Die Masterarbeit widmet sich etablierten Kommunikationstheorien und -modellen. Diese werden nacheinander aufgeführt, miteinander verglichen und in der psychosozialen Beratung eingeordnet. Letzteres wird zunächst theoretisch und später anhand zweier Beratungsdialoge in der Praxis dargestellt. Die Gegenüberstellung weist Grenzen und Chance der jeweiligen Kommunikationstheorien und -modelle auf.
Die Arbeit bietet eine nähere Betrachtung und vergleichende Gegenüberstellung von Kommunikationstheorien und -modellen von Eric Berne (Transaktionsanalyse), Paul Watzlawick (Fünf Axiome), Carl Rogers (Personenzentrierte Gesprächstherapie) sowie Friedemann Schulz von Thun (4-Seiten-Modell). Diese Ziel wird mithilfe der Zusammentragung und kritischer Betrachtung ausgewählter Fachliteratur erreicht.
Es ist egal, an welchem Ort wir leben, mit welchen Voraussetzungen wir geboren sind, wo wir am liebsten Kaffee trinken gehen oder welche Musik uns gefällt – wir alle haben eine Gemeinsamkeit: Wir kommunizieren miteinander. Dabei äußert sich Kommunikation durch eine Vielzahl an Möglichkeiten, die weit über Sprache hinausgeht.
Doch obwohl wir tagtäglich kommunizieren, kennt jede Person von uns Situationen, in denen wir uns missverstanden fühlen. Wie kann es sein, dass alltägliche Interaktionen nicht immer den Verlauf nehmen, mit dem wir ursprünglich gerechnet haben? Nicht immer kommt das beim Gegenüber an, was ursprünglich mit der Nachricht beabsichtigt wurde.
Nur ein Bruchteil der verbalen Kommunikation entscheidet darüber, wie wir und unsere Aussagen wahrgenommen werden, nämlich 20%. Dagegen kommunizieren wir bis zu 80% mit Blicken, Gesten, Körperhaltung etc. Je weniger wir darüber im Klaren sind, desto anfälliger ist die Kommunikation für Störungsfaktoren.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Vorwort Gender Erklärung
Einleitung
1. Psychosoziale Beratung
2. Einführung in die Kommunikationstheorien und -modelle
2.1 Kommunikation – Ein Definitionsversuch
2.2 Kommunikationstheorien und -modelle
3. Die Transaktionsanalyse nach Eric Berne
3.1 Einführung und Grundlagen
3.2 Die Ich-Zustände im Strukturmodell
3.2.1 Eltern-Ich im SM
3.2.2 Erwachsenen-Ich im SM
3.2.3 Kindheits-Ich im SM
3.3 Die Ich-Zustände im Funktionsmodell
3.3.2 Das Erwachsenen- Ich im FM
3.3.3 Das Kind-Ich im FM
3.4 Transaktionen
3.4.1 Komplementäre (parallele) Transaktionen
3.4.2 Überkreuztransaktionen
3.4.3 Verdeckte Transaktionen
4. Die Kommunikationstheorie von Paul Watzlawick
4.1 Einführung und Grundlagen
4.2 Die 5 Axiome
4.2.2 Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
4.2.3 Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Kommunizierenden bedingt
4.2.4 Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten
4.2.5 Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
5. Die personenzentrierte Theorie nach Carl Rogers
5.1 Einführung und Grundlagen
5.2 Die drei Grundhaltungen
5.2.1 Einfühlendes Verstehen (Empathie)
5.2.2 Emotionale positive Wertschätzung (Bedingungsfreies Akzeptieren)
5.2.2 Echtheit (Kongruenz)
6. Das Vier-Seiten-Modell nach Friedemann Schulz von Thun
6.1 Einführung und Grundlagen
6.2 Die Anatomie einer Nachricht
6.2.1 Die Sachseite der Nachricht
6.2.2 Die Selbstoffenbarungsseite der Nachricht
6.2.3 Die Beziehungsseite der Nachricht
6.2.4 Die Appellseite der Nachricht
6.3 Exkurs: Das Innere Team
7. Einsatz der Kommunikationstheorien und -modelle in der Beratung
8. Darstellung zweier Beratungsdialoge in Hinblick auf die Kommunikationstheorien und -modelle
8.1 Beratungsdialog Rogers
8.1.1 Die Transaktionsanalyse
8.1.2 Die 5 Axiome
8.1.3 Die personenzentrierte Theorie
8.1.4 Das Vier-Seiten-Modell
8.2 Beratungsdialog Beziehungsaspekt
9. Zusammenfassende Erkenntnisse aus der Gegenüberstellung der dargelegten Kommunikationstheorien- und -modelle
10. Resümee
11. Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Das Kommunikations-Scrabble – eine mögliche Lösung (Khabyuk 2019, S. 15)
Abbildung 2 Psychologische Kommunikationsmodelle (Röhner/Schütz 2020, S. 28)
Abbildung 3 Das Sender-Empfänger-Modell(Lubienetzki/Schüler-Lubienetzki 2020, S. 10 in Anlehnung an Shannon/Weaver 1949)
Abbildung 4 Das vereinfachte Strukturmodell der drei Ich-Zustände (Lubienetzki/Schüler-Lubienetzki 2020, S. 16 in Anlehnung an Berne 1984, S. 27)
Abbildung 5 Das Funktionsmodell der drei Ich-Zustände (Lubienetzki/Schüler-Lubienetzki 2020, S. 19 in Anlehnung an Gührs/Nowak 2014, S. 78)
Abbildung 6 Komplementär-Transaktion (Paralleltransaktion) (Lubienetzki/Lubienetzki-Schüler 2020, S. 23 angelehnt an Berne 1983, S. 29ff.)
Abbildung 7 Gekreuzte Transaktion Lubienetzki/Lubienetzki-Schüler 2020, S. 25 angelehnt an Berne 1983, S. 31f.)
Abbildung 8 Das erweiterte Kommunikationsmodell (Lubienetzki/Schüler-Lubienetzki 2020, S. 12 in Anlehnung an Watzlawick/Beavin/Jackson 2017, S. 21ff.)
Abbildung 9 Die drei Komponenten der Verhaltensmerkmale für Beratung und Therapie Röhner/Schütz 2020, S. 37)
Abbildung 10 Das Vier-Seiten-Modell (Röhner/Schütz 2020, S. 32)
Vorwort Gender Erklärung
Die vorliegende Masterarbeit behandelt die Gegenüberstellung etablierter Kommunikationsmodelle und -theorien in der psychosozialen Beratung.
