Die wissenschaftliche Arbeit betrachtet das Handlungsfeld der ambulanten Erziehungshilfe, welches einen Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe darstellt. Hierbei wird insbesondere der systemische Denk- und Handlungsansatz sowie die systemische Praxis der Sozialpädagogischen Familienhilfe fokussiert. Das Ziel dieser literaturgestützten Bachelorarbeit ist die Ausarbeitung und Beantwortung der zentralen Fragestellungen, wie die Sozialpädagogische Familienhilfe mit systemischen Ansätzen den Verbleib eines Kindes in der Herkunftsfamilie unterstützt.
Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie in einem Zwangskontext Lösungsstrategien erarbeitet werden können. Hierzu findet in dem theoretischen Teil dieser Arbeit eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien, Erkenntnissen und Studien statt, welche in einem beispielhaften Fall der Jugendhilfe angewendet werden.
Die erzieherischen Hilfen sind ein stetig wachsendes Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, in welchem im Jahr 2019 mit über eine Millionen Fällen ein neuer Höchststand erreicht wurde. Besonders die Sozialpädagogische Familienhilfe erfährt in den letzten Jahren einen enorm großen Zuwachs und ist nach den Erziehungsberatungen und der Heimerziehung mit 13% aller Fälle die dritthäufigste Maßnahme der Hilfen zur Erziehung und zielt darauf ab, einer Fremdunterbringung entgegenzuwirken.
Parallel dazu ist das Thema Kinderschutz immer häufiger in den Fokus der Gesellschaft gerückt worden. Damit einhergehend sind sowohl die Meldungen von Kindeswohlgefährdungen als auch die mediale Berichterstattung über schwerwiegende Kinderschutzfälle gestiegen. Durch die Berichterstattungen werden schwer belastete Familien, die sich in aktuellen Krisen befinden als Risikofamilien betitelt. Dies führt zu einer eingeschränkten Sichtweise von Denk- und Wahrnehmungsprozessen, die die Entwicklungsinteressen der Eltern und ihrer Kinder nicht mehr berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Systemischer Ansatz
1.1 Systembegriff und Theorien
1.2 Systemische Betrachtung von Familien
1.3 Professionelle systemische Interventionen für Familien
2. Ambulante Erziehungshilfen
2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
2.2 Sozialpädagogische Familienhilfe
2.3 Stand der Forschung
3. Systemisches Handeln bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung
3.1 Elternarbeit im Rahmen des systemischen Arbeitens
3.2 Kooperationen und Netzwerkarbeit
3.3 Anwendungsbeispiel bei Vernachlässigung
4. Diskussion
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abstract
Die vorliegende Bachelorarbeit behandelt die Potenziale des systemischen Arbeitens in der Ambulanten Erziehungshilfe mit besonderer Berücksichtigung der Sozialpädagogischen Familienhilfe. Zunächst werden die wesentlichen Merkmale der Systemtheorie sowie die professionellen systemischen Interventionen vorgestellt, anschließend das Handlungsfeld der ambulanten Erziehungshilfe. Im Anschluss werden ausgewählte Methoden des systemischen Arbeitens näher erläutert und die praktische Umsetzung anhand eines Fallbeispiels verdeutlicht. Hierbei wird der Frage nachgegangen, wie der systemische Denk- und Handlungsansatz den Verbleib eines Kindes in der Herkunftsfamilie begünstigt. Die Methodik dieser Arbeit basiert auf eine umfangreiche Recherche in der Fachliteratur.
Abkürzungsverzeichnis
Abs.- Abschnitt
BGB - Bürgerliches Gesetzbuch
bzw. - beziehungsweise
ca. - circa
DGSF - Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie
ebd. - ebenda
FKiLB - Fachstelle Kinderschutz im Land Brandenburg
Hrsg. - Herausgeber
HzE - Hilfen zur Erziehung
KJHG - Kinder- und Jugendhilfegesetz
KSZB - Kinderschutz-Zentrum Berlin
SGB - Sozialgesetzbuch
SPFH - Sozialpädagogische Familienhilfe
u.a. - unter anderem
z.B. - zum Beispiel
ZBFS - Zentrum Bayern Familie und Soziales – Bayrisches Landesjugendamt
Einleitung
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit betrachtet das Handlungsfeld der ambulanten Erziehungshilfe, welches einen Teilbereich der Kinder- und Jugendhilfe darstellt. Hierbei wird insbesondere der systemische Denk- und Handlungsansatz sowie die systemische Praxis der SPFH fokussiert. Das Ziel dieser literaturgestützten Bachelorarbeit ist die Ausarbeitung und Beantwortung der zentralen Fragestellungen, wie die SPFH mit systemischen Ansätzen den Verbleib eines Kindes in der Herkunftsfamilie unterstützt. Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie in einem Zwangskontext Lösungsstrategien erarbeitet werden können. Hierzu findet in dem theoretischen Teil dieser Arbeit eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien, Erkenntnissen und Studien statt, welche in einem beispielhaften Fall der Jugendhilfe angewendet werden.
Die erzieherischen Hilfen sind ein stetig wachsendes Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, in welchem im Jahr 2019 mit über eine Millionen Fällen ein neuer Höchststand erreicht wurde (Destatis 2020c). Besonders die SPFH erfährt in den letzten Jahren einen enorm großen Zuwachs und ist nach den Erziehungsberatungen und der Heimerziehung mit 13% aller Fälle die dritthäufigste Maßnahme der HzE und zielt darauf ab, einer Fremdunterbringung entgegenzuwirken (ebd.). Parallel dazu ist das Thema Kinderschutz immer häufiger in den Fokus der Gesellschaft gerückt worden. Damit einhergehend sind sowohl die Meldungen von Kindeswohlgefährdungen als auch die mediale Berichterstattung über schwerwiegende Kinderschutzfälle gestiegen (Destatis 2020b; DGSF 2020: 12). Durch die Berichterstattungen werden schwer belastete Familien, die sich in aktuellen Krisen befinden als Risikofamilien betitelt. Dies führt zu einer eingeschränkten Sichtweise von Denk- und Wahrnehmungsprozessen, die die Entwicklungsinteressen der Eltern und ihrer Kinder nicht mehr berücksichtigen (ebd.). Der anspruchsvolle Alltag, persönliche Krisen und die gesellschaftlich gestellten Anforderungen an die Eltern setzen sie oftmals unter Druck, sodass sie überfordert sind und ihren Erziehungsaufgaben nicht gerecht werden. Die Kinder sind die Leittragenden der schwierigen Situationen in den Familien und werden als Symptomträger aus der Gesellschaft exkludiert. In Schulen oder Kitas gelten sie teilweise als unbeschulbar, Außenseiter oder nicht integrierbar (ebd.: 13). Die SPFH wirkt diesen Prozessen entgegen und hat die Aufgabe das Kindeswohl zu sichern und Kindeswohlgefährdungen abzuwenden (KSZB 2009: 11f.). Dafür nimmt sie nicht nur die Kinder in den Blick, sondern fokussiert mit dem systemischen Denk- und Handlungsansatz das gesamte Familiensystem, das Umfeld sowie die Lebenslagen der Familien (Rätz et al. 2021: 15). Die intensivste Arbeit leistet die SPFH allerdings mit den Eltern, um diese in ihren Kompetenzen zu stärken und ihnen durch Hilfe zur Selbsthilfe eigene und neue Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dabei werden familientherapeutische Interventionselemente mit der Leitnorm der Lebensweltorientierung in Verbindung gebracht und setzen damit auch die gesetzlich vorgegebene Partizipation aller Beteiligten um (Wolf 2015: 140).
