Ein grundlegendes Merkmal der Philosophie der Gegenwart besteht in der Annahme, dass es Theorien gibt, die gleich kohärent, aber unversöhnlich sind, die jedoch gleich gut zu unseren Erfahrungsüberzeugungen passen. Auf der anderen Seite aber verbirgt sich hinter dieser sehr zuversichtlichen Aussage bzw. Feststellung eine „Gefahr“, die sich als eine „Herausforderung des Pluralismus“ begreifen lässt und die ich wie folgt beschreiben möchte: In unserer Gegenwart ist der menschliche Verstand in einer „kümmerlichen“ Situation insofern und insoweit die Maxime der Einheit und die der Vielheit im Sinne von Spezifikation und des Rechts auf Differenz in ihrer lebendigen Wechselwirkung nicht bzw. bedingt nachzuweisen sind. Mit dem begründeten Verzicht auf den Absolutismus und auf den Einheitswahn, praktisch begünstigt durch die Annahme, dass es keine allgemeingültige Religion und Moral gibt, und zwar als Folge des Säkularisationsprozesses und des Endes der Metaphysik, wurde aber auch auf die Idee der Einheit verzichtet. Das Prinzip der Heterogenität gewinnt mit zunehmendem Verlust der Mitte als Folge des Endes von großen Metaerzählungen und des Abschiedes vom Absoluten zunehmend die Oberhand. In der modernen Gesellschaft wurde der Einheitswahn durch den „postmodernen“ Vielheitwahn ersetzt, also durch eine neue Form des Relativismus. Der Relativismus wird zwar durch den Rechtsstaat positiv-rechtlich begrenzt, aber in philosophischer (erkenntnistheoretischer) und kultureller Hinsicht wird das Prinzip der Vielfalt hypostasiert, so dass die Idee der Einheit zunehmend aufgegeben wird und abhanden kommt. Sowohl der Relativismus als auch der Absolutismus (Fundamentalismus) lassen sich als Folge bzw. Ausdruck des dichotomischen Denkens interpretieren: Der Absolutismus hypostasiert die Maxime der Einheit und gibt so die Vielheit zugunsten der Einheit auf. Der Relativismus hingegen hypostasiert die Maxime der Heterogenität oder der Vielheit und gibt so die Einheit zugunsten der Vielheit auf. Der Absolutismus ist dem Einheitswahn verfallen und der Relativismus dem Vielheitswahn. Der Absolutismus (in theoretischer und praktischer Hinsicht) führt zur „Vernichtung des Pluralismus“ (Feyerabend) und der Relativismus zur „Vernichtung der Einheit“. Was aber ist unter „Relativismus“ im Unterschied zum Pluralismus genauer zu verstehen? Was sind die Kennzeichen des „postmodernen Relativismus“? Was spricht gegen den Relativismus? Im Zentrum der vorliegenden Studie stehen diese Fragen.
Inhaltsverzeichnis
- Explikation der Fragestellung und These im Geiste der kritischen Philosophie
- Was ist Relativismus? Über die postmoderne Form des Relativismus. Eine problemorientierte Explikation
- Kritik des radikalen Pluralismus. Relativismusproblem in einer „postmodernen Welt"
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Relativismusproblem in einer „postmodernen Welt" und analysiert die Kritik des radikalen Pluralismus im Kontext der kritischen Philosophie. Die Arbeit untersucht die philosophischen und kulturellen Auswirkungen des Relativismus und setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Maxime der Einheit und der Vielfalt in ihrer lebendigen Wechselwirkung in Philosophie, Wissenschaften und Kultur eine entscheidende Rolle spielen.
- Kritik des radikalen Pluralismus
- Relativismusproblem in einer „postmodernen Welt"
- Die Rolle der Einheit und der Vielfalt in Philosophie und Kultur
- Die philosophischen und kulturellen Auswirkungen des Relativismus
- Die Bedeutung der kritischen Philosophie für die Analyse des Relativismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel der Arbeit befasst sich mit der Explikation der Fragestellung und These im Geiste der kritischen Philosophie. Es wird die Bedeutung der kritischen Philosophie für die Analyse des Relativismus hervorgehoben und die methodischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Das zweite Kapitel widmet sich der Definition des Relativismus und seiner postmodernen Form. Es werden die Kennzeichen des „postmodernen Relativismus“ analysiert und die historischen Wurzeln des Relativismusproblems aufgezeigt. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Kritik des radikalen Pluralismus und dem Relativismusproblem in einer „postmodernen Welt". Es wird die Frage diskutiert, ob der Relativismus eine Gefahr für die Einheit und die Vielfalt in Philosophie, Wissenschaften und Kultur darstellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den radikalen Pluralismus, den Relativismus, die postmoderne Welt, die kritische Philosophie, die Einheit und die Vielfalt, die philosophischen und kulturellen Auswirkungen des Relativismus sowie die Bedeutung der kritischen Philosophie für die Analyse des Relativismus.
- Arbeit zitieren
- Dr. phil. Ahmet Terkivatan (Autor:in), 2009, Kritik des radikalen Pluralismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128742
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