Verblödet die Gesellschaft durch die Nutzung digitaler Medien, weil wir statt selber zu denken, uns permanent vorgefertigtes Wissen aneignen? Oder sind digitale Medien, im Gegenteil, anregende, bewusstseinserweiternde Lernwerkzeuge? Darüber wird kontrovers diskutiert.
Heute scheinen digitale Medien in unserem Alltag als unverzichtbar. Für nahezu alle Lebensbereiche (Freizeit, Schule, Beruf) stehen sie zur Verfügung. Das Internet ermöglicht es, Informationen von überall und jederzeit abzurufen. Navigationssysteme zeigen uns den richtigen Weg, Nachrichtenmessenger verbinden Menschen untereinander und das Fernsehen ist einer der zentralen Unterhaltungsinstrumente der digitalen Welt. Welche Folgen hat das?
Wissenschaftlicher Essay
Heute scheinen digitale Medien in unserem Alltag als unverzichtbar. Für nahezu alle Lebensbereiche (Freizeit, Schule, Beruf) stehen sie zur Verfügung. Das Internet ermöglicht es Informationen von überall und jederzeit abzurufen. Navigationssysteme zeigen uns den richtigen Weg, Nachrichtenmessenger verbinden Menschen untereinander und das Fernsehen ist einer der zentralen Unterhaltungsinstrumente der digitalen Welt. (Eichenberg & Auersperg, 2018, S. 7). Welche Folgen hat das?
Verblödet die Gesellschaft durch die Nutzung digitaler Medien, weil wir statt selber zu denken, uns permanent vorgefertigtes Wissen aneignen? Oder sind digitale Medien, im Gegenteil, anregende, bewusstseinserweiternde Lernwerkzeuge? Darüber wird kontrovers diskutiert.
Digitale Medien (Computer, Smartphones, Spielkonsolen, Fernsehen) sind heute ein fester Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen (ebd., S. 6 f.). Studien zur Mediennutzung von Jugendlichen (wie etwas die Kim- oder die Jim-Studie) zeigen, dass digitale Medien in hohem Ausmaß in der Freizeit für Unterhaltungszwecke genutzt werden (mpfs, 2018, S. 11). „An einem durchschnittlichen Tag sehen die Sechs- bis 13-Jährigen 82 Minuten fern, nutzen 45 Minuten das Internet, spielen 31 Minuten Computer-/Konsolen- /Onlinespiele, hören 26 Minuten Radio, lesen 22 Minuten in Büchern und spielen 19 Minuten am Smartphone.“ (mpfs, 2018, S.83 f.) Die „Mediennutzungsdauer von Neuntklässlern [liegt] bei knapp 7,5 Stunden täglich [.]“ (Spitzer, 2014, S. 11).
Manfred Spitzer ist Gehirnforscher und einer der bekanntesten Mahner und Warner, die „befürchten, dass wir uns [durch digitale Medien] rasend schnell dem Abgrund nähern und unsere Gesellschaft verblödet“ (Johnson, 2006, S. 13). In seinem Buch „Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (2012)“ warnt er vor den Gefahren der digitaler Medien. Manfred Spitzer ist davon überzeugt, dass der Umgang mit Medien zwangsläufig dumm macht und meint damit die meisten Tätigkeiten, die mit digitalen Medien vollzogen werden, nicht nur die üblichen Beschäftigungen (unter anderem Videos glotzen, chatten, spielen), denen Jugendliche nachgehen. Er spricht von einer systematischen Verdummung einer ganzen Generation (Spitzer, 2014, S.19).
Im Gegenteil zu den Mahner und Warner, vertreten Befürworter (zum Beispiel Steven Johnson in seinem Buch „Neue Intelligenz. Warum wir durch Computerspiele und TV klüger werden“ (2006)) der digitalen Medien die Ansicht, dass die Gesellschaft durch digitale Medien klüger wird.
Diese Diskussion über die Verblödung von Kindern und Jugendlichen, erinnert mich immer an Personen, die meinten: „Die Kinder wissen heute nichts mehr. Sie wissen nicht einmal mehr, welches die drei größten Flüsse Deutschlands sind.“ Aber ist es richtig die Diskussion über die Verblödung von Kindern und Jugendlichen an der Fähigkeiten der Vorväter festzumachen zu wollen? Und ist es unbedingt wichtig zu wissen, welches die drei größten Flüsse Deutschlands sind oder ist es ausreichend zu wissen wo man sich die Information herholen kann?