An dieser Stelle möchte ich auf Verwendung der Sprachform hinweisen. Für die folgenden formulierten Texte wird ausschließlich die gendergerechte Schreibweise verwendet. Sprache ist ein wichtiges Kommunikationsmittel, welches unsere Denk- und Handlungsmuster beeinflusst. „Nur eine geschlechtergerechte Sprache stellt sicher, dass Frauen und Männer und [Personen des dritten Geschlechts (Divers)] sich gleich angesprochen fühlen und von Lesenden und Zuhörenden gleichwertig mitgedacht werden. Das ist die Voraussetzung, um neue, geschlechtersensible Bilder von Wissenschaft und Hochschule zu schaffen und einen Beitrag zur Veränderung bestehender Geschlechterverhältnisse zu leisten.“ (Freie Universität Berlin 2022, Internetquelle).
Die Hochschule Neubrandenburg möchte mit einem Leitfaden für sprachliche Gleichbehandlung die Bereitschaft fördern, Sprache bewusst und kreativ zu nutzen. Die folgenden Textzeilen werden mithilfe der genderinklusiven Sprache formuliert. Diese setzt voraus, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Um alle Personen einzubeziehen und zu adressieren, werden neutrale Formulierungen sowie die Verwendung eines Genderzeichens genutzt (Hochschule Neubrandenburg 2022, Internetquelle). Speziell wird an dieser Stelle der Gender:Doppelpunkt angewandt. Diese Schreibweise ist die jüngste Form der gendergerechten Sprache und gilt als leser:innenfreundlich und barrierefrei. Der Gender:Doppelpunkt „gilt als inklusiver, da er von Sprachausgabeprogrammen für Blinde oder Menschen mit Sehbehinderung am besten wiedergegeben werden kann, indem für den Doppelpunkt eine kurze Sprechpause eingefügt wird.“ (Universität Rostock 2022, Internetquelle).
Ausgenommen von der geschlechtersensiblen Sprache sind wörtliche Zitate, um einer Verfälschung der Originalquelle entgegenzuwirken. Zudem beinhaltet der Titel der vorliegenden Masterarbeit die Formulierung „Mit Kommunikationstheoretikern im Beratungsraum“, da es sich bei den folgenden Kommunikationswissenschaftlern ausschließlich um männliche Protagonisten handelt. Neubrandenburg, 25. 08. 2022
Einleitung
Es ist egal an welchem Ort wir leben, mit welchen Voraussetzungen wir geboren sind, wo wir am liebsten Kaffee trinken gehen oder welche Musik uns gefällt – wir alle haben eine Gemeinsamkeit: Wir kommunizieren miteinander. Dabei äußert sich Kommunikation durch eine Vielzahl an Möglichkeiten, die weit über Sprache hinausgeht. Doch obwohl wir tagtäglich kommunizieren, kennt jede Person von uns Situationen, in denen wir uns missverstanden fühlen. Wie kann es sein, dass alltägliche Interaktionen nicht immer den Verlauf nehmen, mit dem wir ursprünglich gerechnet haben? Nicht immer kommt das beim Gegenüber an, was ursprünglich mit der Nachricht beabsichtigt wurde (Wehrhahn 2022, Internetquelle).
Nur ein Bruchteil der verbalen Kommunikation entscheidet darüber, wie wir und unsere Aussagen wahrgenommen werden, nämlich 20%. Dagegen kommunizieren wir bis zu 80% mit Blicken, Gesten, Körperhaltung etc. Je weniger wir darüber im Klaren sind, desto anfälliger ist die Kommunikation für Störungsfaktoren (Brückner 2022, Internetquelle).
Die nachstehende Arbeit fragt nach dem Nutzen und den Nachteilen, Chancen und Grenzen ausgewählter etablierter Kommunikationstheorien und -modelle in der psychosozialen Beratung. Die Arbeit bietet eine nähere Betrachtung und vergleichende Gegenüberstellung von Kommunikationstheorien und -modellen von Eric Berne (Transaktionsanalyse), Paul Watzlawick (Fünf Axiome), Carl Rogers (Personenzentrierte Gesprächstherapie) sowie Friedemann Schulz von Thun (4-Seiten-Modell). Diese Ziel wird mithilfe der Zusammentragung und kritischer Betrachtung ausgewählter Fachliteratur erreicht.
Maßgeblich für die Auswahl der aufgeführten Kommunikationstheorien und -modelle war, dass sie nach Expertenmeinung (sowohl nach Auffassung des wissenschaftlichen Betreuers als auch nach Meinung konsultierter Fachkräfte auf dem Felde der psychosozialen Beratung) eine Rolle spielen, in diesem Sinne etabliert sind. Ferner sind die genannten Theorien auch vielfach in den Medien und überdies in Lebenswelten von Laien etabliert und werden von ihnen mehr oder weniger sachgerecht zur Bearbeitung von alltäglichen Problemsituationen herangezogen. Im Kapitel 1 wird zunächst der Begriff der psychosozialen Beratung problematisiert und für die Zwecke dieser Arbeit eingegrenzt und näher bestimmt. Kapitel 2 thematisiert den Kommunikationsbegriff und bietet einen Überblick über Kommunikationstheorien und -modelle, wobei mit Blick auf das Thema der vorliegenden Arbeit psychologische Kommunikationsmodelle besondere Berücksichtigung finden. Als eines der grundlegenden Kommunikationsmodelle, auf welchem gleichsam die nachfolgend verhandelten Theorien und Modelle aufsitzen, wird das „Sender-Empfänger-Modell“ von Shannon und Weaver (Enconder-/Deconder-Modell) gewürdigt, obschon es sich nur mit der reinen Informationsübermittlung befasst und nicht alle Faktoren der Kommunikation mit einbezieht. In den Kapiteln 3 bis 6 werden die Theorien und Modelle nach Eric Berne, Paul Watzlawick, Carl Rogers und schließlich nach Friedemann Schulz von Thun vorgestellt. In den letzten Kapiteln (ab S. 41) wird in verschiedenen Schnitten der Ertrag der vorangehenden Analysen resümiert. Kapitel 7 fragt danach, was in der einschlägigen Fachliteratur zum Einsatz der vorstehend behandelten Kommunikationstheorien und -modelle in der Praxis und für die Praxis der psychosozialen Beratung gesagt wird und stellt einige Befunde vor. Besondere Beachtung findet die Identifikation so genannter Gesprächskiller. Kapitel 8 stellt Sequenzen zweier Beratungsdialoge vor und bildet Chancen und Grenzen der Kommunikationstheorien in vergleichender Perspektive aus der Sicht der Bearbeiterin des Themas ab. Die theoretischen und praktischen Erkenntnisse finden in den letzten Kapiteln eine abschließende Gegenüberstellung (Kapitel 9) und Zusammenfassung (Kapitel 10) der etablierten Kommunikationsmodelle und -theorien.
1. Psychosoziale Beratung
Für eine angemessene Betrachtung des Gegenstands, gilt es vorerst zu klären, in welchem Kontext die Anwendung der Kommunikationstheorien und -modelle stattfindet und wie sich diese definieren lassen.
