Diese Arbeit befasst sich mit Menschenrechtsverstößen im Hinblick auf Migration. Dabei wird das Konzept der Menschenrechte erklärt, Probleme dargelegt und Handlungsforderungen gestellt.
Gliederung:
1. Definitionsversuch des Begriffs Menschenrechte
2. Aufbau der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
3. Problemaufriss einer garantierten Einhaltung von Menschenrechten
4. Schwierigkeiten bei der Sicherstellung von Menschenrechten für geflüchtete Menschen
5. Forderung einer grenzübergreifenden Freizügigkeit zur Wahrung der Menschenrechte
6. Literatur
1. Definitionsversuch des Begriffs Menschenrechte
Ein Definitionsversuch von Menschenrechten soll aus den Forderungen von Bielefeldt an diese, die ich im Weiteren erläutere, hervorgehen. Bielefeldt stellt die folgenden drei Ansprüche an Menschenrechte: Den normativen Universalismus, den emanzipatorischen Gehalt und die politisch rechtliche Durchsetzungsintention. Als Ziel der Menschenrechte formuliert er die Wahrung einer menschenwürdigen Koexistenz aller menschlichen Individuen (vgl. Bielefeldt 2007, S. 39).
Eine der Anforderungen, die Bielefeldt an Menschenrechte zugrunde legt, ist der normative Universalismus. Von diesem ausgehend werden Menschenrechte nicht als partikulare Rechte, sondern als allgemeingültige, unveräußerliche Rechte, die jedem Individuum aufgrund seiner Existenz als menschliches Wesen zustehen, verstanden. Sie sind demnach unabhängig von jeglichen Lebensbedingungen eines Menschen. Der Universalismus bezeichnet in diesem Kontext nicht „den Aspekt der globalen Verankerung menschenrechtlicher Normen in den einschlägigen Konventionen der Vereinten Nationen“ sondern „die innere Qualität einer Rechtskategorie“ und ihren normativen und ethischen Anspruch (ebd., S. 26).
Einen weiteren Anspruch, den Bielefeldt an Menschenrechte heranträgt, ist der emanzipatorische Gehalt. Dieser beinhaltet das Faktum, dass Menschenrechte gleichermaßen Gleichheits- und Freiheitsrechte sind, wobei die Gleichheit keine Angleichung erfordert (vgl. ebd., S. 31ff.). Zudem verinnerlichen die Menschenrechte das Prinzip der Unteilbarkeit, welches darauf verweist, dass die Menschenrechte als „unteilbares Ganzes“ verstanden werden müssen und untrennbar miteinander korrelieren (ebd., S. 39).
Bielefeldt formuliert als dritte Forderung die politisch rechtliche Durchsetzungsintention der Menschenrechte. Diese Kategorie inkludiert einen Geltungsanspruch der humanitären Rechte, der durch politisch-rechtliche Institutionen und Verfahren auf nationaler, supranationaler und internationaler Ebene geschützt und gewahrt werden soll (vgl. ebd., S. 36).
Lukes bekräftigt ebenfalls durch sein Gedankenexperiment fünf verschiedener Szenarien von Gesellschaften in Fünf Fabeln über Menschenrechte, dass der zunächst als Ideal konzipierte Gleichheits- und Freiheitsgedanke zwingend Konventionen und Institutionen benötigt, um zuerst rechtswirksam und dann in seiner Einhaltung geschützt zu werden (vgl. Lukes 1996).
Neben dem Ziel und den Ansprüchen an Menschenrechte bringt Bielefeldt auch die Grenzen dieser hervor. Er betont, dass sich diese niemals unmittelbar auf die Gesinnung eines Menschen beziehen und auf keiner religiösen oder weltanschaulichen Ebene zu verorten sind (vgl. Bielefeldt 2007, S. 39).
2. Aufbau der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als apodiktisches Bekenntnis der universalen Grundsätze von Menschenrechten.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist wie folgt aufgebaut: In der Präambel, wie auch in Artikel 1, wird die Würde des Menschen betont. Artikel 2 hebt den Ausschluss von Individuen und somit ein Diskriminierungsverbot von Menschen hervor. Die Artikel 3 bis 21 beziehen sich auf bürgerliche und politische Rechte, die Artikel 22 bis 27 beinhalten soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte. Artikel 28 verweist auf den Anspruch auf soziale und internationale Ordnung. In Artikel 29 werden die Verpflichtungen des Menschen gegenüber der Gemeinschaft, sowie die Bedeutung der Gemeinschaft für die persönliche Entfaltung des Einzelnen, benannt. Der letzte Artikel, Artikel 30, spricht ein Verbot der Abschaffung der vorstehenden Rechte aus (vgl. Vereinte Nationen, Resolution der Generalversammlung 217 A (III). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948, S. 1-6).
