Thomas von Aquin (1225-1274) hat mit seinen Schriften zur Frage nach der möglichen Rechtfertigung von Gewalt und Krieg, ein Thema aufgegriffen, das seit jeher kontrovers diskutiert wurde. Aus Interesse am Stoff habe ich mich für die Bearbeitung des Themas entschieden, denn die aquinische Lehre des gerechten Krieges ist wohl einzigartig in ihrer Durchschlagskraft. Es scheint, dass diese mehr als 700 Jahre alten Vorstellungen noch heute die Politik beeinflussen.
„Gerechter Krieg (lat. bellum iustum), eine auf römische Wurzel (Cicero) zurückgehende, von Augustinus und Thomas von Aquin wirkungsmächtig weiterentwickelte und in der spätscholastischen Theologie verfeinerte, in die völkerrechtliche Diskussion ausstrahlende und bis heute maßgebliche ethische Theorie, die Prinzipien für die normative Beurteilung zwischenstaatlicher Gewaltanwendung enthält.“
Wann ist ein Krieg gerechtfertigt und wann ist er ein bellum iustum? Wer und was gibt einem Staat das Recht zum Krieg? Über jene Fragen wurde schon oft diskutiert und angesichts der heutigen politischen Lage sind genau diese Fragen immer wieder aktuell.
Der Mönch Augustinus hatte im 4. Jahrhundert die erste bellum-iustum-Theorie aufgestellt. Basierend auf dieser entwickelte Thomas von Aquin seine eigene Theorie. Er berief sich dabei auf die Bibel. Zu Beginn der Ausarbeitung wird näher auf sein Werk „Summa Theologica“ eingegangen, dann folgt eine Darstellung des Abschnitts „Der Krieg“. Anschließend werden Thomas von Aquins Bedingungen für einen gerechten Krieg erläutert, mit späteren Thesen verglichen und mit Hilfe verschiedener Sekundärliteratur betrachtet. Der letzte Teil soll sich mit der Anwendung der Thesen Thomas von Aquins auf die Politik Amerikas in Bezug auf den Irak-Konflikt beschäftigen. Inwiefern wurden Thomas von Aquins Ideen übernommen und auf welche Weise weicht die Irak-Diskussion von seiner Theorie ab? Ist es ihm gelungen eine weltweit gültige Formel zu erstellen oder driftet die Gegenwart von seiner Meinung ab?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 „Summa Theologica“
3 Inhalt „Der Krieg“
4 Thomas von Aquins Bedingungen für einen gerechten Krieg
5 Betrachtung der Sekundärquellen
5.1 Francisco de Vitoria
5.2 Balthasar Ayala
5.3 Wolfgang Kluxen
5.4 Gerhard Beestermöller
6 Der US-amerikanische „Krieg gegen den Terror“
7 Fazit
Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Thomas von Aquin (1225-1274) hat mit seinen Schriften zur Frage nach der möglichen Rechtfertigung von Gewalt und Krieg, ein Thema aufgegriffen, das seit jeher kontrovers diskutiert wurde. Aus Interesse am Stoff habe ich mich für die Bearbeitung des Themas entschieden, denn die aquinische Lehre des gerechten Krieges ist wohl einzigartig in ihrer Durchschlagskraft. Es scheint, dass diese mehr als 700 Jahre alten Vorstellungen noch heute die Politik beeinflussen.
„Gerechter Krieg (lat. bellum iustum), eine auf römische Wurzel (Cicero) zurückgehende, von Augustinus und Thomas von Aquin wirkungsmächtig weiterentwickelte und in der spätscholastischen Theologie verfeinerte, in die völkerrechtliche Diskussion ausstrahlende und bis heute maßgebliche ethische Theorie, die Prinzipien für die normative Beurteilung zwischenstaatlicher Gewaltanwendung enthält.“[1]
Wann ist ein Krieg gerechtfertigt und wann ist er ein bellum iustum ? Wer und was gibt einem Staat das Recht zum Krieg? Über jene Fragen wurde schon oft diskutiert und angesichts der heutigen politischen Lage sind genau diese Fragen immer wieder aktuell.
