In der vorliegenden Arbeit geht es hauptsächlich um die Frage, was sich ein Land wie Katar, in dem Sportarten wie Fußball, Basketball, Tennis und Reitsport lange Zeit nicht in Gesellschaft und Kultur verwurzelt waren, durch Aktionen wie die Fußball-WM 2022 und Sponsoring-Partnerschaften erhofft? Und was bedeutet dies für den Sport, insbesondere in Europa? Macht er sich selbst zum Spielball von Öl-Scheichs, oder profitiert er durch die verfügbaren Mehr-Gelder? Welche Herausforderungen ergeben sich für europäische Funktionäre in Zukunft, sowohl in Vergabeverfahren von Weltmeisterschaften als auch in der Auswahl von Sponsoring-Partnern? Kann Sport in Zukunft als fairer Wettkampf gesehen werden oder wird er zum Spielball von Milliardären, die ihn zu Marketingzwecken instrumentalisieren wollen? Wird in Zukunft ein „Verein“ Champions-League- (oder gar Super-League-) Sieger, oder nur das bestfunktionierende Marketing-Konstrukt?
Um diese Fragen zu beantworten, wurde eine ausführliche Literaturrecherche mit den Schwerpunkten auf das Land Katar und die Auswirkungen für den europäischen Profifußball betrieben. Außerdem wurden Interviews mit Experten für Sportjournalismus, Fanarbeit und Sport und Wirtschaft in Katar geführt. Die Ergebnisse dieser Recherchen und Interviews dienen als Grundlage sowohl der Beurteilung der aktuellen Situation als auch des abschließenden Ausblicks in die Zukunft.
Katar befindet sich momentan primär im Zusammenhang mit der Austragung der Winter-Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in den Medien. Laut Berichten der britischen Zeitung „The Guardian“ sollen bereits 6.500 Todesopfer unter den Bauarbeitern sein, die für die Errichtung der Sportstätten aus Nepal, Indien und Thailand in das Land gebracht wurden. Die tatsächliche Austragung einer Fußball-WM im Wüstenstaat Katar ist kein überraschendes Ereignis: Die Vergabe erfolgte bereits 2010. Seitdem setzt Katar immer mehr auf Werbemaßnahmen für sein Land sowie für Unternehmen der Regierung. Das bedeutendste Beispiel hierfür ist der französische Top-Club Paris Saint-Germain. Paris Saint-Germain befindet sich im Besitz der Qatar Sports Investments Group, des Weiteren sind fünf Unternehmen aus Katar Premium-Sponsoren, die allesamt der Regierung gehören oder zumindest enge Verbindungen zu dieser aufweisen. Unter anderem zum Beispiel die Fluglinie Qatar Airways, die auch den FC Bayern München, den FC Barcelona und AS Rom sponsern.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Die Fußball-WM in Katar - Perspektiven und Risiken
2. Der Wüstenstaat Katar
2.1. Geografie und Klima
2.2. Bevölkerung
2.3. Geschichte & Politik
2.4. Wirtschaft
2.5. Menschenrechte
3. Katar im (europäischen) Sport: Katar als Sponsor
3.1. Qatar Foundation (FC Barcelona)
3.2. Qatar Airways
3.2.1. FC Barcelona
3.2.2. AS Rom
3.2.3. FC Bayern München
4. Katar als Eigentümer
4.1. Qatar Sports Investments
4.2. Rolle und Einfluss bei Paris Saint-Germain
4.3. Auswirkungen
5. Katar als Austragungsort
5.1. Handball-WM
5.1.1. Vergabe und Ablauf
5.1.2. Auswirkungen und Kritik
5.2. Leichtathletik-WM
5.2.1. Vergabe und Ablauf
5.2.2. Kritik
5.3. Fußball-WM 2022
5.3.1. Vergabe
5.3.2. Vorbereitungen und Arbeitsbedingungen vor Ort
5.3.3. Kritik
6. Auswirkungen auf die Infrastruktur nach Sportgroßveranstaltungen
7. Mutmaßliche Folgen für die Zukunft Katars
7.1. Infrastruktur
7.2. Bevölkerung und Gesellschaft
7.3. Katars Ansehen in der westlichen Welt
8. Folgen für den Sport und die Gesellschaft in Europa
8.1. Sport als Marketinginstrument
8.2. Menschenrechtsverletzungen für Sportausübung
8.3. Wettbewerbsverzerrungen zu Marketingzwecken
9. Fazit & Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Geografische Lage Katars (Quelle: Meier (2017))
Abbildung 2: Karte von Katar (Quelle: Koppenwallner (o.J.))
Abbildung 3: Bevölkerungszahl in Katar seit 1980 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Monetary Fund (2021))
Abbildung 4: Bevölkerungspyramide Katar (Quelle: Central Intelligence Agency (2021))
Abbildung 5: Altersmedian in Katar von 1950 bis 2020 und *Schätzung bis 2050 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von United Nations Department of Economic and Social Affairs (2020))
Abbildung 6: Verteilung der Religionen in Katar (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The Pew Forum on Religion & Public Life (2015))
Abbildung 7: Seit 2013 Emir von Katar: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani (Quelle: Government Communications Office Qatar (o.J.))
Abbildung 8: Entwicklung des BIP von Katar von 1980 bis 2020 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Monetary Fund (2021))
Abbildung 9: Arbeitslosenquote in Katar seit 1991 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Labour Organization (2021)
Abbildung 10: Vergleich des Wertes der Güterexporte und -importe von 2010 bis 2020 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von World Trade Organization (2021))
Abbildung 11: Exporte 2019 nach Gütern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020))
Abbildung 12: Exporte 2019 nach Ländern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020))
Abbildung 13: Importe 2019 nach Gütern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020))
Abbildung 14: Importe 2019 nach Ländern (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Factbook (2019))
Abbildung 15: Ranking der Doing Business Indikatoren (Quelle: The World Bank (2020))
Abbildung 16: Umsätze des FC Barcelona durch das Sponsoring (Quelle: Wright (2017))
Abbildung 17: Zensiertes Plakat in Saudi-Arabien (Quelle: Al-Emadi (2017))
Abbildung 18: Banner der Bayern-Fans vor dem Wintertrainingslager in Katar 2020 (Quelle: Schiffmann (2020))
Abbildung 19: Banner der Bayern-Fans und Kritik am Katar-Deal (Quelle: Weber (2020))
Abbildung 20: Bezugnahme der Bayern-Fans auf die Aussage Rummenigges (Quelle: Ulmer Pressebildagentur (2020))
Abbildung 21: Saarbrückens Kritik an der Zusammenarbeit des FCB mit Katar (Quelle: DW Sports (2020))
Abbildung 22: Banner an der Allianz-Arena im Vorfeld der Klub-WM (Quelle: Faszination Fankurve (2021))
Abbildung 23: Hannover-Fans mit deutlicher Kritik am Investor (Quelle: dpa (2018))
Abbildung 24: Ausgewählte Transfers von PSG von 2011 bis 2020 (Quelle: Eigene Darstellung nach Transfermarkt.de (2021))
Abbildung 25: Transferbilanz von PSG seit 2011 (Quelle: Eigene Darstellung nach Transfermarkt.de (2021))
Abbildung 26: Fernsehgelder der europäischen Top-Ligen in der Saison 2018/19 in Millionen Euro (Quelle: Statista (2021))
Abbildung 27: Top-40 der europäischen Vereine nach Fernsehgeldern in der Saison 2018/19 (Quelle: Eigene Darstellung nach Swiss Ramble (2019))
Abbildung 28: Verschuldung der Super-League-Clubs zum Zeitpunkt der Bekanntgabe im April 2021 in Millionen Euro (Quelle: Eigene Darstellung nach Kuehnel (2021))
Abbildung 29: Stimmenverteilung beim Vergabeverfahren (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von De Graaf (o.J.))