3. Problemaufriss einer garantierten Einhaltung von Menschenrechten
Die Anerkennung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stellt für die Mitgliedsstaaten und jeden Staat, der der UNO beitreten möchte, zwar eine Pflicht dar, nichtsdestotrotz obliegt die Präzisierung der Menschenrechte den einzelnen Staaten, sodass keine einheitliche Formulierung der Menschenrechte existiert.
Dieses Abstraktionsvermögen wird vielfach gefordert, um den verschiedenen kulturellen, philosophischen, religiösen und politischen Auslegungen der Staaten einen Zugang zu verschaffen. Auch Lukes erhebt den Anspruch einer Abstraktion der Menschenrechte, die in die Hände einzelner Staaten gelegt werden soll. Er argumentiert, dass dies ein notwendiges Instrument zur Umsetzung der Menschenrechte darstellt, da es hierdurch wahrscheinlicher ist, unterschiedliche politische Interessen und religiöse, sowie weltanschauliche Ansichten zu vereinen. Seines Erachtens nach soll dann eine egalitäre Plattform den Ort für Aushandlungsprozesse bilden (vgl. Lukes 1996, S. 48ff.).
Dass dieses Unterfangen nicht unproblematisch ist, belegt Saberschinsky dadurch, dass er darauf Bezug nimmt, dass der Zugang zu Menschenrechten in verschiedenen Kontexten disparat, wenn nicht sogar widersprüchlich ist (vgl. Saberschinsky 2005, S. 57).
Obgleich der Tatsache, dass eine Ausformulierung der Menschenrecht Aufgabe der einzelnen Staaten ist, wachen nichtstaatliche Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und Terre des Hommes über die Einhaltung der Menschenrechte. Diese müssen jedoch mit Bedauern eruieren, dass die Menschenrechte häufig nicht gewahrt werden. So äußerte Amnesty International 1998, dass „viele Regierungen nur Lippenbekenntnisse ablegen oder gar die Unteilbarkeit und Universalität der Menschenrechte in Frage stellten“ (Saberschinsky 2005, S. 53, nach Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland 138 [18.08.1998], S. 8).
Eine noch größere Schwierigkeit der Sicherstellung der Menschenrechte ergibt sich demnach bei Menschen auf der Flucht. Die daraus resultierende Problematik wird im Folgenden näher beleuchtet.
4. Schwierigkeiten bei der Sicherstellung von Menschenrechten für geflüchtete Menschen
Die konkrete Festlegung von Menschenrechten auf staatlicher Ebene kann zu einer Schwierigkeit für geflüchtete Menschen werden. Mit den damit einhergehenden Konflikten beschäftigt sich Arendt in Es gibt nur ein einziges Menschenrecht. Sie spricht, wie auch Bielefeldt, der hervorhebt, dass menschenrechtliches Denken nicht im Menschen verankert ist oder sich gar aus der westlichen Kultur heraus entwickelt hat (vgl. Bielefeldt 2007, S. 41ff.), davon, dass Menschenrechte erst durch Verletzungen dieser durch Erfahrungen strukturellen Unrechts thematisiert wurden (vgl. Arendt 1949, S. 754ff.).
Das erstmalig im 19 Jahrhundert in der Geschichte auftauchende, fehlende Aufenthaltsrecht führte diese Menschen in den Status der Illegalität. Durch die Absenz eines Asylrechts, welches nur politisch und nicht aus anderen Gründen verfolgte Menschen erhalten, wurden Geflüchtete zu Staatenlosen und wurden somit auf den Zustand ihrer ursprünglichen Existenz zurückgeworfen, der keine Rechte beinhaltet und somit prädestiniert für Menschenrechtsverletzungen ist. Arendt spricht in dem Zusammenhang von „Aporien moderner Erfahrungen“ und beschreibt damit den Tatbestand, dass unschuldigen Geflüchteten im Gegensatz zu Schuldigen, die innerhalb eines Rechtsystems geahndet werden, keinerlei Rechte mehr zustehen (ebd., S. 757).
