Seit den 80er-Jahren hat sich die Infektion mit dem HIV zur Pandemie entwickelt und bisher circa 35 Mio. Menschenleben gekostet (WHO, 2013). Da dieses Thema noch heute eine große Relevanz besitzt, widmeten sich Renner et al. in mehreren Studien dem Thema Risikowahrnehmung in Bezug auf HIV: Bei einer kürzlich durchgeführten Studie (Schmälzle, Renner, Schupp, 2011) wurde untersucht, welche Faktoren bei der Risikowahrnehmung eine Rolle spielen. Dabei wurde festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der HIV-Risikoeinschätzung und Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein besteht. Da sich bei näherer Betrachtung des Themas zeigt, dass bislang unklar ist, wie sich Frauen und Männer bei der personenbezogenen Risikowahrnehmung voneinander unterscheiden, sollen in der vorliegenden Studie jeweils gleich- und gegengeschlechtliche Bewertungen stattfinden. Dazu sollten 92 Studienteilnehmer 120 Bilder von fremden Personen hinsichtlich acht verschiedener Skalen beurteilen. Insgesamt konnte die vorliegende Studie globale Geschlechtsunterschiede bei der Bewertung von Personenbildern nicht aufzeigen. Dafür zeigten sich bei der Bewertung von, nach Geschlecht getrennten, Bildersets lokal signifikante Unterschiede auf mehreren Skalen, insbesondere bei der HIV-Risikoeinschätzung. Deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede, vor allem bei der Bewertung von Frauenbildern, sollten von zukünftigen Studien in Betracht gezogen werden.
Zusammenfassung
Seit den 80er-Jahren hat sich die Infektion mit dem HIV zur Pandemie entwickelt und bisher circa 35 Mio. Menschenleben gekostet (WHO, 2013). Da dieses Thema noch heute eine große Relevanz besitzt, widmeten sich Renner et al. in mehreren Studien dem Thema Risikowahrnehmung in Bezug auf HIV: Bei einer kürzlich durchgeführten Studie (Schmälzle, Renner, Schupp, 2011) wurde untersucht, welche Faktoren bei der Risikowahrnehmung eine Rolle spielen. Dabei wurde festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der HIV- Risikoeinschätzung und Vertrauenswürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein besteht. Da sich bei näherer Betrachtung des Themas zeigt, dass bislang unklar ist, wie sich Frauen und Männer bei der personenbezogenen Risikowahrnehmung voneinander unterscheiden, sollen in der vorliegenden Studie jeweils gleich- und gegengeschlechtliche Bewertungen stattfinden. Dazu sollten 92 Studienteilnehmer 120 Bilder von fremden Personen hinsichtlich acht verschiedener Skalen beurteilen. Insgesamt konnte die vorliegende Studie globale Geschlechtsunterschiede bei der Bewertung von Personenbildern nicht aufzeigen. Dafür zeigten sich bei der Bewertung von, nach Geschlecht getrennten, Bildersets lokal signifikante Unterschiede auf mehreren Skalen, insbesondere bei der HIV-Risikoeinschätzung. Deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede, vor allem bei der Bewertung von Frauenbildern, sollten von zukünftigen Studien in Betracht gezogen werden.
Einleitung
„Der erste Eindruck geschieht immer, er geschieht immer unbewusst und er geschieht in sekundenschnelle. [...] Das geschieht blitzschnell, ganz automatisch, aus dem Bauch heraus [...].” (Anke Willberg)
Die Risikowahrnehmung bietet in der Psychologie ein breites Forschungsgebiet. Weshalb ist die Forschung in diesem Bereich von solch großer Relevanz? Tagtäglich müssen wir Entscheidungen treffen, die mit einem gewissen Risiko verbunden sind. Dies wird zum Beispiel bei der Partnerwahl sichtbar. Es wird angenommen, dass gesunde Partner gesündere Kinder zeugen und von daher einen größeren Reproduktionserfolg haben (Bauer & Ganser, 2006). Dabei ist das Aussehen einer Person ein Merkmal, mit dem in Sekundenschnelle Rückschlüsse auf die Gesundheit gezogen werden (Bauer et al., 2006). Da gesunde Menschen einen höheren Reproduktionserfolg besitzen, werden schöne Menschen als Geschlechtspartner bevorzugt (Bauer et al., 2006).