Abbildung 30: Protest der deutschen Nationalmannschaft beim WM- Qualifikationsspiel gegen Island (Quelle: Kicker (2021))
Anmerkung der Redaktion: Einige Abbildungen wurden aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Abkürzungsverzeichnis
BIP Bruttoinlandsprodukt
CAS Court of Arbitration for Sport (Internationaler Sportgerichtshof)
CPI Corruption Perceptions Index
DFB Deutscher Fußball-Bund
DFL Deutsche Fußball Liga
EUROSTAT Statistisches Amt der Europäischen Union
FBI Federal Bureau of Investigation
FCB FC Bayern München
FFP Financial Fairplay
FIFA Fédération Internationale de Football Association
HDI Human Development Index
IHF International Handball Federation
ILO Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen
KKP Kaufkraftparität
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
PSG Paris Saint-Germain
QAR Qatar-Riyal
QCB Qatar Central Bank
QIA Qatar Investment Authority
QNA Qatar News Agency
QSI Qatar Sports Investments
UEFA Union of European Football Associations
UN United Nations (Vereinte Nationen)
VAE Vereinigte Arabische Emirate
WM Weltmeisterschaft
1. Die Fußball-WM in Katar - Perspektiven und Risiken
Katar befindet sich momentan primär im Zusammenhang mit der Austragung der Winter-Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in den Medien. Laut Berichten der britischen Zeitung „The Guardian“ sollen bereits 6.500 Todesopfer unter den Bauarbeitern sein, die für die Errichtung der Sportstätten aus Nepal, Indien und Thailand in das Land gebracht wurden.1 Die tatsächliche Austragung einer Fußball-WM im Wüstenstaat Katar ist kein überraschendes Ereignis: Die Vergabe erfolgte bereits 2010. Seitdem setzt Katar immer mehr auf Werbemaßnahmen für sein Land sowie für Unternehmen der Regierung. Das bedeutendste Beispiel hierfür ist der französische Top-Club und (mit Ausnahme der vergangenen Saison) Serienmeister Paris Saint-Germain. Paris Saint-Germain befindet sich im Besitz der Qatar Sports Investments Group, des Weiteren sind fünf Unternehmen aus Katar Premium-Sponsoren, die allesamt der Regierung gehören oder zumindest enge Verbindungen zu dieser aufweisen.2 Unter anderem zum Beispiel die Fluglinie Qatar Airways, die auch den FC Bayern München, den FC Barcelona und AS Rom sponsern. Das Sponsoring begrenzt sich nicht nur auf den Fußball. Auch im Basketball, Tennis und Reitsport ist Katar (über die verschiedenen Unternehmen) aktiv. Bereits im Jahr 2006 wurden die Asia Games in Katar ausgetragen, eine Art Olympiade für ausschließlich asiatische Länder, 2015 die HandballWeltmeisterschaft der Männer. Da im Handball die Sperrfristen bei einem Nationalitätenwechsel eines Spielers nur drei Jahre betragen, zog sich Katar unter hohem finanziellen Aufwand eine Mannschaft aus Top-Spielern aus Bosnien, Frankreich, Spanien und weiteren Ländern heran, erreichte so das Finale und verlor erst dort gegen Frankreich.3
Was erhofft sich ein Land wie Katar, in dem diese Sportarten lange Zeit nicht in Gesellschaft und Kultur verwurzelt waren, durch solche Aktionen und Sponsoring-Partnerschaften? Und was bedeutet dies für den Sport, insbesondere in Europa? Macht er sich selbst zum Spielball von ÖlScheichs, oder profitiert er durch die verfügbaren Mehr-Gelder?
Des Weiteren soll in dieser Arbeit auf die Fragestellung eingegangen werden, ob der Sport (im Besonderen der Fußball) in der europäischen Wertegesellschaft eine besondere Vorbildfunktion hat oder die Missachtung von Menschenrechten auf den WM-Baustellen in Katar einfach zu den eigenen Gunsten ignorieren darf. Die Rufe nach einem Boykott der Fußball- WM 2022 werden immer lauter. Trotzdem rät Amnesty International Deutschland davon ab, um stattdessen auf Aufklärung und Sichtbarmachung der Missstände zu setzen.4 Kann es Katar also überhaupt schaffen, sein Bild in der westlichen Welt durch die Austragungen und Sponsoren-Verträge zu verbessern? Welche Herausforderungen ergeben sich für europäische Funktionäre in Zukunft, sowohl in Vergabeverfahren von Weltmeisterschaften als auch in der Auswahl von SponsoringPartnern? Kann Sport in Zukunft als fairer Wettkampf gesehen werden oder wird er zum Spielball von Milliardären, die ihn zu Marketingzwecken instrumentalisieren wollen? Wird in Zukunft ein „Verein“ ChampionsLeague- (oder gar Super-League-) Sieger, oder nur das bestfunktionierende Marketing-Konstrukt?
Um diese Fragen zu beantworten wurde eine ausführliche Literaturrecherche mit den Schwerpunkten auf das Land Katar und die Auswirkungen für den europäischen Profifußball betrieben. Außerdem wurden Interviews mit Experten für Sportjournalismus, Fanarbeit und Sport und Wirtschaft in Katar geführt. Die Ergebnisse dieser Recherchen und Interviews dienen als Grundlage sowohl der Beurteilung der aktuellen Situation als auch des abschließenden Ausblicks in die Zukunft.
2. Der Wüstenstaat Katar
2.1. Geografieund Klima
Der Staat Katar („Dawlat Qatar“) ist eine Halbinsel im Persischen Golf und grenzt im Süden an Saudi-Arabien. Nordöstlich liegt der Inselstaat Bahrain (sieheAbbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Geografische Lage Katars (Quelle: Meier (2017)).
Katar hat eine Staatsfläche von11.627 Quadratkilometern5, auf der ca. 2,8 Millionen Einwohner leben.6 Dies entspricht etwa einem Drittel der Fläche von Baden-Württemberg und circa einem Viertel der Einwohnerzahl Baden- Württembergs.7 Die Hauptstadt Doha liegt an der Ostküste des Landes und hat in den letzten Jahren viele Einwohner hinzugewonnen und beheimatet inzwischen im gesamten Ballungsraum etwa zwei Millionen Menschen.8 Sie ist damit gleichzeitig die bevölkerungsreichste Stadt Katars. Im Westen verläuft eine Hügelkette, die höchste Stelle Katars liegt südlich und etwa 103 Meter über dem Meeresspiegel („Tuwayyir al Hamir“). Ansonsten ist Katar ein sehr flaches Land, das aus Geröll- und Kieswüsten besteht. Lediglich im Norden ist durch den Winterregen eine nomadische Viehhaltung möglich, da dort Gräser und Büsche wachsen. Die etwa 5% bewirtschafteten Ackerflächen im Land werden größtenteils künstlich bewässert.9 Im Süden Katars ist das Grenzgebiet zu Saudi-Arabien gekennzeichnet durcheinen Wüstenstreifen und Salzsümpfe („Sebkhas“).10 Der hohe Salzgehalt im Grundwasser sorgt dafür, dass Meerwasserentsalzungsanlagen benötigt werden, um Trinkwasser zu erhalten. Einwohner erhalten dieses Trinkwasser meist gratis, was im Umkehrschluss zu Verschwendung, schlechtem Wassermanagement bei der landwirtschaftlichen Bewässerung und, mit bis zu 750 Litern pro Tag, zum höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch der Welt führt.11 Im Südosten des Landes liegt ein großer Salzsee („Khor Al Aldaid“), der eine der Hauptsehenswürdigkeiten des Wüstenstaates ist.12
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Karte von Katar (Quelle: Koppenwallner (o.J.))