Um die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Staat zu gewährleisten, damit dieser sich innerhalb eines Rechtssystems bewegt und seine Menschenrechte einfordern kann, plädiert Arendt dafür, dass es als wichtigstes Menschenrecht anerkannt werden soll, dass ein Mensch nie seiner Staatsbürger beraubt werden darf. Als Voraussetzung der Wahrung dieses Rechts betont sie, dass eine eindeutige Vereinbarkeit zwischen den Nationen hergestellt werden muss (vgl. ebd., S. 768f.).
Baumann hingegen beschreibt in Das Jahrhundert der Lager?, dass er vor allem in den Kennzeichen der Moderne, der Rationalisierung und Technologisierung, sowie dem daraus entstandenem Lagerdenken, Gefahren für die Einhaltung von Menschenrechten sieht. Die Lagererscheinung sei laut Baumann durch den Homogenitätsgedanken der Nationalsozialisten entstanden, stelle aber eine Vorrichtung dar, die auch weiterhin für die heutige Zeit bedeutsam ist (vgl. Baumann 1998, S. 83ff.).
Charakteristisch für das Denken in Lagern sind nach Baumann drei Merkmale: Erstens die fehlende Unmittelbarkeit und somit vorhandene zeitliche und räumliche Distanz einer Handlung, zweitens die fehlende Verbindung des Ergebnisses und des Vollzugs einer Handlung für den ausführenden Akteur, sowie drittens, die aus beiden Merkmalen resultierende persönliche und moralische Distanz, die dazu führt, dass die Objekte der ausgeführten Handlung nicht mehr als menschliche Wesen angesehen werden. Dieses Phänomen bezeichnet Baumann auch als „moralische Adiaphorisierung“ (ebd., 86).
Die Lagererscheinung ist im Kontext des aktuellen Flüchtlingsdiskurses von zeitgenössisch höchster Relevanz. Die Regulierung der Situation der Flüchtlinge durch die Erstellung und Nutzung von Lagern scheint zunächst eine legitime Bewältigungsstrategie darzustellen, führt jedoch zu einer physischen Distanz der Bevölkerung der Einwanderungsstaaten und den Geflüchteten, die wiederum mit einer psychischen Distanz einhergeht. Die Förderung dieser Distanz kann, wie Baumann anführt, in einer moralischen Adiaphorisierung münden, die in der Vergangenheit bereits zu Genoziden und somit zu massenhaften, kategorialen Menschenrechtsverletzungen geführt hat.
Wie auch Baumann beschäftigt sich Mecheril mit den Mankos der Denkweise der Moderne. Er unterstreicht, dass die Migration ein Spezifikum der Moderne ist, dessen Behandlung bisweilen mangelhaft ist. Mecheril skizziert als Defizite der Moderne den Umgang mit Diversität, pluralen Lebensformen und kulturellen Unterschieden und stellt in dem Zusammenhang heraus, dass die Andersartigkeit anderer Menschen in verschiedenen Bereichen nicht mitgedacht wird (vgl. Mecheril 2016). Der fehlende Einbezug und die Konstruktion geflüchteter Menschen als fremdartig schürt die, wie durch Baumann begründete, besorgniserregende, mentale Distanzierung zu diesen Menschen.
Mecheril thematisiert ebenso, dass diese Personen in den Diskursen über sie nicht zu Wort kommen, sondern nur über sie gesprochen wird. Mit dem Aspekt des fehlenden Einbezugs der Flüchtlinge in den Flüchtlingsdiskurs beschäftigt sich auch Do Mar Castro Varela in Die Geister, die wir riefen! Europas Terror - Gedankensplitter. Do Mar Castro Varela verweist nicht nur darauf, dass das Andersartigkeit nicht mitgedacht wird, sondern führt an, dass der Diskurs in den westlichen Ländern mit Dämonisierungsprozessen einhergeht. Durch diese Dämonisierungsprozesse, deren Wirkungsmechanismen sich in einem dominierenden antimuslimischen Diskurs entladen, der mit der unmittelbaren medialen Zuschreibung von Anschlägen in Europa als islamische Kriegsakte zusammenhängt, werden Affekte wie Angst generiert. Die Generierung dieser Affekte führt wiederum dazu, dass die Bevölkerung der westlichen Staaten bereit ist Menschenrechte, wie Freiheit, zum Preis der Sicherheit stark einzuschränken. Um dem entgegen zu wirken fordert Do Mar Castro Varela, dass die Gesellschaft westlicher Staaten ihren Blick für den Ursprung der Terrorakte öffnet, die größtenteils von Staatsmächten ausgehen, und die Deutungsmechanismen bestimmter Diskurse sensibilisierter betrachtet (vgl. Do Mar Castro Varela 2016, S. 61-71).
