Kindsmord – ein Problem, welches durch alle Zeiten hindurch bestand und bis heute besteht. Gerade in jüngster Vergangenheit scheinen Kindsmordfälle äußerst präsent zu sein. Man richte seinen Blick nur auf einen kleinen Ort in Brandenburg – Brieskow Finkenheerd. Hier tötet Sabine H. neun Säuglinge in den Jahren zwischen 1998 und 1998. Die Leichen verscharrt sie in Blumentöpfen auf ihrem Balkon. 2006 wird das Verbrechen entdeckt und die Täterin zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Das Beispiel zeigt, dass Kindsmord bis heute hart bestraft wird. Die Medienpräsenz derartiger Geschehen oder auch die zahlreichen Forumsdiskussion im Internet beweisen eindeutig, dass die Debatte um die Bestrafung von Kindsmörderinnen hochaktuell und die derzeitige staatliche Handhabung des Problems für viele unbefriedigend ist.
Vor gut zweihundert Jahren war dieses Thema, ausgelöst durch eine Preisfrage schon einmal in allen Mündern. Die Rede ist von der so genannten Mannheimer Preisfrage aus dem Jahre 1780. Der Jurist Freiherr Ferdinand Adrian von Lamezan gab die Frage: „Welches sind die besten ausführbaren Mittel, dem Kindermorde Einhalt zu thun?“ in der Juli- Ausgabe der ‚Rheinischen Beiträge zur Gelehrsamekeit’ aus. Ursprünglich als Antwort auf diese Frage verfasste Johann Heinrich Pestalozzi den Aufsatz Über Gesetzgebung und Kindermord, sendet diesen jedoch nicht ein, sondern veröffentlicht ihn drei Jahre später auf eigene Kosten.
Dieser Aufsatz liegt der nachfolgenden Analyse zugrunde. Es soll untersucht werden, welchen Beitrag Pestalozzi zur Debatte um den Kindermord leistete, welchen Wert die von ihm vorgeschlagenen Reformen haben und ob sich Pestalozzi mit seiner Schrift von den anderen Beiträgen (speziell den Reaktionen auf die Mannheimer Preisfrage) abhebt. Folgende Forschungsfrage soll beantwortet werden: Was macht Pestalozzis Schrift Über Gesetzgebung und Kindermord innerhalb der Gesamtdebatte am Ende des 18.Jahrhunderts so besonders?
Hierzu soll der Text, dem Argumentationsverlauf Pestalozzis folgend, analysiert, zentrale Punkte ins Verhältnis zur Gesamtdebatte gesetzt und somit der Wert Pestalozzis’ Schrift für den Umgang der Gesellschaft mit dem Problem des Kindermordes ermittelt werden. Am Schluss der vorliegenden Arbeit steht ein zusammenfassendes Resümee.
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil: Analyse und Kontextualisierung
3. Schluss
Bibliographie
1. Einleitung
Kindsmord – ein Problem, welches durch alle Zeiten hindurch bestand und bis heute besteht. Gerade in jüngster Vergangenheit scheinen Kindsmordfälle äußerst präsent zu sein. Man richte seinen Blick nur auf einen kleinen Ort in Brandenburg – Brieskow Finkenheerd. Hier tötet Sabine H. neun Säuglinge in den Jahren zwischen 1998 und 1998. Die Leichen verscharrt sie in Blumentöpfen auf ihrem Balkon. 2006 wird das Verbrechen entdeckt und die Täterin zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Das Beispiel zeigt, dass Kindsmord bis heute hart bestraft wird. Die Medienpräsenz derartiger Geschehen oder auch die zahlreichen Forumsdiskussion im Internet beweisen eindeutig, dass die Debatte um die Bestrafung von Kindsmörderinnen hochaktuell und die derzeitige staatliche Handhabung des Problems für viele unbefriedigend ist.
Vor gut zweihundert Jahren war dieses Thema, ausgelöst durch eine Preisfrage schon einmal in allen Mündern. Die Rede ist von der so genannten Mannheimer Preisfrage aus dem Jahre 1780. Der Jurist Freiherr Ferdinand Adrian von Lamezan gab die Frage: „Welches sind die besten ausführbaren Mittel, dem Kindermorde Einhalt zu thun?“ in der Juli- Ausgabe der ‚Rheinischen Beiträge zur Gelehrsamekeit’ aus.[1] Ursprünglich als Antwort auf diese Frage verfasste Johann Heinrich Pestalozzi den Aufsatz Über Gesetzgebung und Kindermord, sendet diesen jedoch nicht ein, sondern veröffentlicht ihn drei Jahre später auf eigene Kosten.