Die Golfstaaten13 liegen im subtropischen Trockengürtel und weisen ein sehr hohes Klima auf, für Katar bedeutet das eine Jahresmitteltemperatur von ca. 29,5°C. Im Sommer können die Temperaturen auf 50°C steigen und auch der Winter ist mit ca. 20°C sehr warm14. In den letzten Jahren kam es immer häufiger auch zu Temperaturen unter 10°C. Im Februar 2017 wurde ein neuer Kälterekord von 1,5°C aufgestellt.15 Durch den Persischen Golf ist die Luftfeuchtigkeit zwar extrem hoch (ca. 85%16 ), trotzdem zählt Katar zu den trockensten Ländern der Erde.17 Niederschläge fallen nur sehr selten und in geringem Ausmaß. In Doha liegt der langfristige Jahresdurchschnitt der Niederschläge bei 70mm pro Quadratmeter.18 Dies entspricht ca. einem Zehntel des Niederschlags in Deutschland (710mm/m[2])19. Häufig weht ein Nordwestwind („Schamal“), der mitunter auch für Sandstürme sorgt. Durch die heißen und trockenen Klimabedingungen gibt es kaum einheimische Pflanzen und Tiere.20
2.2. Bevölkerung
Die Bevölkerung Katars besteht laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2015 lediglich zu 10% aus Katarern. Durch die stark zunehmende Einwanderung sowie die hohe Geburtenrate ist die Bevölkerungszahl seit 2000 überproportional gewachsen, im Jahresdurchschnitt um ca. 5,9%, wobei das prozentuale Wachstum inzwischen wieder zurückgeht (siehe Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Bevölkerungszahl in Katar seit 1980 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Monetary Fund (2021)).
Der erwerbsfähige Anteil der Bevölkerung (15 bis 64 Jahre) beträgt ca. 86,7%, der der über 65-Jährigen nur etwa 1,5% (siehe Abbildung 4)21. Von den ca. 2,8 Mio. Einwohnern leben über 99% in Städten, was Katar zu einem der Länder mit der höchsten Urbanisierung weltweit macht.22 Im Vergleich dazu liegt der Wert der Urbanisierung in Deutschland bei etwa 77% und die über 65-Jährigen machen 22% der Gesamtbevölkerung aus. Da die Einwanderer fast ausschließlich männlich sind23, gibt es in Katar deutlich mehr Männer als Frauen (Verhältnis ca. 3:1). Die aktuelle durchschnittliche Lebenserwartung beträgt ca. 80 Jahre (Männer: 79 Jahre,Frauen: 82 Jahre).24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Bevölkerungspyramide Katar (Quelle: Central Intelligence Agency (2021)).
Die Geburtenrate liegt mit 9,5 pro 1.000 Einwohnern 25 deutlich über der Sterberate (1,2).26 Das Durchschnittsalter liegt aktuell bei etwa 32,3 Jahren (1980: 23,4 Jahre) und soll laut Schätzungen des United Nations Department of Economic and Social Affairs in den kommenden Jahren weiter ansteigen (siehe Abbildung 5).27
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Altersmedian in Katar von 1950 bis 2020 und *Schätzung bis 2050 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von United Nations Department of Economic and Social Affairs (2020)).
Die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung Katars ist entsprechend der Staatsreligion sunnitisch muslimisch geprägt (ca. 90%). Die Religion beeinflusst den Alltag nicht so stark, wie zum Beispiel in Saudi-Arabien, obwohl die meisten Katarer dem eher strengen islamischen Wahhabismus angehören, während die Mehrheit der muslimischen Einwanderer Schiiten sind. Insgesamt sind ca. 65% aller in Katar lebenden Menschen Muslime. Aufgrund der hohen Zuwanderung sind auch viele andere Religionen vertreten. Wegen der Anwesenheit von indischen Arbeitern gibt es etwa 16% Hinduisten, die Christen machen etwa 14% der Gesamtbevölkerung aus und ca. 4% sind Buddhisten (siehe Abbildung 6). 1999 wurde die erste römisch-katholische Kirche in Doha genehmigt, die 2008 eingeweiht wurde.28
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Verteilung der Religionen in Katar (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The Pew Forum on Religion & Public Life (2015)).
Die Landessprache ist Arabisch, aber als Handelssprachen sind Englisch und Farsi (Persisch) mittlerweile weit verbreitet. Durch die Vielzahl an indischen und pakistanischen Gastarbeitern haben sich inzwischen auch indoarische Sprachen aus Südostasien, wie zum Beispiel Urdu und Hindi, etabliert.
Rund 2,7% des Bruttoinlandproduktes (BIP) in Katar fließen in die Bildung. Dies führt dazu, dass es in der Primarstufe ca. 12,2 und in der Sekundarstufe 11,0 Schüler je Lehrkraft gibt.29 Die Schulbesuchsrate der Primarstufen liegt bei 94%, die Abschlussrate hiervon bei 95,8%.30 Grund dafür ist, dass der Besuch der Schule bis hin zum Universitätsabschluss kostenlos ist. Die Einschulung erfolgt mit sechs Jahren, nach weiteren sechs Jahren findet eine Abschlussprüfung statt, die zum Besuch einer weiterführenden Schule berechtigt. 2019 gab es in Katar 19 Hochschulen und Universitäten mit über 35.000 Studierenden.31 Das führt dazu, dass Katar „eines der fortgeschrittensten Bildungssysteme in der Golfregion“32 hat.
Die öffentlichen Gesundheitsausgaben in Katar betrugen laut einer Analyse der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) 2,5% des BIP33, was zunächst extrem wenig erscheint.34 Bei Betrachtung der absoluten Pro-KopfAusgaben liegt Katar mit 3.071 US-Dollar weit über dem weltweiten Durchschnitt von 1.271 US-Dollar und ist führend bei den Golfstaaten, bei welchen der Durchschnitt bei ca. 1.966 US-Dollar liegt.35 Warum der prozentuale Wert gemessen am BIP so gering ist, wird in Kapitel 2.4 erläutert.
Die medizinische Versorgung ist sehr fortgeschritten, aber es besteht eine Abhängigkeit von zugewanderten Arbeitskräften in Form von Ärzten und Pflegekräften aus Südostasien.36 Der Anteil der Erwachsenen mit Adipositas betrug im Jahr 2016 ca. 35%. Damit ist Katar auf Rang 15 weltweit und nur einen Prozentpunkt hinter den USA.37
Die Lebensbedingungen der grundlegenden Bereiche der menschlichen Entwicklung werden mit dem Human Development Index (HDI) mit einem Wert von 0 (sehr schlecht) bis 1 (sehr gut) beschrieben. Katar erreichte 2020 den Wert 0,848, was weltweit Platz 45 bedeutet, ungefähr gleichauf mit Kroatien und knapp hinter Portugal.38
Zur Darstellung der Wohlstandsverteilung wird der GINI-Koeffizient genutzt, welcher in Katar bei 41,1 liegt.39 Eine vollkommene Gleichverteilung wäre beim Wert 0 gegeben, 100 stünde für eine vollkommen ungleiche Verteilung. Katar ist damit etwa beim gleichen Wert wie Bulgarien, dem Land mit dem höchsten GINI-Koeffizienten (entspricht der ungleichmäßigsten Verteilung) Europas.40
2.3. Geschichte & Politik
Katar war seit dem 16. Jahrhundert durch die dort angesiedelte Perlenfischerei ein eher wohlhabendes Land.41 Nach Konflikten mit dem Nachbarstaat Bahrain und der dortigen Herrscherfamilie Al-Khalifa (seit 1783 bis heute dort herrschend) ging die katarische Herrscherfamilie Al Thani (ab 1822 in Katar herrschend) einen Schutzvertrag mit Großbritannien ein, wurde aber als eigener Staat anerkannt und trennte sich endgültig von Bahrain.42 Versuche der Osmanen, Katar einzunehmen, blieben in der Folge auch durch ein erneutes Eingreifen der britischen Truppen erfolglos und mit Beginn des ersten Weltkrieges wurde dieser Versuch 1915 endgültig beendet. Ein erneutes Abkommen mit Großbritannien führte 1916 zu einer Erneuerung des Schutzzuspruches und der Kontrolle der katarischen Außenpolitik durch die Briten.43
Ab 1930 sank die Nachfrage nach Perlen aus Katar drastisch, da diese in Asien künstlich hergestellt werden konnten und dadurch viel kostengünstiger waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen Erdölförderung und -exporte, was zu wachsendem Wohlstand führte. Die Briten zogen sich aus Katar zurück und der Herrscher, ab sofort mit dem Titel „Emir“, erklärte 1971 die Unabhängigkeit Katars. In den 70er-Jahren gingen die Ölförder-Unternehmen gänzlich in den Besitz des Staates über und im darauffolgenden Jahrzehnt wurden Kooperationsverträge und Sicherheitsabkommen mit den anderen Golfstaaten (außer Iran und Irak), der Volksrepublik China und der UdSSR abgeschlossen.44
1995 setzte der Kronprinz Hamad bin Khalifa Al Thani seinen Vater ab, ernannte sich selbst zum Emir und begann in den Folgejahren, das Land zu reformieren und zu demokratisieren, sodass es 1999 zu den ersten freien und geheimen Wahlen seit der Unabhängigkeit kam, die gleichzeitig auch die ersten Wahlen in einem Golfstaat waren, bei denen Frauen ein passives und aktives Wahlrecht45 besaßen. Insgesamt wurden 29 Vertreter in den „Central Municipal Council“46 gewählt, deren Amtszeit vier Jahre betrug.47 Bei der letzten Wahl des Rates 2019 lag die Wahlbeteiligung nur bei etwa 7,7%.48 2005 wurde Katar als nicht-ständiges Mitglied in den UNSicherheitsrat gewählt, 2010 erfolgte die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 in den Wüstenstaat.
