Die Führung von Wasserfahrzeugen ab einer bestimmten Größe, Antriebsleistung und/oder ihres jeweiligen geografischen Einsatzgebietes erfordert eine international gültige Legitimation, ein solches Fahrzeug führen zu dürfen. Diese Legitimation ist das auch als nautisches Patent bezeichnete nautische Befähigungszeugnis.
Die Grundlage für dessen behördliche Ausstellung ist der Nachweis einer international standardisierten Ausbildung auf der Grundlage der Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers (STCW-Code). Über diese formale Qualifikation wird die zu erwartende, berufliche Handlungskompetenz definiert.
In einer berufspraktischen Wirklichkeit zeigt sich, dass sich trotz gleicher formaler Qualifikation die individuelle berufliche Handlungskompetenz unterscheidet. Dies zeigt sich beispielsweise in Analysen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Form einer zunehmenden Identifikation menschlicher Fehler als Ursache für Seeunfälle.
Eine detailliertere Einschätzung und Bewertung der beruflichen Handlungskompetenz von Nautikern ist von öffentlichem und ökonomischem Interesse, um darauf basierend berufliches Verhalten prognostizieren und gezielt verändern zu können und dadurch in sicherheitsrelevanten nautischen Situationen eine technische und menschliche Überlastung mit den entsprechenden Konsequenzen zu vermeiden.
Das Ziel dieser Arbeit ist es daher, die wesentlichen Arbeitsanforderungen an Schiffsführer im Kontext der Bahnführung von Wasserfahrzeugen herauszuarbeiten und zu kategorisieren, um daraus berufspraktische Leistungsvoraussetzungen in Form von Kompetenzen abzuleiten.
Die Untersuchung in dieser Arbeit ist aufgegliedert in die theoretische Analyse des Forschungsgegenstandes, unter Inanspruchnahme von Fachliteratur, und in ein empirisches Segment. Zur Erhebung der empirischen Daten wurden fünf Experten mündlich befragt und diese Stichproben qualitativ ausgewertet. Im Anschluss wurden Theorie und Empirie schlüssig miteinander verknüpft und zur Beantwortung der Hauptforschungsfrage in Zusammenhang gebracht.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen auf, dass die Anforderungen in drei grundlegende Anforderungsbereiche eingeteilt werden können. Aus diesen drei Anforderungsbereichen sowie ihren jeweiligen Schnittmengen gehen sieben Basiskompetenzen hervor, welche Schiffsführer/innen konkret benötigen, um Wasserfahrzeuge effektiv, effizient und somit sicher und kontrolliert führen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz
1.2 Zielsetzungen
1.3 Forschungsfragen
1.4 Methodologie, Erhebungs- und Auswertungsmethoden
1.5 Aufbau der Arbeit
2 Begriffe und Definitionen
2.1 Wasserfahrzeug
2.2 Schiffsführer, Nautiker, Schiffsführungspersonal
2.3 Bahnführung
2.4 Anforderungen
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Persönlichkeits- und personalpsychologische Betrachtung
3.2 Berufliche Handlungskompetenz
3.3 Tätigkeitstheorie und Arbeitstätigkeiten
3.4 Handlungsregulation
3.5 Motivation und Antriebsregulation
3.6 Beantwortung der theoretischen Forschungsfragen
4 Empirische Erhebung und Auswertung
4.1 Darstellung und Begründung und des Forschungsdesigns
4.2 Entwicklung des Interviewleitfadens.
4.3 Durchführung der Interviews.
4.4 Auswertung der Stichproben
4.5 Festlegung und Definition des Kategoriensystems
4.6 Ergebnisdarstellung
4.7 Beantwortung der empirischen Subforschungsfragen
5 Conclusio
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und Beantwortung der HFF
5.2 Diskussion und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
A-1 Vorannahmen zum Interviewleitfaden
A-2 Interviewleitfaden
A-3 Übersicht der Ergebnisse und Zuordnung der Anforderungen und Aufgaben
Abstract
Die Führung von Wasserfahrzeugen ab einer bestimmten Größe, Antriebsleistung und/oder ihres jeweiligen geographischen Einsatzgebietes erfordert eine international gültige Legitimation, ein solches Fahrzeug führen zu dürfen. Diese Legitimation ist das nautische Befähigungszeugnis. Die Grundlage für dessen behördliche Ausstellung ist der Nachweis einer international standardisierten Ausbildung auf der Grundlage der Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers (STCW-Code). Über diese formale Qualifikation wird die zu erwartende, berufliche Handlungskompetenz definiert.
In einer berufspraktischen Wirklichkeit zeigt sich, dass sich trotz gleicher formaler Qualifikation die individuelle berufliche Handlungskompetenz unterscheidet. Dies zeigt sich beispielsweise in Analysen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Form einer zunehmenden Identifikation menschlicher Fehler als Ursache für Seeunfälle.
Eine detailliertere Einschätzung und Bewertung der beruflichen Handlungskompetenz von Nautikern/innen ist von gesellschaftlichem Interesse, da beispielsweise globale Logistikketten, die Kreuzfahrtindustrie oder auch militärische Operationen von der Effizienz und Sicherheit nautischen Verhaltens abhängen. Eine gezielte Prognose und Entwicklung nautischer Handlungskompetenz ist daher ein wesentlicher Baustein, um einer technischen und menschlichen Überbeanspruchung in sicherheitsrelevanten Situationen vorzubeugen.
Das Ziel dieser Arbeit ist es daher die wesentlichen Arbeitsanforderungen an Schiffsführer im Kontext der Bahnführung von Wasserfahrzeugen herauszuarbeiten, zu kategorisieren und daraus berufspraktische Leistungsvoraussetzungen in Form von Kompetenzen abzuleiten.
Die Untersuchung in dieser Arbeit ist aufgegliedert in die theoretische Analyse des Forschungsgegenstandes, unter Inanspruchnahme von Fachliteratur sowie in ein empirisches Segment. Zur Erhebung der empirischen Daten wurden fünf Experten mündlich befragt und diese Stichproben qualitativ ausgewertet. Im Anschluss wurden Theorie und Empirie schlüssig miteinander verknüpft und zur Beantwortung der Hauptforschungsfrage in einen Zusammenhang gesetzt.
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen auf, dass die Anforderungen in drei grundlegende Anforderungsbereiche eingeteilt werden können. Aus diesen drei Anforderungsbereichen sowie ihren jeweiligen Schnittmengen gehen sieben Basiskompetenzen hervor, welche Schiffsführer/innen konkret benötigen, um Wasserfahrzeuge effektiv, effizient und somit sicher und kontrolliert führen zu können. In einem Kompetenzmodell wurden sowohl Anforderungsbereiche und Kompetenzen zusammengeführt und visualisiert.
Im Fazit wird der theoretische Begriff der Handlungskompetenz mit den empirischen Ergebnissen dieser Arbeit zusammengeführt und im Kontext des Anforderungs-, Handlungs- und Kompetenzbegriffes kritisch diskutiert.
Abkürzungsverzeichnis
bzgl. - bezüglich
bzw. - beziehungsweise
d.h. - das heißt
et al. - et alii, und andere
etc. - Kurzform von et cetera = die übrigen Dinge
evtl. - eventuell
ggf. - gegebenenfalls
HFF - Hauptforschungsfrage
SFF - Subforschungsfrage
u.a. - unter anderem
z.B. - zum Beispiel
Die Geschlechtszugehörigkeit wird in dieser Arbeit sprachlich differenziert. Sollte dennoch das generische Maskulinum verwendet werden, so geschieht dies aus Gründen der besseren Lesbarkeit und impliziert immer auch die weibliche Form.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Spannungsfeld in der Arbeitstätigkeit (eigene Darstellung)
Abbildung 2. Das Trichter-Modell der psychologischen Arbeitsanalyse (Hacker, 1995 zitiert nach Schüpbach, 2016c)
Abbildung 3. Elemente der Kompetenz zur Handlung (Staudt & Kriegesmann, 2001)
Abbildung 4. Makrostruktur und Ringstruktur der Tätigkeit nach Leontjew, 1977 (Frieling & Sonntag, 1999, S. 52)
Abbildung 5. Grob schematisierter Überblick über die Glieder und Zusammenhänge der psychischen Regulation von Arbeitstätigkeiten und schematische Darstellung der hierarchischen Struktur einer regulativen Funktionseinheit nach Hacker 1998 (Goyk, 2000 S.56 und S. 62)
Abbildung 6. Prinzip der sequenziellen und hierarchischen Regulation von Handlungszyklen anhand eines Beispiels aus der Bahnführung (eigene Darstellung)
Abbildung 7. Beispielhafte Darstellung des hierarchischen Drei-Ebenen-Modells der Handlungsregulation nach Hacker (eigene Darstellung)
Abbildung 8. Beispiel für ein Handlungsfeld im Rahmen der Bahnführung eines Wasserfahrzeugs (eigene Darstellung)
Abbildung 9. Determinanten motivierten Handelns: Überblicksmodell mit ergebnis- und folgenbezogenen Erwartungen (J. Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 5)
Abbildung 10. Zusammenhang zwischen Zielsetzung und Performanz basierend auf der Zielsetzungstheorie nach Locke und Latham (eigene Darstellung)
Abbildung 11. Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen nach Heckhausen & Gollwitzer, 1987 (J. Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 306)
Abbildung 12. Das Spannungs- und Handlungsfeld zwischen Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (eigene Darstellung)
Abbildung 13. Zuordnung der Kompetenzbereiche zu den Anforderungsbereichen des Systemmodells der Arbeitstätigkeit (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Auflistung der Stichproben mit Einzelheiten zur Erhebung (eigene Darstellung)
1 Einleitung
In diesem Kapitel wird zunächst die Problemstellung, deren Relevanz sowie die Zielsetzung der Arbeit beschrieben. Anschließend werden die Forschungsfragen abgeleitet sowie die Methodik und der Aufbau der Arbeit kurz vorgestellt.