Das erste Kapitel beinhaltet eine Definition des Systembegriffs sowie bedeutende Aspekte der Systemtheorien, die auf den aktuellen systemischen Denk- und Handlungsansatz in der Sozialen Arbeit Einfluss haben. Anschließend werden diese Theorien auf das System Familie übertragen und dargestellt. Das Kapitel schließt mit den professionellen systemischen Interventionen ab und umfasst neben den zentralen Ideen systemsicher Praxis auch die professionelle Grundhaltung von Fachkräften. Im zweiten Kapitel werden die rechtlichen Rahmenbedingungen der ambulanten Erziehungshilfe thematisiert. Des Weiteren findet eine professionsbezogene Einordnung der Sozialen Arbeit in der SPFH statt. Dafür wird die historische Entwicklung kurz dargestellt und Inhalte, Ziele und Spannungsfelder aufgezeigt. Außerdem wird auf den Begriff des Kindeswohls eingegangen, der in der Jugendhilfe von größter Bedeutung ist. Abschließend werden aktuelle Zahlen und Studien zur ambulanten Erziehungshilfe, der SPFH und der Kindeswohlgefährdung vorgestellt. Im dritten Kapitel wird die praktische Umsetzung des systemischen Ansatzes in der SPFH aufgegriffen. Dafür werden die systemischen Arbeitsweisen und Methoden sowie die Netzwerkarbeit und Kooperationen in den Fokus genommen. Das Kernstück des Kapitels ist die Anwendung der in dieser Arbeit dargestellten Theorien und Methoden in einem Fallbeispiel. Im Anschluss findet eine Diskussion über die Anwendung des systemischen Ansatzes in der SPFH statt, in der ein besonderer Fokus auf der Beantwortung der erwähnten Forschungsfrage liegt.
1. Systemischer Ansatz
Einleitend beginnt die Bachelorarbeit mit dem Systembegriff und den Systemtheorien um ein Verständnis der systemischen Sicht- und Handlungsweisen zu schaffen. Darauf aufbauend wird die Familie aus systemischer Sicht vorgestellt. Das Kapitel schließt mit zentralen Ideen der Systemischen Praxis sowie der Grundhaltung von professionellen Fachkräften ab.
1.1 Systembegriff und Theorien
Systemtheorien sind die Basis für systemische Beratungen, Familientherapien und weitere systemische Interventionen in der Sozialen Arbeit (Beushausen 2020: 52). Die Theorie des Konstruktivismus, das Konzept der Autopoiese und die Theorie Sozialer Systeme von Niklas Luhmann, die für den Blick auf die Familie von besonderer Bedeutung ist, haben einen entscheidenden Einfluss auf die Systemischen Theorien und nehmen in dieser Arbeit einen besonderen Stellenwert ein (Schader 2013: 95). Ludwig von Bertalaffny führte den Begriff der Allgemeinen Systemtheorie mit der Annahme ein, dass alle Systeme übereinstimmende Merkmale aufweisen (Miller 2021: 48). Allerdings gibt es nicht die Systemtheorie, sondern unterschiedliche Strömungen, zu denen interdisziplinäre Diskurse und Adaptionen gehören (ebd.: 23).
Zunächst benötigt der Begriff System eine Klärung, der in allen klassischen Wissenschaften Verwendung findet und daher über keine allgemeingültige Definition des Begriffs verfügt (Erler 2011: 16f.). Der Begriff System stützt auf der Annahme, dass die Wirklichkeit durch Beobachtungen und Beschreibungen in ein Ordnungsmuster eingeteilt werden kann (Hosemann/ Geiling 2013: 14). Im ursprünglichen Sinn bezeichnet der Begriff ein zusammengesetztes Ganzes aus einzelnen Komponenten, die miteinander in Verbindung stehen (Lindemann 2019: 52; Erler 2011: 17). Systeme differenzieren sich in lebende, die als offene Systeme bezeichnet werden und in technischen bzw. physikalischen, die als geschlossene Systeme zusammengefasst werden (Hosemann/ Geiling 2013: 52; Lüssi 2001: 56). Eine andere Definition beinhaltet, dass ein System als Netz aus zusammengehörigen Operationen verstanden wird und sich von anderen Operationen abgrenzt (Hosemann / Geiling 2013: 15). Als Operation wird eine Aktivität des Systems verstanden, welche die Systemumwelt nicht ausführt. Die Systeme und Operationen stehen in einem zirkulären Verhältnis und bilden sich aus diesen Aktivitäten (Hosemann/ Geiling: 2013: 17). Der Zirkularität wird zugeschrieben, dass die Prozesse, die das Verhalten und die Eigendynamik des Systems beeinflussen von eigenständigen Selbstregulationen und nicht von außen beeinflusst werden. Dieser Ablauf der Operationsweisen wird operationale Geschlossenheit genannt (Beushausen 2020: 61). Zu den lebenden, offenen Systemen werden nach Luhmann biologische, soziale und psychische Systeme gezählt, die alle unterschiedlich operieren (Schader 2013: 96). Biologische Systeme operieren durch chemische-physikalische Prozesse, psychische Systeme operieren durch Bewusstsein in Form von Fühlen, Denken und Wahrnehmen (Hosemann/ Geiling 2013: 53). Soziale Systeme operieren durch Kommunikation, wobei diese aus Informationen, Mitteilung und Verstehen besteht (ebd.). Der Mensch kann aus systemischer Perspektive in ein psychisches, biologisches und als Teil eines sozialen Systems beschrieben werden (Lindemann 2019: 53f.). In dem Biopsychosozialen Model, das Gesundheitsprobleme systemisch betrachtet und für die Beratung von Bedeutung ist, sind alle drei Systemebenen anders als bei Luhmanns Systemtheorie miteinander gekoppelt (Beushausen 2020: 62). Lebende Systeme sind abhängig von ihrem Zustand und von der Systemgeschichte, sodass im Gegensatz zu den technischen Systemen keine genauen Reaktionen des Systems oder der Komponenten prognostiziert werden können (Hosemann/ Geiling 2013: 52).
Ein System zeichnet sich dadurch aus, dass es in eine Umwelt integriert ist, sich allerdings von dieser abgrenzt (Lindemann 2019:52). Die Systemumwelt ist alles, was von den Beobachtenden nicht zu dem beschriebenen System gehört (ebd.). Dadurch können Relationen zwischen System und Systemumwelt beschrieben werden und miteinander in Verbindung gebracht oder als Subsystem bestimmt werden. Die Familie kann z.B. als Subsystem der Gesellschaft beschrieben werden (ebd.). Des Weiteren können durch Grenzen Relationen zwischen verschiedenen Subsystemen dargestellt werden, die in einem komplexeren Gesamtsystem integriert sind (ebd.). Zum Beispiel kann das Gesamtsystem Schule in das Lehrerkollegium, Schulleitung und Schulklassen geordnet werden (ebd.). Durch diese Betrachtungsweise gibt es unbeschränkte Möglichkeiten die Komponenten, Relationen und Grenzen eines Systems zu beschreiben (ebd.: 53).