Drei Jahre nach der WM-Vergabe kam es zu einem erneuten Machtwechsel und der Enkel des vorherigen Emirs, Tamim bin Hamad Al Thani, wurde neuer Staatschef (sieheAbbildung 7).49
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Seit 2013 Emir von Katar: Scheich Tamim bin Hamad Al Thani (Quelle: Government Communications Office Qatar (o.J.)).
Im selben Jahr kritisierte Amnesty International die WeltmeisterschaftsVergabe erstmals aufgrund der „routinierten und weitverbreiteten Ausbeutung von Gastarbeitern“50 in einem 170-seitigen Bericht über die Arbeitsverhältnisse, in dem auch Bilder der Zustände vor Ort abgedruckt waren.51 Die Vorwürfe wurden 2016 in einem erneuten Bericht bekräftigt und der Fußballweltverband FIFA52 für die Handlungslosigkeit und Duldung von Zwangsarbeit und Ausbeutung kritisiert.53 Auf die genauen Vorwürfe und die Umstände der WM-Vergabe wird in Kapitel 5.3 eingegangen.
Nach wie vor sind in Katar politische Parteien, Gewerkschaften und Berufsverbände verboten.54 Es gibt zwar die gewählten Kommunalparlamente und die Wahl einer beratenden Versammlung („Majlis Al Shura“) ist seit 2006 geplant (30 Plätze sollen gewählt werden, 15 vom Emir vergeben), die Wahlbeteiligung für die kommunalen Räte ist aber sehr gering und die Wahl der beratenden Versammlung fand nach wie vor (noch) nicht statt. Daher sind aktuell 41 Posten vom Emir vergeben und wenig bis gar keine Wechsel der handelnden Personen finden statt.55 Seit 2017 sind erstmals vier Frauen in der Versammlung vertreten. Ende 2020 gab der Emir bekannt, dass die Austragung der Parlamentswahl für 2021 geplant sei.56 Es gibt keine Gewaltenteilung, alle Macht geht vom Emir aus, weshalb das Land als Emirat bezeichnet wird und als absolute Monarchie gilt, in der der Posten des Staatsoberhauptes vererbt wird (sog. Erb- Monarchie).57 Als Gesetz dient überwiegend die islamische Scharia, die auf Grundlage von Traditionen, des Koran und der Sunna entscheidet58 und in westlichen Industriestaaten in der Kritik steht, da sie beispielsweise Leibesund Todesstrafen vorsieht.
2.4. Wirtschaft
Wie in Kapitel 2.3 beschrieben, lebte Katar von der Perlenfischerei, bis in den 1930er-Jahren künstliche Perlen aus Japan die sinkende Nachfrage kostengünstiger decken konnten.59 In der Folge stieg die Bedeutung des Erdölabbaus. In den frühen 2000er-Jahren profitierte das Land daher sehr stark vom Ölpreisboom, was sich in der Entwicklung des BIP bemerkbar machte. Gewinne wurden überwiegend in die Infrastruktur und den Aufbau weiterer Industriezweige, zum Beispiel die produzierende Industrie (bspw. Aluminium und Petrochemie) reinvestiert. Seit 2019 konzentriert sich Katar vermehrt auf die Gasproduktion.60
Die „Qatar Nation Vision 2030“ wurde ins Leben gerufen, eine Bildungs- und Gesundheitsoffensive, mit deren Hilfe Zweigstellen für internationale EliteUniversitäten gegründet wurden, um die Bildungsstandards und Voraussetzungen für die Wissenschaft bis 2030 weiter zu steigern und das Gesundheitssystem qualitativ hochwertiger zu gestalten. Ziel ist die „Entwicklung Katars hin zu einer modernen Wissensgesellschaft“61. Hinzu kommen Investitionen in die Tourismusbranche, zum Beispiel mit dem Bau von Hotels und der öffentlichen Infrastruktur, sowie Kapitalanlagen in westliche Wirtschaftssysteme. Diese Faktoren, primär aber die Erlöse für die Flüssiggase, sorgten für sehr hohe Wirtschaftswachstumsraten und ein vergleichsweise sehr hohes BIP.62 Das Wachstum ging nach dem rasanten Anstieg zu Beginn des Jahrtausends in den letzten Jahren wieder zurück (siehe Abbildung 8).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Entwicklung des BIP von Katar von 1980 bis 2020 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Monetary Fund (2021)).
2019 betrug das BIP 176 Mrd. US-Dollar, was ca. einer Vervierfachung seit dem Jahr 2000 entspricht.63 Weltweit liegt Katar damit „nur“ auf Rang 53 und erreicht gerade einmal 5% des deutschen BIPs.64 Aufgrund der unterschiedlichen Größen von Volkswirtschaften und der unterschiedlichen Bevölkerungszahlen dient das reine BIP jedoch schlecht zur Vergleichbarkeit. Hierfür wird als Vergleichsmaß das BIP pro Kopf berechnet. Dafür wird das BIP durch die Einwohnerzahl des Landes geteilt. Katar lag 2020 mit einem BIP pro Kopf von rund 60.000 US-Dollar auf Rang elf weltweit65, 2019 noch unter den ersten Zehn der Welt.66
Bei zusätzlichem Einfluss der Kaufkraftparität (KKP), also der tatsächlichen Lebensunterhaltungskosten im jeweiligen Land, erreichte Katar für das Jahr 2017 ein BIP KKP pro Kopf von ca. 128.000 Dollar, was etwa 750% über dem weltweiten Durchschnitt lag und Rang 1 der Welt bedeutete. Zum Vergleich: Deutschland erreichte mit 52.500 Dollar ca. 40% davon, was etwa 300% über dem Welt-Durchschnitt lag.67 Bis 2019 sank das BIP KKP pro Kopf zwar wieder, Katar gehörte aber nach wie vor zu den vier TopLändern bei dieser Kennzahl.68
Die Inflationsrate im Jahr 2020 betrug etwa -2,7%69, in den kommenden Jahren wird eine positive Inflationsrate von bis zu +3% prognostiziert.70 Die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 0,1%, es herrscht also Vollbeschäftigung und Katar zählt als Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit weltweit (siehe Abbildung 9). Die Selbstständigen-Quote bei den über 15-Jährigen ist mit 0,4% sehr gering, ebenso wie der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen, der bei ca. 13,6% liegt.71
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Arbeitslosenquote in Katar seit 1991 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von International Labour Organization (2021).
Die Währung in Katar ist seit 1973 der Katar-Riyal (QAR).72 Ein US-Dollar entspricht 3,64 QAR, was seit 1980 so festgelegt ist. Ein QAR entspricht also umgekehrt etwa 0,27 US-Dollar oder 0,23 Euro.73 Die Überwachung des Wechselkurses erfolgt durch die Qatar Central Bank (QCB), die von Scheich Abdullah Saoud Al-Thani geleitet wird, einem Familienangehörigen des Emirs.74
Die Exportquote in Katar, also das Verhältnis der Exporte zum BIP, betrug 2019 52,3%. Dies bedeutet, dass mehr als die Hälfte des Wertes der in Katar hergestellten Waren und Dienstleistungen für das Ausland bestimmt waren. Die Importquote betrug ca. 38%75. Die Außenhandelsquote, also die Summe aus Exporten und Importen in Relation zum BIP betrug demnach ca. 90%. Die Außenhandelsbilanz (absoluter Wert der Exporte abzüglich absoluten Wertes der Importe) betrug 2018 etwa +52,6 Mrd. US-Dollar.76 Abbildung 10 zeigt die Exporte und Importe Katars seit 2010.
