Ich werde mich in dieser Hausarbeit mit der Rolle der adeligen Frau in der preußischen Gesellschaft
des 19. Jahrhunderts beschäftigen. Diese Rolle möchte ich anhand Theodor Fontanes Roman „Effi
Briest“ untersuchen.
Beim ersten Lesen des Romans ist es mir sehr schwer gefallen zu begreifen, wieso sich Effi ohne
Protest mit einem Mann verheiraten lässt, den sie weder kennt, noch liebt.
Anscheinend zeigt sich die Unterdrückung der Frau auch im Leben einer Adeligen, die einer
gehobeneren Gesellschaft angehört.
Wir jungen Frauen heute, die in einer fast emanzipierten Zeit aufgewachsen sind, können uns eine
solche Unterdrückung nur schwer vorstellen, sodass ich es sehr interessant finde, eben diese
Unterdrückung der adeligen Frau genauer zu untersuchen.
Ich werde mich also im Verlauf meiner Arbeit auf die Rolle der adeligen Frau im 19. Jahrhundert
konzentrieren, wobei ich darauf eingehen werde, welchen Erwartungen sie sich stellen musste und
welche Aufgaben sie zu erledigen hatte.
Da ich mich aber speziell auf die Figuren des Romans stütze, möchte ich keinen Anspruch auf
Allgemeingültigkeit erheben. Für mich stellen sich vielmehr die Fragen, welchen Ansprüchen eine
„gute Ehefrau“ gerecht werden muss und inwiefern Fontane mit seinem Roman, Kritik an der
damaligen gesellschaftlichen Umstellungen üben wollte. Ziel meiner Arbeit soll es sein, durch
entsprechende Untersuchungen und Ausführungen, entsprechende Antworten auf diese Fragen zu
geben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Inhaltliche Zusammenfassung des Romans
2. Voreheliche Erziehung
2.1 Erziehung zur Ehefrau
2.1.1 Die Rolle der Mutter
2.1.2 Vom Vater übernommene „Weisheiten“
2.1.3 Bildung
2.2 Heiratskriterien
2.3 Instettens „Bemühungen“ um Effi
3. Effi: Eine „gute“ Ehefrau?
3.1 Häusliche Aufgaben
3.2 Gesellschaftliche Verpflichtungen
3.3 Harmonie und Gleichberechtigung?
4. Die Affäre
4.1 Aktiver Fehltritt oder unvermeidliche Konsequenz?
4.2 Auswirkungen auf die Ehe
4.3 Umgang mit der „Schuld“
5. Fazit und Stellungsnahme
5.1 „Effi Briest“ als Kritik an der Stellung der Ehefrau im Preußen des 19. Jahrhunderts und an den gesellschaftlichen Umständen?
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang
1. Einleitung
Ich werde mich in dieser Hausarbeit mit der Rolle der adeligen Frau in der preußischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts beschäftigen. Diese Rolle möchte ich anhand Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“ untersuchen.
Beim ersten Lesen des Romans ist es mir sehr schwer gefallen zu begreifen, wieso sich Effi ohne Protest mit einem Mann verheiraten lässt, den sie weder kennt, noch liebt.
Anscheinend zeigt sich die Unterdrückung der Frau auch im Leben einer Adeligen, die einer gehobeneren Gesellschaft angehört.
Wir jungen Frauen heute, die in einer fast emanzipierten Zeit aufgewachsen sind, können uns eine solche Unterdrückung nur schwer vorstellen, sodass ich es sehr interessant finde, eben diese Unterdrückung der adeligen Frau genauer zu untersuchen.
Ich werde mich also im Verlauf meiner Arbeit auf die Rolle der adeligen Frau im 19. Jahrhundert konzentrieren, wobei ich darauf eingehen werde, welchen Erwartungen sie sich stellen musste und welche Aufgaben sie zu erledigen hatte.
Da ich mich aber speziell auf die Figuren des Romans stütze, möchte ich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Für mich stellen sich vielmehr die Fragen, welchen Ansprüchen eine „gute Ehefrau“ gerecht werden muss und inwiefern Fontane mit seinem Roman, Kritik an der damaligen gesellschaftlichen Umstellungen üben wollte. Ziel meiner Arbeit soll es sein, durch entsprechende Untersuchungen und Ausführungen, entsprechende Antworten auf diese Fragen zu geben.