Die Grundlage für erkenntnistheoretische Hintergründe systemtheoretischer Überlegungen ist der Konstruktivismus (Beushausen 2020: 52). Der Konstruktivismus sagt aus, dass jeder Mensch seine eigene Wirklichkeit konstruiert. Die vom Menschen erkannten und beschriebenen Verhältnisse und Zustände sind abhängig von persönlichen Erkenntnisleistungen und Erfahrungen (Hosemann/ Geiling 2013: 19). Jeder Mensch erfindet seine Wirklichkeit im Augenblick, dadurch ist sie nicht absolut oder dauerhaft gültig (Beushausen 2020: 53). Durch den Zuwachs von Wissen können neue Erkenntnisse gewonnen werden, die eine neue Konstruktion von Wirklichkeit hervorrufen (ebd.: 52). Dabei ist die Konstruktion von Wirklichkeitserfahrungen abhängig von der Umwelt und stimmt sich mit dieser ab (ebd.: 53). Es ist ein von Aktivitäten geprägter Prozess zwischen dem Erkennenden bzw. Beobachtenden und dem Erkannten als Wechselwirkung von Systemen (ebd.). Der kulturelle und soziale Kontext sowie unterschiedliche Begriffssysteme beeinflussen die Wirklichkeitskonstruktionen jedes Einzelnen (ebd.).
Der radikale Konstruktivismus geprägt von Ernst von Glasersfeld gründet sich auf den philosophischen Ansätzen der Erkenntnistheorie, die das Erkennen des Subjekts in den Mittelpunkt stellen (Miller 2021: 19). Allerdings fand durch den Einzug der Wissenschaft in den Konstruktivismus ein Wechsel der Sichtweise statt, in welcher der Fokus vom Subjekt auf das System gelenkt wurde (Miller 2021: 19ff.). Die Basis für die Theorie bilden die Neurobiologie, Kybernetik, Kognitionsbiologie sowie die Psychologie (ebd.) Der radikale Konstruktivismus sagt aus, dass die Wahrnehmung niemals ein Abbild der Realität ist, sondern eine Konstruktion der Gedächtnisleistung und autonomen Sinnesreizen ist (Seidler 2020: 22).
Die Annahme des Konstruktivismus ist die Grundlage für die Kybernetik und Beobachtung zweiter Ordnung. Bei der Beobachtung zweiter Ordnung wird die Rolle der beobachtenden Person oder System miteinbezogen. Dabei werden auch die Auswirkungen beschrieben, welche die beobachtende Person oder System auf das beobachtete System hat (Seidler 2020: 24f.). Jede beobachtende Person oder System kann zu anderen Ansichten und Beobachtungen kommen, sodass keine objektiven Aussagen über ein System möglich sind (ebd. 25).
Das von den Biologen Maturana und Varela entwickelte Konzept der Autopoiese hat sowohl auf den radikalen Konstruktivismus als auch auf die Theorie Sozialer Systeme von Luhmann einen entscheidenden Einfluss (Miller 2021: 24f.; Hosemann/ Geiling 2013: 68f.). Sie legen den Fokus ihrer Forschung darauf, wie das kognitive Erkennen im Gehirn funktioniert (Miller 2021: 19). Das Ergebnis ihrer Arbeit ist die Theorie autopoietisch geschlossener Systeme, die aussagt, dass das Erkennen ein für sich geschlossenes Operieren des individuellen neuronalen Netzwerks ist (ebd.). Der Begriff bildet sich aus den griechischen Wörtern auto und poiein und bedeutet selbstschaffen bzw. selbstmachen (Hosemann/ Geiling 68f.). Unter dem Begriff Autopoiese werden die verschiedenen Bezeichnungen selbst reproduzierendes, selbstreparierendes und lernendes System zusammengefasst (Beushausen 2013: 61). Autopoietische Systeme besitzen die Fähigkeit ihre Strukturen an Umweltveränderungen anzupassen und dadurch zu überleben (ebd.). Außerdem sind sie operativ geschlossene Systeme und selbstreferentiell. Das bedeutet, dass sich Systeme durch ihre Operationen selbst reproduzieren. Da diese Operationen zirkulär vernetzt sind, sind sie auf sich selbst zurückzuführen (ebd.). Demnach reproduziert das System die Elemente, aus denen es besteht durch diese (ebd.). Das nach innen operativ geschlossenen System ist zur Umwelt nach außen offen. Das System legt eigenständig die Form und die Intensität des Austausches mit der Umwelt fest (ebd.). Die lebenden Systeme sind selbstorganisiert, aber nicht unabhängig (Miller 2021: 25). Sie passen sich immer wieder neu an ihre Umwelt an, mit der sie strukturell verbunden sind (ebd.). Die Operationen und Handlungen des Systems folgen der eigenen inneren Logik des Systems (ebd.).
Die Theorie Sozialer Systeme nach Luhmann baut auf Parsons Strukturfunktionalismus auf und übernimmt von ihm auch die Medientheorie, in welcher symbolisch generalisierte Medien zur Steuerung von Systemen beitragen (Miller 20201: 49f.). Außerdem wird auf die erwähnten Kognitionsbiologen Maturana und Varela, den Konstruktivismus sowie auf Foersters Kybernetik und Beobachtung zweiter Ordnung Bezug genommen (ebd.).
Im Mittelpunkt der soziologischen Theorie steht die Differenzierung von System und Umwelt sowie die Funktionsorientierung von Systemen unter besonderer Berücksichtigung des Systemerhalts (ebd. 51.). Die Verbindung von Operationen bzw. soziale Ereignisse dienen der Formung eines sozialen Systems, das sich von nicht beteiligten Ereignissen unterscheidet und dadurch die Grenzen des Systems bestimmt (Lindemann 2019: 75). Die Perspektive des Beobachters ist bei der Definition von Grenzen von besonderer Bedeutung, denn dieser entscheidet welche Individuen er als ein zusammengehöriges System beschreibt (ebd.). Die Grenzen zur Umwelt sind ein Merkmal von sozialen Systemen nach Luhmann. Darüber hinaus sind die erwähnte Autopoiesis und die operationale Geschlossenheit ebenfalls Kennzeichnungen der sozialen Systeme (Miller 2021: 53f.).
Nach Luhmann ist weder der Mensch an sich noch eine Menge von Menschen ein System. In seiner Theorie besteht ein System aus Kommunikation zwischen Menschen (ebd.: 64). Die Kommunikation setzt sich nach Luhmann aus einer Synthese der Bestandteile Information, Mitteilung und Verstehen zusammen (ebd.). In einem selektiven Vorgang wird eine Information von einem Individuum ausgewählt und in einer für das System charakteristischen Form übermittelt (ebd.: 65). Das Verstehen ist ein Prozess des Individuums oder Systems, in dem verschiedene Möglichkeiten der Interpretation existieren. Diese Abweichung wird als Kontingenz beschrieben (ebd. 64f.). Die Psychischen Systeme, bei denen es um Bewusstseinsaktivitäten geht, sind die Basis für die Kommunikation und Verarbeitung dieser (Hosemann/ Geiling 2013: 54f.). Durch Bewusstseinsaktivitäten werden bei Menschen Kommunikation hervorgerufen und umgekehrt (ebd.:54).