5. Forderung einer grenzübergreifenden Freizügigkeit zur Wahrung der Menschenrechte
Carens plädiert in Ein Plädoyer für offene Grenzen dafür, dass eine dauerhafte grenzübergreifende Freizügigkeit ebenso wie die Freizügigkeit innerhalb eines Staates als Menschenrecht anerkannt werden soll. Als Gründe für diese Annahme beruft er sich auf Argumente der Anerkennung der inneren Freizügigkeit als Menschenrecht, die diese als solches nicht plausibel erklären können. Carens begründet, dass nicht allein ein Menschenrecht eine nationalstärkende und mitgliedschaftsspezifische Funktion enthalten muss, um als solches angesehen zu werden, wie von Gegnern einer grenzübergreifenden Freizügigkeit angenommen wird, indem er illustriert, dass verschiedene Menschenrechte nicht all diese Funktionen implizieren. Auch das Argument, dass die innerne Freizügigkeit vor Diskriminierung schützen soll, wird durch Carens Einwand, dass die Freizügigkeit für dieses Ziel noch enger zugeschnitten werden müsste, ausgehebelt. Zudem unterstreicht Carens, dass das Argument, allein einem persönlichen Interesse würde durch die äußere Freizügigkeit entsprochen werden, da das vitale Interesse bereits durch die innere Freizügigkeit bedient werden würde, nicht glaubhaft ist. Allein die innere Freizügigkeit als Menschenrecht ermöglicht nur die Realisierung partikularer und nicht universaler Interessen, weil das Bestreben der Bürger reicher, demokratischer Staaten, die alleinige Aufrechterhaltung der inneren Freizügigkeit, gewahrt wird und somit menschenrechtliche Restriktionen für die Bürger nicht privilegierter, ärmerer Staaten geschaffen werden (vgl. Carens 2017, S. 186-196).
Unter Bezugnahme von Carens Ausführungen erschließt sich, dass eine grenzübergreifende Freizügigkeit nicht nur an sich ein legitim anzuerkennendes Menschenrecht darstellt, sondern auch Möglichkeiten eröffnet, die die Wahrscheinlichkeit der Wahrung anderer Menschenrechte steigern würde. Bei einer fehlenden Einhaltung dieser, könnten die Menschen sich frei und rechtmäßig in einen anderen Staat, in dem diese tatsächlich gewahrt werden, bewegen.
6. Literatur
Arendt, H. (1949): „Es gibt nur ein einziges Menschenrecht“. In: Die Wandlung, 4. Jg., Herbstheft 1949, S. 754-770.
Baumann, Z. (1998): „Das Jahrhundert der Lager?“. In: M. Dabag & K. Platt (Hg.): Genozid und Moderne, Bd.1: Strukturen kollektiver Gewalt im 20. Jahrhundert. S. 81-99.
Bielefeldt, H. (2007): Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus.
Carens, J. (2017): „Ein Plädoyer für offene Grenzen“. In: F. Dietrich (Hg.): Ethik der Migration. Philosophische Schlüsseltexte. S. 166-211.
Do Mar Castro Varela, M. (2016): „Die Geister, die wir riefen! Europas Terror - Gedankensplitter: Rassismuskritik der Gegenwart.“ In: M. Do Mar Castro Varela & P. Mecheril (Hg.): Die Dämonisierung der Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart. S. 57-72.
Mecheril, P. (2016): „Es bleibt anders. Kämpfe um die Pädagogik der Migrationsgesellschaft . “ In: M. Ziese & C. Gritschke (Hg.): Geflüchtete und Kulturelle Bildung. Formate und Konzepte für ein neues Praxisfeld. S. 101-106.
Lukes, S. (1996): „Fünf Fabeln über Menschenrechte“. In: St. Shute & S. Hurly (Hg.): Die Idee der Menschenrechte. S. 30-50.
Saberschinsky, A. (2005): „Zur Entstehung der Menschenrechtserklärung der UNO im Jahre 1948“. In: R.C. Meier-Walser & A. Rauscher (Hg.): Die Universalität der Menschenrechte. S. 53-67.
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- Quote paper
- Bianca Butterweck (Author), 2018, Hindernisse bei der Wahrung von Menschenrechten für geflüchtete Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1281559
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