Es ergibt sich für somit die Fragestellung, ob digitale Medien tatsächlich zu einer Verblödung der Gesellschaft führen oder digitale Medien „schlauer machen“. Im Folgenden werden die Sichtweisen der Befürworter und Gegner, die auf wissenschaftlichen Befunden basieren, erläutert.
Befürworter dieser Frage argumentieren, dass durch digitale Medien die eigene Gehirnnutzung (Denken, Speichern und Überlegen) immer mehr abnimmt. Das Problem dabei ist, dass, wenn der Mensch sein Gehirn beziehungsweise bestimmte Gehirnareale, die für eine bestimmte Fähigkeit gebraucht werden, nicht nutzt, diese dann verkümmern. (Spitzer, 2014, S. 37 f.). Das Gehirn verliert an Kraft, wenn es nicht genutzt wird. Dies ist vergleichbar mit den menschlichen Muskeln, denn werden diese nicht regelmäßig trainiert, bauen diese ab (ebd., S. 37). Die Annahme, dass beispielsweise Navigationssysteme Orientierungsfähigkeit stärken ist ein Trugschluss. Die Wahrheit ist, dass der Mensch durch Navigationssysteme verlernt selbst zu navigieren und die eigene Orientierungsfähigkeit einschränkt wird (ebd., S. 28). Menschen, die ihre Orientierungsfähigkeit regelmäßig trainieren und ihre Nervenstränge dadurch anregen haben einen stärker ausgeprägten Hippocampus (ebd., S. 29-37).
In Deutschland wachsen Kinder und Jugendliche mit einem breiten Medienrepertoire auf und in praktisch allen Familien sind digitale Medien vorhanden. Die Gefahr dabei ist, dass das Vorhandensein eines Computers in der Regel nur dazu führt, dass die Kinder und Jugendliche Computerspiele damit spielen und somit vom Lernen angehalten werden, was sich widerrum negativ auf den Schulerfolg auswirkt. (ebd., S.24)
Zudem funktioniere die kognitive Verarbeitung von Inhalten durch digitale Medien nur noch auf einem oberflächlichen, nicht nachhaltigen Niveau. Dabei gilt: „Je oberflächlicher ich einen Sachverhalt behandle, desto weniger Synapsen werden im Gehirn aktiviert, mit der Folge, dass weniger gelernt wird.“ (Spitzer, 2014, S. 69 f.) Es ist jedoch wichtig sich intensiv mit Inhalten auseinander zu setzen, damit ein Lernprozess stattfindet. „Je mehr und vor allem je tiefer man einen Sachverhalt geistig bearbeitet, desto besser wird er gelernt. (ebd., S. 95 ff.).
Durch die fehlende beziehungsweise reduzierte Notwendigkeit des Merkens („Google weiß alles“) verlernen Kinder und Jugendliche Stück für Stück die Fähigkeit sich Wissen zu merken. Die Psychologin Betsy Sparrow stelle in einem durchgeführten Experiment fest, dass wer „glaubte, der Computer würde die Aussagen nach dem Eingeben einspeichern, der merkte sich vergleichsweise viel weniger.“ (ebd., S. 100).
Im Hinblick auf digitale Medien und Schule sehen die Befürworter dieser Frage große Risiken bei der Benutzung von Smartboards und Computern im Klassenzimmer. Spitzer führt beispielsweise an, dass das Lernen in einer realen Dreiergruppe weitaus effektiver sei, als das Lernen per Bildschirm und Tastatur (ebd., S. 75). Der Computer sei kein gutes Lernwerkzeug, weil es geistige Arbeit, wie zum Beispiel das Abschreiben von Texten abnimmt (ebd., S. 80)
Schaut man sich nun die Gegner dieser Frage an, dann vertreten diese die Meinung, dass die digitale Medien intelligenter machen (Johnson, 2006, S. 28). Den Verfall der Unterhaltungskultur (zum Beispiel Serien und Filme voller Sex, Gewalt und Obszönitäten) stimmen sie zu, aber stellen fest, dass immer in der Diskussion darum, ob die aktuellen Medien gut oder schlecht sind, der unausgesprochene Konsens vertreten wird, dass Unterhaltung nur dann wertvoll ist, wenn es eine wertvolle Botschaft vermittelt (ebd., S. 25 ff.).