Beratung beinhaltet bereits die Worte „Rat“ und „raten“ (Ahl 2019, S. 30). Doch wie viel davon steckt wirklich in der Begriffsdefinition?
Die Absenz eines einheitlichen Beratungsbegriffes erschwert eine konkrete Erläuterung und lässt zu, dass wir diesem in einer Vielzahl an Tätigkeitsbereichen begegnen.
So ist es nicht unüblich, dass die Vorgehensweise sowohl von Professionellen, als auch von Laien angewandt wird. Letzteres erfolgt häufig im privaten Rahmen durch den Freundes- oder Familienkreis, indem sich Betroffene ihrem Gegenüber anvertrauen und ein dilettantischer Austausch über ungelöste Problemsituationen stattfindet (Beushausen/Schäfer 2021, S. 37f.).
Auch im professionellen Kontext existieren keine deckungsgleichen Denk- und Handlungsmuster – denn auch hier lässt sich der Begriff in einer Bandbreite an Fachrichtungen finden. Diese reichen von Ernährungs-, über Unternehmens- bis hin zur psychosozialen Beratung, um nur einen kleinen Auszug der Vielfalt zu veranschaulichen (Beushausen/Schäfer 2021, S. 37f.).
Beratung beinhaltet ein weites Spektrum an Hilfsangeboten und ist zudem eine wesentliche Komponente anderer Hilfsformen. Dementsprechend verwischen die Grenzen der konkreten Begriffsdefinitionen in unterschiedlichen Feldern (Beushausen 2016, S. 19).
Allgemein betrachtet, wird unter Beratung ein Austausch zwischen mindestens einer beratenden und mindestens einer ratsuchenden Person verstanden.
Die ratgebende Person nutzt für den Sachverhalt geeignete Techniken und Methoden, die zur bestmöglichen Unterstützung der hilfesuchenden Person beitragen. Die Beratung hat zum Ziel, der ratsuchenden Person die Entwicklung von Problembewältigungsstrategien zu ermöglichen. Dabei verteilen Berater:innen im professionellem Rahmen keine klassischen Ratschläge, sondern stärken Klient:innen in ihrer Fähigkeit selbstständig Handlungsmöglichkeiten v.a. im Sinne der Belastungssituation zu erkennen und umzusetzen (Beushausen/Schäfer 2021, S. 37f.).
Psychosoziale Beratung meint die fachgerechte Unterstützung in psychosozialen Arbeitsfeldern, in denen unter Bezugnahme der Klient:innen auf die passende Diagnose und den individuellen Umgang mit Einschränkungen und Krisen eingegangen wird.
Wälte und Lübeck benennen zwei Professionalisierungskriterien, die psychosoziale Beratung von anderen Hilfsangeboten separiert: Einerseits die Präsenz einer professionsgebundenen Wissensgrundlage, die sich beispielsweise durch Gesetzestexte oder Kausalmodelle auszeichnet, andererseits ein ausgeprägtes Kompetenzfundament, welches durch feldübergreifende Berufserfahrung entstanden ist (z.B. Kommunikationsmodelle, Gesprächsführung).
Beide Komponenten werden in der psychosozialen Beratung durch eine Art Prozesskompetenz ergänzt. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die Wissens- und Kompetenzbasis unter Berücksichtigung der individuellen Unterstützung für die ratsuchende Person in Einklang gebracht wird.
Zudem variiert psychosoziale Beratung in ihren Gegebenheiten durch eine hohe Flexibilität der möglichen strukturellen Rahmenbedingungen. Darunter fallen Elemente wie Klient:in, Berater:in, Setting, Problemstellung und Freiwilligen- oder Zwangskontext sowie anderweitige in- oder externe Voraussetzungen.
Insofern kann psychosoziale Beratung in der Schulsozialarbeit, im betreutem Wohnen oder in Einrichtungen mit Fokus auf Lebens- oder Familienberatung stattfinden. Auch während der Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz kann (und ggf. sollte) das Unterstützungsangebot genutzt werden.
Psychosoziale Beratung kann ihren Fokus auf Kinder-, Eltern- oder Altenarbeit (unterschiedliche Altersgruppen) und auf Einzel-, Familien-, oder Gruppensettings (Anzahl Klient:innen) sowie auf ambulante oder (teil)stationäre Einrichtungen (Ort der Tätigkeit) legen (Wälte/Lübeck 2021, S. 25).
Aufgrund der Vielzahl an Beratungsformen, ist es nicht überraschend, dass der Bedarf seit Jahren konstant steigt und als Schlüsselkompetenz in den gesundheits- und sozialbehafteten Bereichen gilt (Beushausen 2016, S. 18). Durch diese kontinuierliche Entwicklung besteht die Notwendigkeit der beratenden Personen, eine ständige Bereitschaft zur Selbstreflektion und Kenntnisnahme aktueller Beratungskompetenzen vorzuweisen. Nur so kann eine adäquate Unterstützung geleistet werden.
Die fachliche Qualifikation seitens der Berater:innen wird v.a. dann gefordert, wenn im Rahmen einer Beratung kein genauer Auftrag vorliegt oder von der ratsuchenden Person definiert werden kann. Zudem kann sich die Belastungssituation der:s Klient:in nicht „nur“ auf psychosozialer Ebene abspielen, sondern sich auch auf rechtliche oder sachliche Aspekte beziehen (Beushausen/Schäfer 2021, S. 38).
Insgesamt ist psychosoziale Beratung eine Unterstützungsmöglichkeit für Einzelne, Paare, Familien, Gruppen, Organisationen und Institutionen. Innerhalb der unterschiedlichen Tätigkeits- und Aufgabenbereiche bilden die Problemlagen der Klient:innen den Fokus. Die beratenden Personen sind dazu beauftragt, sich stetig auf professioneller Ebene weiterzuentwickeln, um ihre Wissens- und Handlungskompetenzen zu fördern.
Dies hat zum Ziel, dass Berater:innen mittels „Hilfe zur Selbsthilfe“ Prävention, Problembewältigung sowie Entwicklungsförderung vermitteln, um ihre Klient:innen bestmöglich zu unterstützen (Wälte/Lübeck 2021, S. 25f.).
Beratende Personen steht eine breite Palette an Anwendungsmöglichkeiten in der Interaktion ihrer Klient:innen zur Verfügung.
Das anschließende Kapitel widmet sich der Auseinandersetzung mit etablierten Kommunikationstheorien und -modellen, die eine Variante zur Erweiterung der Wissens- und Handlungskompetenz im Spektrum des Berater:innenkosmos repräsentieren.
2. Einführung in die Kommunikationstheorien und -modelle
Obwohl es auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint, dass Menschen täglich miteinander kommunizieren, ist es bei näherer Betrachtung ein weitaus komplexeres Gebilde.