Der Mönch Augustinus hatte im 4. Jahrhundert die erste bellum-iustum-Theorie aufgestellt. Basierend auf dieser entwickelte Thomas von Aquin seine eigene Theorie. Er berief sich dabei auf die Bibel. Zu Beginn der Ausarbeitung wird näher auf sein Werk „Summa Theologica“ eingegangen, dann folgt eine Darstellung des Abschnitts „Der Krieg“. Anschließend werden Thomas von Aquins Bedingungen für einen gerechten Krieg erläutert, mit späteren Thesen verglichen und mit Hilfe verschiedener Sekundärliteratur betrachtet. Der letzte Teil soll sich mit der Anwendung der Thesen Thomas von Aquins auf die Politik Amerikas in Bezug auf den Irak-Konflikt beschäftigen. Inwiefern wurden Thomas von Aquins Ideen übernommen und auf welche Weise weicht die Irak-Diskussion von seiner Theorie ab? Ist es ihm gelungen eine weltweit gültige Formel zu erstellen oder driftet die Gegenwart von seiner Meinung ab?
2 „Summa Theologica“
Das Lebenswerk „Summa Theologica“ von Thomas von Aquin basiert auf der Lehre der Lex Naturalis, dem Naturgesetz: „Dem Menschen ist ein göttliches Licht eingeprägt in seiner natürlichen Vernunft, durch die er gut und schlecht unterscheidet, und so verdient seine Weise der Teilhabe am Ewigen Gesetz den besonderen Namen ‚Lex Naturalis’.“[2] Dieses Naturgesetz bezeichnet Wolfgang Kluxen als Kernstück in der philosophischen Ethik des Thomas von Aquin. Er definiert den Inhalt als a) Frage nach der Grundlegung der normativen Vernunft und b) der Frage nach dem Grundbestand inhaltlicher Handlungsnormen.[3]
„Wieviel Engel sitzen können auf der Spitze einer Nadel?“[4] Diese Frage wurde immer wieder als Beleg für die These angeführt, die Theologie als Ganzes und Thomas von Aquin im Besonderen würden sich in ihrem Denken in Distinktion und subtilen Feinheiten verlieren, die für die Welt und das Leben überhaupt keine Relevanz hätten. Thomas von Aquin hat diese Frage, die ihm ein Theologiestudent brieflich gestellt hat, niemals beantwortet. Er hat es abgelehnt auf sie einzugehen, denn sie war sinnlos. Er hat es jedoch nicht bei einer einfachen Ablehnung belassen, sondern philosophisch und theologisch begründet, warum die Frage unsinnig sei. Dies war aber nicht die einzige Frage, die man an Thomas von Aquin richtete. Neben Theologiestudenten wandten sich auch Bischöfe, Päpste und Fürsten an ihn und baten um Rat oder Beistand bei der Lösung von Fragen und Problemen, die zum Teil auch brisante politische Themen betrafen. Thomas von Aquin hat auf die ihm vorgelegten Fragen meistens so geantwortet, dass seine Antwort nicht nur für die konkrete Frage galt oder ein einzelnes Problem betraf. Vielmehr begründete er seine Erwiderung, so dass in ihr mitunter Aussagen zu finden sind, die auch heute noch gültig und anwendbar sind. Vielleicht war dies der Grund dafür, dass Thomas von Aquin schon zu Lebzeiten ein gefragter Mann gewesen ist. Es ging ihm nicht um den politischen oder kirchlichen Alltag, sondern vielmehr um die Wahrheit der Dinge, um das, was hinter einem Einzelproblem von grundlegender Bedeutung ist für den christlichen Glauben und das Leben aus diesem Glauben heraus. Quelle und Maßstab für seine Weisungen war ein Rückzug auf Gott und seine uns offenbarte Wahrheit, die er in der „Summa Theologica“ zusammengefasst hat.
3 Inhalt „Der Krieg“
Nach Thomas von Aquin ist es eine Aufgabe des Rechtes, Menschen zu einer moralischen Lebensführung anzuhalten. Der Mensch soll aus Überzeugung und nicht aus Zwang das Richtige vollbringen. Der Zwang hat eine „sittenbildende Kraft“, so dass der Mensch das Böse meidet und das Gute tut. Dies lässt sich auf seine Basis der „Lex Naturalis“ zurückführen, auf welche hier jedoch nicht näher eingegangen wird.