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Abbildung 10: Vergleich des Wertes der Güterexporte und -importe von 2010 bis 2020 (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von World Trade Organization (2021)).
Mit Abstand am meisten werden mineralische Brennstoffe, also Erdöl, Erdgas und Erzeugnisse daraus, exportiert. Diese machen etwa 86% aller Exporte aus Katar aus. Weitere Anteile machen Kunststoffe und Kunststoffwaren, Düngemittel, Aluminium und Aluminiumwaren und organische chemische Erzeugnisse aus. Die Hauptabnehmerländer befinden sich in Asien. Japan nimmt etwa 17,5% der katarischen Erzeugnisse ab, dahinter liegen Südkorea, Indien, China und Singapur.77 Abbildung 11 und Abbildung 12 zeigen die Verhältnisse der Exporte.
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Abbildung 11: Exporte 2019 nach Gütern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020)).
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Abbildung 12: Exporte 2019 nach Ländern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020)).
Auf der Importseite zeigt sich sowohl bei den Gütern als auch bei den beteiligten Ländern ein anderes Bild: 17,9% der importierten Güter sind Maschinen oder mechanische Geräte und 8,7% elektrische Maschinen. Zugmaschinen und Kraftfahrzeuge decken 5,8% und Luftfahrzeuge oder Teile davon 5,4% der Importe ab. Etwa 5,2% sind Waren aus Eisen oder Stahl. Importland Nummer eins sind die USA, die 15% aller Güter importieren, gefolgt von Frankreich, Großbritannien, China, Deutschland und Italien.78 Abbildung 13 und Abbildung 14 zeigen die Verhältnisse.
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Abbildung 13: Importe 2019 nach Gütern (Quelle: Eigene Darstellung nach Wirtschaftskammer Österreich (2020)).
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Abbildung 14: Importe 2019 nach Ländern (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von The World Factbook (2019)).
Wie in Abbildung 14 zu sehen, importiert Deutschland etwa 5%79 aller katarischen Gesamtimporte. Dies entspricht einem Warenwert von ca. 1,45 Mrd. US-Dollar.80 Die Exporte nach Deutschland sind mit 0,2% der Gesamtexporte81 und einem Warenwert von etwa 0,29 Mrd. US-Dollar82 aber bedeutend geringer. Katar befindet sich damit in der Rangliste der deutschen Exportabnehmer nur auf Rang 63, die katarischen Importe nach Deutschland sind mit Rang 83 zu vernachlässigen.83
Die Einnahmen am Tourismus beliefen sich 2019 auf 15,6 Milliarden US- Dollar, was etwa 9% des BIPs entspricht. Die Anzahl der Touristen, die absoluten Einnahmen daraus sowie der Anteil der Tourismuseinnahmen am BIP sind in den letzten Jahren stark gestiegen.84 Damit diese Entwicklung fortgesetzt werden kann, werden viele neue Hotels gebaut.85 Ebenso hat der Luftverkehr zugenommen: Die Anzahl der beförderten Personen hat sich von 2005 bis 2019 mehr als verfünffacht (von 6 Mio. auf 33 Mio. Passagiere), die Tonnenkilometer von Gütern (Anzahl der bewegten Güter in Tonnen multipliziert mit den zurückgelegten Kilometern) von 0,87 Milliarden auf 12,74 Milliarden knapp verfünfzehnfacht.86 Die Anzahl der PKWs beträgt ca. 0,28 pro Person87 und ist damit ziemlich genau halb so hoch wie in Deutschland.88 Der US-amerikanische Autovermittler „Auto Europe“ beschreibt das Straßennetz in Katar als „gut ausgebaut. Durch die Hauptstadt Doha führt eine Stadtautobahn, im Landesinneren überwiegen Schnellstraßen“89, es besteht keine Mautpflicht und Parken ist fast überall kostenlos.90 Benzin kostet aktuell ca. 1,9 QAR pro Liter, was etwa 0,43€ entspricht.91
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn wird seit 2008 ein großes Schienennetz in Katar erbaut, das bereits sehr weit fortgeschritten ist und bei der WM 2022 weitestgehend fertig gestellt sein soll, um die Stadien und Flughäfen des Landes zu verbinden und für gute Bedingungen im öffentlichen Personennahverkehr in Doha zu sorgen.92
2.5. Menschenrechte
Die weltweit aktive Non-Profit-Organisation Amnesty International veröffentlichte im Jahr 2020 einen Bericht über die aktuellen Zustände in Katar in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte, auf deren Komponenten im Folgenden kurz eingegangen wird. Beim Thema Frauenrechte kritisiert Amnesty International, dass diese durch das Familienrecht stark benachteiligt werden und eine Scheidung für sie einerseits viel schwieriger einzureichen sei als für Männer und andererseits erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich bringe. Frauen unter 25 Jahren ist es nicht gestattet zu reisen oder Verträge abzuschließen, was dazu führt, dass „de facto der Tatbestand der Freiheitsberaubung durch ihre Familien“93 vorliegt.
Zum Recht der freien Meinungsäußerung geht der Bericht auf ein 2020 verabschiedetes Gesetz ein, worauf basierend beispielsweise „parteiische“ Radio- und Fernsehsendungen oder sonstige Veröffentlichungen mit bis zu fünf Jahren Haft sanktioniert werden können. Reiseverbote und Sanktionen wurden scheinbar willkürlich und als Reaktionen auf Meinungsäußerungen oder friedliche Aktionen verhängt.94 Auch die Pressefreiheit ist sehr stark eingeschränkt. Zensuren durch den Staat sind jederzeit möglich, 2016 wurde das unabhängige Nachrichtenportal Doha News verboten. Früher galt der Sender Al-Jazeera als regimekritisch und setzte sich für Minderheiten ein, seit einigen Jahren werden Verstöße gegen die Menschenrechte im eigenen Land aber nicht mehr thematisiert, obwohl der Sender nach wie vor als einer der „wichtigsten und einflussreichsten Nachrichtensender der arabischen Welt“95 gilt. Katar liegt damit im weltweiten Ranking der Pressefreiheit auf Rang 128 von 180. Im Vergleich zu den anderen Golfstaaten ist Katar nach Kuwait das pressefreundlichste Land, dies liegt an noch strengeren Vorgaben in den Nachbarländern.96 Die staatliche Qatar News Agency (QNA) wurde 1975 gegründet und gilt als Haupt-Nachrichtensender in Katar. Auf Twitter agiert die QNA auf Englisch (@QNAEnglish). Hier werden hauptsächlich Fotos des Emirs und von Auslandsreisen von Regierungsangehörigen veröffentlicht, kritische Nachrichten finden sich dort nicht wieder.97