Luhmann differenziert zwischen drei verschiedenen Typen sozialer Systeme: Interaktionen, Organisationen und Gesellschaften (Hosemann/ Geiling 2013: 53). Die Gesellschaft ist den Interaktionen und Organisationen nicht übergeordnet, allerdings gilt sie als die Voraussetzung für Interaktionen und Organisationen, da diese in ihr stattfinden (ebd.). Interaktionssysteme sind Kommunikationssysteme, die das Fundament für alle sozialen Systeme bilden und sich durch eine gegenseitige Wahrnehmung sowie körperliche Anwesenheit bzw. durch neue Medien erschaffene Fernanwesenheit kennzeichnen (ebd.: 55f.). Die Strukturen dieser Systeme werden durch zeitliche, sachliche und räumliche Parameter bestimmt (ebd.: 56). Organisationen steuern die Ressourcen und Leistungen der Gesellschaft und sind durch unterschiedliche formale Mitgliedschaften auszumachen (ebd.:57). Die Operationsweise der Organisationen sind Entscheidungen sowie die Erfüllung eines Zwecks (Hosemann/ Geiling 2013: 57; Miller 2021: 60f.). Zum Beispiel wird der Zugang zu Leistungen der Sozialen Arbeit wie HzE durch Organisationen geregelt (Hosemann/ Geiling 2013: 57). Die Gesellschaft beschreibt Luhmann als funktional-differenziert und teilt sie unter anderem in ein Rechts-, Wirtschafts- oder Familiensystem, die miteinander strukturell gekoppelt sind (ebd.: 58). Diese Funktionssysteme operieren mit Hilfe von Kommunikation und symbolisch generalisierten Medien. Die Kommunikation im Funktionssystem Wirtschaft wird z.B. von dem Medium Geld gesteuert, das einen funktionalen Sinn erhält (Miller 2021: 53). Dieses Medium dient einer Komplexitätsreduktion wodurch die Anschlussfähigkeit gesteigert und die Reproduktion des Systems gefördert wird. Charakteristische Codes und Programme helfen dem Medium die Wirkung zu steigern und begünstigen eine mit dem System verbundene Kommunikation (ebd.). Auf dieser Grundlage grenzt sich das System von der Umwelt ab und operiert mit Hilfe von Kommunikation autopoietisch (ebd.). Die Struktur der Systeme ist also verantwortlich für die Operationsweise und Verarbeitung der Umwelt. Je komplexer das System desto mehr Umweltkomplexität kann verarbeitet werden (ebd. 59f.). Die Dynamik und Steigerung von Komplexität des Systems wird als Emergenz beschrieben (ebd.: 63). Außerdem wird die Stabilität des Systems durch die eigenen inneren Operationsweisen gesteigert (Miller 2021: 60).
Der Fokus der Systemtheorien liegt darauf, wie ein System als Ganzes und nicht wie einzelne Komponenten funktionieren (Erler 2011: 17). Sie orientieren sich demnach an Relationen, den Verbindungen zwischen Personen oder Elementen sowie den Rückwirkungen zwischen den einzelnen Elementen und Systemen (Hosemann/ Geiling 2013:11). Des Weiteren haben zeitliche Prozesse, die sich an der Stabilität und Veränderungen des Systems orientieren, einen Einfluss auf die systemische Theoriebildung (ebd.: 12f.). Systemtheorien stellen keine Vorgaben für richtiges Handeln bereit, stattdessen sind sie von eigenen Interpretationen abhängig (ebd. 10). Sie setzen nicht bei den Adressat*innen oder Problemen an, sondern beginnen mit der Beobachtung des eigenen Handelns und Konzepte (ebd.). Erst durch die selbstständige Anwendung und Reflexion der Theorien gewinnen sie für die Soziale Arbeit an Bedeutung und werden dadurch zu einem Instrument, wodurch der Mensch ganzheitlich angesehen wird und komplexe Zusammenhänge von biologischen, psychischen und sozialen Relationen besser verstanden und sinnvolle Handlungen abgeleitet werden können (ebd.). Die Theoriearbeit und Reflexion wird unter dem Begriff systemtheoretisch zusammenfasst. Der Bereich, der sich auf die praktische Veränderung von Systemen bezieht, wird als systemisch bezeichnet (ebd. 18)
1.2 Systemische Betrachtung von Familien
Die Familie wird als eine Lebensform betrachtet, in der mindestens ein Kind und ein Elternteil zusammenleben (Destatis 2021a). Die Individualisierung der Lebensstile und der Gesellschaft hat zu einer Pluralisierung von Familienformen geführt. Das veraltete Bild der Kernfamilie bestehend aus Mutter, Vater und leiblichen Kindern ist längst überholt. Familien bestehen nun z.B. aus alleinerziehenden Elternteilen mit Kind oder auch gleichgeschlechtlichen Paaren mit adoptierten Kindern. Das ausschlaggebende Kriterium ist eine Beziehung von mindestens zwei Personen über zwei Generationen (ebd.). Die Familie ist eine Einheit aus Personen, die durch Interaktionen und Kommunikation miteinander interagieren und in einer Beziehung zueinanderstehen (Ziebertz 2018: 44). Das Familiensystem besteht aus mehreren Subsystemen wie z.B. Generationen-, Geschlechter- oder Interessenssysteme und verwehrt dadurch spezielle Kommunikationsinhalte für andere Mitglieder (Wolf 2015: 159). Darüber hinaus ist die Familie in weitere Systeme integriert z.B. in die erweiterte Familie, die Gemeinde oder die Gesellschaft. Die Familie orientiert sich an individuellen Zielen, die den Mitgliedern oder dem ganzen System einen Sinn, Stabilität und die Befriedigung von Bedürfnissen geben (Ziebertz 2018: 44). Wie auch andere Systeme ist das Familiensystem operational geschlossen, aber durch die Abhängigkeit von Informationen und Ressourcen zur Umwelt hin offen (Miller 2021: 58). Allerdings erschwert die Selbstorganisation der Familie die Interventionen, denn diese verarbeiten Informationen auf Grundlage der eigenen Wahrnehmungs- und Handlungsmuster (Wolf 2015: 160). Auch die Kommunikation und Interaktionen unterliegen einer eigenen Regelhaftigkeit, die das Auftreten des Einzelnen und des Systems beeinflusst (Ziebertz 2018: 44). Das Einhalten der Regeln hat zwei mögliche und entgegengesetzte Folgen. Zum einen können sie den alltäglichen Umgang miteinander erleichtern, zum anderen können sie diesen allerdings auch einschränken und zu dysfunktionalen Funktionen innerhalb der Familie führen (ebd.). Handlungen von Einzelnen Familienmitgliedern rufen Reaktionen bei anderen hervor. Die Handlungen innerhalb der Familie sind zirkulär und unterliegen der Rückkopplung (ebd.). Eine Familie unterliegt Strukturen und Hierarchien, sie versucht diesen Zustand zu bewahren und besonders nach Krisensituationen wieder herzustellen. Dieser Vorgang der Beibehaltung oder Wiederherstellung des stabilen Zustands wird unter den Namen Homöostase zusammengefasst (ebd. :45).
