In dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der Weltkulturerbetitel neben der vorrangigen Schutzfunktion für die deutschen Weltkulturerbestätten und deren Besucher hat.
Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Nutzendimensionen für die Anbieter und Nachfrager zu identifizieren und zu überprüfen, wobei ein Schwerpunkt auf die kulturtouristische Relevanz des Weltkulturerbetitels gelegt wird. Aus Sicht der Weltkulturerbestätten werden zudem das mediale, finanzielle, manageriale, wirtschaftliche und kulturelle Potenzial des Weltkulturerbe-Labels untersucht.
Seitens der Besucher der Weltkulturerbegüter stellt sich die Frage, inwieweit der Weltkulturerbetitel die Reiseentscheidung und die Weltkulturerbe-Vermittlung vor Ort beeinflusst.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der UNESCO-Weltkulturerbetitel
2.1 Gründung, Ziele und Aufgaben der UNESCO
2.2 Die Welterbekonvention
2.2.1 Die Entstehung und Grundidee der Welterbekonvention
2.2.2 Der Begriff „Weltkulturerbe“ und die Aufnahmekriterien
2.2.3 Verpflichtungen aus der Welterbekonvention für die Weltkulturerbestätten – der Managementplan
2.2.4 Mechanismen zur Überwachung des Erhaltungszustandes der Weltkulturerbestätten
2.3 Das Weltkulturerbe in der Welt
3. Das Weltkulturerbe in Deutschland
3.1 Die deutsche Weltkulturerbeliste
3.2 Das Prozedere der Aufnahme in die Welterbeliste – Eine Koproduktion von Bund, Ländern und Kommunen
3.3 Die Finanzierung der deutschen Weltkulturerbestätten
4. Die Nutzendimensionen aus Sicht der Weltkulturerbestätten
4.1 Weltkulturerbe-Tourismus
4.1.1 Definition Tourismus, Kulturtourismus und Weltkulturerbe-Tourismus
4.1.2 Der Weltkulturerbetitel als touristischer Standortfaktor
4.1.3 Weltkulturerbe und Tourismus – im Spannungsfeld zwischen „Schützen und Nützen“
4.1.4 Nachhaltigkeit im Weltkulturerbe-Tourismus
4.2 Weitere Nutzendimensionen
5. Die Nutzendimensionen aus Sicht der Besucher der Weltkulturerbestätten
5.1 Der Weltkulturerbetitel als Besuchsanreiz
5.2 Weltkulturerbe-Vermittlung
6. Empirische Untersuchung zu den Nutzendimensionen aus Sicht
6.1 Das Forschungsdesign und Untersuchungsverfahren
6.1.1 Experteninterview
6.1.2 Besucherbefragung
6.2 Auswertung der Experteninterviews
6.2.1 Weltkulturerbe-Tourismus
6.2.2 Weitere Nutzendimensionen
6.3 Auswertung der Besucherbefragung
6.3.1 Der Weltkulturerbetitel als Besuchsanreiz
6.3.2 Weltkulturerbe-Vermittlung
6.4 Weltkulturerbe-Tourismus: Herausforderungen
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
Mit der Welterbekonvention hat die UNESCO ein weltweit anerkanntes völkerrechtliches Instrument zum Schutz von Kultur- und Naturerbestätten, die von außergewöhnlicher universeller Bedeutung für die Menschheit sind, geschaffen. Damit wurde ein jährlich wachsendes globales Netzwerk aufgebaut, das nationale und internationale Ressourcen mobilisiert, um kostbare Güter vor Verfall und Zerstörung zu bewahren. Mit 37 Welterbestätten – davon 34 Weltkulturerbestätten – ist Deutschland zahlreich in der Welterbeliste vertreten. Durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Akteure wie Bund, Länder, Kommunen, Deutsche UNESCO-Kommission (DUK), Internationaler Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) und nicht zuletzt die Welterbegüter wird die Welterbekonvention in Deutschland umgesetzt.
Doch welche Auswirkungen hat der Weltkulturerbetitel neben dem vorrangigen Schutz und Erhalt des Kulturerbes auf die deutschen Weltkulturerbestätten?
Was verändert sich, wenn aus einem Kulturdenkmal ein Weltkulturdenkmal wird (…)? Das ist sicherlich eine häufig gestellte Frage – gerade dann, wenn der begehrte Status noch nicht erreicht ist. Politiker und Touristiker werten den Welterbestatus gerne als harten Standortfaktor, rechnen mit erheblich zunehmenden Besuchs- und Übernachtungszahlen. Kulturverantwortliche hoffen auf höhere Zuwendungen und Investitionen seitens der Länder, Kreise, Städte und Gemeinden. Eventveranstalter erkennen mit zielsicherem Blick eine Aufwertung nun plötzlich viel begehrenswerterer Kulissen (Schefers 2009: 70).
Schefers spricht einige zentrale nutzenbringende Folgeerscheinungen an, die mit der Auszeichnung für die Weltkulturerbestätten einhergehen können. Egal ob in öffentlichen, politischen oder wissenschaftlichen Diskussionen – in der Regel wird dem Einfluss des UNESCO-Gütesiegels auf den Tourismus die höchste Bedeutung beigemessen. Zudem wirft die Annahme des touristischen Mehrwerts die Frage auf, welche Relevanz der Weltkulturerbetitel für die Besucher1 der deutschen Weltkulturerbegüter hat.
Betrachtet man den aktuellen Forschungsstand, stellt man fest, dass die kulturmanageriale und -touristische Auseinandersetzung mit dem Thema „Kulturelles Erbe“ im Vergleich zum englischsprachigen Raum2 in Deutschland noch am Anfang steht (vgl. Brückner 2010: 109).3 Insbesondere dem UNESCO-Weltkulturerbe und dem damit verbundenen Weltkulturerbe-Tourismus wird in der deutschsprachigen Forschung eine geringe Aufmerksamkeit zu Teil (vgl. Kremer / Lehmeier / Stein 2011: 58, Luger 2008: 19, Deutscher Bundestag 2007: 206, Dümcke 2006: III).
Neben der Interdisziplinarität wird in der Welterbe-Forschung meist einzelfallbezogen gearbeitet, wodurch die Untersuchungsergebnisse stark an individuelle Rahmenbedingungen geknüpft sind (vgl. Brückner 2010: 109): So untersuchen bisherige Arbeiten den Weltkulturerbe-Tourismus als Marktnische am Beispiel des Oberen Mittelrheintals (vgl. cbs 2004), die touristische Wahrnehmung der Welterbestätte Bamberg (vgl. Kremer / Lehmeier / Stein 2011), den städtebaulichen Denkmalschutz und die Tourismusentwicklung ostdeutscher UNESCO-Welterbestädte (vgl. BMVBS / BBR 2007) sowie die Konflikte zwischen kommunalen Belangen und der UNESCO-Welterbekonvention in deutschen Welterbestädten (vgl. Hotz 2004). Eine erste systematische Untersuchung aller Welterbestätten, die vor allem deren Förderung und Finanzierung, aber auch den Tourismus sowie das Management der Welterbestätten beleuchtet, liefert Dümcke (vgl. Dümcke 2006). Ferner nähern sich kulturwissenschaftliche (vgl. Wöhler 2008) und soziologische (vgl. Bachleitner / Rehbogen: 2008, Brückner 2010) Arbeiten dem Phänomen Weltkulturerbe-Tourismus.
Die vorliegende Untersuchung, die in dieser Form bisher noch nicht durchgeführt wurde, soll einen Beitrag dazu leisten, die bestehende Forschungslücke in der Welterbe-Forschung zu schließen. Es wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der Weltkulturerbetitel neben der vorrangigen Schutzfunktion für die deutschen Weltkulturerbestätten und deren Besucher hat. Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Nutzendimensionen für die Anbieter und Nachfrager zu identifizieren und zu überprüfen, wobei ein Schwerpunkt auf die kulturtouristische Relevanz des Weltkulturerbetitels gelegt wird. Aus Sicht der Weltkulturerbestätten werden zudem das mediale, finanzielle, manageriale, wirtschaftliche und kulturelle Potenzial des Weltkulturerbe-Labels untersucht. Seitens der Besucher der Weltkulturerbegüter stellt sich die Frage, inwieweit der Weltkulturerbetitel die Reiseentscheidung und die Weltkulturerbe-Vermittlung vor Ort beeinflusst. Demnach ergibt sich eine zentrale These: Neben der vorrangigen Schutzfunktion erfüllt der Weltkulturerbetitel eine Reihe von weiteren Nutzendimensionen für die Weltkulturerbestätten und deren Besucher.
Im zweiten Kapitel der Arbeit werden dem Leser Hintergrundinformationen über die UNESCO und die Welterbekonvention an die Hand gegeben, die für das Verständnis der Arbeit unerlässlich sind. Hierbei wird unter anderem die Grundidee der Welterbekonvention beschrieben, der Begriff „Weltkulturerbe“ definiert und auf die Verpflichtungen, die sich aus dem Weltkulturerbestatus für die deutschen Weltkulturerbegüter ergeben, eingegangen. Das Kapitel 3 stellt die deutsche Weltkulturerbeliste in den Mittelpunkt, informiert über das komplexe Aufnahmeverfahren sowie die beteiligten Akteure in Deutschland und skizziert die finanzielle Situation der deutschen Weltkulturerbestätten.