Die Fakten, die gegen den Krieg sprechen, werden sehr nüchtern und rational dargestellt. Thomas von Aquin fordert den Leser dazu auf, mit Hilfe seiner manchmal provokanten Thesen, sich seine eigene Meinung zu bilden. Er bietet zunächst ein Pro und Contra an, wägt ab und nennt abschließend seine eigene Meinung. Diese Vorgehensweise kann mit der eines Gerichtes verglichen werden. Die Fragen könnten als eine Art „Frequently Asked Question“, die heute häufig in Gebrauchsanweisungen zu finden ist, aufgefasst werden.
Im ersten Artikel stellt Thomas von Aquin die Frage: „Ist Kriegführen immer Sünde?“. Als erstes Argument bringt er einen Vers aus der Bibel an: „Jeder, der zum Schwerte greife, wird durch das Schwert umkommen“. Daraus schlussfolgert er, dass jeder Krieg unerlaubt sei. Das zweite Argument, das Aquin ausspricht, lautet: „Was immer dem göttlichen Gebot widerspricht, ist Sünde.“. Hier beruft er sich auf einen Vers des neuen Testaments, denn in Matthäus 5, 39 sagt Jesus „Ich aber sag euch: widersteht dem Bösen nicht“.[5]
Diese Aussage könnte durchaus falsch interpretiert werden. In einer zeitgemäßen Übersetzung der Bibel heißt es in demselben Vers: „Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“[6] Hier wird deutlich, dass „widerstehen“ eher im Sinne von „gegenhalten“ zu verstehen ist.
In seinem dritten Argument stellt Thomas von Aquin folgende These auf: „Nichts widerspricht dem Akt der Tugend als die Sünde.“. Demnach ist Krieg Sünde, da er das Gegenteil von Frieden ist. Zuletzt nennt Thomas von Aquin den Fakt, dass Einübungen auf erlaubte Sachen von der Kirche gestattet sind. Kriegsübungen werden jedoch von der Kirche verboten. Augustinus widerspricht diesen Thesen aber mit einem Bibelzitat: „Verübt gegen niemanden Erpressung; seid zufrieden mit eurem Solde [...]. Denen so geboten wurde, sich mit dem eigenen Solde zufriedenzugeben, denen wurde nicht verboten, Kriegsdienst zu leisten.“[7]
Als Antwort formuliert Thomas von Aquin zunächst seine drei Bedingungen für einen gerechten Krieg und stellt dem Leser diese anschließend an praktischen Beispielen dar. Auf den drei Bedingungen basiert Thomas von Aquins gesamte Theorie über den bellum iustum, welche im Nachhinein noch näher analysiert werden. Die erste Bedingung ist die autoritas principis. Es ist erforderlich, dass ein Oberhaupt existiert, auf dessen Gebot hin ein Krieg zu führen ist. Die zweite Bedingung ist die iusta causa. Es muss ein gerechter Grund vorhanden sein, um Krieg zu führen. Drittens spielt die intentio recta eine Rolle. Die Absicht der Kriegsführenden muss rechtschaffend sein, dass heißt das Gute muss gefördert und das Schlechte verhindert werden.[8]
Im zweiten Artikel wird die Frage beantwortet, ob Kriegsführung den Klerikern und Bischöfen erlaubt sei. Thomas von Aquin antwortet mit dem Argument, dass Kriegsdienste „den Geist zu stark beschäftigen“, zudem „kommt es ihnen [den Klerikern] nicht zu, zu töten oder Blut zu vergießen; sondern vielmehr, breit zu sein, das eigene Blut für Christus zu vergießen“. Es ist den Geistlichen demnach nicht erlaubt Krieg zu führen.[9]
Der dritte Artikel behandelt die Frage, ob es erlaubt wäre, sich im Krieg eines Hinterhaltes zu bedienen. Hier antwortet er auf drei verschiedene Arten: Im ersten Punkt zitiert er das Deuteronomium 16, 20: „Das was recht ist, sollst du in rechter Weise ausführen.“[10]. Daraus schließt er, dass ein Hinterhalt Betrug wäre und somit nicht gerechtfertigt. Der zweite Punkt wirft ein Argument Augustinus auf, welcher sagt, dass man „auch dem Feinde gegenüber aufrichtig sein muß“. Es soll trotz Feindschaft keine Disloyalität entstehen, denn bestimmte Regeln müssen eingehalten werden. Mit dem Vers Matthäus 7, 12 begründet er sein letztes Argument gegen Hinterhalte: „Was ihr wollt, das euch die Menschen tun, das sollt auch ihr ihnen tun.