Die Aufgabe des Familiensystems ist die Vollinklusion einer Person und das Einbeziehen aller persönlichen Belange (Miller 2021: 57). Das Familiensystem besitzt in Bezug auf Luhmanns Theorie keine Codes oder Programme und unterscheidet sich damit von den anderen Funktionssystemen (ebd.: 58). Die Familie ist für ihre Mitglieder der einzige Ort an dem sie individuelle Fragen in die familieninterne Kommunikation, die eigenen Kommunikationsstrukturen und Regeln unterliegt, einbringen können (ebd.). Für das Familiensystem entstehen dadurch hohe Anforderungen, denn der Wunsch nach Liebe, Bindung und Orientierung ist nicht einfach zu erfüllen (ebd.). Außerdem übernimmt die Familie neben der Inklusion der einzelnen Mitglieder noch weitere Funktionen. Die Familie übernimmt die Sozialisationsfunktion, bei der dem Kind ein sicherer Raum für die Entwicklung und das Heranwachsen gegeben werden soll (ebd.). Dazu zählt auch die psychisch emotionale Funktion, bei der die Familie die soziale Identität ausbildet und die Grundlage für soziale Bindungen und Beziehung aufbaut (ebd.) Diese können im Erwachsenenalter auf Partner oder Kinder übertragen werden (ebd.: 3f.). Des Weiteren hat die Familie auch die Funktion der Normen- und Wertevermittlung (ebd.: 4). Die Familie hat die Aufgabe des Schutzes und der Fürsorge der Mitglieder. Das beinhaltet die Sicherung der Grundbedürfnisse sowie den Erhalt und die Wiederherstellung von Gesundheit (ebd.). Werden diese Funktionen und Aufgaben von der Familie nicht übernommen, kann daraus eine Gefährdung des Kindeswohls entstehen (FKiLB 2020: 3).
1.3 Professionelle systemische Interventionen für Familien
Der systemische Denk- und Handlungsansatz hat seinen Ursprung in der therapeutischen Behandlung und Beratung (Seidler 2020:16f.). In der Mitte des 20. Jahrhunderts flossen zum ersten Mal die Familien- und Lebensbedingungen der zu behandelnden Person in die Therapie und den Hypothesen zu Problemen sowie Krankheiten mit ein, sodass sich daraus die Familientherapie entwickelte (ebd.). Zeitgleich begannen Sozialarbeiter*innen ihre Aufmerksamkeit auf das Familiensystem zu legen und nicht nur den einzelnen Menschen zu betrachten (ebd.). Die Familientherapie entwickelte sich als sinnvolles Werkzeug und bedeutende Ansätze und Methoden wurden in die Erziehungsberatung und Jugendhilfe implementiert (von Schlippe/ Schweitzer 2019: 7). Mittlerweile ist der systemische Denk- und Handlungsansatz in der Sozialen Arbeit und vielen anderen Praxisfelder enthalten und ein Teil der dazugehörigen wissenschaftlichen Reflexion sowie der Theorieentwicklung ist systemtheoretisch ausgelegt (Hosemann / Geiling 2013: 23). Der Systemische Ansatz besteht aus der in Kapitel 1.1 erwähnten Systemtheorie, den im nächsten Abschnitt vorgestellten Grundsätzen des systemischen Vorgehens und Grundhaltungen der professionellen Fachkräfte sowie den in Kapitel 3.1 dargestellten Arbeitsweisen und Methoden (Systemische Gesellschaft: 7f.).
Unter anderem zeichnet sich der Ansatz durch den Blick auf das systemische Verständnis eines Problems, einer Auffälligkeit oder eines Symptoms aus (von Schlippe/ Schweitzer 2019: 7). Definiert wird das Problem als ein unerwünschter, aber veränderbarer Zustand, der von mehreren Personen beobachtet und über diesen häufig kommuniziert wird (ebd.:31). Mit Hilfe von Kommunikation wird das Problem ausgemacht und beschrieben (ebd.:32).
Ein Problem, wie beispielsweise die Schulverweigerung eines Kindes, wird nicht ausschließlich dem Kind zugeschrieben, sondern als Ereignis angesehen, an dem mehrere handelnde Personen bzw. das gesamte Familiensystem mitverantwortlich ist (ebd.). Es wird versucht das Problem und dessen Sinn und Funktion für das jeweilige System in einem kontextuellen Zusammenhang zu verstehen (von Schlippe/ Schweitzer 2019: 7; Erler 2011: 35). Das Verweigern des Schulbesuchs kann z.B. die Funktion haben, die kranke und alleinerziehende Mutter zu unterstützen und ihr Beistand zu leisten (Gut 2016: 108). Wird aus Handlungen und Kommunikationen ein Sinn abgeleitet, entstehen Möglichkeiten der Veränderung (Hosemann / Geiling 2013: 30). Es wird hinterfragt, wie diese Handlungen entstehen und welche gesellschaftlichen und familiären Traditionen, Erfahrungen, Wertevorstellungen und Erwartungen dabei eine Rolle spielen (ebd.: 31).
Des Weiteren wird nicht das Problem oder die Auffälligkeit der Person oder Familie in den Vordergrund gestellt, sondern die Lösungen (ebd.:30). Dafür wird innerhalb und außerhalb der Lebenswelt der Familie nach möglichen Lösungspotenzialen gesucht, welche Ressourcen, Stärken und Kompetenzen der Familie beinhalten (ebd.). Das Ziel der Lösungsorientierung ist die Steigerung von Handlungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten sowie der Möglichkeit von Sozialer Teilhabe (ebd.). Die Beteiligung von allen für das Problem relevanten Personen und Kommunikationen sind für den Lösungsprozess von großer Bedeutung (von Schlippe/ Schweitzer 2019: 32).
Dafür nutzt die systemische Praxis die Verstörung von Mustern, die eine Form von Interaktionen zwischen Menschen darstellt (Systemische Gesellschaft: 12). Ziel ist es eine Instabilität zu ermöglichen, damit festgefahrene Muster und bekannte Denk-, Erwartungs- und Handlungsweisen, die das Problem fördern, unterbrochen werden (ebd.). Durch eine veränderte Handlungsweise ruft eine Person Irritationen und ein anderes Verhalten in seinem Umfeld hervor und gibt ihnen die Möglichkeit sich selbst anders zu organisieren und neue Lösungswege zu finden (Gut: 2016: 108). Allerdings müssen die Personen Vertrauen an die professionelle Fachkraft und deren Aktionen und Interventionen haben. Für die professionelle Fachkraft besteht die Aufgabe darin, der Familie eine sichere Umgebung zu ermöglichen und eine stabile Beziehung zu den Mitgliedern aufzubauen (Systemische Gesellschaft: 12).
