Speziell in Bezug auf die in den letzten Jahren gesteigerte Popularität von Instagram, stellt sich die Frage, inwieweit soziale Netzwerke tatsächlich Einfluss auf die Identitätsarbeit von jungen Menschen haben. Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Arbeit.
Zu Beginn wird der Begriff der Identität näher bestimmt. Im selben Zuge wird das Modell der alltäglichen Identitätsarbeit nach Heiner Keupp erläutert. Anschließend beginnt die Darlegung von allgemeinen Fakten des Fotoportals Instagram. Zudem werden Aufbau und Funktionen der soeben genannten Plattform beschrieben. Im Anschluss daran werden die Funktionen in die Theorie eingeordnet, um darzustellen, inwieweit die alltägliche Identitätsarbeit Jugendlicher mit einem sozialen Netzwerk wie Instagram miteinander verknüpft ist. Daraufhin werden Beispiele angeführt, um den Bezug zur Realität zu skizzieren. Zum Schluss wird in einem Fazit die erarbeiteten Ergebnisse bezüglich der Fragestellung der Arbeit zusammengetragen.
1. Einleitung
Es beginnt schon früh am Morgen eines jeden Tages, es wird das neue Rezept von dem neuen Green-Smoothie getestet. Das Ergebnis wird direkt auf Instagram hochgeladen. Es folgt ein Foto von dem „Outfit-of-the-day“ am besten draußen im Tageslicht. Die Marken der Kleidung werden markiert, dass jeder Abonnent die Kleidungsstücke nach kaufen kann. Eine Vielzahl von Urlaubsfotos und Schnappschüsse vom letzten „Girlsday“ dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen. BloggerInnen posten am Tag drei bis zehn Bilder auf dem Fotoportal, um die Follower bei Laune zu halten. BloggerInnen haben heutzutage einen hohen Stellenwert und gelten als Vorbilder für viele Jugendliche. In der Phase des Jugendalters orientieren sich die jungen Menschen immer öfter an deren Idolen und deren Lebens- und Identitätsentwürfen.
Als eine der zentralen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters zählt die Identitätsbildung. „Wer bin ich?“, „Wie möchte ich sein?“, „Für wen hält man mich?“. Das sind nur drei von vielen Fragen, die sich Jugendliche in der Orientierungsphase stellen. Jugendliche suchen immer öfter die Antworten in den sozialen Netzwerken, da sie eine gewisse Orientierung bieten. Zudem werden die sozialen Plattformen verstärkt zur Selbstdarstellung genutzt. Neben Facebook und WhatsApp gewinnt das Fotoportal Instagram immer mehr Aufmerksamkeit. Mit den dargebotenen Trends bietet Instagram sowohl Vorlagen als auch Reibungsfläche für die Identitätsarbeit von Jugendlichen. Speziell im Bezug auf die in den letzten Jahren gesteigerte Popularität der Fotoplattform, stellt sich die Frage, inwieweit soziale Netzwerke wie Instagram tatsächlich Einfluss auf die Identitätsarbeit von jungen Menschen haben. Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Arbeit.
Zu Beginn wird der Begriff der Identität näher bestimmt. Im selben Zuge wird das Modell der alltäglichen Identitätsarbeit nach Heiner Keupp u.a. erläutert. Anschließend beginnt die Darlegung von allgemeinen Fakten des Fotoportals Instagram. Zudem werden Aufbau und Funktionen der soeben genannten Plattform beschrieben. Im Anschluss daran werden die Funktionen in die Theorie eingeordnet, um darzustellen, inwieweit die alltägliche Identitätsarbeit Jugendlicher mit einem sozialen Netzwerk wie Instagram miteinander verknüpft ist. Daraufhin werden Beispiele angeführt, um den Bezug zur Realität zu skizzieren. Zum Schluss wird in einem Fazit die erarbeiteten Ergebnisse bezüglich der Fragestellung der Arbeit zusammengetragen.
2. Das Modell der alltäglichen Identitätsarbeit
Um heraus zu finden, inwieweit die Fotoplattform Instagram die Identitätsarbeit von Jugendlichen beeinflusst, ist es notwendig den Begriff der Identität zu erläutern. Identität wird in vielen verschiedenen Weisen interpretiert. Demnach ist es unvermeidlich, eine Theorie zur Identität heran zu ziehen.
„Identität meint den Zielzustand, sich durch Integration neuer Erfahrungen wandeln und mit widersprüchlichen Normen umgehen zu können, ohne die eigenen Intentionen (»mein wahres Selbst«) aufzugeben“ (Kneck und Sandfuchs 1994, S. 156).