1.1 Problemstellung und Relevanz
Die Führung von Wasserfahrzeugen einer bestimmten Größe, Antriebsleistung und/oder ihres jeweiligen geographischen Einsatzgebietes erfordert eine international gültige Legitimation solche Fahrzeuge führen zu dürfen. Diese Legitimation ist das nautische Befähigungszeugnis, welches im internationalen Sprachgebrauch als certificate of competency (Kompetenzzertifikat) bezeichnet wird. Die Grundlage für die behördliche Ausstellung dieses nautischen Befähigungszeugnisses ist der Nachweis, dass eine international standardisierte Ausbildung auf der Grundlage der Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers ( STCW-Code), erfolgreich absolviert wurde. Auf dieser Grundlage wird eine angestrebte berufliche Handlungskompetenz von Nautikern definiert. Die berufspraktische Wirklichkeit zeigt jedoch, dass sich trotz formal gleicher Qualifikation die praktische Handlungskompetenz von Schiffsführungskräften unterscheidet. Solche Unterschiede konnten vom Autor wiederholt in Simulationsübungen beobachtet werden, in denen exakt definierte, nautische Problemstellung von verschiedenen Teilnehmern trotz gleicher Qualifikation mit unterschiedlicher Effizienz bzw. gar nicht gelöst werden konnten. Begreift man dieses Phänomen als unterschiedliche bzw. mangelnde Performanz, so deutet dies auf eine Differenz zwischen beruflicher Qualifikation und beruflicher Handlungskompetenz.
Eine umfassende und genaue Einschätzung der beruflichen Handlungskompetenz von Schiffsführungspersonal ist von gesellschaftlichem, ökologischem und ökonomischem Interesse. Dieses besteht vor allem in einer verlässlichen Prognose des beruflichen Verhaltens in sicherheitsrelevanten Situationen und den damit verknüpften Folgen in Form von Schäden für Personen, Umwelt- und Eigentum. Dies zeigt sich in den Analysen der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU). Diese bezieht sich bei der Untersuchung von Seeunfällen auf das Gesetz zur Verbesserung der Sicherheit der Seefahrt durch die Untersuchung von Seeunfällen und anderen Vorkommnissen (SUG). Durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes wird zwar nur jener Teil der Seeunfälle erfasst, welcher im unmittelbaren Interesse des Gesetzgebers liegt, dennoch lässt sich die Relevanz des Themas daran verdeutlichen. So unterscheidet die BSU (2020, S. 42) zwischen menschlichen und technischen Ursachen. Diese stehen für das Jahr 2019 in einem Verhältnis von 4:1, sprich 90 menschlichen zu 22 technischen Unfallursachen. Qualitativ ist entscheidend, dass bei den Unfällen mit schweren Folgen die menschlichen Ursachen überwiegen, während bei den weniger schweren „Vorkommnissen“ die technischen Ursachen dominieren. Unfälle mit menschlichen Ursachen sind also viermal häufiger und ziehen schwerere Folgen nach sich. „Menschliche Fehler“ dominieren somit die Häufigkeit und Schwere des Unfallgeschehens. Innerhalb der Kategorie „menschliche Fehler“ dominiert die „falsche Beurteilung der Situation“ (BSU, 2020, S. 43). Diese „falsche Beurteilung der Situation“ durch eine Person in ihrem beruflichen Kontext ist eine arbeitspsychologische Problemstellung. Somit lässt sich das berufliche Erleben, Erscheinen und Verhalten von Schiffsführungspersonal als wesentliche Unfallursache identifizieren.
„Fehler, vor allem solche, die zu Unfällen führen, treten […] nicht ein, weil inadäquate Handlungsalternativen gewählt werden, sondern sie ereignen sich, weil es eben nicht zum Abwägen zwischen Handlungsalternativen, d. h. einem differenzierten Entscheidungsverhalten kommt“ (Wehner & Stadler, 1996, S. 811 zitiert nach Hacker & Sachse, 2014, S. 421). Aus dieser arbeitspsychologischen Perspektive betrachtet, sind menschliche Unfallursachen eine Form von Fehlhandlungen bzw. Handlungsfehlern. Daraus entstehen neben Kosten für die Öffentlichkeit und Privatwirtschaft auch individuelles Leid für die am Unfallgeschehen beteiligten Personen. Eine verbesserte nautische Handlungskompetenz kann sich daher positiv auf das maritime Unfallgeschehen sowie die damit verbundenen Unfallfolgen auswirken. Voraussetzung für eine gezielte und systematische Verbesserung nautischer Handlungskompetenz ist die fundierte und umfassende Analyse der Arbeitstätigkeit, sowie der resultierenden Leistungsanforderungen. Hier möchte diese Arbeit einen Beitrag leisten.
1.2 Zielsetzungen
Das Ziel dieser Arbeit ist es die wesentlichen Arbeitsanforderungen an Schiffsführer im Kontext der Bahnführung von Wasserfahrzeugen herauszuarbeiten, zu kategorisieren und erforderliche Kompetenzen abzuleiten. Laut Schüpbach (2016c) können sich aus einer systematischen Analyse des Arbeitssystems (Arbeitsanalyse) und der Ableitung von Anforderungen (Anforderungsanalyse) folgende Ansätze ergeben: a) Konkrete Tätigkeitsbeschreibungen, b) effektivere und effizientere Eignungsfeststellung durch Personalauswahl- und Personalentwicklungsmaßnahmen, c) Arbeitsgestaltungs- und Organisationsstrukturierungsmaßnahmen, d) Kriterien basierte Arbeitsbewertungsmaßnahmen, e) Entwicklung von Gestaltungskonzepten und differenzierteren Unfalluntersuchung zur Reduzierung des human error. Nebeneffekte können Anwendungen im Bereich des Qualitätsmanagements, der Unfallverhütung, der Arbeitssicherheit sowie des Arbeitsschutzes und betrieblichen Gesundheitsmanagements sein. Das weiterführende Potenzial dieser Arbeit besteht in einer Reduktion situativer Über-Beanspruchung durch systematisches Training und geeignete Personalauswahl, um letztlich die Quantität und Qualität von Unfällen zu senken sowie die damit verbundenen Schäden und Kosten innerhalb der maritimen Industrie zu verringern. Die Verringerung von Schäden und ihren individuellen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen sind übergreifende Zielstellungen mit politischer, juristischer und ökonomischer Relevanz und daher für verschiedene Zielgruppen im maritimen Kontext von Interesse.
1.3 Forschungsfragen
In diesem Abschnitt wird zunächst die Hauptforschungsfrage (HFF) vorgestellt. Aus dieser HFF wurden zwei theoretische sowie zwei empirische Subforschungsfragen (SFF) abgeleitet, welche durch den Forschungsprozess führen, deren Beantwortung und Ergebnisse aufeinander aufbauen und somit zur Beantwortung der HFF führen.
Hauptforschungsfrage
Welche Anforderungen müssen professionelle Schiffsführer während der Arbeitstätigkeit der Bahnführung eines Wasserfahrzeuges bewältigen und welche persönlichen Arbeitsaufgaben ergeben sich daraus?
Theoretische Subforschungsfragen
1. Mit welchen Konzepten, Theorien und Modellen kann der Anforderungsbegriff im Rahmen von Arbeitstätigkeiten beschrieben und erklärt werden?
2. Wie können die beruflichen Aufgaben und Anforderung im Kontext der Arbeitstätigkeit der Bahnführung konkret erfasst, definiert und beschrieben werden?
Empirische Subforschungsfragen
1. Mit welchen konkreten Problemstellungen sind Schiffsführer in der Tätigkeit der Bahnführung konfrontiert und wie werden diese von ihnen gelöst?
2. Welche spezifischen Kompetenzen benötigen Schiffsführer zur Bewältigung der konkreten Anforderungen im Bereich der Bahnführung?
1.4 Methodologie, Erhebungs- und Auswertungsmethoden
Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen sowie einen empirischen Teil. Dabei dient der theoretische Teil der Vorbereitung des empirischen Teils, mit dem Ziel diejenigen wissenschaftlichen Konzepte, Theorien und Modelle herauszuarbeiten, welche als Grundlage und Ansatz für den empirischen Teil sowie für die Darstellung und das Verständnis der Ergebnisse benötigt werden. Damit spiegelt der theoretische Teil den aktuellen Forschungsstand wider. An diesen Forschungsstand knüpft der empirische Teil an mit dem Ziel diesen im spezifischen Kontext des Forschungsgegenstandes anzuwenden.
Quellenrecherche und -auswertung
Im theoretischen Teil wurde mittels geeigneter Quellen zum Forschungsgegenstand recherchiert. Da es sich um eine arbeitspsychologische Problemstellung handelt, wurde der berufliche Kontext der Bahnführung von Wasserfahrzeugen mit in die Recherche einbezogen. Dies machte neben der fachlich-psychologischen auch eine interdisziplinäre Recherche erforderlich. Daher wurde die Literatur unterteilt in a) psychologisch relevante Literatur und b) interdisziplinär relevante Literatur. Die psychologische Literatur deckt dabei die für den Forschungsgegenstand bedeutsamen psychologischen Konzepte, Theorien und Modelle ab. Dazu wurde insbesondere nach Aspekten der Allgemeinen und der Arbeitspsychologie sowie der Tätigkeits-, Handlungsregulations- und Motivations-Theorie recherchiert. Hinsichtlich der interdisziplinären Literaturrecherche wurden insbesondere Quellen aus den Ingenieurswissenschaften, der Soziologie, der Berufspädagogik sowie rechtlich relevante Quellen aus der Verwaltung und Gesetzestexte genutzt.