Dieser Aufsatz liegt der nachfolgenden Analyse zugrunde. Es soll untersucht werden, welchen Beitrag Pestalozzi zur Debatte um den Kindermord leistete, welchen Wert die von ihm vorgeschlagenen Reformen haben und ob sich Pestalozzi mit seiner Schrift von den anderen Beiträgen (speziell den Reaktionen auf die Mannheimer Preisfrage) abhebt. Folgende Forschungsfrage soll beantwortet werden: Was macht Pestalozzis Schrift Über Gesetzgebung und Kindermord innerhalb der Gesamtdebatte am Ende des 18.Jahrhunderts so besonders?
Hierzu soll der Text, dem Argumentationsverlauf Pestalozzis folgend, analysiert, zentrale Punkte ins Verhältnis zur Gesamtdebatte gesetzt und somit der Wert Pestalozzis’ Schrift für den Umgang der Gesellschaft mit dem Problem des Kindermordes ermittelt werden. Am Schluss der vorliegenden Arbeit steht ein zusammenfassendes Resümee.
2. Hauptteil: Analyse und Kontextualisierung
Der Analyse sollen noch einige Allgemeine Ausführungen zur Behandlung des Kindermordes im 19. Jahrhundert vorangestellt werden. Zur Zeit der Mannheimer Preisfrage war die Constitutio Criminialis Carolina oder auch genannt Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahre 1532. Artikel 131 dieser Rechtsordnung regelte den Umgang mit Kindermordsfällen ganz eindeutig:
„131. Item welches weib jre kind, das leben vnd glidmaß empfangen hett, heymlicher boßhafftiger williger weiß ertödtet, die werden gewonlich lebendig begraben vnnd gepfelt, Aber darinnen verzweiffelung zuuerhütten, mögen die selben übelthätterinn inn welchem gericht die bequemlicheyt des wassers darzu vorhanden ist, ertrenckt werden. Wo aber solche übel offt geschehe, wollen wir die gemelten gewonheyt des vergrabens vnnd pfelens, vmb mer forcht willen, solcher boßhafftigen weiber auch zulassen, oder aber das vor dem erdrencken die übelthätterin mit glüenden zangen gerissen werde, alles nach radt der rechtuerstendigen.“ (Landerverwaltung Liechtensetin/Historische Rechtsquellen 2008, Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.)[2]
Auf Kindermord stand also die Todesstrafe durch lebendiges Begraben mit anschließendem Einrammen eines Pfahles, Ertränken oder das Reißen mit glühenden Zangen. Derartig brutale Vorgehensweisen waren im ausgehenden 18. Jahrhundert zwar nicht mehr üblich, das Prinzip der Todesstrafe blieb jedoch bestehen. Sie wurde allerdings zumeist durch Köpfen mit dem Schwert durchgeführt. So auch in einem der bekanntesten Fälle dieser Zeit, welcher sich in Frankfurt zutrug. Es handelt sich um die Gasthaus Bedienstete Susanna Margaretha Brandt, welche nicht zuletzt Goethe als Vorlage für sein Gretchen diente. Brandt tötete ihr Kind kurz nach dessen Geburt und wurde dafür zum Tode verurteilt. „Susanna Brandt wurde am 14.1.1772 in Anwesenheit eines großen Publikums öffentlich mit dem Schwert hingerichtet“ (van Dülmen 1991, S.14).[3]
Dieser Fall sorgte für großes Aufsehen auch über die deutschen Grenzen hinaus und dürfte somit auch Pestalozzi zur Zeit der Abfassung seiner Schrift geläufig gewesen sein. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das gültige Recht (Constitutio Criminialis Carolina) gemeinhin als veraltet und nicht mehr zeitgemäß aufgefasst wurde, was vor allem durch die Aufklärung begründet werden kann:
„Es war erst die Aufklärung, die zwar noch keine durchgreifende Praxisänderung herbeiführte, aber das Problem des Kindsmordes in ihren Sinne in Angriff nahm, nachdem allerdings bereits vorher eine bedeutsame Humanisierung des Strafrechts in allen Bereichen – mit Ausnahme des Kindsmordes – stattgefunden hatte. Wenn dann seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die Stimmen derer zunahmen, die die Todesstrafe für Kindsmord nicht mehr für angebracht hielten, so war dies dem aufklärerischen Diskurs zuzuschreiben, der bereits wirksam über den Kindsmord stattfand.“ (van Dülmen, 1991, S.99)
[...]
[1] allg. Informationen vgl. Michalik 1977, S.295 ff.
[2] abrufbar unter: http://www.llv.li/llv-la-historische_rechtsquellen.htm; Zugriff: 8.7.2008.
[3] Ausführliche Darstellungen dieses und weiterer Fällen vgl. van Dülmen, 1991 S. 11-15.
- Citation du texte
- Silvio Holland-Moritz (Auteur), 2008, Johann Heinrich Pestalozzis Schrift: Über Gesetzgebung und Kindermord, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129109
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