Im Studienjahr 1977/78 hielt Foucault die Vorlesung „Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“, in dessen Verlauf er versucht eine Geschichte der Gouvernementalität zu skizzieren (vgl. Foucault 2000: 64). Sein Begriff der Gouvernementalität ist dabei mehrschichtig und verweist auf unterschiedliche Handlungsformen und Praxisfelder, die in vielfältiger Weise auf die Lenkung und Leitung von Individuen und Kollektiven zielen (vgl. Kammler et al. 2008: 260). Regierung wird dabei verstanden als umfassender Begriff. Es lassen sich anhand dieses Konzeptes verschiedene Analyseperspektiven einnehmen. Im angelsächsischen Bereich knüpfen unter dem Label „governmentality studies“ mehr oder weniger lose Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Begriff der Regierung von Foucault und seiner Machtanalytik an (vgl. Bröckling et al. 2000: 7).
In der deutschsprachigen Politikwissenschaft – anders als in den benachbarten Disziplinen wie der Soziologie und Geschichte – findet erst seit der jüngsten Vergangenheit eine historisch sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Arbeiten Foucaults und einer Übertragung auf dediziert politische Fragen statt, die eine vormals philosophisch-akademische Diskussion zunehmend ablöst (vgl. Reichert 2004: 13). Diese neue Forschungsrichtung ist gekennzeichnet durch verschiedene Ansätze und Lesarten von Foucaults Werken. Selbst über die Wortherkunft „gouvernementalité“ herrscht kein Konsens. Bröckling et. al (2000: 8) interpretieren das Wort als semantische Verbindung von Regieren („gouverner“) und Denkweise („mentalité“) und übersetzen es mit Regierungsmentalität, während Sennelhart (vgl. Foucualt / Sennelhart 2004: 564) diese Ableitung als Fehldeutung ansieht, da gouvernementalité etymologisch von „gouvernmental“ (die Regierung betreffend) stammt.
Foucault verwendet für seine Analysen eine genealogisch-kritische Diskursanalyse. Sein Diskursmodell „lenkt die Aufmerksamkeit auf die „Bedingungen“, die dazu führen, dass sich Dinge als wissenschaftliche Gegenstände und Aussagen als wissenschaftliche Wahrheiten konstituieren“ (Kerchner 2006a: 49). Genealogisch vorgehen bedeutet dabei, durch geografische und zeitliche Ausweitung der Analyse den Maßstab zu relativieren um eine andere Perspektive auf die Dinge einzunehmen und übergeordnete Redeordnungen zu entdecken. Foucaults Analysen sind deshalb immer historisch und international vergleichend. Die Herausarbeitung der Diskurse ist das Ziel, keine Begriffsgeschichte oder Theoriebildung.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DEFINITION GOUVERNEMENTALITÄT
- RATIONALITÄTEN DES REGIERENS
- MACHT IN GOUVERNEMENTALITÄT- UND GOVERNANCEKONZEPTEN
- ZUSAMMENFASSUNG
- LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Verschriftlichung befasst sich mit dem Begriff der Gouvernementalität, einem zentralen Konzept in Michel Foucaults Werk. Sie verfolgt das Ziel, den Begriff zu definieren, seine historische Entwicklung zu beleuchten und seine Bedeutung für die Analyse von Machtverhältnissen zu verdeutlichen.
- Definition und Entwicklung des Begriffs der Gouvernementalität
- Analyse der verschiedenen Rationalitäten des Regierens
- Die Rolle von Macht in Gouvernementalität und Governance-Konzepten
- Die Bedeutung von Diskursanalyse für die Untersuchung von Machtverhältnissen
- Die Gouvernementalisierung des Staates als dynamische Form gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse
Zusammenfassung der Kapitel
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Die Einleitung führt in das Thema der Gouvernementalität ein und stellt die Relevanz des Begriffs für die Politikwissenschaft dar. Sie beleuchtet die historische Entwicklung des Konzepts und die unterschiedlichen Ansätze in der Forschung.
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Das Kapitel "Definition Gouvernementalität" erläutert Foucaults Verständnis von Gouvernementalität als ein komplexes Gefüge von Institutionen, Verfahren und Gewohnheiten, das die Ausübung von Macht auf die Bevölkerung zielt. Es werden die drei zentralen Aspekte der Definition beleuchtet: die spezifische Form der Macht, die politische Ökonomie als Wissensform und die Sicherheitsdispositive als technisches Instrument.
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Das Kapitel "Rationalitäten des Regierens" zeichnet die historische Entwicklung verschiedener Rationalitäten des Regierens nach, die Foucault in seiner Vorlesungsreihe "Sicherheit, Territorium, Bevölkerung" analysiert. Es werden die verschiedenen Formen der Macht und ihre jeweiligen Rationalitäten beleuchtet, die sich im Laufe der Geschichte entwickelt haben.
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Das Kapitel "Macht in Gouvernementalität- und Governancekonzepten" befasst sich mit dem zentralen Begriff der Macht und untersucht die Unterschiede zwischen Gouvernementalität und Governance-Konzepten. Es werden die verschiedenen Formen der Macht und ihre Anwendung in den beiden Konzepten analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Gouvernementalität, Macht, Regierung, Biomacht, Diskurse, Rationalitäten, Governance, Staat, Bevölkerung, Sicherheitsdispositive, politische Ökonomie, genealogisch-kritische Diskursanalyse, Foucault.
- Quote paper
- Martin Schultze (Author), 2009, Gouvernementalität - Zur Klärung des Begriffs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128793
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