In einer ersten Phase wurde die Literatur gesichtet, strukturiert und zusammengetragen und in einer zweiten Phase sortiert und hinsichtlich ihrer Relevanz und Nutzbarkeit für den Forschungsgegenstand be- und ausgewertet. In einer dritten Phase wurden auf der Grundlage der Be- und Auswertung sowie der Gliederung die genutzten Quellen nochmals reduziert und eingearbeitet.
Vorbereitung und Durchführung von Experteninterviews
Der empirische Teil der Arbeit erfolgt auf der Grundlage des theoretischen Teils sowie der Beantwortung der theoretischen SFF. Im empirischen Teil wird das Forschungsdesign dargestellt, die Methoden- und Stichprobenwahl begründet sowie der Interviewleitfaden hergeleitet und vorgestellt. Da zum konkreten Forschungsgegenstand keine geeigneten Quellen gefunden werden konnten, wurde auf eigene Vorannahmen zurückgegriffen die aus der Fachliteratur abgeleitet und auf das nautische Arbeitsfeld angewandt wurden. Diese Vorannahmen sind nicht Bestandteil dieser Arbeit und daher im Anhang ersichtlich. Aus den theoretischen Vorannahmen wurde ein spezifisches Anforderungs-Modell entnommen, aus welchem der Interviewleitfaden deduktiv und strukturiert entwickelt werden konnte. Struktur und Aufbau des Interviewleitfadens stützen sich damit auf theoretische, arbeitsanalytische Ergebnisse, welche sich in den Stichproben widerspiegeln.
Auswertung der empirisch erhobenen Daten
In diesem Teil folgt die Auswertung des Datenmaterials, die Ergebnisdarstellung und Beantwortung der empirischen SFF. Methodisch wurde sich dabei am Prinzip der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) orientiert. Im ersten Schritt wurden dazu die Stichproben mithilfe der Software MAXQDA computergestützt erfasst und transkribiert, codiert und kategorisiert, das Material wurde mehrfach durchlaufen und zusammengefasst (zusammenfassende Inhaltsanalyse). Im nächsten Schritt wurden die zusammengefassten Codes Kategorien zugeordnet und anschließend in eine geeignete Software (MS-Excel) exportiert und strukturiert (strukturierende Inhaltsanalyse). Die Ergebnisse werden mittels eines Kategorie Systems als Anforderungsbereiche dargestellt und mit Ankerbeispielen belegt.
1.5 Aufbau der Arbeit
Der Aufbau und die Vorgehensweise orientieren sich grundsätzlich an den Zielsetzungen der wissenschaftlichen Psychologie. Diese sind laut Silbereisen & Frey (2001, S. 7), Theorien zu entwickeln und zu überprüfen, um das menschliche Erleben und Verhalten zu erklären, Prognosen zu ermöglichen und die jeweils vermittelnden Mechanismen aufdecken und nachweisen zu können. In diesem Sinne wird das Verhalten, Erscheinen und Erleben von Personen während der Arbeitstätigkeit der Bahnführung untersucht.
Im Kapitel 1 Einleitung(S.1) wird zunächst die Problemstellung in der Einleitung kurz beschrieben, die Fragestellung(en) geklärt sowie der gewählte Lösungsansatz kurz aufgezeigt. Im Kapitel 2 Begriffe und Definitionen (S.6), wird die Terminologie definiert sowie dazugehörige Konzepte gebildet und deren Verwendung beschrieben. Das Kapitel 3 Theoretische Grundlagen (S.11) beschreibt die begrifflichen Abhängigkeiten auf Basis der Literatur erfasst und erklärt dazugehörige Theorien und Modelle im Kontext der theoretischen Fragestellungen. Das Kapitel 4 Empirische Erhebung und Auswertung (S.49) beschreibt die Untersuchung der empirischen Fragestellungen, zeigt die Untersuchungsergebnisse als Kategorien auf und operationalisiert diese als Modell. Kapitel 5 Conclusio (S.71) fasst alle theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammen, diskutiert diese kritisch und gibt einen Ausblick auf Anschlussfragen und weiteren Forschungsbedarf. Das Kapitel 6 Literaturverzeichnis (S.78) sowie der Anhang geben als Referenzen einen tieferen Einblick in die genutzte Literatur und den Forschungsprozess mit dem Ziel der Nachvollziehbarkeit und vervollständigen dadurch die Arbeit.
2 Begriffe und Definitionen
In diesem Teil der Arbeit liegt der Fokus auf der Beschreibung, Definition und Abgrenzung der genutzten Begrifflichkeiten der HFF sowie deren Bedeutung und Verwendung im Kontext dieser Arbeit. Dabei werden auf der Grundlage der Fachliteratur die wesentlichsten Merkmale sowie deren Verständnis herausgearbeitet und als Definitionen zusammengefasst.
2.1 Wasserfahrzeug
Es wird im Teil A, Regel 1 der Verordnung zu den Kollisionsverhütungsregeln (KVR) der Ausdruck Fahrzeug näher definiert als: „[…] alle Wasserfahrzeuge einschließlich nicht Wasser verdrängender Fahrzeuge, Bodeneffektfahrzeuge und Wasserflugzeuge, die als Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden können“ (Regel 3 Allgemeine Begriffsbestimmungen KVR, 1972/01. Dez 2009).
Reduziert man Wasserfahrzeuge auf die ihnen gemeinsamen physikalischen Wesensmerkmale, so handelt es sich um benetzte bzw. teilweise benetzte Körper mit einem Potenzial zur eigenständigen Orts- und Lageänderung (Dynamik). Um die Dynamik zu gewährleisten, bedarf es entsprechender Antriebe (Propulsionsorgane) und Steuermöglichkeiten (Manövrierorgane). Die Funktion dieser Propulsions- und Manövrierelemente bedingt wiederum eine Technologie und Energieversorgung (technisches System). Diese technologischen Komponenten bedingen eine Besatzung (soziales System), welche das technische System funktionsfähig erhält, die technischen Prozesse reguliert und das Wasserfahrzeug nach innen und außen reguliert. Ein Wasserfahrzeug ist dementsprechend ein autonomes, sozio-technisches Arbeitssystem, welches der zielgerichteten Beförderung von Personen, Gütern technischen Systemen und/oder Waffensystemen über bzw. durch das Wasser dient. Die Gesamtheit der technologischen und sozialen Prozesse auf einem Wasserfahrzeug wird als Schiffsbetrieb bezeichnet.
2.2 Schiffsführer, Nautiker, Schiffsführungspersonal
Die Begriffe des Schiffsführers, Nautikers und des Schiffsführungspersonals werden in dieser Arbeit teilweise synonym für Personen und Personengruppen genutzt, welche Wasserfahrzeuge auf Schifffahrtsstraßen und/oder über See beruflich führen dürfen. Der Begriff des Schiffsführers bezieht sich daher primär auf die professionelle, nautische Schiffsführung seegehender Wasserfahrzeuge. Aufgrund der Schnittmengen in Tätigkeit und Terminologie dürften jedoch viele der in dieser Arbeit getroffenen Aussagen allgemeingültig für alle Arten von Schiffsführer/innen sein.
Definition Schiffsführer/in
Ein/e Schiffsführer/in ist eine vom Gesetzgeber im Sinne des Schifffahrtsrechtes als fachlich, körperlich und geistig für geeignet befundene und dahingehend behördlich geprüfte und zugelassene natürliche Person. Es obliegt ihrer Verantwortung ein Wasserfahrzeug auf den dafür zugelassenen Schifffahrtsstraßen rechts- und regelkonform zu führen. Dabei ist der Schiffsführer im rechtlichen Sinne verantwortlich für eine a) sichere Teilnahme am Verkehr (Umweltbedingungen), b) für den verkehrssicheren Zustand des Wasserfahrzeuges (technisches System), inklusive einer c) geeigneten Besatzung einschließlich der eigenen Person (soziales System) sowie der d) situativen Führung des Wasserfahrzeugs im Sinne des geltenden Rechtes (Regulation).
Definition Nautiker/in
Nautiker/innen sind Schiffsführer/innen, welche aufgrund ihres nautischen Befähigungszeugnisses berechtigt sind, Seeschiffe auf Seeschifffahrtsstraßen und über See zu führen. Dieses auch als nautisches Patent bezeichnete Befähigungszeugnis, hat eine internationale Gültigkeit und wird auf der Grundlage der Seeleute-Befähigungsverordnung (See-BV) behördlich ausgestellt. Die Verantwortungsebenen und Dienststellung im Schiffsbetrieb sind an das Befähigungszeugnis gekoppelt, denn: „Für den nautischen Schiffsdienst werden auf Antrag Befähigungszeugnisse erteilt über die Befähigung zum Nautischen Wachoffizier NWO, Erstem Offizier NEO und Kapitän NK“ (§ 29 Absatz 1 See-BV, 2014). Dabei folgt man dem Prinzip einer stufenweisen Erweiterung der Verantwortlichkeiten auf der Basis der Dauer und Art der bereits ausgeübten Dienststellungen. Dies muss als sogenannte „Seefahrtszeit“ nachgewiesen werden. „Seefahrtzeiten müssen geeignet sein, die für die jeweilige Befähigung erforderlichen Kenntnisse, das Verständnis und die Fachkunde zu erwerben und fortlaufend anzuwenden“ (§18 See-BV, 2014). Das bedeutet, dass ein Nautischer Wachoffizier (NWO) nach 12 Monaten Seefahrtszeit das Befähigungszeugnis zum Ersten Offizier (EO) erwerben kann. Nach weiteren 12 Monaten in der Dienststellung als EO oder nach 24 Monaten in einer Dienststellung als NWO kann er das Befähigungszeugnis zum Kapitän (NK) erwerben. Der Gesetzgeber geht hier augenscheinlich davon aus, dass innerhalb der berufspraktischen Tätigkeit die für die nächste Verantwortungsebene erforderlichen Kenntnisse, Verständnis und Fachkunde erworben und gefestigt werden und macht dies zur Bedingung der Eignung für eine höhere Dienststellung. Seefahrtszeit deckt sich in diesem Verständnis mit dem Begriff der einschlägigen Berufserfahrung, auf die beispielsweise das Bundesarbeitsgericht referenziert, denn: „Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit“ (§ 16 TVöD, 2019/13. September 2005).
