Die Frage nach dem Komischen in dem Comix Maus. Die Geschichte eines Überlebenden des New Yorker Comixautors Art Spiegelman zu stellen, scheint zunächst paradox, da in der Forschung neben der Legitimität des Comix als adäquate Darstellung der Shoah immer wieder auch auf seine Seriösität insistiert wird. Die kurz nach Erscheinen des ersten Bandes von Maus ausgelöste Kritik, die sich besonders in Deutschland auf die Wahl des scheinbar komischen Mediums ‚Comic’ konzentrierte, hat sich in allgemeine Anerkennung gewandelt. Maus gilt heute in der Forschung als Inbegriff für einen Comix, der eine im Zeichen der Postmemory stehende Darstellungsform der Shoah und ihrer Folgen für die Überlebenden und Nachgeborenen gefunden hat. Dem soll in dieser Arbeit, die sich primär als Problemaufriss und als Versuch einer Antwort auf die Frage nach dem Komischen in Maus versteht, nicht widersprochen werden. Allerdings zeigt sich, dass die Bewertung von Maus als legitime Darstellung der Shoah meist mit der Prämisse verbunden wird, dass der Comix nichts Komisches enthalte und kein Lachen auslöse. LaCapra resümiert entsprechend, dass Maus kaum Komisches beinhalte. Zwar handelt es sich bei diesem Comix dem Genre nach tatsächlich nicht um eine Komödie oder eine genuin komische Bilderzählung. Aber dennoch wird im Vergleich mit anderen, die Shoah thematisierenden Comics, vor allem im Vergleich zu Crocis Auschwitz (2000), deutlich, dass diese nicht nur ohne anthropomorphe Tiere auskommen, sondern jede Form des Komischen vermeiden, während Maus sich durch eine subtile, reflexive Komik auszeichnet, so dass das Komische ein Element des spezifischen Darstellungsmodus bildet, sich aber zum Teil auch auf inhaltlicher Ebene in Form von komischen Anekdoten zeigt. Diese Momente des Komischen rufen kein schallendes Gelächter hervor, aber wohl ein leises Lächeln und führen damit zu einer unauflösbaren, widersprüchlichen Spannung zwischen der zum Lachen reizenden Darstellung und der moralisch-ethischen Frage ‚Darf ich das?'. Intention der vorliegenden Seminararbeit ist es, eben jene Formen des Komischen im Comix Maus aufzuspüren, sie im Hinblick auf ihre Funkion zu analysieren und entgegen der Forschungstendenz zu zeigen, dass der Comix sehr wohl Komisches enthält, wodurch aber die Legitimität des Comix als Nach-Bild der Shoah keinesfalls in Frage gestellt werden soll. Zu untersuchen sind vielmehr die Chancen und Grenzen des Komischen in Bezug auf die Darstellung der Shoah.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Präliminarien
- II. 1. Über den Begriff des Komischen
- II. 2. Zur Differenzierung von ,Komik' und ,Comic’
- II. 3. Die Ambivalenz des Komischen und die Shoah - ein moralisch-ethisches Problem
- III. Formen und Funktionen des Komischen in Art Spiegelmans Comix Maus
- III. 1. Charakterkomik – Vladek Spiegelman als komische Figur?
- III. 2. Komische Anekdoten, Slapstick & Clownerie
- III. 3. Wortkomik
- III. 4. Das Komische als Mittel zur Darstellung des Undarstellbaren
- III. 4.1. Die Tiermetapher als Parodie auf die NS-Rassenideologie
- III. 4.2. Das Komische als Mittel zur Problematisierung von Erinnerung
- IV. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Auftreten von komischen Elementen in Art Spiegelmans Comix „Maus“ und analysiert deren Funktion im Kontext der Darstellung des Holocaust. Sie hinterfragt die gängige Annahme, dass der Comix kein Komisches enthalte und belegt, dass das Komische in „Maus“ weder die Seriösität noch die Legitimität der Darstellung der Shoah in Frage stellt. Vielmehr wird untersucht, wie das Komische die Darstellung des Undarstellbaren unterstützt und die Reflexion über Erinnerung und die Darstellungsmöglichkeiten von Auschwitz ermöglicht.