Traditionell wurde das Risiko objektiv als Wahrscheinlichkeit mal Schadenshöhe erklärt. Mittlerweile wird das Risiko eher intuitiv und affektiv erläutert („Ich fühle mich gefährdet“) (Renner & Schwarzer, 2003). Sobald eine Gefahrenquelle erkannt wurde, kommt es zur Risikowahrnehmung, die dann mit anderen Faktoren zu einem Schutzverhalten führt (Renner et al., 2003). Bar, Neta und Linz (2006) fanden heraus, dass erste Eindrücke der Persönlichkeit eines Menschen oft anhand des äußerlichen Erscheinungsbildes ihrer Gesichter gebildet werden. Außerdem stellten sie fest, dass das Verständnis, wie schnell diese Eindrücke entstehen, entscheidende Auswirkungen sowohl auf das Verständnis sozialer Interaktionen hat als auch auf die Bestimmung derjenigen Gesichtszüge, die benutzt werden, um diese Eindrücke zu kreieren (Bar et al., 2006). Zudem ziehen Menschen automatisch und zuverlässig Rückschlüsse aus den Gesichtszügen anderer auf deren Persönlichkeit, obwohl wenig Beweise für die Richtigkeit vorliegen (Todorov, Said, Engell, & Oosterhof, 2008). Auch in der Partnerwahl ist die Risikobewertung von großer Bedeutung. Vorläufige Belege weisen darauf hin, dass Menschen auf Grundlage des physischen Erscheinungsbildes des Partners Schätzungen des HIV-Risikos bilden (Schmälzle et al., 2011). Viele Menschen verwenden nicht konsequent Kondome, sondern verlassen sich auf illusorische Kontrollstrategien, um eine Infektion mit HIV zu vermeiden (Schmälzle et al., 2011).
Die vorangegangene Studie, auf der unsere Untersuchung basiert, hat sich mit der personenbezogenen Risikobewertung beschäftigt, bei der Männer Frauenbilder und Frauen Männerbilder, also jeweils gegengeschlechtlich, bewerten sollten (Schmälzle et al., 2011). In der vorliegenden Studie wurden den Teilnehmern insgesamt 120 gleich- und gegengeschlechtliche Farbfotos vorgelegt. Diese sollten sie anhand von 8 verschiedenen Skalen intuitiv bewerten, um damit geschlechtsbezogene Unterschiede der Beurteiler bei der Risikowahrnehmung zu messen.
Zunächst wird angenommen, dass die Zusammenhänge zwischen den Einschätzungen der HIV-Risikowahrnehmung und den Einschätzungen von Vertrauenswürdigkeit auch bei den neuen Bewertungskonstellationen gezeigt werden können. Des Weiteren wird erwartet, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Bewertung der einzelnen Bildersets bzw. bei den einzelnen Skalen zeigen.
Methode
Teilnehmer
Insgesamt haben 92 Probanden (49 weiblich, 43 männlich) an der Studie teilgenommen, alle im Alter zwischen 18 und 28 Jahren (M= 21,58; SD= 1,87). Die Teilnehmer wurden auf dem Campus der Universität Konstanz angesprochen. Ihnen wurde angeboten, an einer Verlosung von zwei Mal 50 € unter Angabe ihrer E-Mail Adresse mitzumachen oder 1,5 Versuchspersonenstunden zu erhalten.
Stimulusmaterial
Als Stimulus wurde ein halbes Bilderset (120 Farbfotos, 60 Männerbilder und 60 Frauenbilder) von Schmälzle et al. (2011): Implicit and explicit process in risk perception benutzt. Das Originalbilderset wurde nach mittlerer Risikobewertung sortiert und davon jedes zweite Bild ausgewählt. Die Bilder zeigen junge Erwachsene des hellhäutigen, europäischen Typus; dabei sollte das Gesicht der einzelnen Person klar erkennbar sein. Der Kontext wurde absichtlich nicht unkenntlich gemacht.
Versuchsgeräte
Die Studie wurde am Computer mit einem Bildschirm der Marke Dell 1901FP durchgeführt. Die Version der benutzten Software war die Präsentation 0.61, erstellt im Juli 2003.