Definition Schiffsführungspersonal
"Mit dem Begriff Personal bezeichnet man die in Organisationen in abhängiger Stellung arbeitenden Menschen, die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung eine Arbeitsleistung erbringen" (Lehrbuch Psychologie, 2021). Schiffsführungspersonal sind dementsprechend Personen, die in abhängiger Stellung (z.B. Arbeitgeber, Dienstherr) und institutionell gesichert (z.B. durch Reederei oder Behörde) die Arbeitsleistung der „Schiffsführung“ erbringen. Über den Begriff des Schiffsführungspersonals lassen sich die Begriffe des Schiffsführers und Nautikers in die arbeitspsychologische Terminologie der Personalwirtschaft überführen. Geeignetes Schiffsführungspersonal wird in diesem Kontext als Erfolgsfaktor einer Organisationsleistung gesehen und wird daher von öffentlichen und/oder privaten Organisationen geführt und verwaltet.
Abgrenzung von Persönlichkeit, Dispositionen und Verhalten
Innerhalb der Gruppe des Schiffsführungspersonals können Individuen mittels Persönlichkeit, der damit verbundenen Dispositionen sowie des daraus resultierenden Verhaltens differenziert werden. Laut Asendorpf & Neyer (2012, S. 15) wird unter der Persönlichkeit die Gesamtheit der Persönlichkeitseigenschaften einer Person verstanden, einschließlich ihrer individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten ihres Verhaltens und Erlebens. Erscheinung und Verhalten sind unmittelbar beobachtbare Eigenschaften. Auf das Erleben lässt sich hingegen nur mittelbar über die Erscheinung und das Verhalten schließen. Aussagen hinsichtlich der Persönlichkeit lassen sich daher nur über „äußere“, d.h. beobachtbare Zustände und Prozesse treffen. Der „innere“ Bereich der Persönlichkeit kann hingegen nur mittels indirekter empirischer Methoden, wie beispielsweise Testverfahren, neurowissenschaftlicher und/oder qualitativer Methoden erfasst werden.
Um die Ursachen für Verhalten zu erklären, wird in der Persönlichkeitspsychologie das begriffliche Konstrukt der Disposition genutzt, denn laut Asendorpf & Neyer (2012, S. 16) lassen Dispositionen eine Person in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zeigen. Dabei versteht man unter einer Disposition ein Merkmal einer Person, das eine mittelfristige zeitliche Stabilität über Wochen oder Monate aufweist. Verhalten und Dispositionen einer Person müssen jedoch streng unterschieden werden, da Verhalten fluktuiert und direkt beobachtbar ist, während Dispositionen zeitlich stabiler und nicht direkt beobachtbar sind. „Dispositionen sind nur aus den beobachtbaren Verhaltensregelmäßigkeiten einer Person erschließbar“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 16). Der Dispositionsbegriff ist somit ein Konstrukt, welches innerhalb von psychologischen Theorien eine erklärende Funktion hat. Je nach psychologischem Paradigma gibt es verschiedene Ansätze den Dispositionsbegriff zu nutzen allerdings gibt es bisher: „[…] in der Persönlichkeitspsychologie kein funktionsorientiertes Gliederungsschema, das sich allgemein durchgesetzt hätte“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 145).
2.3 Bahnführung
Der Bahnführungsbegriff ist in der Literatur vor allem in einem technisch-kybernetischen Kontext zu finden. Er wird im maritimen Bereich in zwei Bedeutungen genutzt. Einerseits beschreibt Bahnführung alle technischen Prozesse hinsichtlich der Bewegungssteuerung von Fahrzeugen und andererseits beschreibt Bahnführung auch eine spezifische Arbeitstätigkeit von Schiffsführungspersonal. So spricht Kurowski, 2019, S. 5 beispielsweise von Bahnführung bei der Beschreibung einer inneren Kurs- und äußeren Bahnregelung (technische Regulation) sowie einer durch den Nautiker geplanten Bahn (psychische Regulation).
Trotz Verwendung des Bahnführungsbegriffes in der Literatur konnte keine Begriffsdefinition gefunden werden. Daher wurde hier folgende, für diese Arbeit gültige Definition entwickelt: „ Bahnführung ist der kontrollierte Prozess einer intentionalen Änderung von Ort und Lage eines Körpers im Raum entlang geeigneter Trajektorien bis zum Erreichen eines definierten (SOLL-)Zustandes“. Diese Definition geht von einem willentlich herbeigeführten (intentionalen) und in einem kybernetischen Sinne regulierten (kontrollierten) Prozess aus. Der Prozessbegriff beinhaltet eine Zustandsänderung von räumlichen Eigenschaften (Ort und Lage) über die Zeit. Daraus ergibt sich ein mechanisch-dynamischer Prozesscharakter, der insbesondere die Translations- und Rotationsbewegungen eines Körpers betrachtet. Die Bewegungen des Körpers (Fahrzeugs) müssen wiederum entlang „geeigneter“ Trajektorien erfolgen, wobei die Trajektorien der Außenpunkte des Körpers die eigentliche Bahn beschreiben. Als geeignet ist diese Bahn zu bewerten, wenn ein vorweggenommener SOLL-Zustand von Ort und Lage erreicht werden kann. Der Prozess der Bahnführung muss daher zwingend effektiv bzgl. des SOLL-Zustandes (zielorientiert) aber nicht zwingend effizient hinsichtlich einer gewählten Bahn (prozessorientiert) sein.
Der Bahnführungsbegriff enthält verschiedene Komponenten. Die technologische Komponente ergibt sich aus der Technologie eines Fahrzeugs und umfasst Dimensionen, Oberflächen, Formen, Masse sowie Propulsions- und Manövrierelemente des Fahrzeugs. Die physischen Umweltbedingungen umfassen das Vorhandensein flüssiger und gasförmiger Stoffe (Wasser, Luft), ortsfeste und bewegliche feste Strukturen (Landmassen, Bauwerke, Fahrzeuge, Lebewesen). Diese festen Strukturen bestimmen den sogenannten Manöverraum und grenzen diesen vertikal und horizontal ein. Außerdem wirken Prozesse und Phänomene, wie beispielsweise Gezeiten, Seegang, Wind, Strom und/oder Verkehr auf das Fahrzeug ein, woraus sich aero- und hydrodynamische Wechselwirkungen zwischen einem Wasserfahrzeug und seiner natürlichen Umwelt ergeben. Die psychologische Komponente des Bahnführungsprozesses ergibt sich aus der Zweckrationalität einer Bahn, denn diese verläuft nicht zufällig, sondern intentional und ist psychisch reguliert. Hinter den technisch-physikalischen Prozessen steht eine menschliche Intention, die sich der Technologie bedient. Bahnführung ist in diesem Sinne ein technisch-physikalischer Prozess sowie auch ein arbeitspsychologischer Tätigkeitsprozess.
2.4 Anforderungen
Laut Spektrum Akademischer Verlag (2000) sind Anforderungen der Ausgangspunkt einer psychologischen Beschreibung von Leistungsvoraussetzungen und eignungsdiagnostischen Maßnahmen. Dabei ergeben sich Anforderungen an den Arbeitenden: „[…] aus dem Arbeitsauftrag und den Arbeitsbedingungen, unter denen er zu erfüllen ist“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 47). „Derartige Bedingungen sind Arbeitsmittel, Arbeitsgegenstand, organisatorische und Verfahrensvorschriften, räumlich-zeitliche sowie Umgebungsbedingungen“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 47–48). Anforderungen sind unabhängig vom Individuum und beschreiben den Arbeitsauftrag und die Ausführungsbedingungen. Intersubjektiv bzw. objektiv ermittelte Anforderungen äußern sich auch im Begriff der Belastung. In der Durchführung eines Arbeitsauftrages wird eine Belastung subjektiv unterschiedlich bewertet. Dies steht im Zusammenhang mit den individuell vorhandenen Leistungsvoraussetzungen und äußert sich im Begriff der Beanspruchung. Gleiche Anforderungen (Belastung) werden individuell unterschiedlich wahrgenommen und erlebt (Beanspruchung).
Wenn Situationen gleicher Belastung als mehr oder weniger beanspruchend empfunden werden müssen die Ursachen dafür in den individuellen physischen und/oder psychischen Vorrausetzungen liegen. Bei gleicher Belastung unterschiedlicher Personen mit individuell unterschiedlichen Voraussetzungen entsteht so ein Kontinuum zwischen Über- oder Unterforderung. Das subjektive Erleben von Belastung ist abhängig vom Prozess der Internalisierung der verschiedenen Anforderung, sprich deren subjektiven Wahrnehmung und Bewertung. Dies ist beispielsweise abhängig vom Anspruchsniveau einer Person. „Mit Anspruchsniveau ist der Gütegrad gemeint, den eine Person sich in Leistungssituationen selber abverlangt und von dem die Selbstbewertung eines Resultates als Erfolg oder Misserfolg abhängt“ (Rheinberg & Vollmeyer, 2019, S. 78).