Bis 2020 galt in Katar das Kafala-Arbeitsrecht. Dieses beschreibt eine Art Sponsorensystem, bei dem der Arbeitgeber die komplette Kontrolle und Macht über die Arbeitnehmer hat. Häufig mussten Arbeitnehmer ihre Pässe abgeben, womit sie viele Freiheiten aufgaben. Teilweise wird berichtet, dass die Rückgabe der Pässe am Ende der Arbeitszeit nur erfolgte, wenn die Arbeiter (fälschlicherweise) unterschrieben, ihren Lohn bereits erhalten zu haben. Gleichzeitig entschied jederzeit der Arbeitgeber über den Aufenthaltsstatus der Arbeiter. Arbeitgeber konnten das Arbeitsverhältnis jederzeit beenden und der Arbeiter wurde (auch ohne jegliche Gründe) abgeschoben. Daher wird dieses System auch als moderne Sklaverei bezeichnet. 2019 verkündete der Arbeitsminister das Ende des Kafala- Systems, seit 2020 gibt es keine Genehmigungspflicht für Ausreisende mehr. Der Arbeitgeber muss trotzdem mindestens 72 Stunden vor der geplanten Ausreise informiert werden. Juristische Möglichkeiten für Arbeitnehmer sollen leichter zugänglich gemacht werden, in der Realität ist dies aber noch nicht umgesetzt. Es gibt einen Fond, der Lohnausfälle begleichen soll, es herrscht aber große Intransparenz über die Beantragung, Auszahlung und Höhe der Förderungen und ob überhaupt Ausgleichszahlungen getätigt werden.98 Seit August 2020 gibt es in Katar einen gesetzlichen Mindestlohn, dieser beträgt 1000 Riyal monatlich, umgerechnet etwa 231€. Das entspricht einem Stundenlohn von etwa einem Euro. Darüber hinaus stehen Arbeitern seitdem eine Unterkunft und Verpflegung zu und der Jobwechsel wird für Arbeitnehmer erleichtert.99 Ob und wie die neuen Gesetze tatsächlich umgesetzt werden, ist noch unklar, im aktuellsten Bericht von November 2020 führte Amnesty International auf, dass es noch keinerlei Verbesserungen gab und forderte weitere, tiefergehende Reformen.100
Unabhängig von der Situation für Arbeitnehmer werden seit 2020 nach über 20 Jahren wieder Todesurteile in Katar vollstreckt.101 Ebenfalls wird die Situation von homosexuellen Menschen und denen, die sich nicht dem binären Geschlechtersystem zuordnen, kritisiert (Trans, Queer, Inter, .). Immer wieder berichten deutsche Medien von Verfolgungen und Verhaftungen. Das Auswärtige Amt widerspricht der aktiven Verfolgung und gibt an, dass keine einzige Inhaftierung aus diesem Grund bekannt ist. Laut Gesetz sind „homosexuelle Handlungen und nichtehelicher Geschlechtsverkehr [aber] verboten“ und werden „strafrechtlich geahndet“102. Genauso sind auch das Einführen und öffentliche Trinken von Alkohol verboten.103
Der Corruption Perceptions Index (CPI - deutsch: Korruptionswahrnehmungsindex) von Transparency International gibt Auskunft über die Korruption in allen Ländern der Welt. Die Erhebung erfolgt seit 1995 und die Länder werden entsprechend der auftretenden Korruption im öffentlichen Sektor gerankt. Seit 2012 wird der Wert von 0 bis 100 angegeben (zuvor 0 bis 10), wobei 0 für absolute Korruption und 100 für keinerlei Korruption steht. Der höchste erreichte CPI in diesem Zeitraum lag bei 92 (Dänemark, 2014), der niedrigste bei 8 (verschiedene Länder/Jahre). Katar lag im Jahr 2020 mit einem CPI von 63 auf dem 30. Rang weltweit und damit vor Spanien (62, Rang 32) und Portugal (61, Rang 33).104
Die Weltbank veröffentlicht jährlich ein Ranking aller Länder, bei dem anhand von zehn Indikatoren verglichen wird, wie einfach oder kompliziert es im jeweiligen Land ist, ein Unternehmen zu gründen und zu führen. Dabei erreichte Katar einen Scorevon 68,7, was weltweit den 77. Rang (von 190) bedeutet. In Abbildung 15 ist der Rang nach den jeweiligen Indikatoren dargestellt. Es wird deutlich, dass Katar in der Eigentumsregistrierung, bei Baugenehmigungen und dem Steuerzahlen zur absoluten Weltspitze gehört. Allerdings gibt es große Defizite bei der Gründung eines Unternehmens, bei der Beantragung von Krediten, der Vertragsdurchsetzung, einem Insolvenzverfahren und beim Schutz von Minderheitsinvestoren.105
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 15: Ranking der Doing Business Indikatoren (Quelle: The World Bank (2020)).
Beim Vergleich derWerte von Katar der Jahre 2019 und 2020 fäl lt auf, dass sich das Land in nahezu keiner Kategorie verschlechtert hat. Lediglich im Bereich der Abwicklung von Insolvenzen steht ein Verlust von 0,1 Prozentpunkten. Dem gegenüber steht ein Zugewinn von 0,1 Prozentpunkten bei der Unternehmensgründung, eine Steigerung um 2,5 Prozentpunkte beim Erhalt von Elektrizität und 5 Prozentpunkte einfacher ist es gestaltet, einen Kredit zu erhalten. Den größten Zuwachs erfuhr die Eigentumsregistrierung, die von einem ohnehin schon hohen Score von 84,1 im Jahr 2019 auf 96,2 im Jahr 2020 und damit auf Rang 1 der Welt angestiegen ist. Es ist also durchaus eine positive Entwicklung zu erkennen, die sich auch insgesamt mit einem um 2 Punkte gestiegenen Score bemerkbar gemacht hat.106
3. Katar im (europäischen) Sport: Katar als Sponsor
Die folgenden Kapitel sollen aufzeigen, wie Katar als Sponsor, Eigentümer und Ausrichter von sportlichen Turnieren und Großveranstaltungen Einfluss auf den europäischen Sport nimmt. Im Wesentlichen wird hierbei der Einfluss auf den Fußball betrachtet, bei den Event-Austragungen auch die Handball-Weltmeisterschaft 2015 und die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2019 in Doha. Bei der Betrachtung Katars als Sponsor wird zwischen der Qatar Foundation und deren Engagement beim FC Barcelona und der staatlichen Fluglinie Qatar Airways unterschieden.
3.1. Qatar Foundation (FC Barcelona)
Die Qatar Foundation wurde 1995 von Scheich Hamad bin Khalifa al Thani (Vater des Emirs) und dessen zweiter Frau Moza bint Nasser zur Förderung von Erziehung, Wissenschaft und Gesellschaftsentwicklung gegründet. Ein Jahr später eröffnete die Foundation, die sich als Non-Profit Organisation versteht, eine Akademie, die eine Primar- und eine Sekundarschule enthält und qualitativ hochwertig bilden und die Werte Katars vermitteln soll. 1998 schloss die Foundation eine Partnerschaft mit einer öffentlichen Universität in Virginia und implementierte kurz darauf ein Überbrückungsprogramm, um Studenten den Übergang von der High School an die Universität zu erleichtern. Weitere Partnerschaften mit Universitäten folgten und in der Nähe von Doha wurden eine „Education City“ und der „Qatar Science and Technology Park“ errichtet. Seit 2005 betreibt die Qatar Foundation einen Fernsehkanal für Kinder in Katar. Seit 2010 pflegt die Stiftung auch mit europäischen Universitäten (Paris und London) eine Partnerschaft. In der Folgezeit wurden Institute in den verschiedensten Bereichen der Wissenschaft in Katar errichtet und eingeweiht, ebenso wie eine Druckerei für akademische Bücher und Kinderbücher und eine Nationalbibliothek. Heute gilt die „Education City“ als hochmoderner Campus, auf dem Universitätsfakultäten, Bildungsinstitute und Forschungszentren untergebracht sind. Im Aufsichtsrat der Qatar Foundation sitzen aktuell neben dem weiblichen Gründungsmitglied, Scheichin Moza bint Nasser, ein bei der Gründung beteiligter Ingenieur und vier weitere Mitglieder der Regierungsfamilie. Von den sechs Personen sind drei männlich und drei weiblich, aber alle sehr regierungsnah. Dies führt neben den Finanzierungsquellen, die sich aus staatlichen Mitteln und privaten Unterstützern zusammensetzen, dazu, dass die Qatar Foundation als fast komplett verstaatlicht angesehen wird. Sie ist dennoch um Transparenz bemüht und bietet Besuchstouren und Führungen an.107 Die Scheichin Moza bint Nasser gilt als sehr fortschrittlich: Sie setzt sich für Frauenhäuser und Gotteshäuser für Nicht-Muslima ein, auf sie geht das Frauenwahlrecht in Katar zurück und sie tritt in der Öffentlichkeit gewöhnlich unverschleiert auf, was anfangs für viele Konservative befremdlich war, inzwischen aber zur Normalität geworden ist. Sie setzt sich mit der Qatar Foundation sehr stark für eine Bildungsoffensive in Katar ein, um auch der Zeit nach dem Ölabbau positiv entgegenblicken zu können und langfristig Terrorismus und Extremismus im Land zu verhindern.108