Versuchsdurchführung
Der Versuch wurde unter der Aufsicht von zwei Versuchsleitern in einem Computerraum der Universität mit 10 Gruppen ä maximal 10 Personen durchgeführt. Zu Beginn wurden demografische Daten zum Alter, Geschlecht, Berufsstand und zur Sexualität erhoben. Den Teilnehmern wurden für jeweils 2 Sekunden 120 Bilder präsentiert, ein Fixationskreuz (1s) ging ihnen voraus. Anschließend bewertete jeder Proband die Bilder auf einer 7-Punkte Skala unter anderem nach der Frage „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass diese Person HIV-positiv ist?“. Insgesamt bewertete jeder Proband die 120 Bilder beider Geschlechter nach acht Charakteristiken auf jeweils einer 7-Punkte-Skala: das HIV-Risiko, die Vertrauenswürdigkeit, der Interaktionswunsch, das Verantwortungsbewusstsein, die Erregung, die Valenz, die Attraktivität und den Gesundheitszustand. Die Extreme der Skalen gingen von extrem unwahrscheinlich bis extrem wahrscheinlich. Sowohl die Abfolge der Bilder als auch die Abfolge der Skalen war randomisiert. Um zu verhindern, dass das zu bewertende Gesicht in Vergessenheit geriet, erschien es noch einmal in kleinem Format über den Skalen. Als Instruktion wurde angegeben, dass die Einschätzung möglichst schnell und intuitiv abgegeben werden sollte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Abfolge der Bewertung
Resultate
Ebenso wie in der vorangegangenen Studie (Schmälzle et al., 2011) fanden wir mit Hilfe der Hauptkomponentenanalyse heraus, dass die einzelnen Skalen auf zwei Faktoren laden. Die Tabelle 1 verdeutlicht die Korrelationen zwischen den einzelnen Skalen, bei denen Männer und Frauen alle Bilder bewerteten. Hier wird ersichtlich, dass die HIV- Risikowahrnehmung negativ mit Vertrauenswürdigkeit (r= -,90) und mit Verantwortungsbewusstsein (r= -,91) korreliert. Durch den T-Test wurden signifikante Unterschiede bei den Skalen HIV: t(119)= 12,57, p= 0,0; Gesundheit: t(119)= -3,03, p= 0,003 und Interaktion: t(119)= 2,05, p= 0,043 klar. Wo nötig, wurde Greenhouse-Geisser korrigiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Korrelationsmatrix Frauen und Männer bewerten alle Bilder
Im Folgenden betrachten wir mögliche Unterschiede bei den Bewertungen von Männerbildern. Laut Tabelle 2 gibt es wenige Unterschiede bei den Korrelationen. Dafür wurden beim T-Test wieder signifikante Unterschiede bei 3 Skalen beobachtet. Im Bezug der Valenz (t(59)= -2,23, p= 0,026), der Erregung (t(59)= -7,87, p= 0) und auch hier wieder bei HIV (t(59)= 8,97, p=0) kamen signifikante geschlechtsbezogene Unterschiede bei der Bewertung heraus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Korrelationsmatrix Frauen und Männer bewerten Männerbilder
Schlussendlich ist es noch von Interesse, ob es geschlechtsbezogene Unterschiede gibt, wenn Frauen und Männer Frauenbilder bewerten sollten. Hier werden jedoch Unterschiede ersichtlich, die bei der Bewertung von Männerbildern nicht vorhanden sind. Der Zusammenhang zwischen Valenz und HIV-Risiko ist bei Frauen (r= - 0,80) deutlich höher negativ korreliert als bei Männern (r= -0,45). Auch beim Zusammenhang zwischen HIV- Risiko und der Interaktion besteht bei Frauen eine höhere negative Korrelation (r= -0,72) als bei Männern (r= -0,29). Dies ist ebenso beim Zusammenhang zwischen HIV-Risiko und der Attraktivität (Frauen: r= -0,35; Männer: r= -0,13) und der Erregung (Frauen: r= 0,87; Männer: r= 0,47) zu beobachten. Mit Hilfe des T-Tests haben wir folgende Werte für 4 Skalen gefunden:
HIV: t(59)= 8,73 mit p= 0; Gesundheit: t(59)= -2,27 mit p= 0,027; Erregung: t(59)= 5,2 mit p= 0 und Interaktion: t(59)= 3,02 mit p= 0,004.
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- Quote paper
- M. Sc. Alissa Nagler (Author), 2013, Geschlechtsunterschiede bei der personenbezogenen Risikowahrnehmung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1286641
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