3 Theoretische Grundlagen
In diesem Teil der Arbeit werden die genutzten psychologischen Konzepte und Theorien als Arbeitsgrundlage vorgestellt und auf den Forschungsgegenstand angewandt. Ausgegangen wird dabei zunächst von den persönlichkeits- und personalpsychologischen Grundlagen. Im weiteren Verlauf fließen die Konzepte der Arbeits- und Anforderungsanalyse sowie der beruflichen Eignung mit ein. Aus dem Eignungsbegriff heraus wird der Kompetenzbegriff entwickelt und dessen psychologische Verankerung dargestellt. Der Begriff der Handlungskompetenz umfasst dabei Anteile der Tätigkeits- und Handlungsregulationstheorie (Handlungsfähigkeit) sowie der Motivationstheorie (Handlungsbereitschaft). Die Feldtheorie Lewins (Person-Umwelt-Verhalten) lässt sich dabei als wesentliches Grundprinzip identifizieren. Der theoretische Grundlagenteil wird mit der Beantwortung der theoretischen SFF abgeschlossen.
3.1 Persönlichkeits- und personalpsychologische Betrachtung
Setzt man Nautiker/innen den exakt gleichen beruflichen Situationen aus, so variiert deren Verhalten innerhalb einer Bandbreite. Dies lässt sich beispielsweise in Schiffsführungssimulationen gut beobachten. Werden Arbeitsauftrag und -bedingungen der Simulation konstant gehalten, so bleibt als Variable die Persönlichkeit. Diese muss dann ursächlich sein für entsprechende Differenzen der beruflichen Performanz. Es geht somit um die Frage, wann das Verhalten innerhalb einer Zielgruppe heterogen ist bzw. wann es individuell unterschiedlich wird. Dieses Prinzip spiegelt den Ansatz der differentiellen Psychologie wider. Diese „baut auf der These auf, dass Persönlichkeitspsychologie die empirische Wissenschaft von der individuellen Besonderheit des Erlebens und Verhaltens von Menschen ist. […] Im Mittelpunkt steht die Frage, wie stark und warum sich Menschen in ihrem typischen Erleben und Verhalten unterscheiden“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. V). Dabei ist Verhalten nach Dörfler et al. (2018, S. 29) das Mittel, durch welches sich der menschliche Organismus seiner Umwelt anpasst. Durch diesen differentialpsychologischen Ansatz wird eine Betrachtung der Persönlichkeit als Einflussfaktor für berufliches Verhalten möglich, denn: „Ein gutes Verständnis der Persönlichkeit anderer ist wichtig für die Orientierung im Alltag und die berufliche Praxis“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 15).
Die Personalpsychologie, als angewandte Disziplin, greift auf diesen persönlichkeitspsychologischen Ansatz zurück. Nach Becker (2013, S. 5) ist es daher sinnvoll, zwischen persönlicher Begabung (Voraussetzungen), beruflicher Qualifikation und deren praktischer Anwendung (erzielte Performanz) zu unterscheiden. In diesem Sinne geht die Personalpsychologie ergebnis-, leistungs- und anwendungsorientiert vor, indem sie nach bewertbaren Arbeitsleistungen (Performanz) fragt und diejenigen Faktoren analysiert die als Leistungsvorrausetzungen zur Performanz beitragen. „Performanz orientierte Personalentwicklung fragt nach Art und Umfang marktfähiger Leistungen (Performanz), leitet daraus konkrete Tätigkeiten ab (Tätigkeitsprofil) und bestimmt, welche fachlichen und persönlichen Anforderungen zur marktgerechten Leistung zu erfüllen sind (Anforderungsprofil)“ (Becker, 2013, S. 934). Performanz erfolgt aus der beruflichen Handlung, denn: „Die Handlung selbst, der Nachweis, dass einer Person die Kombination von Wollen, Können und Dürfen tatsächlich gelingt, zeigt sich erst in der Handlung (Performanz)“ (Becker, 2013, S. 10). In diesem performanz- und handlungsorientierten Ansatz der Personalpsychologie bewegen sich die tätigen Personen in einem Spannungsfeld zwischen SOLLEN, DÜRFEN, KÖNNEN und WOLLEN, wie die Abbildung 1 zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Spannungsfeld in der Arbeitstätigkeit (eigene Darstellung).
Die obere Ebene (Führungsgrößen) steht für übergeordnete Auftraggeber und regulierende Institutionen, z.B. Dienstherren, Arbeit- und/oder Gesetzgeber, welche durch Arbeitsaufträge und Arbeitsbedingungen die beruflichen Handlungsspielräume definieren. SOLLEN und DÜRFEN geben somit den legetimen Handlungsrahmen vor. Handlungen außerhalb des definierten Rahmens sind juristisch, sozial oder kulturell nicht legitimiert und werden bei Verstößen als nicht forderungsgerecht bewertet. Berufliche Performanz bezieht sich immer auf forderungsgerechte Handlungen, denn im Gegensatz zum bekannten Ausspruch Machiavellis heiligt der Zweck hier nicht die Mittel. Die untere Ebene steht für die ausführende Ebene und repräsentiert die Bereitschaft und Fähigkeiten der handelnden Akteure, z.B. Auftragnehmer, Arbeitnehmer und/oder Angestellte. Damit Kompetenz vollzogen und Performanz entstehen kann, müssen äußere Faktoren, wie Arbeitsauftrag (SOLLEN) und Arbeitsbedingungen (DÜRFEN) vom Ausführenden internalisiert und in dessen Beurteilung einer beruflichen Situation integriert werden. Diesen Prozess beschreibt das Redefinitionsparadigma von Hackman (1970) bei dem: „objektive Arbeitsaufträge, vom Arbeitenden nach Maßgabe seines Verständnisses, seines Könnens und seines Wollens in eine subjektiv übernommene Arbeitsaufgabe „übersetzt“ bzw. redefiniert werden“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 24). Bereits das subjektive Erfassen, Verstehen und Interpretieren einer beruflichen Situation setzt die subjektive Bereitschaft voraus, sich mit der Situation zu befassen sowie die subjektive Fähigkeit die Situation auch „korrekt zu beurteilen“.
Nur durch das ausgewogene Zusammenspiel von SOLLEN (Arbeitsaufträgen) und DÜRFEN (Rahmenbedingungen) sowie individuellem WOLLEN (Handlungsbereitschaft) und KÖNNEN (Handlungsfähigkeit) kann berufliches Handeln und somit auch berufliche Performanz entstehen. Somit kennzeichnet Performanz den, „[…] Vollzug von Kompetenz im Sinne des Zusammenspiels von Ressourcen, Technologie, Qualifikation und Zielfaktoren. Performanz ist die tatsächliche und messbare Leistung eines Individuums bzw. einer Organisation“ (Becker, 2013, S. 934).
Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass berufliche Performanz von a) externen Leistungsvoraussetzungen (Arbeitsauftrag, Arbeitsbedingungen) sowie b) von intrapersonalen Leistungsvoraussetzungen (Handlungsbereitschaft, Handlungsfähigkeit) abhängig ist. Leistung im Sinne beruflicher Performanz kann daher nur entstehen, wenn die internen Leistungsvoraussetzungen mit den externen Leistungsvoraussetzungen zusammenwirken. In diesem Verständnis sind berufliche Handlungen sowie ihre Ergebnisse und Folgen multikausal und emergent. In dem Bestreben die menschlichen Erfolgsfaktoren beruflicher Performanz zu analysieren und zu optimieren haben sich in der Personalpsychologie die Begriffe der Eignung und Eignungsdiagnostik etabliert.
Eignung und Eignungsdiagnostik
„Eignung erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind“ (Bundesamt für Justiz, 2020, S. 4). Im Detail umfasst dies: „nach der gerichtlichen Auslegung die körperliche (gesundheitliche), geistige und charakterliche Eignung. Hierunter fallen anlage- und entwicklungsbedingte Persönlichkeitsmerkmale wie Begabung, physische und psychische Kräfte, emotionale und intellektuelle Voraussetzungen der Persönlichkeit im Allgemeinen“ (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2019, S. 7). Schuler (2001, S. 44) stellt fest, dass bei genauerer Betrachtung nicht nur eng gefasste Arbeitsvollzüge am Arbeitsplatz als Anforderungen wirksam werden, sondern Merkmale des ganzen Berufsfelds, einer Organisation, eines Karrierewegs. In diesem Sinne spricht er von Eignung als der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Person bzw. vom: „Zusammenpassen von Person und Berufsweg, Ausbildungsgang etc.“ (Schuler, 2001, S. 44). Eignung bedeutet in diesem Sinne, den Anforderungen einer beruflichen Tätigkeit und/oder Karriere mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gewachsen zu sein. Dabei lässt sich zwischen der geistigen, charakterlichen, körperlichen und/oder fachlichen Eignung einer Person unterscheiden. Der Eignungsbegriff ist somit komplementär zum Anforderungsbegriff, und beschreibt die Passung der benötigten internen Leistungsvoraussetzungen, um den Anforderungen eines Arbeitsumfeldes kurz- und langfristig zu genügen.