Bevor das Kapitel in die Materie der Theorien und Modelle einsteigt, ist es zum Verständnis des Gegenstands gewinnbringend, den allgemeinen Begriff der Kommunikation zu erfassen und diesen im Rahmen des Kontextes zu beleuchten.
2.1 Kommunikation – Ein Definitionsversuch
Kommunikation ist allgegenwärtig und wird tagtäglich für die verschiedensten von Anliegen genutzt. Obwohl Kommunikation in ihrer Anwendung selbstverständlich scheint, ist eine konkrete Gegenstandsdefinition weniger mühelos. Der Begriff kommt aus dem lateinischen („communicatio“) und heißt im Grunde Mitteilung oder Unterredung (Röhner/Schütz 2020, S. 1f.). Khabyuk fügt hinzu, dass es sich bei Kommunikation nicht nur um eine Art der Mitteilung, sondern auch eine Erzeugung der Gemeinsamkeiten der Kommunizierenden („communis“ = gemeinsam) handelt (Khabyuk 2019, S. 16).
Das Verständnis für Kommunikation, so wie sie heute anerkannt wird, geht weit auseinander. Es beginnt bereits bei der Vielzahl an unterschiedlichen Formen der Kommunikationsübermittlung. So reicht die Übertragung von Informationen von Massenmedien über den klassischen Face-to-Face-Dialog bis hin zum Händewinken auf der Straße. Und bei der Frage, ob es sich weiterhin um Kommunikation handelt, wenn die Person auf der anderen Seite nicht zurückwinkt, kann man unterschiedliche Auffassungen feststellen (Röhner/Schütz 2020, S. 1f.). Egal ob Körpersprache, computervermittelte Kommunikationsmedien, Journalismus oder das Telefonat mit der Arbeitskollegin – Kommunikation ist allgegenwärtig und in ihrer Definition kaum greifbar. Die unterschiedlichen Erläuterungsversuche sind eine Produktion der verschiedenen Kommunikationstheorien und -modelle. Unter Annahme dieser Explikation wird deutlich, dass der Begriff Kommunikation mit den jeweiligen Modellen und Theorien verflochten ist und sich ausschließlich unter Berücksichtig dieser angemessen definieren lässt (Beck 2013, S. 155).
Laut Plate ist „Kommunikation […] der Weg, über den im ständigen Spiel von Information, Mitteilung und Verstehen Menschen gemeinsam Sinn erzeugen“ (Plate 2021, S. 10). Diese Auffassung geht über die reine Informationsübertragung hinaus und setzt die Entstehung von Sinnhaftigkeit dahinter voraus. Kommunikation ist immer Teil eines Prozesses, der sich dynamisch und kreativ – auch unabhängig von den Intentionen der Kommunizierenden – entwickelt (Plate 2021, S. 59).
Der Großteil an unterschiedlichen Begriffsversuche beinhaltet die Beantwortung dreier Fragen: „1. Was […] wird prozessiert? 2. Welche Elemente oder Akteure […] sind an diesem Prozess beteiligt? 3. Auf welche Weise […] kommt dieser Prozess zustande?“ (Beck 2013, S. 155).
Die genauen Kommunikationsprozesse werden in den folgenden Kapiteln – jeweils zur passenden Kommunikationstheorie – präzisiert.
Für ein besseres Verständnis der Komplexität dient das folgende Kommunikations-Scrabble-Modell (Abb. 1), welches laut Khabyuk eine mögliche Lösung der Definitionsvariante veranschaulicht.
Kommunikation ist zusammenfassend ein verflochtenes Gebilde von Interaktionsmomenten, die durch individuellen Kontext und subjektive Interpretation der Beteiligten verstanden und umgesetzt werden.
Es wird nun deutlich, dass das Verständnis abstrakter und komplexer Thematiken durch Modelle vereinfacht dargestellt werden kann.
Psychosoziale Beratung und Kommunikation sind sich in ihrer Komplexität und Vielfalt an Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten ebenbürtig. Gleichzeitig wird gegenüber beratenden Personen vorausgesetzt, diese Bandbreite nachzuvollziehen und allerhand professionsgebundene Wissens- und Erfahrungskompetenzen vorzuweisen, um Klient:innen eine adäquate Unterstützung entgegenzubringen.
Um nun Licht in den Theoriedschungel zu bringen, werden die folgenden Kapitel dafür genutzt, Kommunikationsmodelle und -theorien darzulegen und sie in ihrer Nutzbarkeit für psychosoziale Beratungsmuster zu verstehen.
2.2 Kommunikationstheorien und -modelle
Der folgende theoretische Zugang ermöglicht einen Blickwinkel auf etablierte Kommunikationstheorien und -modelle, aus welchem Folgerungen für Beratungssituationen aber auch das eigene kommunikative Handeln gezogen werden können (Plate 2021, S. 13).
Kommunikationsmodelle gehen – wie alle wissenschaftlichen Modelle – unterschiedlichen Funktionen nach. Dazu gehört die Strukturierung bereits bestehenden Wissens, die Reduzierung der Komplexität und die Erkenntnis neuer Zusammenhänge. Zudem verfügen sie über eine Quantifizierung der Aspekte und die Kompetenz eine Vorhersage bzw. Prognose treffen zu können.
Laut Beck ist „das wichtigste Gütekriterium für ein Kommunikationsmodell […] nicht die Wahrheit, sondern Brauchbarkeit für die Lösung eines bestimmten Erklärungsproblems bzw. die Erfüllung der oben genannten Funktionen“ (Beck 2013, S. 159).
Genauso wie bei den existierenden Kommunikationsmodellen liegt auch ein Pluralismus an Kommunikationstheorien in der Kommunikationswissenschaft vor. Sie dienen ebenfalls der Beschreibung und Erläuterung eines Kommunikationsprozesses. Wie zu erwarten, ist keine allgemein bestehende Kommunikationstheorie vorhanden, was auf der bereits dargelegten Komplexität der Begrifflichkeiten und Rahmenbedingen beruht (Beck 2013, S. 162).
Um sich einen Überblick zu verschaffen, werden Kommunikationsmodelle unter Berücksichtigung spezifischer Kriterien voneinander unterschieden. Darunter fallen einerseits die „Allgemeinen Kommunikationsmodelle“, die sich mithilfe verschiedener Wissenschaftsströmungen auf die Kommunikationsthematik einstellen. Andererseits ist die Rede von „Psychologischen Kommunikationsmodellen“, welche wiederum in vier Gruppen unterteilt werden und eine präzisere Perspektive einnehmen. Die folgende Abbildung präsentiert die psychologischen Kommunikationsmodelle übersichtlich. Nachfolgend werde diese erörtert.
