of Lewis, Schottland siehe dazu : RUGGLES Clive L. N. : Ancient Astronomie : An Enzyclopedia of Cosmologies and Myth. Santa Barbara 2005, S. 61.
12 Siehe dazu: HIGGINBOTTOM Gail/CLAY Roger: Archaeoastronomy in Western Scotland; und BURNHAM Andy: Thornborough Archaeoastronomy; in: BURNHAM Andy (Hrsg.): The Old Stones. The Megalithic Portal. With a Foreword from Mike Parker Pearson. London 2018. S. 165ff. und S. 307/308.
13 Siehe dazu: MÜLLER Johannes Dr.: Großsteingräber - Grabenwerke - Langhügel frühe Monumentalbauten Mitteleuropas. Archäologie in Deutschland, Sonderheft 11, Darmstadt 2017.
14 Siehe dazu: SCHAPPACHER Volkmar: Jungsteinzeitliche Siedlungen der Dickbännli- Gruppe im Markgräflerland; in Zeitschrift Markgräflerland Heft 1, 1984, S. 110 – 125.
15 Die „Kuckucksweiher-Steinanlage“ bei Hammereisenbach nahe dem Schluchsee wird z.B. von den Bewohnern der Gegend als „Schwarzwald-Stonehenge“ benannt, siehe dazu: WEIS Roland, AMRUTH Ramesh: Magisch – mystisch – megalithisch. Die rätselhafte vorchristliche Vergangenheit von Süd- und Hochschwarzwald. Freiburg/Berlin/Wien 2013, S. 36.
16 siehe dazu: http://bz-ticket.de/zu-steinkreisen-in-schluchsee--137000910.html; Do, 18. Mai 2017; Download vom 30. 04.2020.
17 MÜLLER Rolf: Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit. Astronomie und Mathe- matik in den Bauten der Megalithkulturen. Verständliche Wissenschaft Band 106. Berlin Heidelberg 1970, S. 1.
18 Siehe dazu: Astronomie im alten Europa – Spuren einer erloschenen Kultur. Eine Ausstellung zur Archäoastronomie in Europa mit Erläuterung der archaischen astronomischen Beobachtungstechniken an ausgewählten Beispielen. Präsentiert vom Forschungsprojekt Vorzeitliche Astronomie der Westfälischen Volkssternwarte und dem Initiativkreis Horizontastronomie im Ruhrgebiet, Kontakt: STEINRÜCKEN Burkhard.
19 BIALAS Volker: Astronomie und Glaubensvorstellungen in der Megalithkultur. Zur Kritik der Archäoastronomie. Bayerische Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse. Abhandlungen. N. F. 166. München: Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in Kommission bei der C. H. Beck’schen Verlagsbuchhandlung München. 1988. S. 81.
20 BIALAS Volker: a.a.O.: S. 33.
21 BIALAS Volker: a.a.O.: S. 33
22 MOORE Ben: Mond. Eine Biografi e. Zürich - Berlin 2019, S. 111.
23 MOORE Ben: Mond. Eine Biografie. Zürich – Berlin 2019, S. 109/110.
24 MOORE Ben: a.a.O.: S. 111.
25 MOORE Ben: a.a.O.: S. 111.
26 MOORE Ben: a.a.O.: S. 113.
27 MOORE Ben: a.a.O.: S. 113.
28 Skizze nach: CORNELL James: Die ersten Astronomen. Eine Einführung in die Ursprünge der Astronomie. Basel 1983, S.40
29 PODBREGAR Nadja: Tanzender Mond überm Stein. Online Publikation: https://www.scinexx.de/dossierartikel/tanzender-mond-ueberm-stein/; Februar 2008, Download vom 22.04.2021.
30 THOM Alexander, THOM Archibald Stevenson: Ringe und Menhire: Geometrie und Astronomie in der Jungsteinzeit. In: KRUPP Edwin C. (Hrsg.) : Astronomen, Priester, Pyramiden. Das Abenteuer der Archäoastronomie. München 1980, S. 45 – 84. Siehe auch: THOM Alexander: Megalithic Lunar Observatories. Oxford 1971.
31 CORNELL James: a.a.O.: S. 119.
32 CORNELL James: a.a.O.: S. 119.
33 CORNELL James: a.a.O.: S. 119.
34 CORNELL James: Die ersten Astronomen. Eine Einführung in die Ursprünge der Astronomie. Basel 1983. S. 119/120
35 KRUPP Edwin C. (Hrsg,) : Astronomen, Priester, Pyramiden. Das Abenteuer der Archäoastronomie. München 1980, S. 35/36.
36 KRUPP Edwin C. a.a.O.: S. 38. Siehe Skizze auf nächster Seite. Siehe dazu auch: STEINRÜCKEN Burkard: Beobachtung einer Mondwende. Internetpublikation: https://sternwarte-recklinghausen.de/ data/ uploads/dateien/pdf/ao2_ mondwende.pdf. Download vom 21.04.2021.
37 GAFFNEY Vince, FITCH Simon, CH´NG Eugene, BALDWIN Eamonn u.a.: A Luni-solar Time reckoner from 8th Millenium B.C. Siehe dazu: https//www. Researchgate.net/publication/255538544; WarrenfieldfinalInternetarchaeology PDF; Download vom 27.04.2021.
38 BORN Ernst: Die Megalithen von Yverdon-les-Bains. Basel 2017, S. 19.
39 HOYLE Fred, Sir, zitiert in CORNELL James: Die ersten Astronomen. Basel 1983, S. 83.
40 « Finsternisse gehören zu den beeindruckendsten Naturerscheinungen. Da sie mit einer gewissen Regelmässigkeit auftreten, waren vielleicht schon in der Vorzeit Prognosen möglich.“ SCHLOSSER Wolfhard/CIERNY Jan: Sterne und Steine. Eine praktische Astronomie der Vorzeit. Darmstadt 1996, S. 54.
41 NORRIS Ray: Megalithic observatories in Britain: real or imagined? In: RUGGLES Clive L.N. : Records in Stone. Papers in Memory of Alexander Thom. Cambridge 1988 S. 273.
42 PONTING Margaret: Megalithic Callanish. In: RUGGLES Clive L.N. : Records in Stone. Papers in Memory of Alexander Thom. Cambridge 1988 S. 430.
43 Siehe dazu: MÜLLER Rolf: Der Himmel über dem Menschen der Steinzeit. Astronomie und Mathematik in den Bauten der Megalithkulturen. Verständliche Wissenschaft Band 106, Berlin Heidelberg 1970.
44 Siehe dazu auch: WALKER, Richard: Die Analyse astronomischer Ausrichtungen. Publikation 2018. Wichtig ist, dass es hier um die „Astronomischen Azimute“ geht, im Gegensatz zu den geometrischen Azimuten. (Abzug der Missweisung magnetisch Nord).
45 Jürgen Kammerer äußert diese Vermutung. Alljährlich hält der ehemalige Lehrer und Ortsvorsteher von Endenburg für die VHS Steinen eine Führung bei den Kalendersteinen.
46 Siehe dazu den Artikel: MINOW Helmut: Schattenmessung mit dem Gnomon. Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement. 4/2005, 130 Jg. S. 284 – 252.
47 THOM Alexander, THOM Archibald Stevenson: a.a.O.: S. 58.
- Citation du texte
- Patrick Graf (Auteur), 2022, Zeit-Zeiger aus Stein. Die Kalendersteine in Endenburg-Stalten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1291731
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