Berufliche Eignung kann durch eignungsdiagnostische Maßnahmen ermittelt werden. Laut Höft et al. (2017, S. 101) fungiert die Arbeitsanalyse dabei als eine flankierende Maßnahme, indem die Gesamttätigkeit einer Zielposition in Aufgabenbereiche, zugeordnete Einzelaufgaben bis hin zu einzelnen Handlungen aufgeschlüsselt wird. Um anschließend die persönliche Eignung einer Person für die Tätigkeit festzustellen bzw. deren berufliche Performanz zu prognostizieren, müssen die beruflichen Anforderungen als ein Tätigkeits-, Anforderungs- und/oder Kompetenzprofil vorliegen. Je größer die Passung (fit) einer Person auf die ermittelten Anforderungen ist, desto höher ist deren berufliche Eignung. Dabei „beschränkt sich die differentialpsychologische Ausrichtung der Berufseignungsdiagnostik keineswegs auf die Ermittlung von Fähigkeiten. Unterschiede zwischen Personen sind vielmehr auch dort erfolgsrelevant, wo es sich um nichtkognitive Eigenschaften handelt, um Interessen, Werthaltungen, Orientierungen und andere Persönlichkeitscharakteristika“ (Schuler, 2001, S. 89). Die Berufseignungsdiagnostik „hat zum Paradigma der Multimodalität oder Multimethodalität geführt, demzufolge eine „vollständige“ Diagnose nur durch den Einsatz mehrerer, unterschiedlicher Verfahren erstellt werden kann“ (Schuler, 2001, S. 89). Eine multimethodale Grundlage ist umfassend und orientiert sich insbesondere an biographischen Daten, Simulationen, praktischen Arbeitsproben und psychologischen Testverfahren, wie dies beispielsweise der trimodale Ansatz nach Schuler beschreibt.
„Eignungsmerkmale [sind] Merkmale der Person, die relevant sind für berufliche Leistung und Zufriedenheit“ (Höft et al., 2017, S. 99). Nach der DIN 33430 gehören zu den Eignungsmerkmalen: „Qualifikationen, Kompetenzen, Potenziale sowie berufsbezogene Interessen, Bedürfnisse, Werthaltungen, Motive und andere relevante Merkmale einer Person, die die Voraussetzung für die jeweils geforderte berufliche Leistungshöhe und die berufliche Zufriedenheit sind“ (Deutsches Institut für Normung, 2016). Kompetenzen als Bestandteil der Eignung werden definiert als: „[…] gelernte, wiederholbare Verhaltensweisen und abrufbare Wissensbestände zur erfolgreichen Bewältigung beruflicher Aufgaben“ (Höft et al., 2017, S. 100). Laut Höft et al. (2017, S. 100) ist der Kompetenzbegriff dabei besonders relevant für die Eignungsbeurteilung von Personen, die eine Tätigkeit sofort und ohne weitere Qualifizierung aufnehmen sollen. In diesem Sinne beschreiben Kompetenzen einen Satz von Dispositionen und Merkmalen, welche eine Person benötigt, um beruflich erfolgreich zu erscheinen. Von beruflichem Erfolg kann dann gesprochen werden, wenn Arbeitsaufträge forderungsgerecht ausgeführt wurden. Das forderungsgerechte Ausführen bezieht sich dabei auf die Erfüllung eines Arbeitsauftrages durch das Erreichen von Arbeitsergebnissen, wobei der Tätigkeitsprozess, die Ergebnisse und/oder die Folgen der Tätigkeit qualitativen und/oder quantitativen Bewertungskriterien genügen müssen (è Performanz). Berufliche Kompetenzen umfassen in diesem Sinne alle persönlichen Potenziale, die innerhalb eines beruflichen Handlungsrahmens berufliche Performanz ermöglichen. Damit kann Kompetenz komplementär zur Anforderung verstanden werden, denn: „Anforderungen an den Menschen sind die Gesamtheit, der für das forderungsgerechte Ausführen benötigten, körperlichen und geistigen Leistungsvoraussetzungen“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 48). In einem eignungsdiagnostischen Sinne fassen Kompetenzen somit diejenigen physischen und psychischen Leistungsvoraussetzungen zusammen, über die eine Person verfügen muss, um eine Problemstellung forderungsgerecht zu bewältigen. Daraus ergibt sich, dass zur Ermittlung erfolgsrelevanter persönlicher Leistungsvoraussetzungen die Analyse von Arbeitsauftrag und -bedingungen notwendig wird. Dies ist die Zielstellung von Arbeits- und Anforderungsanalysen.
Arbeits- und Anforderungsanalysen
In der Fachliteratur findet man häufig den Verweis auf eine vorausgehende Arbeits- und sich daran anschließende Anforderungsanalyse. Analyse bedeutet laut Schüpbach (2016c) ein Zerlegen und Aufgliedern (unterscheiden/teilen), der Begrifflichkeiten, des Arbeitssystems und der Arbeitstätigkeit in seine technischen, sozialen und organisatorischen Bestandteile. Laut Schüpbach (2016b) umfassen psychologische Arbeitsanalysen stets drei oder mehr Ebenen, nämlich (1) die Ebene des Gesamtbetriebs und dessen Einbindung in seine Umwelt, (2) die Ebene einzelner Arbeitssysteme (sozio-technische Systeme) sowie (3) die Ebene einzelner Arbeitstätigkeiten. „Arbeitsanalysen bilden die Grundlage von Anforderungsanalysen. Die Arbeitsanalyse beantwortet die Frage, was […] unter welchen Bedingungen an einem Arbeitsplatz zu tun ist“ (Schüpbach, 2016c). Seit 2016 wird in der DIN 33430 nur noch der Begriff „Anforderungsanalyse“ gebraucht. Dieser „in der DIN genutzte Begriff „Anforderungsanalyse“ beschreibt hingegen den Arbeitsplatz aus dem Blickwinkel der arbeitenden Person und ermittelt die Eignungsmerkmale, die für die erfolgreiche Bewältigung notwendig sind“ (Höft et al., 2017, S. 101). Eine Anforderungsanalyse kann somit als integrativer Bestandteil einer Arbeitsanalyse betrachtet werden, da sie auf das Gesamtarbeitssystem einschließlich der Aufträge und Arbeitsbedingungen Bezug nimmt. Damit entspricht die Anforderungsanalyse der bedingungs- und personenbezogenen dritten Ebene des Trichter-Modells der psychologischen Arbeitsanalyse nach Winfried Hacker (1995), welches die folgende Abbildung 2 im Überblick zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Das Trichter-Modell der psychologischen Arbeitsanalyse (Hacker, 1995 zitiert nach Schüpbach, 2016c).
Das Ergebnis einer Anforderungsanalyse ist ein Anforderungsprofil. Dieses erfasst, beschreibt und kategorisiert die ermittelten Anforderungen. Dabei gilt: „Wichtige Arten von Anforderungen sind nicht immer scharf trennbar“ (Spektrum Akademischer Verlag, 2000) und „können in verschiedener Weise angegeben werden“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 48). So spricht Hacker und Sachse (2014, S. 48) von einer generellen Einordnung in entweder a) auszuführende Solltätigkeiten mit ihren regulierenden psychischen und ausführenden Prozessen oder in b) (psychische) Leistungsvoraussetzungen als Prozessbegriff (kognitive Operationen und Kenntnisse) oder Eigenschaftsbegriffe (Fähigkeiten und Kompetenzen). Da eine Erfassung spezifischer Solltätigkeiten und/oder psychischer Leistungsvoraussetzungen im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich erscheint, wird sich im weiteren Verlauf auf Fähigkeiten bzw. Kompetenzen fokussiert.
3.2 Berufliche Handlungskompetenz
„Der Begriff [der Kompetenz] hat seinen Ursprung im lateinischen competens (= angemessen) bzw. competere (= zusammentreffen)“ (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2011, S. 21). Etymologisch wurde der Begriff ursprünglich im Sinne eines angemessenen Handelns genutzt. Laut Lehmann & Nieke (2006, S. 3) wird Kompetenz im Deutschen mit Sachverstand, Zuständigkeit umschrieben, wobei sich drei Bedeutungen unterscheiden lassen: (1) Formale Kompetenzen, die im juristischen Sinne gleichzusetzen sind mit der Befugnis, etwas tun zu dürfen, (2) Kompetenzen im Sinne von erworbenen Fähigkeiten, die eine Person als Experten erscheinen lassen und (3) Kompetenzen als jene Merkmale, die eine Person als erfolgreich erscheinen lassen.
Eine erste wissenschaftliche Verwendung des Kompetenzbegriffes geht zurück auf den Linguisten Noam Chomsky. Insbesondere der Begriff der „ Performance“ leitet sich ab von Chomskys linguistischer Unterscheidung zwischen Kompetenz als dem grammatischen Wissen und der Performance als der Ausführung dieses Wissens im alltäglichen Sprechen“ (Knoblauch, 2009, S. 4). Chomsky argumentierte, dass die erzeugte Sprache (das Gesagte, Geschriebene) unbewusst im Sprecher vorhandene Strukturen von Sprache (z.B. Grammatik) beobachtbar macht. Die Performanz ist in diesem Sinne das Hervorgebrachte, das Erscheinende, welches als ein beobachtbares Symptom auf eine dahinterliegende Ursache schließen lässt. Damit erscheint sprachliche Performanz als verwirklichter Teil eines persönlichen Sprachvermögens (Potenzials). In diesem Verständnis ist Kompetenz ursächlich für eine beobachtbare Performanz. Nur durch eine systematische Beobachtung verschiedener Leistungen (Symptome) in ihrer unterschiedlichen Ausprägung und Kombination kann eine valide „Kompetenz-Diagnose“ gestellt werden, denn: „Kompetenzen kann man nicht durch einzelne, isolierte Leistungen darstellen oder erfassen. Der Bereich von Anforderungssituationen, in denen eine bestimmte Kompetenz zum Tragen kommt, umfasst immer ein mehr oder weniger breites Leistungsspektrum. [...] Eine eng gefasste Leistungserfassung kann dem Anspruch von Kompetenzmodellen nicht gerecht werden“ (Klieme et al., 2003, S. 74). Daraus folgt, dass Kompetenz selbst ein nicht messbares Konstrukt ist, auf welches nur indirekt über die beobachtete bzw. gemessene Performanz geschlossen werden kann (èKompetenz-Performanz-Problem).