Demgegenüber steht die Kritik an der Qatar Foundation, dass Zahlungen für eine Kinder- und Flüchtlingsunterkunft im Grenzgebiet von Syrien und der Türkei getätigt wurden, bei der auch tausende ausländische Reisende Zwischenstopps einlegten, bevor sie sich dem Islamischen Staat zum Kampf anschlossen. Gedeckt wurde diese Unterstützung scheinbar vom türkischen Präsidenten Erdogan, der dokumentierende Journalisten verhaften ließ. 37 Millionen US-Dollar wurden in den Sudan überwiesen. Die Verwendung der Mittel ist unbekannt. Vermutlich wurden sie zur Unterstützung der dort ansässigen terroristischen Gruppen in Darfur verwendet.109 Des Weiteren wird die finanzielle Unterstützung der Hamas vermutet, eine radikalislamische Palästinenserorganisation, die antisemitisch dem Staat Israel gegenübertritt und aufgrund neuer Konflikte aktuell wieder Schlagzeilen macht. Wegen dieser Unklarheiten sind selbst sehr unterstützenswerte Investments der Qatar Foundation äußerst umstritten, so zum Beispiel die Unterstützung eines interreligiösen Projektes in Berlin, bei dem Juden, Christen und Muslime zusammengebracht werden sollen.110
Der spanische Fußballverein FC Barcelona gilt als einer der erfolgreichsten Fußballvereine weltweit. Neben 26 nationalen Meisterschaften, 13 Titelerfolgen im spanischen Supercup und 31 Pokalsiegen (spanischer Rekordpokalsieger), wurde der FC Barcelona viermal Champions LeagueSieger und dreimal FIFA-Klub-Weltmeister.111 Neben den unzähligen Titeln, vielen erfolgreichen Spielergenerationen und großen Persönlichkeiten zeichnete „Barga“ lange Zeit noch etwas anderes aus: Entgegen fast aller anderen Profivereine war auf dem Trikot keine kommerzielle Werbung zu finden. Dies änderte sich 2010, wenige Tage nach der Vergabe der FußballWeltmeisterschaft nach Katar (siehe Kapitel 5.3). Zuvor befand sich für einige Jahre auf dem Trikot das Logo des Kinderhilfswerks Unicef, wofür Barga kein Geld erhielt und zeitweise stattdessen etwas spendete. Dieses Logo wurde dann gegen das der Qatar Foundation ausgetauscht. Der Preis hierfür lag bei 165 Millionen Euro (zuzüglich weiterer Boni im Erfolgsfall), bei einer ursprünglich geplanten Laufzeit von fünfeinhalb Jahren bis 2016. Seit der Gründung des Vereins 1899, also 111 Jahre lang, kamen die Katalanen ohne einen kommerziellen Trikotsponsor aus, bevor der äußerst umstrittene Vertrag mit der Qatar Foundation geschlossen wurde.112 Nur zwei Jahre später, zur Saison 2012/13 änderte sich der Trikotsponsor von der Stiftung aus Katar zu Qatar Airways (siehe Kapitel 3.2.1).113
Die Entscheidung des Vereins, Unicef von der Brust des Trikots zu entfernen und stattdessen auf die Qatar Foundation zu setzen, wurde vom Management mit den fortschrittlichen Interessen der Stiftung in Katar begründet und mit den Interessen des Clubs gleichgesetzt. Die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Vertrag wurden nicht verschwiegen. Die spanische Zeitung „Marca“ kritisierte Pep Guardiola, den damaligen Trainer des FC Barcelona und einen der WM-Botschafter Katars, hart für den Deal.
Auch eine der größten Legenden und die einflussreichste Person für den FC Barcelona, Johan Cruyff, äußerte öffentlich Kritik. Cruyff war nach seiner aktiven Zeit von 1988 bis 1996 als Trainer tätig, führte das 4-4-3-System in allen Jugendmannschaften ein und schaffte es so, die heute noch typische Spielweise des FC Barcelona zu etablieren. Der FC Barcelona definiert sich schon seit 1968 mit dem Slogan „Més que un club“ (Mehr als ein Club).
Cruyff bezeichnete Barga aufgrund des Deals als „Un club més“ (Ein Club von vielen).114 Auch Mitglieder, Fans und neutrale Beobachter übten Kritik und protestierten teilweise dagegen, sodass der Club im September 2011 die Mitglieder darüber abstimmen ließ, ob der Vertrag aufgelöst oder aufrechterhalten werden solle.115 Im Vorfeld der Abstimmung äußerte sich beispielsweise Xavi, der seit seiner Jugendzeit und bis 2015116 insgesamt 24 Jahre für Barcelona spielte, über 500 Spiele bestritt und in Barcelona als Legende gilt, sehr positiv über den Sponsorenvertrag und erklärte, dass die Stiftung wichtig für die Entwicklung in Katar sei.117 Die Entscheidung der Mitglieder fiel zugunsten der Kooperation aus, sodass der Vertrag bestehen blieb.118 Für viele wurde hierdurch ein Mythos zerstört: Der Mythos eines Clubs, der anders ist und sich von allen anderen abhebt, für seine Werte eintritt und mehr ist als ein Verein („Més que un club“). Es steht der Vorwurf im Raum, Unicef als Werbepartner ausgewählt zu haben, um die Fans an einen Schriftzug auf der Brust zu gewöhnen, zunächst mit ehrbaren Absichten und in Verbindung mit einer Spende an das Kinderhilfswerk, langfristig aber als Wegbereiter für einen kommerziellen Deal.
Die Fanorganisation „schwatzgelb“ aus Dortmund, die zu den Fankreisen des BVB gehört, bezeichnete den FC Barcelona aufgrund dieser Doppelmoral als den „vielleicht [...] ekelhafteste[n] Verein aller Big Player“119 und kritisierte die Katalanen dafür scharf.120 Mit dieser Einschätzung sind sie nicht alleine und sprechen aus, was viele Fußballfans in Deutschland und Spanien denken und dem FC Barcelona seitdem immer wieder vorwerfen. Trotzdem sind die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren nicht gesunken, der Umsatz steigt weiterhin (Barga zählt gemeinsam mit Real Madrid und Manchester United zu den umsatzstärksten Fußballvereinen, Bayern München liegt auf Rang 4121 ) und auch die Mitgliederzahlen sind konstant. Die Reaktionen dürften den FC Barcelona bei solchen Umsätzen nicht groß interessieren, da das Sponsoring für die meisten Zuschauer schlichtweg nicht weiter relevant ist, bzw. keine negativen Konsequenzen auf den (Trikot-)Absatz gegeben sind. Hinzu kommen die hohe Verschuldung des Vereins, der auf das Geld angewiesen ist, und das Argument, Barga ziehe nur nach und mache mit einer kommerziellen Trikotwerbung nur das, was andere Vereine schon viel länger tun.