Kneck und Sandfuchs gehen hierbei von einer Persönlichkeitsausbildung aus, die als abgeschlossen gilt, wenn das Individuum den Zustand der Identität erreicht hat. Einen weiteren Einfluss auf die Identitätstheorien gelang Erik H. Erikson. Jener betonte zwar stets in seiner Theorie zur psychosozialen Persönlichkeitsentwicklung die Eigenarbeit des Individuums, jedoch ist er der Ansicht, dass das Durchlaufen der einzelnen Stufen in seiner Theorie zu einer sicheren Basis der Identität in dem Erwachsenenalter führt (Vgl. Hobmair u.a. 2008, S. 326). Denn erst im Jugendalter beginnt das Individuum sich seinem eigenen Selbst zuzuwenden. So besteht die zentrale Aufgabe der Jugendphase darin, die eigene Identität zu entdecken und zu schaffen. Nach dem Psychologe Erikson ist diese Lebensphase eine Zeitspanne des Ausprobierens, die der entscheidende Schritt zu einer eigenständigen Identität darstellt. Die Identität ist durch Fragen wie „Wer bin ich?“, „Wie möchte ich sein?“, „Wie glaube ich, dass ich werde?“, „Für wen hält man mich?“ und „Wie möchten andere mich haben?“ geprägt (Vgl. ebd., S.326).
Heiner Keupp befasste sich ebenfalls mit dem Thema der Identität. Er entwickelte das Modell der alltäglichen Identitätsarbeit, welches ein hohes Maß an Kreativität und Eigenaktionismus der Subjekte voraussetzt. Im Gegensatz zu Erikson betont Keupp gezielt die Prozesshaftigkeit und die damit einhergehende Unabgeschlossenheit der Identitätsarbeit (Vgl. Keupp u.a. 2002, S. 215). Dadurch, dass das Modell als Prozess beschrieben wird, steht fest, dass die Identität nicht eine Wesenheit des Individuums darstellt, sondern ein Prozess der sinnhaften und individuellen Verknüpfungsarbeit von Erfahrungsfragmenten (Vgl. Keupp 2009, S.56ff.) Demnach ist Keupp der Annahme, dass die Identität selbst nicht von Geburt an gegeben ist, sondern dass sie ein lebenslang andauernden Prozess alltäglicher und permanenter Arbeit kennzeichnet.
„In einigen Situationen verhält sich ein Kind [.] gegenüber anderen Menschen ebenso zurückhaltend wie seine Mutter, in anderen imitiert es die soziale Aufgeschlossenheit seines Vaters. [.] Das Kind übernimmt zwar ihm wichtig erscheinende Merkmale anderer [.]. Die damit verbundene Identität ist eher mit einer Reihe einzelner Stofffetzen zu vergleichen, die noch nicht zusammengefügt worden sind, vielleicht auch gar nicht zusammen passen [.].“ (Mietzel 2002, S. 385f.)
Keupp führt in seinem Modell zur Identitätsarbeit zwei Prozesse an. Ein Prozess beschäftigt sich mit dem retrospektiv-reflexiven Part. Hierbei stehen die zurückliegenden Selbsterfahrungen in der Vergangenheit im Mittelpunkt des Prozesses. Der retrospektivreflexive Prozess verarbeitet Erfahrungen und bewertet sie. Somit wird die Identitätsarbeit zum Teil als Form der Ordnung der eigenen Erfahrungen beschrieben. Der zweite Prozess lässt sich als prospektiv-reflexiv beschreiben. Jener stellt die jeweiligen Selbstentwürfe des Individuums in das Zentrum und bildet den aktiven und zukunftsorientierten Part der Identitätsarbeit (Vgl. Keupp u.a. 2002, S. 192ff.).
Die Prozesse stellen sich auch als Konfliktaushandlung dar, da es zwischen den Erwartungen des eigenen Selbst und den tatsächlichen Gegebenheiten oftmals zu Uneinigkeiten kommt. Diese sind zum Einen grundlegende Quellen für neue Handlungsmuster in der Identitätsarbeit und zum Anderen erzeugen sie Spannungen für Identitätsprozesse in der Zukunft (Vgl. ebd., S. 196ff.).