„In einer Überblicksarbeit zeigte der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Franz Weinert (1999), dass eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzbegriffe verwendet wird, die eine weite Spanne abdeckt von angeborenen Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Begabung, Intelligenz) bis hin zu erworbenem umfangreichem Wissensbesitz, von fächerübergreifenden Schlüsselqualifikationen bis hin zu fachbezogenen Fertigkeiten“ (Klieme et al., 2003, S. 72). Dabei versteht Weinert unter Kompetenzen: „[...] die bei Individuen verfügbaren oder von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27). Im Verständnis Weinerts ist Kompetenz: […] eine Disposition, die Personen befähigt, bestimmte Arten von Problemen erfolgreich zu lösen [und] konkrete Anforderungssituationen eines bestimmten Typs zu bewältigen“ (Klieme et al., 2003, S. 72). „Weinert argumentierte überzeugend, dass die tragfähigste Definition von Kompetenz diejenige ist, die in dem Bereich der Expertiseforschung entwickelt wurde. Die Expertiseforschung beschäftigt sich mit der Untersuchung von leistungsfähigen Experten in einem bestimmten Fach bzw. Gegenstandsbereich – in der Expertiseforschung als „Domäne“ bezeichnet“ (Klieme et al., 2003, S. 72). „Aufgrund der zentralen Rolle fachbezogener Fähigkeiten und fachbezogenen Wissens sind Kompetenzen in hohem Maße domänenspezifisch“ (Klieme et al., 2003, S. 75). Bahnführung als Arbeitstätigkeit wird hier als solch eine berufliche Domäne aufgefasst.
Individuelle Handlungskompetenz
Aufbauend auf Weinerts Kompetenzbegriff definiert Gessler (2010) Handlungskompetenz als: „Die Fähigkeit […] in spezifischen Kontexten situativ angemessen und zweckentsprechend handeln zu können.“ (Gessler, 2010, S. 52). Laut Hensge et al. (2008, S. 6) wurde der Begriff der Handlungskompetenz durch die Kultusministerkonferenz (KMK) auf ordnungspolitischer Ebene verankert und wird dabei verstanden: „[…] als die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (KMK, 2018, S. 15). Staudt und Kriegesmann (2001) haben den Begriff der Handlungskompetenz weiter ausgearbeitet. Nach ihrem Verständnis besteht die individuelle Handlungskompetenz aus den Faktoren der Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft, ist eng mit Persönlichkeitseigenschaften verbunden und muss in einem organisatorischen-technologischen Unternehmenskontext (Zuständigkeit) eingebettet sein, denn: „Die Einbindung von Individuen mit ihren Kompetenzen in Arbeitssysteme entscheidet darüber, inwiefern die individuelle Handlungskompetenz überhaupt zur Entfaltung kommt“ (Staudt & Kriegesmann, 2001 S. 28). In diesem Verständnis lassen sich sowohl internale Leistungsvoraussetzungen wie Fähigkeit und Bereitschaft als auch externale Leistungsvoraussetzungen, wie Zuständigkeit, organisatorische Einbindung und technologische Koppelung wiederfinden. Der Begriff der Handlungskompetenz integriert somit die individuellen Fähigkeiten zur Problemlösung durch Handlung (èKÖNNEN) sowie einer motivationalen Bereitschaft diese Fähigkeiten auch anzuwenden (èWOLLEN). Eingebettet ist die individuelle Kompetenz in einen situativen Arbeitskontext (èSOLLEN und èDÜRFEN). Mess- und beobachtbar wird berufliche Handlungskompetenz durch Wirkungen in Form von Handlungsergebnisse und Handlungsfolgen (èPERFORMANZ). Die folgende Abbildung 3 stellt die Elemente der Handlungskompetenz nach Staudt & Kriegesmann (2001) schematisch dar.
Abbildung 3. Elemente der Kompetenz zur Handlung (Staudt & Kriegesmann, 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Berufliche Performanz
Handlungskompetenz ist als ein persönliches Potenzial zu verstehen, denn: „Kompetenz stellt im Gegensatz zur tatsächlich erbrachten Leistung (Performanz) eine Disposition dar. Sie befähigt eine Person, konkrete Anforderungssituationen zu bewältigen“ (KMK, 2018, S. 32). Als Disposition kann Handlungskompetenz weder direkt beobachtet noch gemessen werden. Erst im konkreten Zusammentreffen von internalen Fähigkeiten und Motiven mit externalen Anreizen und Ressourcen entstehen beobachtbares Verhalten und messbare Wirkung. Nur das Verhalten sowie dessen unmittelbare und mittelbaren Wirkungen können als Handlungsergebnisse und Handlungsfolgen beobachtet und bewertet werden, denn: „Performanz ist – anders als Kompetenz – grundsätzlich beobachtbar und spielt daher eine wesentliche Rolle bei der Leistungsmessung“ (KMK, 2018, S. 32).
Laut Becker kennzeichnet Performanz den „[…] Vollzug von Kompetenz im Sinne des Zusammenspiels von Ressourcen, Technologie, Qualifikation und Zielfaktoren“ (Becker, 2013, S. 934). Dieses „Zusammenspiel“ internaler und externaler Faktoren ist einerseits abhängig von den Ausgangs- und Rahmenbedingungen einer beruflichen Situation (Anforderungen der Umwelt) sowie der individuellen Handlungskompetenz des Akteurs (persönliche Eigenschaften). Handlung kann dabei vermittelnde Instanz zwischen den internalen und externalen Bedingungen einer Handlungssituation aufgefasst werden. Die Entstehung von Arbeitsergebnissen braucht daher Voraussetzungen. Diese können in externale und internale Leistungsvoraussetzungen unterschieden werden. Externale Leistungsvoraussetzungen sind in der Umwelt des Akteurs zu verorten und umfassen die Ausgangs- und Rahmenbedingungen einer Situation. Dies umfasst insbesondere die a) Problemstellungen (Arbeitsauftrag), die b) verfügbaren Ressourcen, wie Zeit, Technologie, Material, Information und soziale Unterstützung sowie c) Störungen des Arbeitsprozesses durch physische oder soziale Umweltbedingungen. Internale Leistungsvoraussetzungen beschreiben alle physischen und psychischen Dispositionen eines Akteurs, die für eine forderungsgerechte Erfüllung der Problemstellung relevant sind. Dies umfasst sowohl a) die physischen Leistungsvoraussetzungen, wie beispielsweise Größe, Gewicht, Kraft, Ausdauer, Koordination, Wahrnehmungsschwellen und physische Gesundheit als auch b) psychische Leistungsvoraussetzungen, wie Aufmerksamkeit und Konzentration, Intelligenz und Wissen, Kreativität und psychische Gesundheit.
Da in realen beruflichen Situationen alle Faktoren komplex zusammenwirken, lassen sich die Ursachen für Handlungen, deren Ergebnisse und Folgen nicht immer eindeutig bestimmen. Ob, inwiefern und zu welchen Anteilen sich ein Ergebnis der Kompetenz eines Akteurs oder auf die situativen Ausgangs- und Rahmenbedingungen zurückführen lässt, bleibt daher oftmals unscharf und liegt im Auge des Betrachters. Insbesondere in komplexen Tätigkeitsfeldern wie beispielsweise dem Dienstleistungsbereich mit seinen unbestimmten Produkten (z.B. Beratungsleistungen), lässt sich die Qualität einer Problemlösung sowie die Performanz eines Dienstleisters nicht immer klar bestimmen.
Mit steigender Komplexität, also Unbestimmtheit von Problemen, die als Aufgaben Mitarbeitern übergeben werden, sinkt die Möglichkeit, die Aufgabenlösung mit konkreten Zielen zu beginnen. Hier müssen Motive der weiteren Aufgabenlösung eine Richtung geben. Motive sind individuell, d. h. in ihrer konkreten Form bei jedem Mitarbeiter anders zu finden. Dementsprechend steigt die Wahrscheinlichkeit für individuelle, im günstigen Fall kreative Lösungen bei komplexen Problemen. Wenn diese Problemlösungen mittels Fremdkontrolle bewertet werden, kommt es häufig zu Konflikten, da vorgegebene, zentral definierte Kriterien der Individualität der Problemlösung nicht entsprechen (Goyk, 2000, S. 54).
Performanz, verstanden als die Bewertung von Tätigkeitsprozessen, deren Ergebnissen und Folgen ist somit an die Perspektive und den Kontext eines beobachtenden Stakeholders gebunden. Man kann daraus schlussfolgern, dass in komplexen Tätigkeitsbereichen Performanz attribuiert wird. Die Handlungskompetenz als Ursache der Performanz bleibt damit ebenfalls unscharf, solange es keine objektiven bzw. intersubjektiven und validen Bewertungskriterien gibt.