In dem darauffolgenden Kapitel 4 werden die in der aktuellen Welterbe-Forschung – zumeist ohne empirische Fundierung – beschriebenen Nutzendimensionen für die Weltkulturerbestätten herausgearbeitet, die in der vorliegenden Arbeit den Schwerpunkt bilden. Dabei wird der Fokus auf den Weltkulturerbe-Tourismus gelegt. Nach einer kurzen Begriffsbestimmung soll auf den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur touristischen Bedeutung des Weltkulturerbetitels eingegangen werden. Daneben werden das mit dem Weltkulturerbe-Tourismus zusammenhängende Spannungsverhältnis „Schützen und Nützen“ und das Thema der Nachhaltigkeit im Weltkulturerbe-Tourismus angesprochen. Anschließend sollen weitere Nutzendimensionen wie zum Beispiel der Prestigegewinn, die Verbesserung der Finanzierung und die Stadt- und Regionalentwicklung umrissen werden. Das Kapitel 5 widmet sich der Perspektive der Nachfrager und konzentriert sich auf folgende zwei Aspekte: Neben den bisherigen Forschungsergebnissen zur Rolle des Weltkulturerbetitels als Besuchsanreiz wird der Weltkulturerbe-Vermittlung – einer bisher wenig beachteten Nutzendimension im Kontext des Weltkulturerbe-Tourismus – Beachtung geschenkt.
Das anschließende Kapitel 6 umfasst die empirische Untersuchung und setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Zum einen wurden qualitative Experteninterviews mit den verantwortlichen Akteuren der Weltkulturerbestätten durchgeführt, um der Frage nachzugehen, welchen Nutzen der Weltkulturerbetitel tatsächlich für die Weltkulturerbegüter hat. Mit dem Ziel, die subjektiven Meinungen der Verantwortlichen der Weltkulturerbegüter um eine Außenperspektive zu ergänzen, äußerten sich auch Experten der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK), des UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. und der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Zum anderen wurde eine teilstandardisierte Besucherbefragung in zwei Weltkulturerbestätten durchgeführt, um die Nutzendimensionen aus Sicht der Besucher empirisch zu überprüfen. Anhand der Untersuchungsergebnisse werden im Anschluss die zentralen Herausforderungen abgeleitet, die mit dem Weltkulturerbe-Tourismus verbunden sind. Das abschließende Kapitel 7 nimmt auf die These Bezug, fasst die Ergebnisse zusammen und liefert einen kurzen Ausblick.
2. Der UNESCO-Weltkulturerbetitel
2.1 Gründung, Ziele und Aufgaben der UNESCO
Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)4 ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die derzeit 195 Mitgliedstaaten zählt (vgl. Nr. 4), und ihren Sitz in Paris hat.
Der Grundstein der UNESCO wurde während des Zweiten Weltkriegs im Rahmen der Konferenz der alliierten Bildungsminister (Conference of Allied Ministers of Education, CAME) von 1942 bis 1945 gelegt, bevor am 16. November 1945 die UNESCO mit der Unterzeichnung einer eigenen Verfassung (vgl. UNESCO 2001) durch 37 Staaten in London gegründet wurde.5 Die UNESCO zog ihre Lehren aus den Verbrechen des Faschismus, indem sie sich folgender Leitidee verschrieb: „Friede muss – wenn er nicht scheitern soll – in der geistigen und moralischen Solidarität der Menschheit verankert werden“ (Präambel der UNESCO-Verfassung, UNESCO 2001: 399 f.). Die Erziehung und Bildung des Menschen nehmen damit eine Schlüsselfunktion bei der Erhaltung des Weltfriedens ein.
Die Leitidee der Friedenssicherung findet sich auch im Mission Statement der UNESCO wieder:
As a specialized agency of the United Nations, UNESCO contributes to the building of peace, the eradication of poverty, sustainable development and intercultural dialogue through education, the sciences, culture, communication and information (UNESCO 2008a: 7).
Die Arbeit der UNESCO setzt sich demnach aus den vier Aufgabenfeldern Bildung, Wissenschaft, Kultur sowie Kommunikation und Information zusammen. Zudem benennt die Mittelfristige Strategie 2008-2013 der UNESCO fünf Hauptziele, wobei der Kontinent Afrika und die Gleichberechtigung der Geschlechter in diesem Zeitraum fachübergreifende Schwerpunkte bilden (vgl. ebd. 9 f.):
- Attaining quality education for all and lifelong learning
- Mobilizing science knowledge and policy for sustainable development
- Addressing emerging social and ethical challenges
- Fostering cultural diversity, intercultural dialogue and a culture of peace
- Building inclusive knowledge societies through information and communication (ebd.: 16-32)
Aus dem Zweijahresplan 2012-2013 der UNESCO lassen sich ferner die konkreten Programme, Projekte sowie Budgetpläne der einzelnen Aufgabenfelder entnehmen. Für den Kulturbereich werden sechs Ziele definiert, die sich vorranging auf den Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes beziehen:
- Protecting and conserving cultural and natural heritage through the effective implementation of the 1972 Convention
- Enhancing the protection of cultural property and fighting against traffic in cultural property through the effective implementation of the 1954, 1970 and 2001 Conventions
- Safeguarding the intangible cultural heritage through the effective implementation of the 2003 Convention
- Sustaining and promoting the diversity of cultural expressions through the effective implementation of the 2005 Convention
- Promoting the role of culture in development at the global, regional and national levels
- Promoting intercultural dialogue, social cohesion and a culture of peace and non-violence (UNESCO 2012: 152 f.)6
Mit dem Beitritt in die UNESCO verpflichten sich alle Mitgliedstaaten, in ihren Ländern nationale Kommissionen aufzubauen (vgl. Schöfthaler 2005: 249). In der Bundesrepublik Deutschland, die der UNESCO am 11. Juli 1951 beitrat, wurde für diesen Zweck die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) gegründet. Als Mittlerorganisation der deutschen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wird sie vom Auswärtigen Amt gefördert (vgl. Klein 2009: 117 f.) und ist damit beauftragt,
- die Bundesregierung, den Bundestag und die übrigen zuständigen Stellen in allen Fragen zu beraten, die sich aus der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der UNESCO ergeben
- an der Ausgestaltung der Mitgliedschaft Deutschlands in der UNESCO mitzuwirken und Beiträge zur Völkerverständigung und internationalen Zusammenarbeit zu entwickeln und umzusetzen
- im Sinne der friedenssichernden Arbeit der UNESCO zu einer weltoffenen und nachhaltigen Wissensgesellschaft in Deutschland beizutragen
- die internationale Verständigung, die Weltoffenheit und das kulturelle Engagement von Jugendlichen durch internationale Begegnungen und Austausch zu fördern
- die Öffentlichkeit über die Zwecke und die Arbeit der Kommission zu unterrichten sowie Mittel zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke der UNESCO insgesamt zu beschaffen (Nr. 6).
2.2 Die Welterbekonvention
2.2.1 Die Entstehung und Grundidee der Welterbekonvention
Der Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes bildet7 einen zentralen Arbeitsbereich der UNESCO und spiegelt sich am deutlichsten in dem 1972 verabschiedeten Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbekonvention) wider, das am 17. Dezember 1975 in Kraft trat und bislang von 189 Staaten ratifiziert wurde.
Die Ursprünge der Welterbekonvention liegen im Kriegsvölkerrecht zum Kulturgüterschutz, das 1899 mit der Haager Landkriegsordnung seinen Anfang nahm und in der Haager Konvention zum Schutz des Kulturellen Erbes bei bewaffneten Konflikten von 1954 durch die UNESCO festgeschrieben wurde (vgl. Pfeifle 2010: 2 f.).
Die drohende Überflutung des Tempels von Abu Simbel im Zuge des Baus des Assuan-Staudamms gilt als historischer Auslöser für das Welterbeprogramm. Nachdem Ägypten und der Sudan 1959 um internationale Hilfe baten, reagierte die UNESCO mit einer Hilfskampagne8, die die 80 Millionen Dollar teure Verlegung der Tempelanlage veranlasste und somit die Rettung der Kulturstätte sicherte (vgl. Nr. 7). Damit war der Präzedenzfall geschaffen, aus dem sich „das weitreichendste völkerrechtliche Übereinkommen (…), das jemals von der internationalen Staatengemeinschaft zur Bewahrung ihres gemeinsamen (…) Erbes beschlossen worden ist“ (Schlünkes 2009a: 16), entwickelte.
Der Grundgedanke des Welterbeprogramms findet sich in der Präambel der Welterbekonvention wieder: Zunächst einmal wird darauf hingewiesen, dass „das Kulturerbe und das Naturerbe zunehmend von Zerstörung bedroht sind, nicht nur durch die herkömmlichen Verfallsursachen, sondern auch durch den Wandel der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ (Präambel der WEK, UNESCO 1972: 27).9 Die UNESCO möchte dieser Entwicklung entgegenwirken und hebt hervor, „dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher [universeller] Bedeutung sind und daher als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden müssen“ (Präambel der WEK, ebd.: 28), denn „der Verfall oder der Untergang jedes einzelnen Bestandteils des Kultur- oder Naturerbes [stellt] eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt dar (…)“ (Präambel der WEK, ebd.: 27).
Zentral ist folglich die Idee des universellen Menschheitserbes, denn es gibt Kulturerbegüter auf der Welt, die so kostbar sind, dass sie nicht alleine der Verantwortung des Staates überlassen werden sollten, auf deren Territorium sie sich befinden. Die Souveränität der Staaten, die über Welterbestätten verfügen, bleibt jedoch unangetastet (Art. 6 Abs. 1 der WEK, vgl. ebd.: 30 f.), womit die Grundvoraussetzung für die weltweit große Akzeptanz des Welterbeprogramms geschaffen wurde (vgl. Pfeifle 2010: 5). Der Welterbegedanke manifestiert sich demnach in einem „virtuelle[n] Souveränitätsverzicht im Geiste der internationalen Kooperation“ (Bernecker / Eschig / Klein u. a. 2009: 10).
