Im alltäglichen Leben sprechen wir Menschen immer von Verantwortung und von der Freiheit, entscheiden zu können, was wir wollen. Willensfreiheit ist demnach nicht nur Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben, sondern auch das Fundament von gesellschaftlichen Strukturen und vor allem von der Erkenntnis von sich selbst. Wie wird dieses "Selbst" psychoanalytisch definiert, und können/dürfen wir im Kontext von Freuds Strukturtheorie überhaupt von so etwas wie Willensfreiheit sprechen?
Diese Arbeit untersucht, ob mit Sigmund Freuds Strukturtheorie Argumente bzw. Darstellungen angeführt werden können, die sich für oder gegen einen "freien Willen" aussprechen. Mit dieser Arbeit soll folgende Forschungsfrage untersucht werden: "Wie lässt sich der <freie Wille> anhand von Sigmund Freuds Strukturtheorie der Psyche beschreiben?"
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Forschungsfrage
1.2 Methode - Vorgehensweise
1.3 Gliederung
2. Philosophische Positionen im Kontext von „Willensfreiheit“
2.1 Der „freie Wille“ bei Immanuel Kant
2.1.1 Freiheit bzw. „freier Wille“ im erkenntnistheoretischen Kontext der KrV 15
2.1.2 Freiheit bzw. „freier Wille“ im Kontext einer ethisch praktischen Vernunftentwicklung
2.1.3 Kants Zusammenschluss zweier Welten und der Vernunftbegriff mit seinen ethischen Auswirkungen auf Staat, Kirche und Individuum
2.2 Arthur Schopenhauers Unterscheidung zwischen empirischem und intelligiblem Charakter sowie eine Hinführung zum „liberum arbitrium indifferentiae“ in seiner Preisschrift über die Freiheit des Willens
2.2.1 Zu Schopenhauers Darstellung des empirischen und intelligiblen Charakters
2.2.2 Freiheit und das „liberum arbitrium indifferentiae“, sowie das „Selbstbewußtseyn“ bei Schopenhauer
2.2.3 Der Wille vor dem „Selbstbewußtseyn“ bzw. vor dem „Bewußtseyn“ anderer Dinge
2.3 Friedrich Nietzsches Auseinandersetzung mit der Willensfreiheit bzw. Nietzsches Freiheitskritik
2.4 Zur Konstruktion des Individuums (zur Subjektwerdung) und das Panopticon bei Michel Foucault im Kontext von „Willensfreiheit“
2.5 Kompatibilismus, Inkompatibilismus, Libertarismus, weicher Determinismus und harter Determinismus bzw. Freiheitskeptizismus bei Ansgar Beckermann
2.5.1 Inkompatibilismus (harter Determinismus/Freiheitsskeptizismus oder Libertarismus)
2.5.2 Kompatibilismus (weicher Determinismus)
3. Darstellung und Analyse der Freud'schen Strukturtheorie (1. und 2. Topik)
3.1 Freuds psychischer Apparat
3.1.1 Freuds Triebdarstellung
3.1.2 Das topografische Modell (erste Topik)
3.1.3 Die Strukturtheorie (zweite Topik)
3.2 Analyse der Strukturtheorie
3.2.1 Kapitel 1: Bewußtsein und Unbewußtes
3.2.2 Kapitel 2: Das Ich und das Es
3.2.3 Kapitel 3: Das Ich und das Über-Ich (Ich-Ideal)
3.2.4 Kapitel 4: Die beiden Triebarten
3.2.5 Kapitel 5: Die Abhängigkeit des Ichs
3.3 Fazit/Schlussbemerkung
4. Ethische Überlegungen im Kontext von Willensfreiheit und deren Konsequenzen 96
4.1 Differenzierung zwischen der Strafe als Retribution für vergangene Taten und der Strafe als Prävention für zukünftiges Handeln
4.2 Wahlverhalten im Kontext von Willensfreiheit und sozialem Determinismus
5. Allgemeines Fazit/Interpretation der Analyse
Literaturverzeichnis
Danksagung