Berufliche Handlungsfähigkeit
Handlungsfähigkeit wird von Staudt und Kriegesmann (2001) als ein wesentlicher Faktor der individuellen Handlungskompetenz verstanden. Entsprechend dieses Modells besteht Handlungsfähigkeit aus den Fertigkeiten sowie dem Wissen einer Person in einer impliziten und expliziten Ausprägung (siehe Abbildung 3). Von einer beruflichen Handlungsfähigkeit wird im Kontext von Arbeitshandlungen gesprochen. Diese Begrifflichkeit wurde vom Gesetzgeber in den §1 Absatz 3 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) übernommen und beschreibt die: „[…] für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2020).
Fähigkeiten lassen sich psychologisch definieren als: „[…] Persönlichkeitseigenschaften, die Leistungen ermöglichen. Leistungen sind Ergebnisse von Handlungen, die nach einem Gütemaßstab bewertbar sind" (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 156). Handlungsfähigkeit umfasst somit die Gesamtheit derjenigen Persönlichkeitseigenschaften, welche für eine konkrete Handlungsplanung und -ausführung benötigt werden. Dabei erscheinen Fähigkeiten als persönliches Potenzial sich erfolgreich zu verhalten, in konkreten Situationen erwünschte Wirkungen zu erzielen (Handlungserfolge) und dadurch eine Situation „positiv“ zu beeinflussen (beabsichtigte Handlungsfolgen).
Fertigkeiten werden von Staudt und Kriegesmann (2001) als eine Unterkategorie der Handlungsfähigkeit dargestellt. Tätigkeitspsychologisch betrachtet bilden sie in der vertikalen Struktur der Tätigkeits- bzw. Handlungsregulationstheorie eine eigenständige Ebene und sind: „[…] durch Übung psychisch automatisierte Komponenten von Tätigkeiten. Automatisiert bedeutet dabei, dass eine Ausführung ohne bewusste Führung und Kontrolle möglich ist.“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 416). Die auch als skills bezeichneten Fertigkeiten sind: „Verrichtungseinheiten, die auf relativ gleichbleibende sensumotorisch akzentuierte Anforderungen hin entwickelt werden und die als verfestigte und psychisch automatisierte Handlungskomponenten bereitstehen […]“ (Hacker & Sachse, 2014, S. 416). Fertigkeiten sind somit als psycho-motorische Verhaltensmuster zu verstehen, die als Reaktion auf situative Anforderungen hin erfolgen. Sie sind obwohl irgendwann bewusst erlernt nicht bewusstseinspflichtig und somit schnell, effizient und zielführend einsetzbar. Als Teil des „handwerklichen Könnens“ einer Person sind sie somit essenziell für die berufliche Handlungsfähigkeit und -kompetenz.
Neben den Fertigkeiten beschreiben Staudt und Kriegesmann (2001) das implizite und explizite Wissen als Elemente der Handlungsfähigkeit, Dies entspricht dem von der KMK genutzten Kenntnisbegriff. „Wissen ist vor allem gespeicherte Information. Es ist daher in unserem Gedächtnis, in Büchern und elektronischen Medien, aber auch in anderen Lebewesen fixiert“ (Völz, 2014, S. 37). Wie das Zusammenspiel zwischen Wissensdimensionen und beruflichem Handeln konkret funktioniert ist noch nicht eindeutig geklärt, als sicher gilt jedoch, dass Wissensdimensionen entscheidenden Anteil an der beruflichen Handlungsfähigkeit haben. In einer berufspraktischen Herangehensweise finden sich in der Literatur Hinweise auf träges, d.h. nicht operationalisierbares Wissen und sogenanntes „praktisches“ Wissen. Rauner (2007) bezeichnet dieses als Erfahrungs- oder auch Handlungswissen und spricht in diesem Zusammenhang von einem erfahrungsbasierten fachsystematischen Vertiefungswissen. Somit ist insbesondere Erfahrungswissen: „[…] eine maßgebliche Komponente des beruflichen Könnens bzw. der Handlungsfähigkeit und folglich auch der Handlungskompetenz“ (Plath, 2002, S. 517). Rauner (2004, S. 17) spricht auch von Arbeitsprozesswissen als einer Form des Wissens, das die praktische Arbeit anleitet und als kontextbezogenes Wissen weit über das kontextfreie theoretische Wissen hinausreicht. Dabei orientiert sich Rauner (2013, S. 15) in diesem Zusammenhang an Hacker und dessen Konzept des handlungsleitenden (know-that), handlungserklärenden (know-how) und handlungsreflektierenden Wissens (know-why).
Berufliche Handlungsbereitschaft
Das KÖNNEN einer Person allein, sprich dessen berufliche Handlungsfähigkeit, ist nicht ausreichend, um berufliche Leistung zu erbringen. Dieser Sachverhalt drückt sich im Kompetenz-Performanz-Problem aus, denn: „Die Performanz (realisierte Leistung) in einer Aufgabe ist nur bei gleicher Motivationsstärke ein gutes Maß der Kompetenz (Fähigkeit)“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 157). „Die erzielte Leistung in einer bestimmten Aufgabe hängt sowohl von der Fähigkeit als auch von der Anstrengung ab. Deshalb können Fähigkeitsunterschiede zwischen Personen nur mit Einschränkung durch ihre Leistungsunterschiede operationalisiert werden. Leistungstests bilden nur dann Fähigkeitsunterschiede ab, wenn die Probanden sich beim Test in gleicher Weise anstrengen“ (Asendorpf & Neyer, 2012, S. 156). Diese Anstrengungsbereitschaft umfasst insbesondere eine innere Bereitschaft psychische und physische Ressourcen zu mobilisieren und für eine Problemlösung einzusetzen, sprich Energie für geistige und/oder körperliche Arbeit aufzuwenden. Im Sinne der Motivationspsychologie umfasst dies insbesondere die Ausrichtung, Ausdauer und Intensität eines gezeigten (beruflichen) Verhaltens und Erlebens. Das heißt ohne WÜNSCHEN (Motivation) und WOLLEN (Volition) bleibt das KÖNNEN (Fähigkeit) ein nicht abrufbares Potenzial. Erst durch eine Antizipation von Handlungsergebnissen und -folgen sowie der Konkretisierung impliziter und expliziter Motive mittels Zielbildung wird Kompetenz vollzogen. Es lässt sich daher schlussfolgern, dass neben den Fähigkeiten auch eine persönliche Bereitschaft zur Handlungsausführung gegeben sein muss. Es gilt daher vereinfacht: , denn strebt einer der Faktoren gegen Null, so wird es weder ein erfolgreiches Verhalten noch eine intentionale Problemlösung geben, wodurch eine berufliche Performanz ausbleibt.
Psychologische Grundlagen der beruflichen Handlungskompetenz
Kompetenz ist psychologisch als Disposition zu verstehen, welche ein stabiles (berufliches) Verhalten unter gleichen oder ähnlichen (beruflichen) Umweltbedingungen hervorbringt. Auf dieses Verhältnis von Umweltbedingungen zur Persönlichkeit bezieht sich auch der psychologische Handlungsbegriff. Dieser hatte seine Ursprünge bereits in der Formel der Feldtheorie Kurt Lewins. In der psychologischen Tätigkeitstheorie sowie der Handlungsregulationstheorie wird der Begriff weiter ausgebaut. Allgemein lässt sich Handlung in einem ontologischen Verständnis als die Wechselwirkung innerer psychischer Prozesse mit Bedingungen der äußeren Umwelt verstehen. Dabei richten internale Prozesse des Erlebens (z.B. Motivation, Emotion und Kognition) das geäußerte Erscheinen und Verhalten, z.B. als Bewegungen und Sprache intentional aus. Es erscheint daher sinnvoll sich hier detaillierter mit dem Handlungsbegriff auseinanderzusetzen und die Theorien zur Tätigkeit, Handlungsregulation und Antriebsregulation als theoretischen Unterbau der Handlungskompetenz in diese Arbeit mit einfließen zu lassen.
3.3 Tätigkeitstheorie und Arbeitstätigkeiten
Bereits 1938 entwickelte Kurt Lewin die Verhaltensformel . Diese Betrachtung wurde von Alexej N. Leontjew (1977) aufgegriffen und bildet die Grundlage seiner Tätigkeitstheorie. Dabei beschrieb Leontjew die Beziehung zwischen Personen und Umwelt als: „[…] praktische, vom Subjekt gesteuerte und nach außen gerichteter Tätigkeit“ (Frieling & Sonntag, 1999, S. 49). In diesem Sinne sieht Leontjew (1973) Tätigkeit als die vermittelnde Instanz zwischen Subjekt und Objekt. Laut Frieling & Sonntag (1999, S. 50) umfassen Tätigkeiten die Gesamtheit innerer (geistig-mentaler) und äußerer (praktischer, gegenstandsbezogener) Prozesse, die einem bestimmten Motiv, einem Gegenstand zu- bzw. untergeordnet sind, einschließlich aller Subprozesse (Handlungen und Operationen), welche der Realisierung des Gesamtprozesses dienen. Nach Leontjew werden bei der Analyse von Arbeitstätigkeiten zwei Ansätze unterschieden: a) Der hierarchisch (makro-)strukturelle Ansatz, der „vertikal“ auf das Problem der Auslösung und Steuerung der Tätigkeit abzielt und b) der „horizontale“ dynamisch-prozessuale Ansatz, mit dem die Vermittlungsfunktion der Tätigkeit zwischen Subjekt und Objekt beschrieben wird (Frieling & Sonntag, 1999, S. 50).
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- Citation du texte
- Marko Purwin (Auteur), 2022, Berufliche Anforderungen an Nautiker zur Bahnführung von Wasserfahrzeugen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1287083
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