Soziale Systeme bestehen aus Kommunikation und deswegen nimmt diese in der systemischen Praxis eine übergeordnete Rolle ein. In Kommunikationsprozessen erzählen die betroffenen Personen ihre persönliche Geschichte und geben ihre Konstruktion von Wirklichkeit wieder (von Schlippe / Schweitzer 2019: 7). Diese Konstruktionen sind nicht objektiv und jede am Prozess beteiligte Person hat eine andere Sichtweise, die gleichermaßen von Bedeutung ist (ebd.). Die systemische Praxis regt die Personen dazu an, ihre Art der Kommunikation und ihre Geschichten selbstreferentiell wahrzunehmen und eine andere Perspektive einzunehmen (ebd.: 8). Dafür wird versucht, das Bewusstsein für die Eigenverantwortung an der Kommunikation und den Mustern zu fördern und herbeigeführt, dass Adressat*innen ihre eigenen Konstruktionen hinterfragen. Neu entstandene Sichtweisen helfen dabei, mögliche alternative Handlungsoptionen und Haltungen zu erzeugen (ebd.). Fremdwahrnehmungen sind für diesen Prozess von großem Nutzen und verhelfen zu einer gemeinsamen Konstruktion. Zusammengefasst wird dies in der systemischen Praxis unter dem Begriff Refraiming (Systemische Gesellschaft: 14). Die oben erwähnte Schulverweigerung kann anstelle von Dissozialität als Ausdruck der Sorge gegenüber der Mutter verstanden werden, wodurch die folgende Reaktion anders ausfällt (Gut 2016: 109.). Anstelle von Strafen oder Sanktionen für das Kind können Möglichkeiten der Entlastung für das Kind oder eine angemessene Unterstützung für die Mutter erarbeitet werden (ebd.).
Soziale Systeme sind wie erwähnt selbstorganisiert in ihrer Dynamik und Komplexität. Das bedeutet, dass die systemische Praxis nur Möglichkeiten zu Veränderungen anbieten kann und das Familiensystem darüber entscheidet, diese anzunehmen (von Schlippe/ Schweitzer 2019: 8). Die Aufgabe der professionellen Fachkräfte besteht also darin die Rahmenbedingungen für Veränderungen so häufig wie möglich zu schaffen (ebd.). Hierbei sollte Rücksicht auf die Autonomie des Systems genommen und Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten entgegengebracht werden. Die systemische Soziale Arbeit stellt nur Angebote bereit und distanziert sich von gesellschaftlichen normativen Anforderungen, sofern das Kindeswohl nicht gefährdet ist. Außerdem wird darauf geachtet, keinen Druck auf das System auszuüben, sodass die Sichtweise des Systems oder der einzelnen Personen nicht manipuliert wird (Systemische Gesellschaft: 15). Die Familienmitglieder werden dazu ermutigt, den ersten Schritt für Veränderungen zu gehen und durch die Zirkularität und Vernetztheit des Systems weitere Handlungen hervorzurufen. Die Folge davon ist, dass die Personen sich ihrer Selbstwirksamkeit und ihren Auswirkungen auf die Umwelt bewusst werden und ihre Selbstachtung steigern (Hosemann/ Geiling 2013: 29f.).
Die Soziale Arbeit wird häufig mit komplexen Anforderungen sowie verschiedenen Interessen und Perspektiven konfrontiert (ebd.: 9). Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen werden von wichtigen Menschen oder anderen Personen angeregt und mitgegeben, sodass ein Druckgefühl von mehreren Parteien spürbar ist (Systemische Gesellschaft: 15). Für die Familie oder einzelne Mitglieder kann dies als Zwangskontext empfunden werden. Systemtheoretische Überlegungen verschaffen Klarheit bezüglich des tatsächlichen Anliegens und den Auftraggeber*innen sowie der Aushandlung von Zielen und Wünschen. Dies hat Auswirkungen auf das Setting und die damit verbundene Wahl der Methoden. Der Aufbau von guten und gleichberechtigten Kooperationsbeziehungen mit allen Beteiligten hat einen positiven Einfluss auf das Ergebnis des Hilfeprozesses (ebd.). Der Beziehungsaufbau betrifft sowohl das Familiensystem als auch Personen und Institutionen von außerhalb, wie z.B. Schulsozialarbeiter*innen, Ärzt*innen oder Behörden (ebd.). Unterschieden wird dabei in explizite und implizite Kooperationsbeziehungen. Alle derzeitig anwesenden Personen gehören zur expliziten Kooperation, die implizite Kooperation nimmt Bezug auf wichtige, aber nicht anwesende Personen (ebd.).
Ein weiterer Bestandteil der systemischen Sozialen Arbeit ist die Reflexion der organisatorischen Entscheidungen und methodischen Handlungen (Hosemann/ Geiling 2013: 31). Durch jede Handlung wird eine weitere hervorgerufen, die reflektiert werden sollte. Des Weiteren kommt der Sozialen Arbeit die Aufgabe der Selektion zu, bei der sie auswählen muss, welches Wissen aus anderen Bereichen wie z.B. der Medizin für den jeweiligen Fall von Bedeutung ist und einbezogen werden sollte (ebd.: 31f.).
Neben den Beobachtungen und der Kommunikation steht die systemische Grundhaltung der Fachkräfte im Mittelpunkt der systemischen Arbeit (Systemische Gesellschaft: 11).
Ein fester Bestandteil dieser Grundhaltung ist die Wertschätzung und der Respekt des Gegenübers (König / Volmer 2020: 281). Dabei geht es darum, den Menschen unvoreingenommen und ohne Wertungen für die bisherigen Verhaltensweisen, Leistungen und Lebensstrategien entgegenzutreten, sie zu akzeptieren und sie als autonome Persönlichkeiten wahrzunehmen (ebd.). Dies bedeutet nicht, alle Handlungen als gut zu befinden und allen Aussagen beizupflichten (ebd.). Dazu zählt ein empathisches Auftreten sowie Offenheit und Interesse für andere Perspektiven (Beushausen 2020: 111).
Des Weiteren sind Authentizität und Transparenz von großer Bedeutung für die Beziehung zwischen den Klient*innen und den professionellen Fachkräften (König / Volmer 2020: 281). Dies zeigt sich durch ein reflektiertes Selbstbild, Sensibilität für eigene Empfindungen und konsequentes Einhalten von Versprechungen (ebd.).
Neutralität und Allparteilichkeit sind darüber hinaus ein weiteres Merkmal der Systemischen Grundhaltung (DGSF 2020: 17). Für keine Person, die an einem Problem oder einem System beteiligt ist, wird weder Partei ergriffen noch wird sie bevorzugt behandelt. Dies führt dazu, dass alle Personen ihre Meinungen und Wünsche frei und ohne Bedenken äußern können (ebd.).
Außerdem ist die Haltung des Nichtwissens für den Hilfeverlauf förderlich. Die Position der Expert*innen nehmen die Klient*innen und nicht die professionellen Helfer*innen ein (Beushausen 2020: 113). Es wird davon ausgegangen, dass die Helfer*innen über Wissen verfügen, wie etwas verbessert oder verändert werden kann, jedoch können keine genauen Veränderungen vorhergesehen werden. Mit der Haltung des Nichtwissens werden die Klient*innen zu Expert*innen ihrer Situation, wodurch das Empowerment und die Teilhabe an Prozessen gefördert wird (Beushausen 2020: 113).
2. Ambulante Erziehungshilfen
Im folgenden Kapitel findet eine professionsbezogene Einordnung der Sozialen Arbeit in der ambulanten Erziehungshilfe unter besonderer Berücksichtigung der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) statt. Dafür werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die historische Entwicklung sowie die Ziele, Spannungsfelder und die systemische Ausrichtung der SPFH dargestellt. Darüber hinaus werden die aktuellen Forschungsbefunde und die theoretischen Begründungsmuster erläutert. Außerdem wird die Kindeswohlgefährdung in Form der rechtlichen Grundlage, ihrer Formen und Folgen sowie den zugehörigen Risikofaktoren thematisiert.