1.1 Inhaltliche Zusammenfassung des Romans
In dem 1894 erschienenen Gesellschaftsroman „Effi Briest“ schreibt der Autor Theodor Fontane die Geschichte der jungen adeligen Effi Briest, die siebzehnjährig mit dem achtunddreißigjährigen Baron Geert von Innstetten, Landrat in Kessin und ehemaliger Verehrer ihrer Mutter Luise von Briest, verheiratet wird. Effi verlässt das Elternhaus und zieht zu ihm nach Kessin. Ihr Leben dort stellt sich als äußerst trist heraus: Während der strebsame Geert Innstetten seinem Beruf nachgeht, langweilt sich seine Frau zu Hause. Der ansässige Landadel verhält sich Effi gegenüber abweisend, sodass auch die Geburt ihrer Tochter Annie ihr eintöniges und langweiliges Leben nicht entscheidend verändern kann. Als nun der – auch verheiratete - Major Crampas auftaucht, beginnt die Effi eine heimliche Affäre mit ihm. Diese beendet sie jedoch, als ihr Mann aus beruflichen Gründen nach Berlin berufen wird.
Obwohl die junge Effi von Schuldgefühlen geplagt wird, erholt sich die Ehe zwischen ihr und dem Baron zunächst, da dieser erst sechs Jahre später durch Zufall von der Affäre seiner Gemahlin erfährt. Der Betrogene trennt sich von seiner Ehefrau und fordert Crampas zum Duell, der bei diesem umkommt. Von ihrem Mann getrennt, verwehrt Familie Biest Effi zudem die Heimkehr in ihr Elternhaus. Zum einsamen Leben abseits der Gesellschaft gezwungen, siecht Effi vor sich hin. Die Tochter gemeinsame Tochter Anni, die bei ihrem Vater aufwächst, sieht Effi nur ein einziges Mal, wobei sich diese ihrer Mutter gegenüber sehr reserviert verhält. Anni kommt mit diesem Verhalten der Forderung ihres Vaters nach.
Erst als Effi schwer erkrankt und ihr Arzt einen Brief an das Elternhaus Briest sendet, gewähren die Eltern ihrer Tochter nach Hause zurückzukommen. Dort verlebt Effi eine letzte glückliche Zeit, ehe sie schließlich im Alter von neunundzwanzig Jahren stirbt. Innstetten, der Effi überlebt, fragt sich, ob er ihr gegenüber richtig gehandelt habe.
2. Voreheliche Erziehung
2.1 Erziehung zur Ehefrau
Die Ziele der Jungen- und Mädchenerziehung unterschieden sich grundlegend im Preußen des 19. Jahrhunderts.[1] Gemäß der geschlechterspezifischen Rollenverteilung war der Mann „des Weibes Beschützer und Oberhaupt, das Weib hingegen die [...] anschmiegsame, sich an ihn haltende[...]dankbare und folgsame Gefährtin“[2]. Da es sich für Töchter höhere Standes nicht schickte, arbeiten zu gehen, war das vorrangige Ziel der Mädchenerziehung, es zu einer guten Ehefrau und Mutter heranzubilden, die den damaligen Tugenden entspricht.
Und doch stellt Effi scheinbar stellvertretend für alle Frauen dieser Zeit fest: „Wir müssen verführerisch sein, sonst sind wir gar nichts...“[3]. In dieser Aussage ist wohl ein gewisser Kontrast zur oben genannten geforderten Tugendhaftigkeit zu erkennen.
2.1.1 Die Rolle der Mutter
In Fontanes Roman „Effi Briest“ wird diese „Erziehung zur Ehefrau“ auch der Titelheldin zuteil. So verrichten Effi und ihre Mutter häufig gemeinsame Handarbeit, wodurch Effi bereits mit der prägenden Vorstellung aufwächst, dass diese typische Frauenarbeit sei. Im Verständnis des Adels war die Ehefrau „Mutter [...] und Herrin“.[4] (Auf den Aspekt häuslicher Aufgaben von Ehefrauen werde ich genauer eingehen, wenn ich mich unter 3.1 mit Effis Eheleben auseinandersetze.)
