Die Richtlinie (EU) 2016/1919 (PKH-Richtlinie) sowie die Richtlinie (EU) 2016/800 waren nationales Recht umzusetzen. Dies erfolgte durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung und das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Dezember 2019. In der vorliegenden Arbeit sollen die Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelungen auf die Arbeit der Polizei betrachtet werden. Es werden zunächst die europarechtlichen Grundlagen sowie die Ausgangssituation im deutschen Recht dargestellt. Es wird weiterhin die Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht anhand der erfolgten Neuregelung der §§ 140ff. StPO und §§ 68ff. JGG betrachtet. Dabei wird auch thematisiert, wie der Umsetzungsspielraum, der dem nationalen Gesetzgeber zur Erreichung der in den Richtlinien vorgegebenen Ziele eingeräumt war, ausgestaltet worden ist. Ergänzt wird diese Betrachtung durch eine exemplarische Rechtsvergleichung.
Der zentrale Artikel 4 der PKH-Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die betroffenen Personen unverzüglich und spätestens vor einer Befragung oder vergleichbaren Ermittlungsmaßnahme durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungs- oder Justizbehörde Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Es sollen somit finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um Zugang zu einem Anwalt und damit eine effektive Verteidigung zu gewährleisten. Die Richtlinie (EU) 2016/800 sieht dies – neben anderen Rechtsgarantien – in abgeänderter Form für Verdächtige und Beschuldigte unter 18 Jahren vor. Dabei ist der Verzicht auf einen Anwalt – der für Erwachsene grundsätzlich möglich ist – für Personen unter 18 Jahren im Regelfall nicht vorgesehen.
Die Umsetzung in nationales Recht ist möglich durch die Sicherstellung einer Bedürftigkeitsprüfung oder einer Begründetheitsprüfung. In Deutschland erfolgte sie durch eine Anpassung des Instituts der notwendigen Verteidigung und somit ausschließlich durch eine Begründetheitsprüfung. Wesentlicher Bestandteil der Neuregelung ist auch die Vorverlagerung der verpflichtenden Verteidigerbestellung in das Ermittlungsverfahren, insbesondere vor die erste Vernehmung des Beschuldigten. Damit soll ein Perspektivwechsel weg von der Hauptverhandlung, hin zum Ermittlungsverfahren vollzogen werden, der durch die wachsende Erkenntnis über die weichenstellende Bedeutung des Ermittlungsverfahrens veranlasst ist.
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- Stefan Scheffer (Autor), 2022, Pflichtverteidigung ab der ersten Stunde, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1281751
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