Der Sozialpsychologe unterscheidet zwei Perspektiven im Hinblick auf die Entstehung der Identität. Einerseits ist die Entwicklung der Identität von Ressourcen abhängig und von dessen Verständnis bzw. Verwendung. Somit sind jene Ressourcen relevant, die das Subjekt tatsächlich wahrnimmt bzw. nicht wahrnimmt, also identitätsrelevante innere Ressourcen. Nach Keupp geschieht die Transformierung von Kapitalsorten wie materielles, kulturelles und soziales Kapital zu einer Identitätsentwicklung durch den Optionsraum und die darin enthaltenen Bewältigungsressourcen. Anhand eines Beispiels im Bezug auf die sozialen Ressourcen kann der Optionsraum folgendermaßen verstanden werden. In einem sozialen Netzwerk wie zum Beispiel Instagram kann man Identitätsentwürfe von anderen Individuen beurteilen und einordnen. Hierbei stellt das Individuum sich die Frage, gleicht die dargebotene Person mir oder ist sie ganz anders als ich. Somit kann der Optionsraum als Möglichkeitsraum für Identitätsentwürfe durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Identitäten anderer verstanden werden. Die Bewältigungsressourcen bieten hierbei den Rückhalt, den das Individuum benötigt (Vgl. ebd., S. 268f.).
Andererseits kann die Identität als narrative Konstruktion verstanden werden, denn die Identitätskonstruktion erfolgt durch das Selbstverständnis in Form von Selbsterzählungen. Hier erfährt und artikuliert das Individuum die Ganzheit seines eigenen Lebens durch dessen Selbstnarrationen. Bei jenen stellt das Individuum die Kohärenz zwischen einzelnen Erfahrungsfragmenten her. Selbsterzählungen bilden und verändern sich in sozialen Aushandlungsprozessen, somit können sie nicht als stabil angesehen werden. Jedoch sind sie auch durch soziale Konventionen beschränkt. Die Veränderung von 3
Selbstnarrationen können durch einen gesellschaftlichen Wandel ausgelöst werden. Dabei wird die individuelle Autonomie bezüglich der sozialen Akzeptanz von Geschehnissen in der Außenwelt auf die Probe gestellt. Das Individuum hat stets das Bedürfnis den Vorstellungen sozialer Gruppen gerecht zu werden. Dieses Verhalten zielt auf die Anerkennung anderer ab. Die Selbstnarrationen spiegeln das individuelle Selbstbild wieder (Vgl. ebd., S. 207ff.).
Heiner Keupp geht von drei zentralen Formen der alltäglichen Identitätsarbeit aus. Jene sind existenziell für eine gelungene Identitätsarbeit des Subjekts. Der erste Modus besteht in der Kohärenzleistung zwischen der inneren und der äußeren Dimension. Das Ziel ist ein Gefühl der Ausgeglichenheit, Einheit und Sinnhaftigkeit zwischen den beiden Dimensionen zu schaffen (Vgl. ebd., S.243ff.). Der zweite Modus beschäftigt sich mit der Suche nach Anerkennung. Hier stellt sich das Individuum die Frage, wie es mit eigenen Aktivitäten und der Darstellung des Selbst Anerkennung von anderen Menschen erlangt. Anerkennung wünscht sich das Individuum meist von den Peergroups1. Wichtig zu erwähnen ist, dass ein gewisses Gleichgewicht zwischen der Autonomie des Selbst und der Anerkennung von anderen herrschen muss. Anerkennung erlangt das Individuum durch die Aufmerksamkeit und positive Bewertungen anderer. Die Anerkennung anderer führt im selben Zuge zur Selbstanerkennung (Vgl. ebd., S. 252ff.).
"So ist uns der Diskurs der Anerkennung in doppelter Weise geläufig geworden: erstens in der Sphäre der persönlichen Beziehungen, wo wir die Ausbildung von Identität und Selbst als einen Prozess begreifen, der sich in einem fortdauernden Dialog und Kampf mit signifikanten Anderen vollzieht; zweitens in der öffentlichen Sphäre, wo die Politik der gleichheitlichen Anerkennung eine zunehmend wichtigere Rolle spielt." Taylors zentrale These ist für ein Verständnis der Hintergründe von Gewalt und Sucht zentral: Er geht davon aus, „dass unsere Identität teilweise von der Anerkennung oder NichtAnerkennung, oft auch von der Verkennung durch die anderen geprägt (werde), so dass ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen wirklichen Schaden nehmen, eine wirkliche Deformation erleiden kann, wenn die Umgebung oder die Gesellschaft ein einschränkendes, herabwürdigendes oder verächtliches Bild ihrer selbst zurückspiegelt. Nichtanerkennung oder Verkennung kann Leiden verursachen, kann eine Form von Unterdrückung sein, kann den anderen in ein falsches, deformiertes Dasein einschließen.“ (Keupp 2003, S. 18)
Der dritte und letzte Modus handelt von der Vergegenwärtigung von Authentizität. Das Koordinieren und aufeinander Abstimmen von Veränderungen bzw. Unstimmigkeiten in der eigenen Identität stehen dabei im Zentrum. Sodass das Gefühl der Einheit bestehen kann, wägt das Subjekt die Chancen und Risiken der Veränderungen ab (Vgl. Keupp u.a. 2002, S.263). Die soeben genannten drei Modi werden als zentrale, innere Syntheseleistungen angesehen, also als die subjektive Verknüpfung der verschiedenen Bezüge.