„Neben der Hausführung war die Ehefrau für die Erziehung der Kinder zuständig.“[5] So spielen auch in Effis Erziehung preußische Werte[6] wie Fleiß, Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Disziplin, die Effi durch ihre Mutter vorgelebt werden, eine sehr große Rolle. Die wichtigste dieser Tugenden ist dabei aber die „Pflichterfüllung“[7].
Es lässt sich an einigen Textstellen nachweisen, dass auch Effi, im Sinne dieser Werte, sehr konservativ erzogen wird. So gibt die Wendung „Frau von Briest, sonst so kritisch, auch ihrem [...] Kinde gegenüber“[8] Aufschluss darüber, dass Effi häufig der mütterlichen Kritik ausgesetzt ist. Dass Frau von Briest nur „unter Umständen auch unkonventionell sein“[9] kann, setzt voraus, dass sie sich normalerweise an die propagierten Normen der Gesellschaft hält. Dies zeigt sich beispielsweise auch daran, dass Frau von Briest sich um ihr Kind sorgt, weil es seine Gefühle zeigt. Aus dem gleichen Grund weist sie Effi zurück, da es anscheinend als unschicklich galt, seine Gefühle offen zu zeigen. So wächst Effi nur mit seltenen Zärtlichkeiten auf. Sie soll sich vielmehr standesgemäß verhalten, so wie ihre Mutter es ihr vorlebt. Deren Verhalten entspricht nämlich der Norm, Gefühle zu unterdrücken. So versucht sie ihre Emotionen sogar vor der eigenen Tochter zu verbergen, weshalb man davon ausgehen kann, dass Effi, obwohl sie von ihrer Mutter sehr geliebt wird, in ihrer Kindheit doch eher mit Kritik als mit Lob und Zärtlichkeiten umgehen musste.
Die Liebe, die Frau von Briest ihrer Tochter entgegenbringt, bleibt nicht unerwidert. So wird schnell klar, dass die Mutter die engste Bezugsperson für Effi darstellt. Obwohl Effi, aus den dargelegten Gründen, nie hemmungslos offen mit ihrer Mutter über Gefühle spricht, wird doch deutlich, dass Frau von Briest einen weit größeren Einblick in Effis Gefühlswelt hat als ihre Freundinnen, welche als bloße Spielgefährtinnen angesehen werden müssen. Dieser Einblick befähigt sie dazu, Einfluss zu nehmen. So weist sie Effi bereits vor der Ehe mit Innstetten darauf hin, dass besonders Frauen „vorsichtig im Leben sein“[10] müssen. Die Mutter will stets über Gedanken und Gefühle ihrer Tochter informiert sein und hinterfragt Effis Antworten. Man kann fast sagen, dass sie wie ein Gewissen agiert. Sie ist also verständnisvolle Ratgeberin ihres Kindes, was sie auch während Effis Ehe mit Innstetten bleibt, wie der stetige Briefkontakt beweist. Dieses Verhalten hat zur Auswirkung, dass Frau von Briest Effi in großer Abhängigkeit von sich hält. Dies wird auch daran deutlich, dass sich Frau von Briest intensivst um die Wohnungseinrichtung ihrer Tochter und die Hochzeitsvorbereitungen kümmert. Die tiefe Liebe und große Bewunderung, die Effi ihrer Mutter entgegenbringt, dienen dieser so letztendlich als Instrumente, ihre Tochter in die gewünschte Richtung zu lenken. Also jene, die sie als beste für Effi und das Ansehen der Familie ansieht. Da Effi um die Liebe und das Wohlwollen ihrer Mutter weiß, ordnet sie sich ihr fraglos unter und sieht es als ihre Pflicht an, Frau von Briests Wünschen nachzukommen. In diesem Zusammenhang wird auch verständlich, warum die junge Frau es als selbstverständlich hinnimmt, dass die Eltern ihren Ehemann aussuchen.