3.2. Qatar Airways
Wie im vorherigen Kapitel bereits erwähnt, wurde der Schriftzug „Qatar Foundation“ auf dem Trikot des FC Barcelona in „Qatar Airways“ geändert. Mit dieser Änderung ist der spanische Rekordpokalsieger nicht allein. Auch bei anderen Profivereinen ziert die Fluggesellschaft die Brust. Qatar Airways ist ein rein staatliches Unternehmen, 100% der Anteile gehören der Regierung Katars. Aktuell beschäftigt Qatar Airways etwa 46.000 Mitarbeiter. Die Fluggesellschaft gilt als Airline mit dem weltweit größten Wachstum und zählt global als 5-Sterne-Elite-Airline, die überwiegend Geschäftsreisen (Lang-, Mittel- und Kurzstrecke) anbietet. Qatar Airways wurde seit 2011 mehrfach zur Airline des Jahres ausgezeichnet.122 In einem Artikel der WirtschaftsWoche aus dem Jahr 2015 wird sie als heimliches Vorbild aller anderen Fluggesellschaften bezeichnet, da verstärkt auf hervorragende Qualität gesetzt wird.123 Der Jahresumsatz lag vor der Corona-Pandemie bei 48 Milliarden Katar-Ryal, was ca. 11 Milliarden Euro entspricht. Dennoch verzeichnete die Airline bereits vor der Pandemie einen Verlust von ca. 570 Millionen Euro. Die Anzahl der Passagiere und Frachterlöse stieg für das Geschäftsjahr 2018/19 um jeweils ca. 15%.124 Mit Beginn der Corona-Pandemie und verschiedenen Reiseverboten wurden bei anderen Airlines bis zu 90% der geplanten Flüge eingestellt. Qatar Airways flog dennoch durchgängig fünf Kontinente an, auch um die Versorgung Katars sicher zu stellen, da die VAE und Saudi-Arabien aufgrund der mutmaßlichen Verbindungen Katars zu Terrororganisationen seit 2017 durch Blockaden den Landweg und die Versorgung mit Schiffen verhindern. Der Umsatz und die Zahl der Passagiere stiegen dadurch im Geschäftsjahr 2019/20 weiter an, dennoch stand am Ende ein Verlust von 7 Milliarden Katar-Ryal, also umgerechnet ca. 1,62 Milliarden Euro. Grund dafür waren Beteiligungen bei Air Italy (49% Anteile, ist insolvent gegangen), der International Airways Group (25,1% Anteile) und weitere kleinere Anteile (bis 10%) bei weltweiten Airlines, die alle mit hohen Verlusten verbunden waren. Bei einer Erholung der Beteiligungen nach der Corona-Pandemie könnte der Verlust vermutlich wieder vollständig ausgeglichen werden. Trotzdem gab es nach dem Geschäftsabschluss eine Finanzspritze der Regierung Katars über 7,3 Milliarden Katar-Ryal, umgerechnet ca. 1,68 Milliarden Euro, wodurch der Verlust umgehend egalisiert wurde.125
[...]
1 Vgl. The Guardian (2021)
2 Vgl. Paris Saint-Germain (2012).
3 Vgl. Dach (2017) und Hamann (2015).
4 Vgl. Amnesty International (2021)
5 Vgl. Riedel (2021a).
6 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), Stand 2019.
7 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020a), Baden-Württemberg: ca. 35.748 km2 und ca. 11,1 Mio. Einwohner.
8 Vgl. Experteninterview mit Christian Wacker (2021).
9 Vgl. Koppenwallner (o.J.).
10 Vgl. Riedel (2021a).
11 Vgl. Behrens (2017).
12 Vgl. travelmyne (o.J.).
13 Anrainerstaaten des Persischen Golfes: Bahrain, Irak, Iran, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate (VAE).
14 Vgl. Riedel (2021a).
15 Vgl. Qatar News Agency (2017).
16 Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Luftfeuchtigkeit im Sommer ca. 70%.
17 Vgl. Podbregar (2019).
18 Vgl. Riedel (2021a).
19 Vgl. Deutscher Wetterdienst (2021).
20 Vgl. Kinderweltreise (2020a).
21 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020).
22 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020).
23 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2012).
24 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b).
25 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020).
26 Vgl. Central Intelligence Agency (2020).
27 Vgl. United Nations Department of Economic and Social Affairs (2021c).
28 Vgl. Riedel (2021a).
29 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b), S. 6.
30 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2021), S. 2.
31 Vgl. Riedel (2021b).
32 Riedel (2021b).
33 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2021), S. 2.
34 Zum Vergleich: Deutschland ca. 11%, USA 17%.
35 Vgl. Central Intelligence Agency (2020).
36 Vgl. Riedel (2021b).
37 Vgl. ProCon.org (2020).
38 Vgl. United Nations Development Programme (2020).
39 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b), S.8.
40 Vgl. Statistisches Amt der Europäischen Union (EUROSTAT) (2021).
41 Vgl. Bauer, Stern (1988), S. 216.
42 Vgl. IH-Redaktion (2020).
43 Vgl. Gutwirth (o.J.).
44 Vgl. IH-Redaktion (2020).
45 Sie dürfen also wählen und gewählt werden. Unter den über 200 Kandidaten waren sechs Frauen, von denen keine in den Rat gewählt wurde.
46 Gemeinderat, am ehesten vergleichbar mit Kommunalwahlen in Deutschland.
47 Vgl. IH-Redaktion (2020).
48 Vgl. Gengler (2019).
49 Vgl. IH-Redaktion (2020).
50 Amnesty International (2013), S. 8.
51 Vgl. Amnesty International (2013).
52 Fédération Internationale de Football Association.
53 Vgl. Amnesty International (2016), S. 69ff.
54 Vgl. Riedel (2020a).
55 Vgl. Shura Council (2017).
56 Vgl. Government Communications Office Qatar (2020).
57 Vgl. Riedel (2020a).
58 Vgl. Riedel (2020a).
59 Vgl. Bauer, Stern (1988), S. 216.
60 Vgl. Riedel (2020a).
61 Gödderz (2020), S. 72.
62 Vgl. Gödderz (2020).
63 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b), S.3.
64 Vgl. Statistisches Bundesamt (2021).
65 Vgl. International Monetary Fund (2021).
66 Vgl. Ivanov, Imöhl, Schüller (2021).
67 Vgl. Worldometer (2018).
68 Vgl. The Global Economy (2019).
69 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 1.
70 Vgl. International Monetary Fund (2021).
71 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 4.
72 Vgl. Riedel (2020b).
73 Stand: 2. Juni 2021.
74 Vgl. Qatar Central Bank (2021).
75 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 2.
76 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b), S. 9.
77 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S.6.
78 Vgl. The World Factbook (2019).
79 Vgl. The World Factbook (2019).
80 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020), S. 13.
81 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 6.
82 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020), S. 14.
83 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2020), S. 13f.
84 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 6.
85 Vgl. Gödderz (2020).
86 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich (2020), S. 5.
87 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020b), S. 11.
88 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020c).
89 Auto Europe (o.J.).
90 Vgl. Auto Europe (o.J.).
91 Stand: 31. Mai 2021.
92 Vgl. Wüpper (2009) und Espey (2019)
93 Amnesty International (2020a).
94 Vgl. Amnesty International (2020a).
95 Reporter ohne Grenzen (2019a).
96 Vgl. Reporter ohne Grenzen (2019b).
97 Vgl. Qatar News Agency (2021).
98 Vgl. Amnesty International (2020a).
99 Vgl. Tagesschau (2020).
100 Vgl. Amnesty International (2020b).
101 Vgl. Amnesty International (2020a).
102 Auswärtiges Amt (2021).
103 Vgl. Auswärtiges Amt (2021).
104 Vgl. Transparency International (2020).
105 Vgl. The World Bank (2020).
106 Vgl. The World Bank (2020).
107 Vgl. Qatar Foundation (2021).
108 Vgl. Cerha (2009).
109 Vgl. Tomassini (2020).
110 Vgl. Berliner Zeitung (2019).
111 Stand: Ende der Saison 2020/21.
112 Vgl. n-tv (2010) und Süddeutsche Zeitung (2010a).
113 Vgl. Laub (2012).
114 Vgl. Câceres (2010).
115 Vgl. Welt (2011).
116 Im Jahr 2015 wechselte er nach Katar (al-Sadd Sport-Club, Doha).
117 Vgl. Krentscher (2011a)
118 Vgl. Krentscher (2011b).
119 schwatzgelb.de e.V. (2019).
120 Vgl. schwatzgelb.de e.V. (2019).
121 Vgl. Zeppenfeld (2021).
122 Vgl. Qatar Airways (2021a).
123 Vgl. Kiani-Kreß (2015).
124 Vgl. Eiselin (2019).
125 Vgl. Enz (2020).
- Citation du texte
- David Seifried (Auteur), 2021, Sport als Marketinginstrument am Beispiel Katar. Mögliche Auswirkungen für Katar und Europa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1281200
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