1. Die Enconder-/Deconder-Modelle interpretieren den Kommunikationsprozess als eine Enkodierung bestimmter Sachverhalte (z.B. kann eine Definition von Kommunikation mit Sprache verschlüsselt bzw. enkodiert werden). Dieser Code gelangt über den Kommunikationskanal zur:m Empfänger:in der Nachricht und wird an dieser Stelle wieder dekodiert bzw. entschlüsselt. Die Enconder-/Deconder-Modelle legen ihren Fokus entsprechend auf Ver- und Entschlüsselungen einer Botschaft und wie diese bestmöglich versendet und empfangen werden kann. Darüber hinaus setzen sich die Modelle mit potenziell vorkommende Störfaktoren innerhalb der Nachrichtenübertragung auseinander. Zu diesem Bereich zählen die Kommunikationsmodelle von Shannon und Weaver (Transmissionsmodell) sowie von Schulz von Thun (Das Vier-Seiten- Modell).
2. Intentionsorientierte Modelle spezialisieren sich auf den Beweggrund der kommunizierenden Person, ihre Aussage(n) an ihr Gegenüber zu vermitteln. Der Hauptgedanke kreist um die Fragestellung, wie miteinander Kommunizierende ein Übereinkommen der Aussage(n) treffen können – einfach formuliert, wie Kommunikation generell umgesetzt werden kann. Auch in diesen Auffassungen der intentionsorientierten Modelle zeigen sich Parallelen zu Schulz von Thun.
3. Perspektivübernahmemodelle legen ihren Schwerpunkt auf die Empathiefähigkeit der Kommunizierenden – kurzum wie sich Menschen in ihr Gegenüber hineinversetzen und entsprechend kommunizieren können. Ein Perspektivübernahmemodell widmet sich der Initiative der Kommunizierenden, die Situation aus der Sichtweise des Gegenübers zu betrachten. Rogers personenzentrierte Theorie fällt in die Kategorie der Perspektivübernahmemodelle.
4. Wie eine gemeinsame Wirklichkeit der Kommunizierenden während eines Kommunikationsprozesses geschaffen wird, versuchen Dialog-Modelle zu beantworten. An dieser Stelle findet sich zum einen Watzlawick mit dem Versuch mittels Kommunikationstheorie der fünf Axiome wieder, die Kennzeichen dieses Kommunikationsprozesses zu erkennen. Zum anderen wird die Transaktionsanalyse nach Berne zu dieser Modellkategorie gezählt.
Die bereits genannten Beispielmodelle und -theorien werden in den nachfolgenden Kapiteln detailliert ausgeführt (Röhner/Schütz 2020, S. 27ff.).
Doch bevor sich die Arbeit der ersten etablierten Kommunikationstheorie widmet, ist es effektiv eine der grundlegendsten Kommunikationsmodelle vorzustellen, die den Grundbaustein der nachfolgenden Theorien legt. Es handelt sich dabei um das „Sender-Empfänger-Modell“ von Shannon und Weaver (Enconder-/Deconder-Modell), welches sich mit der reinen Informationsübermittlung befasst. Das Modell bezieht nicht alle Faktoren der Kommunikation mit ein, bildet jedoch die Basis für das Verständnis umfangreicher Theorien.
Kommunikation wird nach Shannon und Waever als linearer Prozess eingestuft. Was einst als Kommunikationshilfe für die Armee angedacht war, zeichnet sich heute als gängiges Element in der Kommunikationswissenschaft aus. Technisch betrachtet, bedeutet Kommunikation den Transport einer Information von Sender:in A zu Empfänger:in B. Shannon und Weaver differenzieren hierbei zwischen Information und einer Nachricht bzw. Botschaft. Das Modell beinhaltet sechs verschiedene Komponenten: Beginnt mit der (1) Informationsquelle, welche als Sender:in verkörpert wird. Von dieser:m Sender:in geht eine verschlüsselte (2) Nachricht bzw. Signal (3) aus. Die kodierte Mitteilung läuft über den Übertragungskanal (4) und wird von der empfangenden Person (5) angenommen und wieder entschlüsselt bzw. dekodiert (6). Voraussetzung für optimale Kommunikationsbedingungen ist demnach ein einheitlicher Code, der sowohl von der sendenden, wie auch von der empfangenden Person erkannt und angewandt wird (Ebert 2018, S. 20f.).
Dieser Prozess wird in Abb. 3. vereinfacht dargestellt.
Auf dem Weg von der sendenden zur empfangenden Person kann das Signal anlässlich bestimmter Störungen, die aufgrund von Symbolen und Lauten auftreten können, so verdreht werden, dass keine Übereinstimmung zwischen dem gesendeten und dem empfangen Signal mehr herrscht.
Bei diesem Ereignis handelt es sich um das sogenannte Rauschen, welches beispielsweise durch eine große Distanz zwischen Sender:in und Empfänger:in entstehen kann.
Das Sender-Empfänger-Modell nach Shannon und Weaver verschafft einen Überblick der Kommunikationsübertragung, auch wenn dabei viele Aspekte (z.B. nonverbale Reaktion der empfangenden Person) nicht berücksichtigt werden. Zusammenfassend lässt sich aus dem Modell mitnehmen, dass es gewinnbringend ist, Störungen zu erkennen und diesen idealerweise mittels deutlicher Aussprache und einheitlichen Kommunikationscodes präventiv entgegenzuwirken (Ebert 2018, S. 20ff.).
Laut Shannon und Weaver ist demnach der Idealfall einer Kommunikation, wenn das Signal der:s Sender:in identisch bei:m Empfänger:in ankommt und korrekt decodiert wird.
Doch hierbei werden die Kommunizierenden selbst außen vorgelassen. Das folgende Kapitel entfernt sich von der rein technischen Interpretation eines Kommunikationsprozesses. Vielmehr will die folgende Kommunikationstheorie auf die Beteiligten blicken und ihre Sichtweise erkennen, verstehen und für die Kommunikationsübertragung nutzen. Würde ein besseres Verständnis für das Gegenüber nicht nur über die Informationsübermittlung hinausgehen, sondern die Kommunikation grundlegend revolutionieren?
Die anschließende Kommunikationstheorie widmet sich der Verhaltensanalyse der Kommunizierenden mithilfe der Transaktionsanalyse
3. Die Transaktionsanalyse nach Eric Berne
Die Transaktionsanalyse ist eine psychologische Theorie und Methode, die vom amerikanischen Arzt und Psychiater Eric Berne (1910-1970) entwickelt worden ist. Im Allgemeinen kann die Theorie Unterstützung bei der Persönlichkeits- und Kommunikationsentwicklung bieten, woraus die Stärkung der eigenen Handlungskompetenz – im privaten und beruflichem Bereich - resultiert. Darüber hinaus findet die Transaktionsanalyse Verwendung bei Prozess- und Entwicklungsanalysen in sozialen Systemen. Auch in anderen Berufsfeldern findet die Methode ihren Platz. Gegenwärtig ist sie in den Anwendungsbereichen von Organisationen, Pädagogik, Psychotherapie und Beratung angesiedelt. Letzteres wird in den folgenden Kapiteln den Fokus einnehmen (Bolliger 2013, S. 5f.).