2.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
Wer hat eigentlich einen Rechtsanspruch auf HzE und wie können sozialpädagogische Maßstäbe der Fachlichkeit mit diesem Anspruch kombiniert werden? Diese Herausforderung wird bei der Gestaltung von Jugendhilfe deutlich spürbar (Merchel 2006: 11). Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), dem achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) von 1991, treffen die beiden verschiedenen „Sinnsysteme“ Recht und Sozialpädagogik aufeinander, indem das pädagogische Handeln als rechtlicher Anspruch definiert wird (ebd.: 12).
Wird das SGB VIII genauer betrachtet, wird deutlich, dass es ein Rahmengesetz für die Regelung der Jugendhilfe ist. Zu Beginn wird auf die allgemeinen Vorschriften eingegangen (§§ 1-10 SGB VIII). Es folgt unter anderem eine Erläuterung der Aufgaben der Jugendhilfe (§§ 42-60 SGB VIII) und auch die HzE (§§ 27-41 SGB VIII), zu denen die ambulanten Erziehungshilfen zählen, werden definiert.
Durch die Einführung des KJHG wurde die eingriffsorientierte Praxis durch eine partnerschaftliche und partizipative Beteiligung der Betroffenen ersetzt (Winkelmann 2014: 70). Dies wurde erreicht, indem die Elternrechte gekräftigt, eine Freiwilligkeit betont und die Einbeziehung der Familien verstärkt wurde (ebd.) Die ambulanten Erziehungshilfen, im Besonderen die Sozialpädagogische Familienhilfe, erfuhren in den folgenden Jahren einen enormen Zuwachs an Fallzahlen (Rätz et al. 2021: 18).
In § 1 SGB VIII ist verankert, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung und Erziehung zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Person hat. Des Weiteren habe die Eltern das natürliche Recht auf die Erziehung der Kinder und Jugendlichen, allerdings ist dies auch ihre Pflicht. Die Staatliche Gemeinschaft in Form der Kinder- und Jugendhilfe wacht darüber. Die Aufgabe der Jugendhilfe ist es junge Menschen in ihrer Entwicklung zu schützen und zu fördern sowie die Sicherung des Kindeswohls. Erziehungsberechtigte sollen durch die Jugendhilfe beraten und unterstützt werden, sodass die Erziehungsverantwortung und Kompetenzen gestärkt und die Entwicklung von jungen Menschen gefördert wird sowie ihr Wohl gesichert ist (vgl. § 1 SGB VIII).
Jeder Elternteil oder Personenberechtigter hat ein Recht auf HzE, wenn das Wohl des Kindes und die angebrachte Erziehung nicht sichergestellt werden kann (Wiesner 2014: 52) Diese Hilfen zur Erziehung werden in § 27 Abs. 1 SGB VIII definiert. Bedingung für diese ist es, dass der erzieherische Bedarf des Kindes nicht aus eigenen Kräften von den Eltern erfüllt werden kann (ebd.). Weitere Vorrausetzungen für die Gewährleistung der Hilfe ist die Notwendigkeit und die Eignung der geplanten Hilfeform (Seithe/Heintz 2014: 47f.). Dies bedeutet, dass andere, weniger intensive Hilfeformen das vorliegende Problem der Kinder- und Jugendlichen nicht lösen können, diese Problemlösung aber mit den Maßnahmen der HzE möglich ist (ebd.). Die Art, der Umfang und das Ziel der Hilfe sind abhängig vom Einzelfall und sollten nach Möglichkeit unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes stattfinden (ebd.). Die Auftragsklärung erfolgt anhand der Erziehungsfähigkeit und vorhanden Ressourcen der Eltern sowie der Lebenslage des jungen Menschen (Wiesner 2014: 46).
In einem Hilfeplan nach § 36 SGB VIII wird die geeignete Hilfeform festgelegt (Balj 2015: 11f.). Die grundsätzliche Verpflichtung der Hilfeplanung gilt für alle Maßnahmen, die voraussichtlich über einen längeren Zeitraum zu leisten sind (§ 36 SGB VIII Abs. 2). Gemäß § 85 Abs. 1 SGB VIII sind die Jugendämter für die Ausführung der Hilfemaßnahmen und Durchführung der Hilfeplanung verantwortlich (BaLj 2015: 11). Als wichtiger Grundstein des Hilfeplans wird in § 36 SGB VIII die Mitwirkung der Eltern sowie der Kinder und Jugendlichen genannt. Zentraler Aspekt ist die Beratung und Beteiligung der Erziehungsberechtigten und der jungen Menschen (vgl. ebd. 11ff.). Bei der Hilfeplanung treffen mehrere Fachkräfte aufeinander, die über die geeignete Hilfeart in einem Fachgespräch entschieden. Der Hilfebedarf, die geeignete Hilfeart, sowie die dafür notwendigen Leistungen werden unter Berücksichtigung aller Beteiligten im Hilfeplan festgelegt (§ 36 SGB VIII). Die Hilfe und die Erreichung der vereinbarten Ziele werden durch die beteiligten Dienste oder Einrichtungen überprüft, dokumentiert und gegebenenfalls fortgeschrieben (BaLj 2015: 13; Wiesner 2014: 52).
Die HzE gemäß §§ 27-41 SGB VIII werden in ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfe differenziert (Wiesner 2014: 53). Zu den im SGB VIII aufgeführten ambulanten, aufsuchenden Hilfen zur Erziehung gehören die Erziehungsberatung, Soziale Gruppenarbeit, der Erziehungsbeistand/Betreuungshelfer, intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung sowie die Sozialpädagogische Familienhilfe, auf die in dieser Arbeit ein besonderer Fokus gelegt wird (Seithe/Heintz 2014: 68f./ Baumeister 2016: 8f.). Die ambulanten Hilfen zeichnen sich dadurch aus, dass die Interventionen im direkten Lebensumfeld der Kinder, Jugendlichen und Familien stattfinden (Frindt 2010: 7). Die Familie wird in ihrer Wohnung oder an für sie wichtigen Orten, an denen sie sich regelmäßig aufhalten, besucht und erfahren dort Hilfe (ebd.).
Die Erziehungsberatung nach § 28 SGB VIII unterstützt Eltern, Kinder und Familien bei der Klärung von individuellen und auf die Familie bezogene Probleme unter der Einbeziehung eines multidisziplinären Teams (Nitsch 2014: 92f.).
Im Rahmen der ambulanten Erziehungshilfe findet die soziale Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII in unterschiedlichen Formen und Angeboten statt, die erlebnis-, handlungs- oder themenorientiert sind (Pluto/van Santen 2014: 97ff.). Durch die Prozesse und Dynamiken in der Gruppe soll das soziale Lernen und die soziale Selbständigkeit der Kinder und Jugendlichen gefördert werden (ebd.: 98). Der Fokus der Arbeit richtet sich auf die Wechselwirkung innerhalb der Peergroup (Kaiser 2014: 105).
Der Erziehungsbeistand oder der Betreuungshelfer nach § 30 SGB VIII ist eine erzieherische Einzelfallhilfe für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige (ebd.). Im Vordergrund stehen die jungen Menschen, die unter Einbezug des sozialen Umfelds in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert und bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen, mit dem Ziel Eigenverantwortung zu übernehmen und Selbstständigkeit zu erlernen, unterstützt werden sollen (ebd.).