Mit der Anerkennung der Welterbekonvention verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die Erfassung, den Schutz und die Erhaltung der auf seinem Hoheitsgebiet befindlichen Welterbestätten in erster Linie eigenverantwortlich wahrzunehmen (Art. 4 der WEK, vgl. UNESCO 1972: 29 f.). Fehlen dem Vertragsstaat jedoch die nötigen Ressourcen, um seine Politik so auszugestalten, dass die Welterbegüter ausreichend geschützt werden und für zukünftige Generationen zugänglich bleiben, kann dieser bei der internationalen Staatengemeinschaft um finanzielle, künstlerische, wissenschaftliche oder technische Hilfe bitten (Art. 22 der WEK, vgl. ebd.: 40). Der hierfür eingerichtete „Fonds für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ (Art. 15-18 der WEK, vgl. ebd.: 36-38), der sich zum größten Teil aus Pflichtbeiträgen der Vertragsstaaten zusammensetzt und jährlich circa vier Millionen Dollar umfasst (vgl. Nr. 8), kann in solchen Fällen zum Einsatz kommen. In der Regel machen davon jedoch nur Staaten Gebrauch, die über geringe finanzielle Mittel (z. B. afrikanische Länder) verfügen.
Artikel 27 der Welterbekonvention unterstreicht ferner den Bildungsauftrag, den die Vertragsstaaten zu erfüllen haben, um „die Würdigung und Achtung des (…) Kultur- und Naturerbes durch ihre Völker zu stärken“ (Art. 27 Abs. 1 der WEK, UNESCO 1972: 41). Dabei verpflichten sich die Vertragsstaaten und ihre Welterbestätten, „die Öffentlichkeit über die diesem Erbe drohenden Gefahren und die Maßnahmen auf Grund dieses Übereinkommens umfassend zu unterrichten“ (Art. 27 Abs. 2 der WEK, ebd.: 41), um „Bewusstsein, Verständnis und Achtung für die Notwendigkeit, das Kultur- und Naturerbe zu erhalten, zu stärken“ (Art. 211 der Richtlinien10, UNESCO 2008b: 257). Dahinter steht demzufolge der Gedanke, dass der nationale und internationale Wert von Welterbestätten nur durch ein erhöhtes Bewusstsein in der Bevölkerung dauerhaft gesichert werden kann.
Durch Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsprogramme sollen vor allem jüngere Generationen mit der Welterbeidee vertraut gemacht werden.11 Der universale Schutzgedanke, das Verständnis für andere Kulturen, der interkulturelle Dialog und das übergeordnete UNESCO-Ziel der Friedenssicherung sind zentrale Werte, die mit Hilfe der Welterbestätten vermittelt werden sollen (vgl. Eschig 2008: 180).
2.2.2 Der Begriff „Weltkulturerbe“ und die Aufnahmekriterien
Einmal im Jahr verleiht das Welterbekomitee (Art. 8-14 der WEK, vgl. UNESCO 1972: 31-36) den Welterbetitel, der sich in Weltkultur- und Weltnaturerbe12 unterscheiden lässt. Für die vorliegende Arbeit ist ausschließlich das Weltkulturerbe relevant. Im Artikel 1 der Welterbekonvention wird definiert, welche Gruppen von Schutzobjekten zum Weltkulturerbe zählen:
Im Sinne dieses Übereinkommens gelten als »Kulturerbe«
Denkmäler: Werke der Architektur, Großplastik und Monumentalmalerei, Objekte oder Überreste archäologischer Art, Inschriften, Höhlen und Verbindungen solcher Erscheinungsformen, die aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;
Ensembles: Gruppen einzelner oder miteinander verbundener Gebäude, die wegen ihrer Architektur, ihrer Geschlossenheit oder ihrer Stellung in der Landschaft aus geschichtlichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind;
Stätten: Werke von Menschenhand oder gemeinsame Werke von Natur und Mensch sowie Gebiete einschließlich archäologischer Stätten, die aus geschichtlichen, ästhetischen, ethnologischen oder anthropologischen Gründen von außergewöhnlichem universellem Wert sind (Art. 1 der WEK, ebd.: 28 f.).
Aus der Begriffsbestimmung wird ersichtlich, dass die UNESCO mit einem weiten Kulturbegriff arbeitet und folglich Kultur nicht einseitig als Hochkultur, sondern als gesamte Lebenswirklichkeit des Menschen auffasst (vgl. Pfeifle 2010: 29 f.). In der Absicht, möglichst viele Arten von Kulturerbestätten zu erfassen, die von herausragender kultureller Bedeutung sind, wird in der Welterbekonvention von einem Kulturbegriff in Abgrenzung zur Natur ausgegangen (vgl. Klein 2009: 35). Die Weltkulturerbe-Kategorien Kulturlandschaften oder Welterbe-Kanäle13 belegen dies. Kultur ist demnach alles, was nicht mehr ausschließlich Natur ist, wobei das sehr weite Verständnis dieses Kulturbegriffs in der Welterbekonvention auf die engeren dinglichen Größen Denkmäler, Ensembles und Stätten eingeschränkt wird.
Auf der Grundlage von sogenannten Tentativlisten (Art. 62-76 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 218-221), die von den Vertragsstaaten angefertigt werden und alle für die Eintragung geeigneten Stätten beinhalten, entscheidet das UNESCO-Welterbekomitee, welche Stätten in die Welterbeliste aufgenommen werden. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS)14, das Internationale Studienzentrum für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM) und die – für das Weltkulturerbe irrelevante – Weltnaturschutzunion (IUCN) beraten dabei das UNESCO Welterbekomitee (Art. 30-37 der Richtlinien, vgl. ebd.: 208-211). Die fachliche Beteiligung von Nicht-Regierungsorganisationen trägt laut Ringbeck maßgeblich zur Glaubwürdigkeit der Welterbeliste bei (vgl. Ringbeck o. J.: 5).
Bei der Auswahl orientiert sich das Welterbekomitee an dem wichtigsten Kriterium: dem außergewöhnlichen universellen Wert der Stätte. Dieser „bezeichnet eine kulturelle (…) Bedeutung, die so außergewöhnlich ist, dass sie die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch für künftige Generationen der gesamten Menschheit von Bedeutung ist“ (Art. 49 der Richtlinien, UNESCO 2008b: 215). Artikel 77 der Richtlinien spezifiziert den außergewöhnlichen universellen Wert und legt fest, dass eine Weltkulturerbestätte mindestens eines der folgenden sechs Kriterien erfüllen muss:
Angemeldete Güter sollten daher
i) ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen;
ii) für einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf die Entwicklung der Architektur oder Technik, der Großplastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen;
iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen;
iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen;
v) ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere, wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird;
vi) in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein. (Das Komitee ist der Ansicht, dass dieses Kriterium in der Regel nur in Verbindung mit anderen Kriterien angewandt werden sollte); (...) (Art. 77 der Richtlinien, ebd.: 221 f.).
Zudem müssen Kulturgüter die übergreifenden Kriterien der Einzigartigkeit, Authentizität (Echtheit) und Integrität (Unversehrtheit) erfüllen. Die Authentizität liegt vor, wenn der „kulturelle (…) Wert (…) wahrheitsgemäß und glaubwürdig durch eine Vielzahl von Merkmalen [Form, Material, Gebrauch, Traditionen etc.] zum Ausdruck gebracht wird“ (Art. 82 der Richtlinien, ebd.: 223). An der Integrität bemisst sich die Ganzheit und Vollständigkeit eines Kulturguts hinsichtlich seiner physischen Substanz sowie seiner besonderen Merkmale, die in einem guten Zustand sein müssen. Außerdem verlangt die Welterbekonvention, dass die zukünftige Weltkulturerbestätte die Folgen der natürlichen Verfallsprozesse unter Kontrolle hat (Art. 88-89 der Richtlinien, vgl. ebd.: 224). Darüber hinaus spielt die Wahrnehmung der visuellen Integrität, die sich auf den ästhetischen Gesamteindruck und die dominierende Fernwirkung eines Kulturguts (Sichtachsen, Silhouetten, Panorama-Blicke) bezieht, eine wichtige Rolle (vgl. Ringbeck 2008: 30-32).
Daneben muss ein geeigneter Schutz- und Verwaltungsplan vorliegen (Art. 78 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 222), der den Erhalt der Stätte sicherstellt. Hierfür dient unter anderem der sogenannte Managementplan, der im Folgenden näher beleuchtet wird.
2.2.3 Verpflichtungen aus der Welterbekonvention für die Weltkulturerbestätten – der Managementplan
Der Weltkulturerbestatus ist primär mit keinen finanziellen Zuwendungen seitens der UNESCO verbunden, sondern umfasst eine Fülle von Selbstverpflichtungen und Auflagen für den Vertragsstaat und seine Weltkulturerbestätten, um den Schutz und Erhalt des außergewöhnlichen universellen Wertes der Stätte zu gewährleisten. Die UNESCO-Auszeichnung stellt somit erhöhte Anforderungen an die Denkmalpflege, die Verwaltung und das Management der Weltkulturerbestätten.
Da der Welterbekonvention als völkerrechtliches Instrument klare Grenzen hinsichtlich der Einflussmöglichkeiten auf den Welterbeschutz in den souveränen Vertragsstaaten gesetzt sind, versucht die UNESCO schon während des Antragsverfahrens, die Erstellung von detailliert ausgearbeiteten und funktionsfähigen Schutz-, Management- und Finanzierungsinstrumenten in den potenziellen Weltkulturerbestätten zu forcieren (vgl. Hotz 2004: 41). Hierbei spielt der Managementplan eine wichtige Rolle, den die UNESCO seit 2005 für eine Eintragung in die Welterbeliste verlangt (vgl. Dümcke 2006: 39). Ringbeck beschreibt die Kernidee des Managementplans wie folgt:
Ein Managementplan für eine Welterbestätte ist ein integriertes Planungs- und Handlungskonzept zur Festlegung der Ziele und Maßnahmen, mit denen der Schutz, die Pflege, die Nutzung und Entwicklung von Welterbestätten verwirklicht werden sollen (Ringbeck 2008: 6).