“[11]. Dies unterstreicht, dass auch der Feind, ein Nächster ist. Zum Schluss bringt Thomas von Aquin jedoch noch ein Gegenargument von Augustinus. Dieser schreibt, dass ein gerechter Krieg nicht daraus besteht, ob aus dem Hinterhalt gekämpft wird oder nicht. Abschließend präsentiert Thomas von Aquin seine eigene Meinung: Täuschung geschieht durch Tat und Wort und das ist immer unerlaubt. Es bedeutet, wenn der Feind ohnehin schon durch Aussagen irregeführt wird, spielt es keine Rolle mehr, ob er auch durch Taten getäuscht wird. Beides ist unrecht. Thomas von Aquin unterstreicht, dass Kriegsrechte und Verbindlichkeiten unter Feinden gewahrt werden müssen. Dies heißt aber nicht, dass die Parteien sich offen voreinander präsentieren sollten. Die Verheimlichung von Plänen ist durchaus erlaubt, denn man muss seine Gedanken nicht offenbaren.[12]
Der letzte aufgeführte Artikel behandelt die Frage, ob Kriegsführung an Feiertagen erlaubt sei. Er antwortet mit dem Argument, dass es erlaubt sei, wenn es dem Schutze des Staates dient.[13]
4 Thomas von Aquins Bedingungen für einen gerechten Krieg
Die drei Bedingungen, die Thomas von Aquin für einen gerechten Krieg definiert hat, sollen im Folgenden näher betrachtet werden. War es nötig, dass Thomas von Aquin sie augestellt hat? Die Verfassungsstruktur des Mittelalters hatte eigentlich keinen Bedarf nach einer Rechtfertigungstheorie. Die Zeit war geprägt durch viele Kreuzzüge, welche von der Kirche aus gerechtfertigt waren. Die Kriege gegen Ungläubige erfüllen die Bedingungen, die an einen gerechten Krieg gestellt werden. Sie werden von der legitimen, für Gerechtigkeit eifernden Autorität aus einem gerechten Grund geführt. Albert Zimmermann beschreibt diesen Zustand in seinem Werk „Thomas lesen“ wie folgt: „Ein Gesetz, das wirksam auf das Gemeinwohl ausgerichtet und deshalb gemäß der praktischen Vernunft gerecht ist, bindet die Bürger im Gewissen. Hingegen ist niemand sittlich verpflichtet, ungerechten Gesetzen Folge zu leisten. [...] Der Bürger ist allerdings gehalten, staatliche Regelungen, die gegen das göttliche Gesetz verstoßen, beispielsweise Vorschriften, die Götzendienst oder ähnliches verlangen, nicht Folge zu leisten. [...] Thomas betont jedenfalls, der Wille der staatlichen Autorität bewirke ein Gesetz nur unter der Bedingung, dass die Grundsätze der praktischen Vernunft beachtet werden. Die verpflichtende Kraft eines Gesetzes hängt demnach niemals nur von der auctoritas des Gesetzgebers ab. Das Vorgeschriebene muß auch der praktischen Vernunft und deren Wahrheit angemessen sein.“[14] Diese praktische Vernunft wurde während der Kreuzzüge angezweifelt. Thomas von Aquin befasste sich demnach mit einem aktuellen Problem. Das Christentum, die andere prägende Kraft des Mittelalters, empfand eine Rechtfertigung als zwingend und notwendig.
[...]
[1] Peter: Gerechter Krieg, S. 266 [Stichwort: Gerechter Krieg].
[2] Kluxen: Lex Naturalis bei Thomas von Aquin, S. 34.
[3] Ebd., S.9.
[4] Vgl. Morgenstern: Alltagswelten.
[5] Aquin: Summa theologica, S. 82.
[6] Die Bibel, Mt. 5, 39, S. 1081.
[7] Aquin: Summa theologica, S. 83.
[8] Ebd., S. 83ff.
[9] Ebd., S. 90.
[10] Die Bibel, Deuteronomium 16, 20, S. 197 “Du sollst das Recht nicht beugen“.
[11] Ebd., Matthäus 7, 12, S. 1083 „Alles was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“.
[12] Aquin: Summa theologica, S. 93f.
[13] Ebd., S. 95f.
[14] Zimmermann: Thomas lesen, S. 247ff.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.