Bei Computerspielen sei es falsch, die Vorteile nur auf Hand-Augen-Koordination zu reduzieren. Moderne Games seien extrem kognitiv anspruchsvoll. Teilweise so anspruchsvoll, dass Lösungsbücher mit mehreren hundert Seiten notwendig sind, um in bestimmten Videospielen ab einem bestimmten Punkt weiter zu kommen (ebd., S. 41 ff). „Man braucht diese Handbücher, weil die Komplexität dieser Welten mitunter überwältigend ist“ (ebd., S. 43).
Auch das Medium Fernsehen sollte nicht allein auf den Inhalt bewertet werden. Die kognitiven Anforderungen, die das Fernsehprogramm an Zuschauerinnen und Zuschauer stellt sind in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen (Johnson, 2006, S. 74 f.) „Diese geistige Beteiligung des Zuschauers besteht zum Teil darin, verschiedenen Erzählfäden zu folgen und [...] die oft engmaschig vernetzten Handlungsstränge nicht zu verlieren.“ (ebd., S. 75).
Auch der rasante Aufstieg des Internets sei positiv zu sehen. Durch die erhöhte Interaktivität werden kognitive Fähigkeiten stärker beansprucht und das wirkt sich zudem positiv auf Menschen aus (ebd., S. 124 ff.).
Das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg betont: „Digitale, interaktive Medien öffnen die Tore zur Welt, stärke die Menschen und erweitern ihre Möglichkeiten der (Mit)Gestaltung. [.] Sie unterstützen neue Lern- und Lehrformen und regen Menschen an, gestalterisch aktiv zu werden.“ (Bounin, 2012).
Weiterhin haben Forscher der Psychiatrischen Universitätsklinik der Charite im Berliner St. Hedwig-Krankenhaus im Rahmen einer europaweiten Untersuchung zur Vorhersage des Suchtverhaltens von Jugendlichen zwei überraschende Entdeckungen gemacht. Zum einen, dass das Volumen des Belohnungssystems bei Jugendlichen, die öfter am Computer sitzen, zunimmt. Zum anderen, dass bestimmte Bereiche im frontalen Kortex (zum Beispiel für strategisches Planen oder Aufmerksamkeit) beim Vielspieler deutlich größer ist (Gundlach, 2011).
Manfred Spitzer sagt die Beschäftigung mit digitalen Medien macht dumm. Gleichzeitig erklärt Spitzer auch: „Die Lage ist zwar durchaus ernst, aber [nicht] [.] hoffnungslos“ (Spitzer, 2014, S. 293 - 294). Es ginge nicht darum die Medien abzuschaffen, sondern diese richtig zu verwenden, denn Medien erleichtern das Leben in vielen Bereichen. Besonders bei Kindern muss darauf geachtet werden, dass sie nicht schutzlos den Gefahren der Medien ausgesetzt werden. Vor allem die Gehirnbildung darf nicht gefährdet werden (ebd., S. 322).
Seine Gegner sind anderer Meinung. Steven Johnson zum Beispiel kommt zu dem Schluss, dass die Umwelt durch die Massenmedien immer anspruchsvoller, facettenreicher und komplexer wird. Dadurch entsteht keine Verblödung, sondern das Gegenteil. Diese Komplexität fördert die Denkarbeit und bringt unsere kleinen grauen Zellen mächtig auf Touren (Johnson, 2006, S. 202). Zudem führen viele Befürworter der digitalen Medien an, dass die Thesen von Spitzer nicht ausreichend wissenschaftlich abgesichert sind (Bounin, 2012). Inwiefern dies zutrifft ist schwierig einzuschätzen, macht die Thesen aber nicht weniger bedenkenswert.
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2020, Mediale Jugend. Verblöden Kinder und Jugendliche durch Konsum digitaler Medien?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1288292
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