Ein offizielles, allgemeingültiges Muster der UNESCO für einen Managementplan gibt es jedoch nicht, was nicht zuletzt auf die spezifischen Besonderheiten jeder Weltkulturerbestätte zurückzuführen ist (vgl. ebd.: 7). Ringbeck greift in der Publikation Managementpläne für Welterbestätten. Ein Leitfaden für die Praxis (2008) die wichtigsten Elemente aus den Richtlinien auf (Art. 96-119 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 228 f.)15 und stellt mögliche Komponenten eines Managementplans zusammen, der auf die spezifischen Rahmenbedingungen in Deutschland zugeschnitten ist:
- 1. Zentrales Anliegen (Inhalt und Zielsetzung des Managementplans)
- 2. Welterbeeigenschaften (Begründung des außergewöhnlichen universellen Wertes; Feststellung der Echtheit und/oder Unversehrtheit)
- 3. Schutzgut, Schutzziel und Schutzinstrumente16
- 4. Schutzgebiet (Grenzen der Welterbestätte; Pufferzone17 ; Sichtachsen, Silhouetten- und Panoramaschutz)
- 5. Verwaltungssystem
- a) Verwaltungsstrukturen (Behörden und Verfahren; Eigentumsverhältnisse und Trägerschaft; Koordinierung)
- b) Planungs- und Handlungsgrundlagen (Zielsetzung, Leitbilder und Strategien; Masterplan und Maßnahmenkatalog; Inventare; Wissenschaft und Forschung)
- c) Gefahren und präventiver Schutz (Klimaveränderungen; Naturkatastrophen; Tourismusdruck; Überbevölkerung; Ensembles- und Gebäudesicherung)
- d) Monitoring und Qualitätssicherung (Regelmäßige Berichterstattung; Reaktive Überwachung; Vorbeugende Überwachung; Verfahren und Welterbeverträglichkeitsprüfung, Beiräte und Kommissionen; Konfliktmanagement)
- e) Vermittlung (Bildung und Information; Tourismus und Besucherlenkung; Sonderveranstaltungen wie der Welterbetag; Netzwerke und internationale Kooperationen; Nutzung des Welterbe- und des UNESCO-Logos)
- 6. Nachhaltige Nutzung
- 7. Ressourcen (Personal; Finanzierung)
- 8. Anlagen (Kartenmaterial; Informationsquellen etc.) (vgl. Ringbeck 2008: 14-56)
Die Richtlinien betonen, dass die Ausarbeitung des Managementplans unter Beteiligung der Bevölkerung der Weltkulturerbestätte bzw. der angrenzenden Region stattfinden sollte (Art. 108 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 228). Ob dies in der Praxis geschieht, ist jedoch fraglich.
Darüber hinaus stellt Lotz fest, dass der Managementplan häufig als bloßer obligatorischer Bestandteil des Bewerbungsverfahrens angesehen und nicht in das konkrete Management der Weltkulturerbestätten implementiert wird. Der regelmäßigen Fortschreibung des Managementplans wird zudem oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt (vgl. Lotz 2007: 4).
Laut Dümcke verfügten 2006 nur 13 von 29 Weltkulturerbestätten in Deutschland über einen guten und aussagekräftigen Managementplan (vgl. Dümcke 2006: 38), wobei die heutige Zahl vermutlich höher liegt, denn zum einen mussten alle nach 2000 aufgenommenen Weltkulturerbestätten einen Managementplan vorweisen. Zum anderen sind die Weltkulturerbegüter, für die bisher kein Managementplan existiert, angehalten, diesen nachzureichen. Unter Mithilfe des ICOMOS versucht die UNESCO, den diesbezüglichen Nachholbedarf bei den deutschen Weltkulturerbestätten durch ein regelmäßiges Monitoring zu beseitigen (vgl. ebd.: 39). Auch die DUK hebt in ihren Resolutionen immer wieder die Bedeutung des Managementplans als kurz-, mittel- und langfristiges Planungs- und Steuerungsinstrument hervor (vgl. DUK 2006, DUK 2009).
Außerdem empfiehlt das Pariser Welterbezentrum und die DUK die Einsetzung eines Welterbe-Koordinators in jeder Weltkulturerbestätte. Dieser soll „für alle aus der Welterbekonvention resultierenden Belange der Stätte im Sinne einer verbesserten Abstimmung aller jeweils beteiligten Akteure Sorge [tragen]“ (vgl. DUK 2006). Auch hier offenbart sich ein Verbesserungspotenzial, denn im Jahr 2006 verfügten nur 11 von 29 deutschen Stätten über einen Welterbe-Koordinator (vgl. Dümcke 2006: 41).
2.2.4 Mechanismen zur Überwachung des Erhaltungszustandes der Weltkulturerbestätten
Die UNESCO hat verschiedene Instrumente entwickelt, die die kontinuierliche Überwachung des Zustandes der gelisteten Weltkulturerbestätten sicherstellen und erheblich zur globalen Wirkungskraft der Welterbekonvention beitragen. Pfeifle folgert daraus, dass die Welterbekonvention „im Gegensatz zu manch anderen völkerrechtlichen Übereinkommen erhebliche tatsächliche Effektivität entfaltet, also gerade keinen so genannten sleeping treaty mit bloßer ,Präambellyrik‘ darstellt“ (Pfeifle 2010: 25).
Mit der Ratifizierung der Konvention verpflichten sich die Vertragsstaaten zur regelmäßigen Berichterstattung, die sich aus Artikel 29 der Welterbekonvention in Verbindung mit Kapitel 5 der Richtlinien ergibt und im sechsjährigen Turnus erfolgt (Art. 203 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 254). Mit Hilfe der bislang einmal durchgeführten18 regelmäßigen Berichterstattung werden dem Welterbekomitee die wichtigsten Informationen hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen zur Durchführung des UNESCO-Übereinkommens und zum Erhaltungszustand der Weltkulturerbestätten übermittelt (Art. 29 der WEK, vgl. UNESCO 1972: 42). Die Berichtspflicht trägt demnach erheblich zur langfristigen Erhaltung der Güter und zur Stärkung der Glaubwürdigkeit der Welterbekonvention bei (Art. 202 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 254).
Ein weiteres wichtiges Kontrollinstrument stellt die reaktive Überwachung dar. Hiernach verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, das Welterbekomitee über geplante Wiederherstellungs- oder Neubaumaßnahmen zu benachrichtigen, die Auswirkungen auf den außergewöhnlichen universellen Wert der Weltkulturerbestätte haben könnten (Art. 169 der Richtlinien, vgl. ebd.: 246). Zudem geht das Welterbekomitee allen Hinweisen nach, wenn Weltkulturerbegüter in bedrohlichem Ausmaß vom Verfall betroffen oder anderweitig gefährdet sind (Art. 174 der Richtlinien, vgl. ebd. 247). Den Verdacht können dabei sowohl ein anderer Vertragsstaat als auch Bürger, Vereine und Initiativen äußern (vgl. Ringbeck o. J.: 5).
Auf Grundlage der im Zuge der reaktiven Überwachung gewonnenen Informationen kann das Welterbekomitee eine Weltkulturerbestätte auf die „Liste des gefährdeten Erbes der Welt“ setzen, wenn diese „durch ernste und spezifische Gefahren bedroht ist“ (Art. 11 Abs. 4 der WEK, UNESCO 1972: 33). Hierzu gehören zum Beispiel der schwerwiegende Verfall des Materials, ein substanzieller Verlust an geschichtlicher Echtheit sowie kultureller Bedeutung, das Fehlen einer Erhaltungspolitik, drohende Auswirkungen der Stadtplanung oder die Gefahr eines bewaffneten Konflikts (Art. 179 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 249).
Die „Rote Liste“ umfasst derzeit 38 Welterbestätten in 30 Ländern (vgl. Nr. 13) und gilt als wirkungsvollstes politisches Instrument. Denn „mit der Eintragung in die Liste will das Welterbekomitee die Aufmerksamkeit der politisch Verantwortlichen und das öffentliche Interesse am Schutz der Kultur- und Naturerbestätten wecken (…). Die Liste ist nicht Selbstzweck, sondern ein Mittel, den Staat zum Handeln und die Staatengemeinschaft zur Unterstützung zu bewegen“ (Offenhäußer 2009: 90).
Dem Welterbekomitee kommt also die Aufgabe zu, Gefahren frühzeitig zu erkennen, damit adäquate Maßnahmen wie der Einsatz des Welterbefonds ergriffen werden können, um den Verlust des Welterbestatus und den damit einhergehenden Prestigeverlust der Stätte zu verhindern. In zahlreichen Fällen wie etwa in Köln19 konnte so erfolgreich interveniert werden. Gelingt dies nicht, kann eine Welterbestätte sogar von der Welterbeliste gestrichen werden (Art. 192-198 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 252 f.). Bisher wurde nur zweimal davon Gebrauch gemacht: 2007 verlor das Wildschutzgebiet der arabischen Oryx-Antilope in Oman den Welterbestatus, weil die Ölförderung die Naturerbestätte zerstörte (vgl. Offenhäußer 2009: 98). Ferner wurde dem Dresdner Elbtal 2009 der Titel aufgrund des Baus der Waldschlößchenbrücke aberkannt (vgl. Bartetzko 2009).
2.3 Das Weltkulturerbe in der Welt
Im 40. Jubiläumsjahr des UNESCO-Welterbeprogramms verzeichnet die Welterbeliste heute 962 Kultur- und Naturerbestätten in 157 Staaten20. Das Kulturerbe ist dabei mit 745 Gütern im Vergleich zu 188 Naturerbestätten deutlich stärker in der Welterbeliste vertreten. Weitere 29 Denkmäler wie die Metéora-Klöster in Griechenland gehören sowohl dem Kultur- als auch dem Naturerbe an (vgl. Nr. 9).