- Der Begriff des Komischen und seine Anwendung auf die Darstellung des Holocaust
- Die Analyse verschiedener Formen des Komischen in „Maus“ (Charakterkomik, Anekdoten, Wortwitz)
- Die Funktion des Komischen als Mittel zur Darstellung des Undarstellbaren
- Die Rolle des Komischen bei der Reflexion über Erinnerung und die Wahrnehmung des Holocaust
- Die ethischen und moralischen Implikationen des Komischen im Kontext der Shoah
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Funktion des Komischen in Art Spiegelmans „Maus“ in den Mittelpunkt. Sie problematisiert die gängige Annahme in der Forschung, dass der Comix aufgrund seiner Darstellung des Holocaust frei von Komik sei. Die Arbeit kontert diese Sichtweise und argumentiert, dass das Vorhandensein von komischen Elementen die Legitimität der Darstellung nicht in Frage stellt, sondern vielmehr neue interpretative Möglichkeiten eröffnet. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Chancen und Grenzen des Komischen bei der Darstellung des Holocaust und dessen Auswirkungen auf die Nachgeborenen.
II. Präliminarien: Dieses Kapitel legt die theoretischen Grundlagen der Arbeit dar. Es beleuchtet verschiedene Definitionen des Komischen und differenziert zwischen Komik und Comic. Besondere Aufmerksamkeit wird der ethischen Problematik der Darstellung des Holocaust mit komischen Mitteln gewidmet. Die Arbeit definiert das Komische als Ursache von Lachen und betont die Relativität und die Schwierigkeit der empirischen Belegbarkeit des Komischen. Die verschiedenen Facetten des Lachens (von Lächeln bis Gelächter) werden differenziert.
Schlüsselwörter
Maus, Art Spiegelman, Holocaust, Shoah, Komik, Comic, Postmemory, Erinnerung, Darstellung, Undarstellbares, Charakterkomik, Anekdote, Wortkomik, Parodie, Rassenideologie, Moral, Ethik.
Häufig gestellte Fragen zu "Maus" von Art Spiegelman: Eine Analyse des Komischen
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit untersucht das Auftreten und die Funktion von komischen Elementen in Art Spiegelmans Graphic Novel „Maus“. Sie hinterfragt die gängige Annahme, dass „Maus“ aufgrund seines Themas (der Holocaust) frei von Komik sei und analysiert, wie das Komische die Darstellung des Unvorstellbaren unterstützt und die Reflexion über Erinnerung und Darstellung ermöglicht.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den Begriff des Komischen im Kontext des Holocaust, analysiert verschiedene Formen des Komischen in „Maus“ (Charakterkomik, Anekdoten, Wortwitz), untersucht die Funktion des Komischen als Mittel zur Darstellung des Undarstellbaren, beleuchtet die Rolle des Komischen bei der Reflexion über Erinnerung und Wahrnehmung des Holocaust und schließlich die ethischen und moralischen Implikationen des Komischen im Kontext der Shoah.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel I (Einleitung) stellt die Forschungsfrage und problematisiert die gängige Annahme der Abwesenheit von Komik in „Maus“. Kapitel II (Präliminarien) legt die theoretischen Grundlagen dar, beleuchtet Definitionen des Komischen und differenziert zwischen Komik und Comic, wobei der ethischen Problematik besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Kapitel III (Formen und Funktionen des Komischen in „Maus“) analysiert verschiedene Formen des Komischen im Comic und deren Funktion in Bezug auf die Darstellung des Holocaust. Kapitel IV (Fazit) fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für die Arbeit?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Maus, Art Spiegelman, Holocaust, Shoah, Komik, Comic, Postmemory, Erinnerung, Darstellung, Undarstellbares, Charakterkomik, Anekdote, Wortkomik, Parodie, Rassenideologie, Moral, Ethik.
Wie wird das Komische in „Maus“ definiert und analysiert?
Die Arbeit definiert das Komische als Ursache von Lachen und betont dessen Relativität. Die Analyse umfasst verschiedene Formen des Komischen, wie Charakterkomik (am Beispiel Vladek Spiegelman), Anekdoten, Wortwitz und die Verwendung von Tiermetaphern als Parodie auf die NS-Rassenideologie. Es wird untersucht, wie das Komische die Darstellung des Undarstellbaren unterstützt und die Reflexion über Erinnerung ermöglicht.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit?
Die Arbeit widerlegt die Annahme, dass Komik in „Maus“ die Seriösität oder Legitimität der Darstellung des Holocaust in Frage stellt. Stattdessen argumentiert sie, dass das Komische neue interpretative Möglichkeiten eröffnet und die Darstellung des Undarstellbaren unterstützt, ohne die Gravität des Themas zu mindern. Die ethischen und moralischen Implikationen des Einsatzes von Komik werden kritisch reflektiert.
- Arbeit zitieren
- Janin Taubert (Autor:in), 2006, Lachen über [M]Auschwitz? Formen und Funktionen des Komischen in Art Spiegelmans Comix "Maus. Die Geschichte eines Überlebenden", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127751