Des Weiteren spricht Keupp von Begriffen wie Teilidentitäten, einem Identitätsgefühl, biografischen Kernnarrationen und einer Handlungsfähigkeit, die eine hohe Bedeutung für das Modell der Identitätsarbeit darstellen.
Teilidentitäten sind selbstbezogene situative Erfahrungen in einem gewissen Lebensumfeld. Das Individuum hat mehrere Teilidentitäten, denn ein Individuum kann sowohl die Identität des Familienoberhauptes übernehmen, zum anderen verkörpert es die Identität des Arbeitnehmers. Teilidentitäten setzen sich aus zukunftsorientierten Elementen wie Identitätsentwürfe und -projekte und aus vergangenen Elementen wie realisierte oder gescheiterte Identitätsprojekten zusammen. Zudem können sich Teilidentitäten einerseits neu orientieren, wie zum Beispiel bei einer beruflichen Neuorientierung. Andererseits können sie sich auch auflösen, wie bei dem Eintritt in das Pensionsalter. Man spricht von dominierenden Teilidentitäten, wenn eine Teilidentität intensiver ausgeprägt ist (familiäres Selbst, religiöses Selbst oder berufliches Selbst) als manch andere (Vgl. ebd., S. 218ff.). Das Identitätsgefühl entsteht durch die Verdichtung aller biografischen Erfahrungen und Bewertungen des Selbst. Die Bewertungen werden sowohl über die Qualität und die Art der Beziehung zu sich selbst bestimmt als auch darüber, inwiefern eine Person die Anforderungen des täglichen Lebens bewältigen kann. Die Bewertungen des Selbstgefühls und des Kohärenzgefühls haben demnach eine hohe Bedeutung für das Identitätsgefühls (Vgl. ebd., S. 225ff.).
Nach Keupp haben die biografischen Kernnarrationen einen hohen Stellenwert in der Identitätsarbeit. Denn sie sind die Teile der Identität, die dem Individuum bewusst sind. Sie sind konkrete Vorstellungen von dem eigenen Selbst, die sie ohne Probleme anderen Menschen mitgeteilt werden können (Vgl. ebd. S.229ff.).
Die eben erwähnten Aspekte (Teilidentitäten, Identitätsgefühl, biografi sche Kernnarrationen) der Identitätsarbeit münden alle in der Handlungsfähigkeit des Individuums. Jene zeichnet sich durch die Kompetenz der Bewältigung des Alltags aus (Vgl. ebd., S. 242). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man die
„Identitätsarbeit [...] als Bedingung und als Ziel die Schaffung von Lebenskohärenz [verstehen kann]. In früheren gesellschaftlichen Epochen war die Bereitschaft der Übernahme vorgefertigter Identitätspakete das zentrale Kriterium für Lebensbewältigung. Heute kommt es auf die individuelle Passungs- und Identitätsarbeit an, also auf die Fähigkeit zur Selbstorganisation, zum „Selbsttätigwerden“ oder zur „Selbsteinbettung“. In Projekten bürgerschaftlichen Engagements wird diese Fähigkeit gebraucht und zugleich gefördert. Das Gelingen dieser Identitätsarbeit bemisst sich für das Subjekt von Innen an dem Kriterium der Authentizität und von Außen an dem Kriterium der Anerkennung.“ (Keupp u.a. 2002, S.63)
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1 Die Peergroup ist für viele Jugendliche ein zentrales Forum, um an Unterstützungserfahrungen zu gelangen. Damit sind sowohl konkrete Hilfestellungen als auch emotionale Unterstützung gemeint. (Vgl. Wagner 2009, S.123)
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- Anonymous,, 2017, Inwieweit trägt Instagram zur Identitätsarbeit Jugendlicher bei?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1289648
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