Aktuell befindet sich fast die Hälfte aller Welterbegüter in der Region Europa/Nordamerika21. Die arabischen Staaten (8 %), Afrika (9 %) und Lateinamerika/Karibik (13 %) sind seit der Entstehung der Welterbeliste signifikant unterrepräsentiert (vgl. Nr. 16). Eine Studie vom ICOMOS aus dem Jahr 2004 führt diesen Umstand auf zwei Hauptursachen zurück: Zum einen bestehen in den wenig vertretenden Weltregionen strukturelle Probleme, die die Bewältigung des langwierigen, anspruchsvollen Nominierungsprozesses, das fehlende Management, die mangelhaften technischen Fähigkeiten sowie den unzulänglichen gesetzlichen Kulturgüterschutz betreffen. Zum anderen sieht die Studie bei der Identifizierung und Bewertung potenzieller Welterbestätten Defizite (vgl. Schlünkes 2009b: 110).
Seit 1994 versucht die UNESCO dem Problem mit der „Globalen Strategie für eine repräsentative, ausgewogene und glaubwürdige Liste des Erbes der Welt“ (Art. 55-61 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 216-218) entgegenzuwirken. Die Strategie verfolgt unter anderem die Ziele, Nominierungen von Naturerbestätten bevorzugt zu behandeln, Entwicklungsländer bei der Antragstellung zu unterstützen sowie Kulturerbestätten aus Zeitepochen und Regionen, die bisher kaum in der UNESCO-Welterbeliste vertreten sind22, größere Beachtung zu schenken (vgl. Schlünkes 2009b: 104 f.). Im Bewerbungsverfahren, bei dem jeder Vertragsstaat bis zu zwei Vorschläge für die Welterbeliste einbringen kann und maximal 45 Neuanmeldungen pro Jahr vom Welterbekomitee geprüft werden (Art. 61 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 217), erhalten Nominierungen von arabischen, afrikanischen, lateinamerikanischen/karibischen Staaten etc. folglich eine prioritäre Aufmerksamkeit.
Obwohl die Welterbeliste immer noch eurozentrisch geprägt ist, verzeichnet die „Globale Strategie“ hinsichtlich der geografischen Verteilung und universellen Vielfalt der Welterbestätten zunehmend Erfolge. So konnte im Zuge der Einführung der Kulturlandschaften die Welterbeliste für Völker aus dem Pazifik und der Karibik geöffnet werden (vgl. Rössler 2005: 251).
3. Das Weltkulturerbe in Deutschland
3.1 Die deutsche Weltkulturerbeliste
Die Bundesrepublik Deutschland, die am 23. August 1976 die Welterbekonvention unterzeichnete, kann derzeit 37 Welterbestätten vorweisen, wobei 34 Orte dem Kultur- und drei Regionen dem Naturerbe23 zuzuordnen sind. Damit sind nur in vier weiteren Ländern mehr Stätten in die Welterbeliste aufgenommen worden (Italien: 47, Spanien: 44, China: 43, Frankreich: 38) (vgl. Nr. 16). Die folgende Tabelle listet die 34 deutschen Weltkulturerbestätten auf:
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Tabelle 1 Liste der deutschen Weltkulturerbestätten (Stand Juni 2012) (vgl. Nr. 9, Dümcke 2006: 6 f.)
Die meisten deutschen Weltkulturerbegüter befinden sich im Südwesten und Nordosten Deutschlands sowie in Mitteldeutschland. Bayern führt die Liste mit aktuell sechs Weltkulturerbestätten an, gefolgt von Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mit jeweils vier Stätten. Berlin, Hessen, Niedersachsen und Thüringen teilen sich den dritten Platz mit jeweils drei Weltkulturerbegütern.
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Abbildung 1 Karte der Welterbestätten in Deutschland (Stand Juni 2012) (Nr. 19 )
Die vorliegende Arbeit orientiert sich am Systematisierungsvorschlag von Dümcke (vgl. Dümcke 2006: 6 f.), die die deutschen Weltkulturerbstätten in sechs Cluster einteilt, wobei der Großteil der Güter in einem unmittelbaren städtebaulichen Zusammenhang eingebettet ist. Deutschland verfügt über neun Einzeldenkmäler (z. B. der Kölner Dom) und über acht Ensembles, worunter Orte fallen, die aus mehreren Einzelobjekten oder Objektgruppen bestehen, die inhaltlich, baulich oder räumlich zusammenhängen (z. B. die Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg). Daneben befinden sich derzeit fünf Schloss- und Parkanlagen (z. B. der Muskauer Park) und sechs historische Altstädte (z. B. Regensburg) auf der deutschen Welterbeliste. Jeweils drei Industriedenkmäler (z. B. das Fagus-Werk in Alfeld) und Kulturlandschaften (z. B. das Obere Mittelrheintal) vervollständigen die Liste.
Dümcke weist auf die vielfältigen Erscheinungsbilder der deutschen Weltkulturerbestätten hin: „Jede dieser Stätten ist singulär in Bezug auf ihre kultur- und kunsthistorische Bedeutung, ihr räumlich-gegenständliches Profil und ihre Eigentümer-, Nutzer- sowie Betreiberverhältnisse“ (Dümcke 2006: 1). Daraus lassen sich Probleme bei der wissenschaftlichen Systematisierung ableiten. Die Heterogenität und Komplexität des Untersuchungsgegenstandes erklären zudem, warum in der Welterbe-Forschung meist einzelfallbezogen gearbeitet wird.24 25
3.2 Das Prozedere der Aufnahme in die Welterbeliste – Eine Koproduktion von Bund, Ländern und Kommunen
Aufgrund der Kulturhoheit der Länder (Art. 30 GG, vgl. Klein 2009: 137) verfügt jedes der 16 deutschen Bundesländer über eigene Denkmalschutzgesetze, die den wichtigsten rechtlichen Rahmen für den Schutz des Weltkulturerbes bilden (vgl. Hotz 2004: 164). Dementsprechend sind es die Länder, die in Absprache mit den vorgesehenen Weltkulturerbestätten und den dazugehörigen Kommunen die Anträge für eine Aufnahme in die Welterbeliste bei der Kultusministerkonferenz (KMK) einreichen. Diese erarbeitet eine einheitliche Vorschlagliste (Tentativliste)26, die die Grundlage für künftige deutsche Nominierungen bildet. Über das Auswärtige Amt werden die Anträge anschließend dem Welterbekomitee vorgelegt, das in diesem Jahr über die Aufnahme der kurfürstlichen Sommerresidenz Schwetzingen und des markgräflichen Opernhauses Bayreuth, das sich seit dem 30. Juni 2012 Weltkulturerbe nennen kann (vgl. Nr. 20), entschieden hat.
Ferner kommt dem Bund eine wichtige Bedeutung zu: Neben dem Auswärtigen Amt, das als federführendes Bundesressort eng mit der UNESCO zusammenarbeitet und während der Jahrestagungen des Welterbekomitees die deutsche Delegation anführt, übernimmt die DUK (siehe Kapitel 2.1) eine wichtige Funktion, denn sie ist als Mittlerorganisation mit der Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland vertraut. Dabei arbeitet die DUK eng mit allen für das Weltkulturerbe zuständigen Stellen zusammen (vgl. Petschat-Martens 2009: 53 f.).
Zu diesen gehören das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK), das die Denkmalpolitik in Deutschland maßgeblich beeinflusst, und das Deutsche Nationalkomitee des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS), das sich unter anderem mit dem Monitoring der deutschen Welterbegüter befasst. Als wichtige private Akteure gelten außerdem die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD), die sich der Bewahrung von bedrohten Kulturdenkmälern verschreibt (vgl. Nr. 21), und die in Stralsund/Wismar gegründete Deutsche Stiftung Welterbe, die finanzschwache Staaten bei dem Erhalt ihrer Welterbestätten unterstützt (vgl. Nr. 23).
3.3 Die Finanzierung der deutschen Weltkulturerbestätten
Aus volkswirtschaftlicher Perspektive sind Weltkulturerbestätten öffentliche Güter, die sich sowohl den Markmechanismen als auch der Marktbewertung entziehen (vgl. Dümcke 2006: 13 f.), für alle potenziellen Nachfrager frei zugänglich sind und die klassischen Kulturaufgaben des Sammelns, Bewahrens, Forschens und Bildens erfüllen. Um den Schutz und Erhalt sowie den Vermittlungsauftrag der deutschen Weltkulturerbestätten zu gewährleisten, ist folglich eine öffentliche Finanzierung von Nöten.
Dümcke identifiziert „einen großen Handlungsbedarf in Bezug auf die Förderung und Finanzierung der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland“ (ebd.: III). Besonders in den Bereichen der denkmalpflegerischen Bauunterhaltung und Restaurierung, der touristischen Infrastruktur, der personellen Situation, der Erschließung neuer Zielgruppen sowie der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen besteht ein akuter finanzieller Mehrbedarf (vgl. ebd.: 36). Daneben sieht Dümcke die Notwendigkeit, Kirchen, die bei dem Großteil der Weltkulturerbestätten Eigentümer oder Nutzer sind, im Rahmen ihrer denkmalpflegerischen Aufgaben überkonfessionell zu unterstützen, weil diese in den zurückliegenden Jahren erhebliche Mindereinnahmen aufwiesen (vgl. ebd.: V).
