Worin unterscheidet sich die Hörfunkrezeption bei den einzelnen Gendergruppen? Wie müssen Radioprogramme gemacht sein, die entweder gezielt Frauen oder Männer ansprechen wollen? Ein Leitfaden für Programmverantwortliche vom klassischen Hörfunk bis zum Webradio. Die Programme aus dem klassischen Hörfunk müssen um ihr
Fortbestehen kämpfen. Das Fernsehen, das Internet, MP3-Player
und Podcasts graben ihnen massiv Marktanteile ab. Jetzt soll durch
die Digitalisierung und die damit verbundene Marktöffnung nahezu
jeder einzelne in die Lage versetzt werden, seinen eigenen
Radiosender betreiben zu können. Digital, im Internet. Für den
Rezipienten macht es diese technische Entwicklung einfacher,
entweder selbst als Akteur tätig zu werden und folglich zugleich
als Rezipient für andere Sender nicht mehr in Erscheinung zu
treten. Oder er kann sich alternativen Medien zuwenden, deren
Konsum für ihn bequemer ist. Um im Radio Zusammenhänge zu
erschließen und dem Geschehen folgen zu können, muss ein
gewisses Maß an Fantasie und Konzentration aufgewendet werden.
Das ist beim Fernsehen zum Beispiel nicht unbedingt vonnöten. Es
lässt sich durch das zusätzliche Angebot von Bildern zum Ton
einfacher konsumieren.
Alle diese und noch weitere Faktoren haben zur Folge, dass die
Zahl der Hörfunk-Hörer pro Sender schrumpft. Weil aber hinter
privaten Rundfunkstationen in vielen Fällen strikt kalkulierende
Wirtschaftsunternehmen stehen, versucht die Hörfunkbranche,
dem Trend des Hörerschwundes entgegen zu wirken. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aktueller Forschungsstand
2.1 Gemeinsame Hörgewohnheiten
2.2 Geschlechtsspezifische Differenzen
3. Praktische Umsetzung
3.1 Programme für Männer
3.2 Programme für Frauen
4. Fazit / Ausblick
5. Literatur- und Bildnachweise
1. Einleitung
Die Programme aus dem klassischen Hörfunk müssen um ihr Fortbestehen kämpfen. Das Fernsehen, das Internet, MP3-Player und Podcasts graben ihnen massiv Marktanteile ab. Jetzt soll durch die Digitalisierung und die damit verbundene Marktöffnung nahezu jeder einzelne in die Lage versetzt werden, seinen eigenen Radiosender betreiben zu können. Digital, im Internet. Für den Rezipienten macht es diese technische Entwicklung einfacher, entweder selbst als Akteur tätig zu werden und folglich zugleich als Rezipient für andere Sender nicht mehr in Erscheinung zu treten. Oder er kann sich alternativen Medien zuwenden, deren Konsum für ihn bequemer ist. Um im Radio Zusammenhänge zu erschließen und dem Geschehen folgen zu können, muss ein gewisses Maß an Fantasie und Konzentration aufgewendet werden. Das ist beim Fernsehen zum Beispiel nicht unbedingt vonnöten. Es lässt sich durch das zusätzliche Angebot von Bildern zum Ton einfacher konsumieren.
Alle diese und noch weitere Faktoren haben zur Folge, dass die Zahl der Hörfunk-Hörer pro Sender schrumpft. Weil aber hinter privaten Rundfunkstationen in vielen Fällen strikt kalkulierende Wirtschaftsunternehmen stehen, versucht die Hörfunkbranche, dem Trend des Hörerschwundes entgegen zu wirken. Das geschieht auf verschiedenen Ebenen: Es werden Zielgruppen definiert, die Bedürfnisse und die Wünsche dieser Zielgruppen werden – zum Teil sehr detaillierten – Analysen unterzogen und die Programme werden nach den gewonnenen Untersuchungsergebnissen ausgerichtet. Da aber branchenübergreifend dieselben Forschungsmethoden angewandt werden, führt das dazu, dass sich die Radiosender derselben Sparte häufig klanglich, inhaltlich und zum Teil sogar personell sehr ähneln. Die Hörer stoßen bei verschiedenen Sendern auf dieselbe Musikfarbe, bekommen im redaktionellen Bereich eine ähnliche Themenauswahl serviert und auch die agierenden Personen unterscheiden sich stimmlich zwischen den einzelnen Programmen nur marginal. Grotesk mutet es dabei schon an, dass gerade diese stark nach Umfragewerten konstruierten (und damit quasi gleichgerichteten) Programme allesamt mit Vehemenz von sich behaupten, sie würden den Hörern die größte Vielfalt bieten. Was in diesen Untersuchungen jedoch häufig vernachlässigt wird, ist der Gender-Faktor. Sowohl bei der Messung der Einschaltquoten, als auch bei der Erforschung der Hörerbedürfnisse, wird nur in seltenen Einzelfällen zwischen Männern und Frauen unterschieden. „Der Hörer“ wird vom Hörfunk wie eine geschlechtslose Masse behandelt. Die Programmverantwortlichen1 setzen üblicherweise voraus, dass Männer und Frauen den gleichen Musikgeschmack haben, sich von der gleichen Ansprechhaltung angezogen fühlen und sich für dieselben Themen interessieren. Damit wagen sie einen Spagat, indem sie versuchen ein Mainstream-Programm anzubieten, das einerseits niemanden zu sehr stört oder zum Ab-, bzw. Umschalten bewegt, aber eben keines der beiden Geschlechter auch wirklich zufrieden stellen kann. Dieses Phänomen ist heute in Deutschland stark verbreitet zu beobachten. Als Musterbeispiele hierfür gelten etwa die Programme der Mainstream-Sender wie Radio SAW, Radio RSH oder RPR1.
Dass die geschlechtlichen Unterschiede im Programm sogar oft dem puren Zufall überlassen werden, schilderten Petra Werner und Lars Rinsdorf bereits 1998 in ihrer Studie „Ausgeblendet? Frauenbild und Frauenthemen im nordrhein-westfälischen Lokalfunk“. Darin beschreiben sie, dass die Auswahl und Präsentation von Frauenthemen oft allein von der personellen Besetzung der Redaktion abhängig sind. In Sendern wie bei Radio Bonn/Rhein-Sieg, wo der Anteil weiblicher Redaktionsmitglieder etwas höher lag (82,3 Prozent der gesamten Belegschaft), in denen wurde auch entsprechend häufiger über Frauenthemen berichtet. Hier immerhin in beachtlichen 95,2 Prozent des Gesamtprogramms. Bei einem Sender wie Radio Rur im Kreis Düren, dessen Redaktion zu 98,4 Prozent aus Männern bestand, wurden hingegen im Untersuchungszeitraum bemerkenswert wenige Frauenthemen berücksichtigt (insgesamt 82,7 Prozent frauenfreie Beiträge).2
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1 gemeint sind hier die Macher von massentauglichen Mainstream-Radiosendern
2 Werner und Rinsdorf, „Ausgeblendet“, 1998, Seite 87
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