3.1 Einführung und Grundlagen
Das transaktionsanalytische Menschenbild vertritt die Annahme, dass „jeder Mensch die Freiheit der Entscheidung für sein Leben besitzt […] d.h. jeder Mensch ist ein aktiver Gestalter seines Lebens und nicht bloß Opfer der Umstände“ (Bolliger 2013, S. 6).
Zudem hat jeder Mensch ein Recht auf Leben, Entwicklung und ein eigenes Verantwortungsbewusstsein. Nicht zuletzt ist laut Transaktionsanalyse jeder Mensch gut, unabhängig von seinem Verhalten (Bolliger 2013, S. 6f.).
Zu den Schlüsselbegriffen der Transaktionsanalyse zählen Verträge, das „Ich-Zustands-Modell“, „Transaktionen“, „Strokes“ und „Gestaltung der Zeit“ sowie das „Lebensskript“, „Symbiose“, „Maschen, Rabattmarken und Spiele“ sowie „Autonomie“ (Stewart/Joines 2015, S. 24ff.).
Die internationale Vereinigung für Transaktionsanalyse (International Transactional Analysis Association) versteht „Transaktionsanalyse […] als eine Theorie der menschlichen Persönlichkeit und zugleich eine Richtung der Psychotherapie, die darauf abzielt, sowohl die Entwicklung wie auch Veränderungen der Persönlichkeit zu fördern“ (Stewart/Joines 2015, S. 23).
Auch wenn diese Definition sich als korrekt erweist, geht die Methode weit darüber hinaus.
Die Vielfalt an Begriffen verkörpert die Komplexität der Transaktionsanalyse (Dialog-Modell). Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf den Ich-Zuständen und Transaktionen der Kommunikationstheorie. Mithilfe dieser Elemente versucht die Transaktionsanalyse menschliche Verhaltensmuster zu erkennen und diese optimal in Kommunikationsprozessen zu nutzen (Stewart/Joines 2015, S. 23f.).
3.2 Die Ich-Zustände im Strukturmodell
Aus Sicht der Transaktionsanalyse werden die Denk- und Handlungsweisen jedes Menschen durch den aktuell herrschenden Ich-Zustand beherrscht.
So erleben Menschen Momente, in denen sie handeln, denken und fühlen, wie sie es als Kind getan haben. Genauso werden ihre Gedanken und Verhaltensweisen durch ihre Eltern oder Personen, die Elternfiguren im Leben darstellten, beeinflusst. Nur dann, wenn das Verhalten- und Denkmuster einer Person eine bloße Reaktion auf die Gegenwart ist – ohne mental in die Kindheit zurückzukehren - tritt der Zustand des Erwachsenen auf (Stewart/Joines 2015, S. 33f.).
Diese drei verschiedenen Persönlichkeitsäußerungen werden in der Transaktionsanalyse als Ich-Zustände konkretisiert. Berne bezeichnet Ich-Zustände als „kohärente Gedanken- und Gefühlssysteme, die durch entsprechende Verhaltensmuster zum Ausdruck gebracht werden“ (Berne 1983, S. 26).
Ein Ich-Zustand äußert sich demnach durch Denk- Gefühls- und Verhaltensmuster eines jeden Menschen (Bolliger 2013, S. 12f).
Die drei grundlegenden Ich-Zustände werden unterteilt in Kindheits-Ich-Zustand (K), Eltern-Ichzustand (EL) und Erwachsenen-Ichzustand (ER).
Das folgende Strukturmodell demonstriert die Ich-Zustände nach Eric Berne.
3.2.1 Eltern-Ich im SM
Das Eltern-Ich äußert sich durch Denk-, Gefühls-, und Handlungsweisen, die ein Mensch von seinen Eltern oder Autoritätspersonen wahrgenommen hat, als er selbst noch ein Kind war.
Die Grundsätze und Regeln dieser Personen wurden verinnerlicht und werden teilweise unbewusst und unreflektiert in den Alltag integriert. So schwebt der elterliche Einfluss oft über ihnen und Äußerungen wie „weil man es eben so macht“ treten auf. Dieser Zustand kann z.B. bei der Erziehung der eigenen Kinder aktiv sein (Berne 1983, S. 26f.; Gührs/Nowak 2014, S. 74f.).
3.2.2 Erwachsenen-Ich im SM
Das Erwachsenen-Ich ist der Zustand, in dem Menschen in der Gegenwart objektiv die Umwelt erkennen und erleben können. „Objektiv“ bezieht sich hierbei auf die Fähigkeit ohne Beeinflussung von Kindheits- oder Eltern-Ich zu agieren. Für eine vereinfachte Darstellung, kann man sich den Erwachsenen-Ichzustand als eine Art Computer vorstellen, der relevante Informationen wahrnehmen, Zusammenhänge verarbeiten und auf Fakten basierende Entscheidungen treffen kann. Menschen im Erwachsenen-Ich verhalten sich überwiegend sachlich und handeln logisch, ohne dabei den Sinn zu verfolgen, andere beeinflussen zu wollen (Berne 1983, S. 26f.; Gührs/Nowak 2014, S. 74f.).
3.2.3 Kindheits-Ich im SM
Im Kindheits-Ich handelt, denkt und empfindet der Mensch so, wie er es als Kind getan hat. Dieses Potenzial trägt jeder Mensch in sich und äußert sich durch individuelle Verhaltensmuster (z.B. Weinen, Lachen, spontanes Nachgehen der Impulse). Im Kindheits- Ich stehen Menschen mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen in engem Kontakt. Sie können andere begeistern, aber auch egoistisch und rücksichtslos auftreten. An dieser Stelle ist hinzuzufügen, um welche konkrete Lebensphase es sich handelt. Berne grenzt die Altersspanne zwischen zwei und fünf Lebensjahren ein, in die Menschen im Kindheits-Ichzustand zurückkehren (Berne 1983, S. 26f.; Gührs/Nowak 2014, S. 74f.).
3.3 Die Ich-Zustände im Funktionsmodell
Nachdem die Persönlichkeiten der Ich-Zustände im Strukturmodell abgebildet worden sind, stellt sich das folgende Modell die Frage, wie diese Zustände benutzt werden können. D.h. während das Strukturmodell den Inhalt wiedergibt, fokussiert das Funktionsmodell den Prozess: Wie äußert sich ein Ich-Zustand, wenn er präsent ist?