Wie andere Kulturbetriebe sind auch die Weltkulturerbestätten von der Krise der öffentlichen Kulturfinanzierung betroffen. Denn die „stagnierenden bzw. sinkenden Zuwendungen (…) wirken wie eine ständig weiter tickende Zeitbombe (…) und engen zunehmend die Handlungsspielräume (…) der einzelnen öffentlich getragenen bzw. geförderten Kultureinrichtungen ein“ (Klein 2008: 207). Ein effizienteres Management, das neue Wege in der Kulturfinanzierung einschlägt, ist auch für die deutschen Weltkulturerbestätten unumgänglich. Ziel muss eine mehrdimensionale Kulturfinanzierung sein, womit die „Erschließung und Intensivierung unterschiedlichster Finanzierungsquellen“ (Klein 2008: 210) gemeint ist.27 Die derzeitige finanzielle Situation der Weltkulturerbestätten zeigt jedoch, dass diesbezüglich Verbesserungspotenziale noch nicht voll ausgeschöpft werden.
Durch die Verknappung der öffentlichen Mittel besteht bei den meisten Weltkulturerbestätten ein erhöhter Druck zur professionellen Vermarktung und Besuchergewinnung. Insbesondere die Einnahmen aus dem Weltkulturerbe-Tourismus sind für die Stätten unerlässlich28, denn „Welterbestätten sind in der Regel nicht ohne touristische Erschließung zu erhalten“ (Deutscher Bundestag 2007: 207). Der UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. schätzt, dass jährlich 60 Millionen Gäste die deutschen Welterbestätten besuchen, woraus ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro resultiert (vgl. Deutscher Bundestag 2011: 3).
Doch die Eigeneinnahmen der Weltkulturerbestätten durch Eintrittsgelder, Verkauf, Vermietung und Verpachtung reichen in der Regel bei weitem nicht aus, um die bauliche Erhaltung sowie den laufenden Betrieb für Besucher zu sichern (vgl. Dümcke 2006: 16).29 Dazu kommt, dass kirchliche Denkmäler in der Regel keinen Eintritt verlangen30, weshalb Eigeneinnahmen nur durch spezielle Angebote wie Führungen oder Ausstellungen generiert werden können. Bei Kulturlandschaften, Altstädten und Ensembles fallen grundsätzlich keine Eintrittsgelder an, allerdings können in bestimmten Einzeldenkmälern innerhalb der genannten Cluster Gebühren erhoben werden. In Schloss- und Parkanlagen können überwiegend die Parks kostenlos besichtigt werden, während für den Besuch der Schlösser gezahlt werden muss (vgl. ebd.: 16).
Der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ hebt ferner hervor, dass die Weltkulturerbestätten als öffentliche Institutionen häufig nicht von ihren Nutzungseffekten profitieren, weil die Eigeneinnahmen oftmals nicht in die Einrichtung zurückfließen. Zudem beklagen kirchliche Stätten die hohen Steuerlasten durch Einkommens-, Umsatz- und Mehrwertsteuer, die im Widerspruch zur Höhe der staatlichen Zuschüsse stehen (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 207).
Genaue Zahlen zur Träger- und öffentlichen Drittmittelfinanzierung lassen sich kaum erheben, da die verschiedenen Fördersubjekte schwer zu identifizieren sind,31 was nicht zuletzt auf die komplexen Eigentumsverhältnisse zurückzuführen ist (vgl. ebd.: 207). Nach Dümcke fungieren die Kommunen, Länder und Kirchen am häufigsten als Eigentümer, wonach ihnen die größte Verantwortung für den Erhalt und Schutz der Weltkulturerbestätten zukommt (vgl. Dümcke 2006: 10). Die finanzielle Hauptlast liegt laut Dümcke bei den Kommunen und Ländern. Aufgrund der föderalen Organisation der Kultur- sowie Denkmalschutzförderung in Deutschland sind jedoch keine genauen Aussagen über die Finanzierung der Weltkulturerbestätten durch die Kommunen und Länder möglich (vgl. ebd.: 24). Gleiches trifft auf die Kirchen zu, denn weder von der evangelischen noch von der katholischen Kirche lässt sich das – zweifellos erhebliche – finanzielle Engagement für die Weltkulturerbegüter bestimmen (vgl. ebd.: 26 f.).
Neben den Kommunen, Ländern und Kirchen werden die deutschen UNESCO-Weltkulturerbestätten mit unterschiedlicher Gewichtung von der EU32, dem Bund sowie anderen öffentlichen und privaten Akteuren gefördert. Im Folgenden werden die wichtigsten Förderprogramme und -instrumente kurz vorgestellt.
Der Bund unterstützt die deutschen Weltkulturerbestätten in großem Umfang, wobei ein Schwerpunkt auf die neuen Bundesländer gelegt wird: So fördert der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) institutionell Weltkulturerbestätten im Rahmen des „Leuchtturm-Programms“. Davon profitieren in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Stiftungen wie die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen oder die Stiftung Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau (vgl. Dümcke 2006: 22). Darüber hinaus stehen auch den deutschen Weltkulturerbegütern mithilfe des Programms „National wertvolle Kulturdenkmäler“ des BKM beträchtliche Mittel für die Substanzerhaltung und denkmalpflegerische Maßnahmen zur Verfügung (vgl. Nr. 28).
Da die meisten Weltkulturerbestätten in einem städtebaulichen Kontext eingebettet sind, stellt die Förderung im Rahmen der Programme der Städtebauförderung33 durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) eine wichtige Finanzierungsquelle dar. Insbesondere die Programme „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ waren in den letzten Jahrzehnten vor allem für ostdeutsche UNESCO-Weltkulturerbestätten, die sich in struktur- und finanzschwachen Kommunen (z. B. Stralsund/Wismar oder Weimar) befinden (vgl. BMVBS / BBR 2007: 12-14), aber auch für die alten Bundesländer, von herausragender Bedeutung.
Das vom BMVBS initiierte „Investitionsprogramm Nationale UNESCO-Welterbestätten“ ist das derzeit einzige Förderprogramm, das direkt den deutschen Welterbestätten zugeordnet ist. Für den Zeitraum von 2009-2014 wurden so 220 Millionen Euro für die Förderung von 213 Projekten bereitgestellt (vgl. Nr. 27). Dabei handelt es sich um „Maßnahmen, die der Erhaltung, Sanierung oder Weiterentwicklung nationaler UNESCO-Kultur- und Naturerbestätten dienen und modellhaften Charakter für die städtebauliche Entwicklung der Welterbekommunen besitzen“ (ebd.).
Als indirektes Förderinstrument nutzt der Bund die Steuergesetzgebung, indem Steuererleichterungen für private Denkmalbesitzer festgeschrieben werden, denn diese stellen in den historischen Altstädten, Kulturlandschaften sowie Schloss- und Parkanlagen zentrale Akteure für den Schutz und Erhalt des Kulturerbes dar. In Bamberg etwa beträgt der Anteil der privaten Hauseigentümer 44 % (vgl. Dümcke 2006: 10). Die DUK setzt sich ebenfalls dafür ein, dass in Zukunft stärkere Anreize in der Steuergesetzgebung zur Mobilisierung von privatem Kapital geschaffen werden (vgl. DUK 2006).
Neben öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die auf Landesebene unter anderem Weltkulturerbestätten unterstützen (z. B. Bayerische Landesstiftung, Denkmalstiftung Baden-Württemberg), werden projektbezogenen Drittmittel von privat-rechtlichen Stiftungen verwendet. Hervorzuheben ist hierbei die DSD, die vor allem historische Altstädte wie Quedlinburg oder Stralsund fördert (vgl. Dümcke 2006: 27). Außerdem verfügen einige Weltkulturerbestätten über eigene Stiftungen, die einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Güter leisten. Zu diesen gehören zum Beispiel die Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer (vgl. Nr. 31) oder die Stiftung Weltkulturerbe Stadt Bamberg (vgl. Nr. 32).
Aussagen zum Kultursponsoring durch Wirtschaftsunternehmen und zur Förderung durch Privatpersonen34 können nicht gemacht werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Anteil dieser zwei Finanzierungsinstrumente im Vergleich zur öffentlichen Finanzierung – wie im gesamten öffentlich geförderten Kulturbetrieb üblich (vgl. Klein 2008: 210) – nur marginal ist. Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ sieht bei den Weltkulturerbestätten vor allem im Spendenbereich einen erhöhten Professionalisierungsbedarf (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 207).35
[...]
1 Aus Gründen der Einfachheit werden in der vorliegenden Arbeit die Wörter Besucher, Tourist und Experte verwendet. Damit sind weibliche und männliche Personen gemeint.
2 Ein Blick auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland zeigt, dass das Thema „Kulturelles Erbe“ in der dortigen Forschung schon fester verankert ist. So wurde 2006 das Journal of Heritage Tourism gegründet (vgl. Nr. 1). Die zahlreichen Masterstudiengänge wie „Arts and Heritage Management“, „Heritage and Cultural Tourism“ oder „Heritage Education“ unterstreichen den hohen Stellenwert des kulturellen Erbes als Lehrfach an den Universitäten (vgl. Nr. 2). In Deutschland sind solche Studienfächer wenig verbreitet. Masterstudiengänge wie „World Heritage Studies“ in Cottbus (vgl. Nr. 22) oder „Kulturerbe“ in Paderborn (vgl. Nr. 24) sind in Deutschland bisher die Ausnahme.
3 Während der Fachtagung „Kulturelles Erbe und Kulturmanagement“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vom 30.06 bis 01.07.2011 wurde der Forschungsbedarf in Deutschland erkannt. „Mit diesem erstmals fachübergreifenden Konzept wollen die Veranstalter das Bewusstsein für die aktuellen und zukünftigen Belange des kulturellen Erbes schärfen und Impulse für neue Formen der Zusammenarbeit von Menschen und Organisationen geben, die den Schutz und die Förderung des kulturellen Erbes (…) zum Ziel haben“ (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 2011). Zu diesem Zweck fand eine Diskussion zwischen Denkmalschützern, Archäologen, Architekten und Kulturmanagern statt.