Die Intensive Sozialpädagogische Einzelbetreuung nach § 35 SGB VIII ist eine auf Dauer angelegte intensive Form der Unterstützung zur sozialen Integration und eigenverantwortlichen Lebensführung von Kindern und Jugendlichen (Klawe 2014: 167). Die Arbeit setzt dort an wo andere Hilfsformen, wie die stationäre Unterbringung, nicht ausreichend waren. Die Kinder und Jugendlichen haben bei dieser Hilfeform besondere Problemlagen wie Suchtprobleme oder delinquentes Verhalten und einen schwerwiegenden Erfahrungshintergrund aus Vereinsamung, Gewalterfahrungen oder Problemen zwischen den Eltern (ebd. 169).
Der Begriff Kindeswohl ist der wichtigste pädagogische Begriff für die Kinder- und Jugendhilfe, ein Schlüsselbegriff für den Kinderschutz sowie ein unbestimmter Rechtsbegriff aus dem BGB (Maywald 2019: 11). Das Kindeswohl ist der zentrale Begriff im Spannungsfeld zwischen dem Elternrecht und dem staatlichen Wächteramt (ebd.: 12). Niedergelegt ist dies in Artikel 6 des Grundgesetzes in welchem geschrieben wird, dass die Eltern die Erziehungsverantwortung haben und die staatliche Gemeinschaft darüber wacht. Im BGB tritt der Begriff Kindeswohl in Verbindung mit der Elterlichen Sorge sowie den Sorgerechtsmaßnahmen auf (Alle 2020: 12; KSZB 2009: 20). In den §§ 1627 und 1631 BGB wird festgelegt, dass die Eltern die Elterliche Sorge zum Wohl des Kindes auszuüben haben und Kinder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. Obwohl der Begriff Kindeswohl als Orientierungs-, Entscheidungs- und Legitimationsgrundlage für Familiengerichte und „kindschaftsrechtliches Handeln“ dient, ist er im Gesetz nicht eindeutig definiert und ist abhängig vom Einzelfall (vgl. KSZB 2009: 20). Maywald (2019) und Alle (2020) sprechen sich jeweils für vier Bestandteile aus, die in einer Definition von Kindeswohl enthalten sein sollten und sich teilweise überschneiden. Diese müssen präzise, aber dennoch anpassungsfähig sein, damit sie der Situation und den Umständen des Einzelfalls angepasst werden können (Maywald 2019: 12). Zu den wichtigsten Aspekten gehören die Berücksichtigung der Grundbedürfnisse, wie die emotionale und materielle Versorgung, sowie die Rechte der Kinder und Jugendlichen nach dem BGB und der UN-Kinderechtskonvention (Alle 2020: 12). Ergänzend sollte die aktuelle Lebenslage der Familie die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse ermöglichen und kindgerecht sein (ebd.). Außerdem soll die Erziehung der Eltern dazu beitragen, dass sich die Kinder und Jugendlichen zu mündigen und sozialfähigen Personen entwickeln können (ebd.). Maywald (2019) ergänzt, dass Entscheidungen die Kinder und Jugendliche betreffen, riskant sind und ein Abwägungsgebot berücksichtigt wird, um die augenscheinlich beste Entscheidung zu treffen (12). Hierzu gehört die Prozessorientierung, sodass die Entscheidungen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden (Maywald 2019: 12).
Von einer Kindeswohlgefährdung wird gesprochen, wenn eine Gefahr für das Kind zum aktuellen Zeitpunkt besteht oder absehbar bevorsteht durch die die Entwicklung des Kindes gefährdet ist und das Anhalten dieser zu einer Schädigung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes beiträgt (Alle 2020: 13). Der Begriff der Kindeswohlgefährdung bzw. Gefährdung des Kindeswohls wird in § 1666 BGB dargestellt und tritt in Verbindung mit dem in § 8a SGB VIII erläuterten Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung auf (Alle 2020: 14; Buschhorn 2014: 61). Artikel 8a SGB VIII beinhaltet einen schrittweise dargestellten Ablauf bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, sodass das Handeln für die Eltern nachvollziehbar und für die Fachkräfte begründbar ist (Alle 2020: 14). Außerdem muss festgestellt werden, dass die Eltern nicht fähig oder gewillt sind die Gefahr für das Kind zu verhindern (ebd.).
In Verbindung mit § 8a SGB VIII wird in § 42 SGB VIII die Inobhutnahme geregelt. Zu dieser kommt es, wenn aus Sicht des Jugendamtes bei einer Gefährdungseinschätzung keine andere Möglichkeit zu Gefahrenabwendung vorhanden ist (Schindler 2014: 203).
In § 1666 BGB wird das Wohl des Kindes in körperliches, geistiges und seelisches Wohl unterschieden. Differenziert wird dabei in verschiedene Formen der Gewalt gegen Kinder, die eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Dazu gehören körperliche Misshandlungen, seelische Misshandlungen, sexuelle Misshandlungen sowie körperliche und seelische Vernachlässigungen (Maywald 2019: 43ff.; Buschhorn 2014:61).
Zu den weiteren gesetzlichen Rahmenbedingungen des Kinderschutzes gehört das Bundeskinderschutzgesetz, das 2012 in Kraft getreten ist (Alle 2020: 17). Ziel dieses ist es Gefahren frühzeitig zu erkennen, Kooperationen zwischen Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitshilfe zu fördern und ein Netzwerk von Angeboten für Präventionen auf- und auszubauen (ebd. 17f.).
2.2 Sozialpädagogische Familienhilfe
Die SPFH gemäß § 31 SGB VIII hat ihren Ursprung in der Kritik an der Heimunterbringung Ender der 1960er Jahre (Wolf 2015: 141; Winkelmann 2014: 114) Seit Anfang der 1970er Jahre wurde sie unter anderen Begriffen vorwiegend als Interventionsmaßname vor Heimunterbringungen eingeführt (ebd.). Dabei sollten nur Familien, die nach langer stabiler Zeit durch schwerwiegende plötzliche Ereignisse wie Trennung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit aus dem Gleichgewicht geraten sind, stabilisiert werden (ebd.)
Mit der Einführung des SGB VIII im Jahr 1991 bestand ein Rechtsanspruch auf SPFH und sie wurde als verpflichtender Dienst der Hilfen zur Erziehung anerkannt (ebd.). Nachfolgend wurde ein enormer Anstieg der Fallzahlen und der durch die SPFH zu betreuenden Familien verzeichnet (ebd.). Der Aufgabenbereich der SPFH erweiterte sich und diese wurde zusätzlich zur Abwendung von Kindeswohlgefährdungen auch in schwer belasteten Familien installiert und übernahm außerdem Clearingaufgaben, bei denen für die weitere Hilfe Informationen gewonnen werden sollte (Wolf 2015: 142). Die folglich steigenden Fallzahlen führen dazu, dass den Fachkräften immer weniger Zeit für die einzelne Familien zur Verfügung stehen, sodass eine flexible Unterstützung zur Problemlösung nicht mehr gewährleistet werden kann und die Hilfe zur Selbsthilfe in den Vordergrund gerückt ist (Winkelmann 2014: 114).
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- Citation du texte
- Anonyme,, 2021, Systemisches Handeln in der ambulanten Erziehungshilfe. Erfolgschancen für die Sozialpädagogische Familienhilfe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1284907
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