Folglich wird das Strukturmodell durch den Funktionsprozess erweitert bzw. unterteilt (Gührs/Nowak 2014, S. 75; Bolliger 2013, S. 14). Das Funktionsmodell wird in der folgenden Darstellung veranschaulicht und in den nächsten Kapiteln erläutert.
3.3.1 Das Eltern-Ich im FM
Das Eltern-Ich wird in das kritisch-normative (kEL) und das nährend-fürsorgliche Eltern-Ich (fEL) gegliedert. Das kritische Eltern-Ich äußert sich durch kontrollierendes, kritisierendes und herablassende Denk- und Verhaltensmuster. Wenn der kritisch-normative Zustand herrscht, werden Grenzen gesetzt und Regeln eingeführt (Gührs/Nowak 2014, S. 77).
Stewart und Joines unterteilen den kritische Eltern-Ichzustand in das negative und das positive kritische Eltern-Ich.
In der negativen Variante treten abwertende Handlungsweisen auf. Ein Chef, der seine Sekretärin mit strengem Ton zum wiederholten Mal auf ihre Fehler hinweist, verhält sich z.B. im gleichen Maße, wie sein Vater im Umgang mit ihm als Jungen. Im positiven kritische Eltern-Ich haben Menschen den scharfen Ton ihrer Eltern verinnerlicht und drücken mit diesem auch Forderungen aus, die schützend gemeint sind. Z.B. wenn eine Ärztin einen Patienten streng dazu auffordert mit dem Rauchen aufzuhören (Stewart/Joines 2015, S. 52f.).
Das nährend-fürsorgliche Eltern-Ich zeigt sich stattdessen wertschätzend und betreuend. Auch in diesem Fall werden eine negative und eine positive Charaktereigenschaft des Ich-Zustands aufgezeigt. Das positive fürsorgliche Eltern-Ich verkörpert den liebevollen Umgang der Eltern mit ihrem Kind. Dabei steht nur das Wohlsein des Gegenübers im Vordergrund und ist in den meisten Situationen angemessen. Im Kontrast dazu steht das negative fürsorgliche Eltern-Ich. Zuviel von der überschütteten Liebe kann kontraproduktiv wirken und wird teilweise aus einer herablassenden Position auf die andere Person übergestülpt. Bietet eine Arbeitskollegin ihrem Kollegen Unterstützung an, spricht sie wahrscheinlich aus dem positiven fürsorglichen Eltern-Ich. Übernimmt sie aber ohne die Bitte des Kollegen seine Aufgabe („Komm, ich mach das schon.“) ist der negative fürsorgliche Eltern-Ich-Zustand aktiv, denn sie aus ihrer eigenen Kindheit verinnerlicht hat. (Stewart/Joines 2015, S. 53; Gührs/Nowak 2014, S. 77f.).
3.3.2 Das Erwachsenen- Ich im FM
Das Erwachsenen-Ich verhält sich weiterhin objektiv und sachlich, da keine Übertragung aus der Vergangenheit stattfindet, sondern im Hier und Jetzt gehandelt, gedacht und gefühlt wird.
3.3.3 Das Kind-Ich im FM
Der Kindheits-Ichzustand wird im Funktionsmodell in das angepasste (aK) und das freie Kind (fK) unterteilt. Gührs und Nowak führen noch eine weitere Funktion hinzu, bei der es sich um das rebellische Kind handelt (Gührs/Nowak 2014, S. 75ff.).
Wie zu erwarten werden die Zustände auch an dieser Stelle in negative und positive Zustände gegliedert. Sowie beim angepassten Kind-Ich, indem Menschen sehr häufig denken und handeln, da es eine Vielzahl an Regeln und Erwartungen zu berücksichtigen gibt, die seit der Kindheit verinnerlicht und angenommen worden sind. Viele dieser Normen werden bis in das Erwachsenenalter automatisiert durchgeführt, wie z.B. der Blick von links nach rechts, bevor eine Straße überquert wird. Denn so wurde es den meisten Menschen in ihrer Kindheit durch autoritäre Personen wie ihren Eltern und Lehrkräften beigebracht. Nicht außer Acht zu lassen, die Worte „Bitte“ und „Danke“, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Solche verinnerlichten Normen und Gebote verschaffen einer Person im positiven angepassten Kindheits-Ichzustand (auch das „ok-angepasste Kind“ genannt) durchaus Vorteile.
Durch angepasstes Verhalten ecken Menschen weniger an und erreichen im Idealfall eher das, was sie möchten. Sitzt eine Gruppe an Freunden beim Essen beisammen, vereinfachen verinnerlichte Höflichkeitsstrukturen die alltäglichen Abläufe und Umgangsweisen. Doch nicht jede erworbene Anpassungsfähigkeit aus der Kindheit, findet in der Gegenwart angemessene Brauchbarkeit. Eine derartige Anpassung kann Lebensenergie und Stärken bremsen. Wurde in der Kindheit eine gewisse Erwartungshaltung an die Person gestellt, versucht sie dieser als erwachsener Mensch immer noch gerecht zu werden – meist in Form von unverhältnismäßigem Streben nach Perfektionismus und Anerkennung. Diese Verhaltensmuster birgt die Gefahr des negativ angepassten Kind-Ichzustands (das „nicht-ok angepasste Kind“).
Doch die Kindheit wird nicht nur mit angepasstem Verhalten und Regeln verbunden. Der ursprünglichste und natürlichste Bestandteil eines jeden Menschen, welcher im Vordergrund eines jeden beginnenden Lebens steht, äußert sich im freien Kindheits-Ichzustand.
Befindet sich eine Person im freien Kind-Ich werden Denk- und Verhaltensmuster freigesetzt, die weder Regeln noch Grenzen berücksichtigen. Dieser Zustand kann in Erwachsenen durchaus ein freies und lebensbejahendes Gefühl auslösen und die Lebensqualität verbessern. Auch wenn eine Person erwachsen ist, besteht die Möglichkeit, dass freie Kind-Ich-Emotionen nie ausgedrückt wurden und bis in die Gegenwart tief im Inneren unterdrückt werden. Werden diese Gefühle in einer für die Person sicheren Situation – z.B. mithilfe einer Therapie – artikuliert, ist das positive freie Kind-Ich aktiv.
Werden diese Empfindungen jedoch nie geäußert, kann sich Wut, Frust, Trauer etc. anstauen und womöglich zu einer physischen und/oder psychischen Erkrankung (z.B. starke Verspannungen oder Depression) ausarten. Hier ist die Rede vom negativen freien Kindheits-Ichzustand. Dieser kann Menschen im Alltag unangenehme Augenblicke verschaffen (z.B. lautes Rülpsen auf einer großen Familienfeier) aber birgt auch Gefahren für sich selbst oder anderen mit sich (z.B. Motorradfahren mit zu hoher Geschwindigkeit auf unbekannter Strecke) (Stewart/Joines 2015, S. 48ff.).