4 Für weitere Informationen über die Geschichte, Struktur, Arbeitsbereiche und Projekte der UNESCO eignet sich die Internetseite der UNESCO (www.unesco.org) und das UNESCO-Handbuch (vgl. Hüfner / Reuther 2005). Um sich ein umfassendes Bild von der aktuellen Arbeit der UNESCO zu machen, empfiehlt sich ein Blick in die Mittelfristige Strategie 2008-2013 (vgl. UNESCO 2008a) sowie in den Zweijahresplan 2012-2013 (vgl. UNESCO 2012) der UNESCO.
5 Wichtige Vorläufer der UNESCO waren das zwischen 1922-1946 bestehende, vom Völkerbundrat initiierte International Committee on Intellectual Co-operation (ICIC), das sich aus bedeutenden Wissenschaftlern und Intellektuellen (Albert Einstein, Thomas Mann etc.) zusammensetzte, sowie deren ausführende Behörde, das International Institute of Intellectual Co-operation (IIIC). Daneben hatte das zwischen 1925-1968 existierende International Bureau of Education (IBE), das heute ein integraler Bestandteil des Bildungssektors der UNESCO ist, einen Vorbildcharakter für die UNESCO (vgl. Hüfner 2005: 15 f.).
6 Die Originaltexte der hier genannten Konventionen können auf der Internetseite www.unesco.org in verschiedenen Sprachen nachgelesen werden (vgl. Nr. 5).
7 Einen umfangreichen Einblick in die Welterbeidee, die beteiligten Institutionen, die Antragstellung, die Aufnahme in die Welterbeliste und die damit einhergehenden Pflichten, das Monitoring-Verfahren etc. liefert das Welterbe-Manual, das von der Deutschen, Österreichischen, Schweizerischen und Luxemburgischen UNESCO-Kommission 2009 herausgegeben wurde (vgl. Deutsche UNESCO-Kommission / Luxemburgische UNESCO-Kommission / Österreichische UNESCO-Kommission u. a. 2009).
8 Ähnliche Erfolge wurden in den 1960er Jahren noch vor der Welterbekonvention durch Hilfskampagnen der UNESCO in Venedig, in Moenjo-Daro (Pakistan) und Java (Indonesien) erzielt (vgl. Nr. 7).
9 Laut Ringbeck gefährden zudem bestimmte politische Entwicklungen das kulturelle Erbe. Sie stellt fest, „dass das nationale und globale Erbe der Menschheit zunehmend auch gefährdet ist durch die Deregulierung und den Rückzug des Staates aus Planen und Bauen, die Reduzierung und den Abbau von Standards und Normen, die Schwächung von Gesetzen, die Eingliederung von Fachbehörden in die Verwaltungshierarchie und den damit verbundenen Verlust der Unabhängigkeit, die zu beobachtende Benachteiligung des Kulturerbes bei kommunalen Infrastrukturprojekten sowie die Privatisierung von bislang öffentlichen Aufgaben und die damit, aber auch generell zu beobachtende Fallsucht von Politikern vor Investorenprojekten“ (Ringbeck o. J.: 3).
10 Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Operational Guidelines) (vgl. UNESCO 2008b).
11 Als Beispiel für Erziehungs- und Informationsprogramme, die an Kinder und Jugendliche gerichtet sind, kann das seit 1994 laufende Projekt „World Heritage in Young Hands“ genannt werden. „Die Initiative zielt darauf, durch pädagogische Aktivitäten Jugendliche auf die Bedeutung des Welterbes aufmerksam zu machen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, an seiner Erhaltung mitzuwirken“ (Braun / Poeplau 2009: 149). Ein Produkt dieser Initiative ist die Unterrichtsmappe Welterbe für junge Menschen. Ein weiteres Projekt ist das Schulprogramm „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), bei der sich Schüler und Lehrer für eine Weltkulturerbestätte in ihrer Nähe engagieren (vgl. Nr. 12).
12 Vollständigkeitshalber werden an dieser Stelle zwei weitere unabhängig von der Welterbekonvention ins Leben gerufene Klassifizierungen der UNESCO vorgestellt: das Weltdokumentenerbe und das immaterielle Kulturerbe. Die DUK beschreibt die Idee des 1992 von der UNESCO ins Leben gerufenen Weltdokumentenerbes mit folgenden Worten: „Das UNESCO-Weltregister ,Memory of the World‘ ist ein weltumspannendes digitales Netzwerk mit ausgewählten herausragenden Dokumenten: wertvollen Buchbeständen, Handschriften, Partituren, Unikaten, Bild-, Ton- und Filmdokumenten. (…) Ziel ist es, dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu sichern und auf neuen informationstechnischen Wegen zugänglich zu machen“ (Nr. 10). Mit der Verabschiedung des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes von 2003 werden zudem „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume – (…), die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen“ (Art. 1 des Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, UNESCO 2003), unter Schutz gestellt. Deutschland ist bisher nicht in der Liste des immateriellen Kulturerbes vertreten (vgl. Nr. 11).
13 Seit 1992 werden Kulturlandschaften (z. B. Oberes Mittelrheintal), die der Kategorie „Stätten“ zuzuordnen sind und „gemeinsame Werke von Natur und Menschen“ (Art. 1 der WEK, UNESCO 1972: 29) darstellen, von der UNESCO zum Weltkulturerbe gezählt. Dabei lassen sich Kulturlandschaften in drei Hauptkategorien einteilen: Den ersten Typus bilden vom Menschen gestaltete und geschaffene Landschaften wie Garten- und Parkanlagen. Zweitens werden darunter Landschaften zusammengefasst, die ihren einzigartigen Charakter der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur verdanken, wobei zwischen fossilen und lebenden Kulturlandschaften unterschieden wird. Als dritte Kategorie gelten Kulturlandschaften, deren Wert in den religiösen, spirituellen, künstlerischen oder kulturellen Assoziationen der Bewohner mit ihnen liegt (Anhang 3 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 284 f.). Welterbe-Kanäle (z. B. der Rideau Canal in Kanada) zählt die UNESCO ebenfalls zu den „Stätten“: „Ein Kanal ist eine vom Menschen angelegte Wasserstraße. Er kann hinsichtlich seiner Geschichte oder Technik von außergewöhnlichem universellem Wert sein, sei es für sich genommen, sei es als außergewöhnliches Beispiel für diese Kategorie von Kulturgütern. Der Kanal kann ein Bauwerk, das bestimmende Merkmal einer linearen Kulturlandschaft oder ein integraler Bestandteil einer komplexen Kulturlandschaft sein“ (Anhang 3 der Richtlinien, ebd.: 288).
14 Im Rahmen der Welterbekonvention spielt der ICOMOS eine sehr wichtige Rolle. Der 1965 gegründete ICOMOS ist ein Internationaler Fachverband mit Hauptsitz in Paris, der sich der Erforschung und Erhaltung historischer Monumente und Stätten widmet. ICOMOS erarbeitet internationale Standards für den Schutz, die Erhaltung und das Management von Kulturerbestätten. Neben der Beurteilung der auf den Tentativlisten aufgeführten Kulturgüter überwacht der ICOMOS den Erhaltungszustand der eingetragenen Weltkulturerbestätten (siehe Kapitel 2.2.4). Um ein effektives Arbeiten in den verschiedenen Ländern zu gewährleisten, existieren 28 internationale wissenschaftliche Komitees sowie Nationalkomitees in über 110 Ländern (vgl. Petschat-Martens 2009: 50). Das Deutsche ICOMOS-Nationalkomitee befindet sich in München und wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziell gefördert (vgl. ebd.: 55).
15 Form und Inhalt des Managementplans ergeben sich zudem aus der Empfehlung betreffend den Schutz des Kultur- und Naturerbes auf nationaler Ebene von 1972 und aus dem Fragenkatalog der periodischen Berichterstattung für Europa und Nordamerika (2005/06) (vgl. Ringbeck 2008: 6).
16 Aus denkmalpflegerischer Sicht stellt die Welterbekonvention in Kombination mit anderen Schutzinstrumenten, die auf verschiedenen Ebenen beschlossen wurden, hohe Anforderungen an die deutschen Weltkulturerbestätten. Neben der Welterbekonvention bilden die Satzungen der einzelnen Welterbestätten, vor allem die Gesetze auf Landesebene (vgl. Hotz 2004: 164), aber auch auf Bundesebene, weitere internationale Konventionen sowie auf internationaler Ebene verabschiedete Apelle, Entschließungen, Empfehlungen und Chartas insbesondere der UNESCO, des Europarats und vom ICOMOS die rechtliche und fachliche Grundlage (vgl. Ringbeck 2009a: 67). Diese zum Teil in die Gesetzgebung der Länder eingegangenen internationalen Grundsätze (Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes in Europa von Granada (1984), Dokument von Nara zur Authentizität im Sinne des Welterbe-Übereinkommens (1994) etc.) ergänzen die Welterbekonvention und legen zusammen mit ihr fest, „dass die Authentizität und Integrität von Bau- und Bodendenkmälern, historischen Ensembles und ihres Umfeldes zu wahren sind. Die Konservierung genießt höchste Priorität. Die Restaurierung im Hinblick auf den Erhalt ästhetischer und historischer Werte hat enge Grenzen. Die Renovierung kommt nur in Frage, wenn Konservierung und Restaurierung nicht möglich sind. Rekonstruktionen sind unzulässig. Alle Maßnahmen müssen wissenschaftlich vorbereitet und dokumentiert sowie fachgerecht durchgeführt werden und reversibel sein“ (ebd.: 67).