Auch Effis Äußerungen gegenüber den Freundinnen ist zu entnehmen, dass sie stets darauf bedacht ist, den Wünschen ihrer Mutter gerecht zu werden, die, mehr noch als Erzieherin, Vorbild für Effi ist. Im Gespräch mit den Zwillingen und Hulda tritt Effis Bewunderung für ihre Mutter deutlich hervor: Effi bezeichnet sie nicht nur als „schöne Frau“[11], sondern betont auch ihre guten Umgangsformen, die „immer so sicher und dabei so fein und nie unpassend wie“[12] die des Vaters seien. - Und das Maß, mit dem „die gute Ehefrau“ in Fontanes Preußen gemessen wird, ist nun einmal ihr Benehmen.
(Ich werde mich in 2.2 nochmals kurz auf die hier dargestellte Vorbildfunktion Frau von Briests, sowie die enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter beziehen.)
2.1.2 Vom Vater übernommene „Weisheiten“
Effis Vater, Ritterschaftsrat von Briest[13], erscheint Effi dagegen als weniger vorbildlich. Im Gegensatz zu seiner Frau vermag er es nicht, sich mit Andeutungen von Kritik an der preußischen Gesellschaft zurückzuhalten. Ihm mangelt es an Tugenden wie „Anstand“[14] und „Disziplin“[15]. Obwohl er sich den Konventionen der Gesellschaft augenscheinlich beugt, so sind seine Aussagen doch oft auf eine solche Weise zweideutig, dass in ihnen ein Mangel an Unterordnung hervortritt.
So ist ihm die „Zwangslage“[16] der Frauen gegenüber ihren Ehemännern durchaus bewusst, kann oder will sich aber keine eigene Meinung darüber bilden und übernimmt daher einfach die tradierten Normen. Dadurch finden diese schließlich auch Eingang in Effis Verständnis der geschlechterspezifischen Rollenbilder: „Weiber weiblich, Männer männlich“[17].
[...]
[1] Werner Sudendorf: Marlene Dietrich. In: Étienne Francois, Hagen Schulze (Hrsg.): Deutsche Erinnerungsorte. Band 2. München 2003.S. S.620-637. Dort S.624.
[2] Joachim Heinrich Campe: Väterlicher Rath für meine Tochter. Ein Gegenstück Theophron. Braunschweig 1809.
[3] Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S.138 Z.4.
[4] Vgl. Anlage S.1 ff.
[5] Vgl. ebd.
[6] Werner Sudendorf: Marlene Dietrich. In: Étienne Francois, Hagen Schulze(Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. Band 2. München 2003.S. S.620-637. Dort S.624. Andrzej Kopacki: Preußische Tugenden. Ein Blick aus Polen. In: Stiftung Schloss Neuhardenberg. Ein Traum, was sonst?. Preußische Tugenden. Göttingen 2002. S.231-251.
[7] Ebd. S.231
[8] Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S.23 Z.2 f.
[9] Ebd. S.15 Z.23
[10] Ebd. S.30 Z.20
[11] Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S.8 Z. 20, S.71 Z.13
[12] Ebd. S. 8 Z.21
[13] Vgl. Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S. 9, 16, 18
[14] Erik v. Grawert May: Drei Miniaturen über Anstand, Maß, Mehr-Sein-als-Scheinen. In: Stiftung Schloss Neuhardenberg. Ein Traum, was sonst?.Preußische Tugenden. Göttingen 2002. S.45-58. Dort. S 47.
[15] Bruno Preisendörfer: Hanswurst und Tyrann. Die gefährliche Tugend des Dienstes am Staat. In: Stiftung Schloss Neuhardenberg. Ein Traum, was sonst? Preußische Tugenden. Göttingen 2002. S.121-131. Dort S.121
[16] Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S.45 Z.11
[17] Theodor Fontane: Effi Briest. München 2009. S.6 Z.21 Vgl. Sabina Becker, Sascher Kiefer: „Weiber weiblich, Männer männlich“?. Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen. Marburg 2005.
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- Anna Hillebrand (Author), 2009, Theodor Fontanes "Effi Briest", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128114
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