Gührs und Nowak fügen dem Konstrukt noch das rebellische Kindheits-Ich hinzu (rK). Es findet Konformitäten im angepassten Kindheits-Ich. Eine Person reagiert ebenso auf die Vorgaben und Regeln des Eltern-Ichs – nur auf entgegensetzte Art und Weise. Das rebellische Kind-Ich tritt konfrontativ und voller Stärke in Interaktionen mit Autoritätspersonen. Dies kann positive Resultate mit sich bringen, wenn der Zustand Unterstützung gegen unangebrachtes Verhalten oder ungerechtfertigte Kritik bietet. Doch häufig führen die konfliktbereiten Verhaltensmuster des rebellischen Kind-Ichs, v.a. gegenüber Eltern-Ich-Zuständen, zu starken Auseinandersetzungen. Das rebellische Kind-Ich kann sich jedoch auch ohne direkte Konfrontation äußern, indem es verschleiert auftritt, Konflikte meidet und eher passiv-aggressiv reagiert. Diese Form des rebellischen Kindheits-Ich leistet im verborgenem Widerstand gegen autoritäre Prozesse (Gührs/Nowak 2014, S. 76f.).
Summa summarum beinhaltet jeder der vorgetragenen Ich-Zustände produktive sowie konstruktive Eigenschaften. Dabei ist von Relevanz, in welcher Situation, in welchem Maß, auf welche Art und Weise und mit welcher Intention die Zustände ausgedrückt werden. Das Struktur- und Funktionsmodell kann ihren Beitrag dazu leisten, sich den Ich-Zuständen bewusst zu machen. Darüber hinaus schafft das Bewusstsein die Fähigkeit, Kontrolle über aktive Zustände zu gewinnen, anstatt den Gefühlen aus Kindheitstagen ausgeliefert zu sein.
3.4 Transaktionen
Aus den vorherigen Kapitel lässt sich entnehmen, dass auf Grundlage der Transaktionsanalyse bei einer Interaktion zwischen zwei Personen, insgesamt sechs Ich-Zustände zugegen sind (jeweils Eltern-, Erwachsenen-, und Kind-Ich bei zwei Beteiligten).
Da die Zustände so individuell wie die zugehörigen Menschen sind, ist es von Vorteil, die eigenen sowie die gegenüberliegenden Ich-Zustände zu erkennen und darauf gezielt einzugehen (Berne 1983, S. 29). Doch für diese Kompetenz gilt es vorerst zu klären, um was es sich bei einer Transaktion überhaupt handelt und wie mehrere Transaktionen miteinander agieren.
Eine Transaktion ereignet sich, wenn eine Person mindestens einer weiteren Person offeriert, mit dieser in irgendeiner einer Art und Weise in Interaktion zu treten. Reagiert das Gegenüber darauf, lässt sich ein Hin und Her beobachten. Im Fachjargon wird beim „Hin“, bzw. bei der Eröffnung eines Gesprächs vom Stimulus geredet. Auf diese „Ansprache“ folgt das Her, also die Antwort, welche als Reaktion bezeichnet wird (Stewart/Joines 2015, S. 99). Eine Transaktion ist die „kleinste vollständige Kommunikationseinheit“ (Gührs/Nowak 2014, S. 93), fachlich ausgedrückt „ein Transaktions-Stimulus plus eine Transaktions-Reaktion“ (Stewart/Joines 2015, S. 99). Folgt auf die Reaktion wieder eine Antwort und umgekehrt, entsteht ein Austausch zwischen zwei Kommunizierenden, der in der Transaktionsanalyse als Abfolge vieler Transaktionen erkannt wird. Gührs und Nowak fügen dem Kommunikationskonstrukt hinzu, dass es sich beim Austausch um verbale sowie nonverbale Aspekte handelt (Gührs/Nowak 2014, S. 93).
Auf Grundlage des Ich-Zustandsmodells kann die Analyse der Transaktionen und der daraus resultierende Kommunikationsprozess dargelegt werden.
Im Folgenden werden die drei Grundmuster der Transaktionen herangetragen und mithilfe der bereits erörterten Ich-Zustände verdeutlicht.
3.4.1 Komplementäre (parallele) Transaktionen
Geht eine Person in einen Kommunikationsaustausch beinhaltet der Stimulus eine Information darüber, welche Reaktion sie von ihrem Gegenüber erwartet. Der Stimulus kommt aus einem Ich-Zustand und wendet sich an einem spezifischen Ich-Zustand der anderen Person. So kann ein Austausch zwischen zwei Erwachsenen-Ich-Zuständen stattfinden oder ein kritisch-normatives-Eltern-Ich begegnet einem angepasstem oder auch rebellischen-Kind-Ich. Die Kombinationsmöglichkeiten sind vielzählig und doch treten drei immer wiederkehrende Kommunikationsmuster auf. Laut Gührs und Nowak besteht der alltägliche Austausch überwiegend aus komplementären bzw. parallelen Transaktionen. Eine Komplementärtransaktion entsteht dann, wenn eine Person auf ihren Stimulus, die Reaktion, in dem Ich-Zustand zurückbekommt, die ihren Erwartungen entspricht.
Verläuft eine Unterhaltung dauerhaft parallel, entsteht ein Gesprächsfluss, der Beziehungen stärkt und vielfältige Diskussionen auf Augenhöhe zulässt.
Komplementäre Transaktionen können von jedem Ich-Zustand aus, gesendet und empfangen werden. Anhand der folgenden Fallbeispiele, werden die parallelen Transaktionen im Kommunikationsaustausch expliziert.
Im ersten Beispiel geht es um einen Chef und seinen Mitarbeiter:
Der Chef fragt: Wo ist die Akte der Klientin xy?“
Der Angestellte antwortet: „Im unteren Aktenordner in der linken Schublade.“
Die rein sachliche Frage wird genauso nüchtern und sachorientiert beantwortet und kommt am Ende auf die vom Chef erwartete Lösung. Diese komplementäre Transaktion spielt sich zwischen zwei Erwachsenen-Ich-Zuständen (ER) ab.
Der Dialog kann jedoch auch anders verlaufen und sich dennoch parallel zu tragen:
Der Chef fragt: „Wo haben Sie denn schon wieder die Akte der Klientin xy hin geräumt?
Bei dieser Unordnung kann sich ja niemand zurechtfinden.“
Der Angestellte antwortet: „Entschuldigen Sie bitte, ich räume sofort auf und gebe Ihnen die Akte.“
[...]
- Citation du texte
- Maxi Koch (Auteur), 2022, Kommunikationstheorien und -modelle in der psychosozialen Beratung. Einführung, Grundlagen und Einsatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1284833
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