17 Die UNESCO empfiehlt zum Schutz der Welterbestätten sogenannte Pufferzonen (Art. 103-107 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 227 f.) einzurichten, die das unmittelbare Umfeld der Stätte und die wichtigsten Sichtachsen umfassen. Die Nutzung und Entwicklung der Pufferzone sollte durch gesetzliche Regeln eingeschränkt sein. Im Idealfall sind die Pufferzonen im bestehenden gesetzlichen Instrumentarium (z. B. Denkmalschutzgesetzte der Bundesländer) verankert (vgl. Ringbeck 2008: 30). In Deutschland verfügten 2006 12 von 29 Weltkulturerbestätten über eine Pufferzone und fünf Weltkulturerbegüter planten deren Einrichtung (vgl. Dümcke 2006: 41 f.). Auch wenn heute von einer höheren Anzahl an Pufferzonen auszugehen ist, scheint diesbezüglich in Deutschland ein Nachholbedarf zu bestehen.
18 Die Beobachtungen, Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der ersten periodischen Berichterstattung, die die bis 1997 eingetragenen Weltkulturerbestätten in Europa betraf, können im vom Pariser Welterbezentrum veröffentlichten Periodic Report and Action Plan. Europe 2005-2006 (vgl. Rössler / Menétrey-Monchau 2007) nachgelesen werden.
19 Im Jahre 2004 wurde der Kölner Dom als erste deutsche Welterbestätte in die „Rote Liste“ aufgenommen, da geplante Hochhausbauten auf der Rheinseite in Köln-Deutz die visuelle Integrität des Doms und der Kölner Stadtsilhouette bedrohten. Nachdem die Stadt Köln nachgab und die Höhe der im Bau befindlichen Hochhäuser begrenzte sowie von weiteren Bauvorhaben absah, konnte der Kölner Dom 2006 wieder von der „Roten Liste“ gestrichen werden (vgl. Pfeifle 2010: 64). Außerdem wurde in der Folge eine Pufferzone um den Kölner Dom eingerichtet (vgl. Dümcke 2006: 41). In Potsdam kam es schon Mitte der 1990er Jahre im Zuge eines geplanten Baus von Büro- und Geschäftsflächen („Quartier am Bahnhof“) zu einem ähnlichen Problem, das erst nach einem eindringlichen Appell der UNESCO gelöst werden konnte (vgl. Pfeifle 2010: 65 f.).
20 Eine vollständige Liste aller Welterbestätten kann auf der Internetseite der UNESCO (vgl. Nr. 9) eingesehen werden. Daneben empfiehlt sich die Publikation Das Welterbe. Die vollständige, von der UNESCO autorisierte Darstellung der außergewöhnlichen Stätten unserer Erde (vgl. UNESCO 2010). Auf der Internetseite des SWR kann man sich zudem kurze Dokumentarfilme über die meisten Welterbestätten der Erde anschauen (vgl. Nr. 15).
21 Neben den europäischen Staaten, Kanada und den USA wird Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Israel, die Türkei und Zypern von der UNESCO zur Region Europa/Nordamerika gezählt (vgl. Schlünkes 2009b: 111).
22 Der ICOMOS zeigte, dass historische Städte, Monumente christlicher Kultur, „elitäre“ Architektur und Epochen wie die Gotik oder das Mittelalter Anfang der 1990er Jahre in der Welterbeliste überrepräsentiert waren. Denkmäler des 20. Jahrhunderts, Zeugnisse lebendiger Kulturen und regionale Kulturtraditionen waren zu diesem Zeitpunkt dagegen kaum vertreten (vgl. ebd.: 108). Dieser Umstand erklärt, warum die UNESCO die Weltkulturerbe-Kategorien Industriedenkmäler, Kulturlandschaften, Welterbe-Kanäle und Welterbe-Routen (z. B. der Jakobsweg in Spanien) seit den 1990er Jahren verstärkt erfasst (Anhang 3 der Richtlinien, vgl. UNESCO 2008b: 283-292).
23 Zum deutschen Weltnaturerbe zählen die Grube Messel (seit 1995), das Wattenmeer (seit 2009) und die alten Buchenwälder Deutschlands (seit 2011) (vgl. Nr. 9).
24 Kriterien für den außergewöhnlichen universellen Wert einer Stätte (siehe Kapitel 2.2.2).
25 Bei der Stätte Obergermanisch-raetischer Limes handelt es sich um ein transnationales bzw. grenzüberschreitendes Weltkulturerbe. Schon 1987 wurde der Hadrianswall in Großbritannien zum Weltkulturerbe erklärt, 2005 folgte der Obergermanisch-raetische Limes in Deutschland. 2008 wurde der Antoninuswall in Schottland ebenfalls in die Liste aufgenommen (vgl. Nr. 17). Gleiches trifft auf die Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen zu, die 111 Orte in den Alpenländern Schweiz, Österreich, Frankreich, Deutschland, Italien und Slowenien umfassen (vgl. Nr. 18).
26 1998 verabschiedete die KMK die deutsche Tentativliste, die ursprünglich bis 2010 abgearbeitet werden sollte. Aufgrund der Bevorzugung von Naturerbestätten und unterrepräsentierten Ländern im Rahmen der „Globalen Strategie“ (siehe Kapitel 2.3) ist aber damit zu rechnen, dass dies erst zwischen 2016 und 2020 erreicht wird (vgl. Ringbeck 2009b: 142). Die aktuelle Tentativliste der KMK kann im Anhang 1 eingesehen werden.
27 Einen ausführlichen Einblick in die verschiedenen Finanzierungsinstrumente (Eigenfinanzierungsanteil, Finanzierungsanteil des Trägers, Drittmittel) liefert Klein (vgl. Klein 2008: 211-247).
28 Ähnlich wie die Kurtaxe bieten „Kulturförderabgaben“, die Übernachtungsgäste entrichten, die Möglichkeit, zusätzliche kommunale Finanzierungsmittel für Weltkulturerbestätten zu generieren (vgl. Deutscher Bundestag 2007: 207). So wird seit 2005 in Weimar eine „Kulturförderabgabe“ erhoben (vgl. Nr. 29). In Köln wurde diese 2010 eingeführt (vgl. Nr. 30).
29 Dümcke errechnet für ausgewählte Weltkulturerbestätten die Deckungsgrade aus den Eigeneinnahmen (Stand 2004). Die Wartburg Stiftung erwirtschaftet demnach Eigeneinnahmen von 65 % an den Gesamtausgaben. Damit belegt die Stiftung den Spitzenplatz unter den Weltkulturerbestätten, gefolgt vom Rammelsberger Bergbaumuseum Goslar GmbH (41 %) und dem Domkapitel in Aachen (38 %). Die hinteren Plätze nehmen die Stiftung Fürst Pückler Park Bad Muskau (9 %) und die Verwaltung der Schlösser und Gärten Hessen, Fachgebiet Welterbestätte Lorsch (5 %) ein (vgl. Dümcke 2006: 16 f.).
30 Eine Ausnahme bilden Sakralbauten, die nicht vollständig liturgisch genutzt werden, und daher als Baudenkmäler angesehen werden. So müssen etwa für die Besichtigung der Innenräume im Kloster Maulbronn und Kloster Lorsch Eintritte entrichtet werden (vgl. ebd.: 16).
31 Ein Großteil der Akteure der UNESCO-Weltkulturerbestätten beklagt die unübersichtliche, komplizierte und wenig transparente Förderungs- und Finanzierungspraxis in Deutschland. Insbesondere bei der Klärung der Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Kommunen sehen die Verantwortlichen der Kulturerbegüter einen deutlichen Nachholbedarf (vgl. Dümcke 2006: 32).
32 Genaue Aussagen zur Nutzung von EU-Förderprogrammen durch die Weltkulturerbestätten können nicht gemacht werden. Dümcke stellt fest, dass vor allem Weltkulturerbestätten in Ostdeutschland im Rahmen der Strukturfonds (z. B. EFRE) oder von Gemeinschaftsinitiativen (z. B. URBAN) Gebrauch machen (vgl. ebd.: 21). An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass auch die EU 2006 – völlig unabhängig von der UNESCO – das europäische Kulturerbe-Siegel ins Leben gerufen hat. Auf der Internetseite der Europäischen Kommission heißt es hierzu: „Es handelt sich um eine europäische Initiative, mit der Kulturerbestätten ausgezeichnet werden sollen, die die europäische Einigung sowie die Ideale und die Geschichte der EU symbolisieren und verdeutlichen. Sie wurde (…) mit dem Ziel ins Leben gerufen, die EU den EU-Bürgern durch Verbesserung der Kenntnisse über die europäische Geschichte und die Rolle und Werte der EU näher zu bringen. (…) Der Schwerpunkt der Initiative liegt nicht in der Erhaltung des Kulturerbes, diese sollte durch bestehende Denkmalschutzsysteme gewährleistet werden. Stattdessen geht es darum, die Stätten zugänglicher zu machen, darüber umfassend zu informieren und interessante Veranstaltungen mit ihnen zu verbinden, um ihre europäische Dimension hervorzuheben“ (Nr. 25).
33 Die Internetseite www.staedtebaufoerderung.info des BMVBS liefert detaillierte Informationen zu den verschiedenen Programmen und Fördersummen im Rahmen der Städtebauförderung (vgl. Nr. 26).
34 Hierbei muss zwischen Einzelspende, Mäzenatentum und Fundraising (systematisches Spendenmarketing) unterschieden werden (vgl. Klein 2008: 230).
35 Die Untersuchungsergebnisse von Dümcke bestätigen dies: „Die Auswertung ergab, dass mit ca. 70 % der Großteil der Akteure der Welterbestätten für die Zukunft einen besonderen Handlungsbedarf zur Qualifizierung seines Personals sieht. Als wichtigste Qualifizierungsbereiche wurden Weiterbildungen zur Akquirierung zusätzlicher Finanzmittel (Spenden, Sponsoring und Fundraising) genannt“ (Dümcke 2006: 45).
- Arbeit zitieren
- Franz Ambelang (Autor:in), 2012, Der UNESCO-Weltkulturerbetitel in Deutschland. Bedeutung aus Sicht der Anbieter und Nachfrager, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1283211
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