Ich danke all jenen Menschen, die mich über die letzten Monate und Jahre (Jahrzehnte!!) begleitet und unterstützt haben. Ihr habt mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Danke an alle, die für mich die notwendigen Grundlagen für dieses Studium gelegt haben, meine Eltern und Großeltern, aber auch meine Freunde und Geschwister. Ich möchte mich auch bei allen Menschen bedanken, die absolut motivierend auf mich gewirkt haben, weil sie nicht an mich geglaubt haben und mich relativieren und/oder einordnen wollten (mich immer wieder in eine Schublade gesteckt haben). Ich bedanke mich bei allen „schlechten“ Erwachsenen, LehrerInnen und TrainerInnen, die mir gezeigt haben, wie man als Mensch nicht sein sollte. Ich möchte mich bei allen Erwachsenen bedanken, die mir gezeigt haben, dass Kinder die bessere Hälfte aller Menschen sind. Ohne diese „schlechten“ Einflüsse hätte ich das Lehramtsstudium nicht begonnen. Ich danke allen unsensiblen und „schrecklichen“ Lehrbeauftragten, die ich in den letzten Jahren kennenlernen durfte. Sie waren mir ein absolut notwendiges Beispiel dafür, dass Menschen immer nur Menschen bleiben und dass es verantwortungsvolle, mutige, sensible und inspirierte Menschen braucht, um die Welt ein klein wenig besser zu machen. Ich danke allen lieben Freunden, die mir immer wieder zeigen und gezeigt haben, dass es egal ist, woher du kommst oder was du machst, dass es aber nicht egal ist, wie man ist bzw. was man tut. Ich hoffe, dass alle schwierigen Situationen, die mit diesem Studium verbunden waren bzw. verbunden sind, sich zu Fähigkeiten umwandeln, die den Menschen/Lebewesen, die ich erreiche bzw. noch erreichen werde, Mut und Kraft geben. Abschließend möchte ich allen Menschen danken, ohne die diese Abschlussarbeit und damit die Berechtigung zum Unterrichten nicht möglich gewesen wäre. Allen Menschen, die keine explizite Darlegung ihrer Einflüsse bzw. Fähigkeiten verlangen, allen Menschen, die mich ermutigt und inspiriert haben, allen Menschen, denen es Dank genug ist, mir geholfen zu haben - euch möchte ich danken.
Zusammenfassung
Einleitung: Im alltäglichen Leben sprechen wir Menschen immer von Verantwortung und von der Freiheit, entscheiden zu können, was wir wollen. Willensfreiheit ist demnach nicht nur Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben, sondern auch das Fundament von gesellschaftlichen Strukturen und vor allem von der Erkenntnis von sich selbst. Wie wird dieses „Selbst“ psychoanalytisch definiert, und können/dürfen wir im Kontext von Freuds Strukturtheorie überhaupt von so etwas wie Willensfreiheit sprechen?
Zielsetzung: Diese Arbeit untersucht, ob mit Sigmund Freuds Strukturtheorie Argumente bzw. Darstellungen angeführt werden können, die sich für oder gegen einen „freien Willen“ aussprechen. Mit dieser Arbeit soll folgende Forschungsfrage untersucht werden: „Wie lässt sich der freie Wille' anhand von Sigmund Freuds Strukturtheorie der Psyche beschreiben?“
Methode: Zu Beginn der Arbeit werden philosophische Positionen zum Thema Willensfreiheit den Analyserahmen eingrenzen (sie sollen nur die verschiedenen Zugänge zum Willensbegriff darstellen). Mithilfe dieser philosophischen Darstellungen soll eine Beantwortung der Forschungsfrage ermöglicht werden. Primär soll über eine hermeneutische Textauslegung die Strukturtheorie von Freud analysiert und ausgewertet bzw. interpretiert werden.
Ergebnis: Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen philosophischen Positionen zum „freien Willen“, der Darstellungen bzw. Modelle der ersten und zweiten Topik zum psychischen Apparat und der Analyse der Strukturtheorie können durchgängig Argumente angeführt werden, die sich gegen einen „freien Willen“ aussprechen. Anders formuliert: Die physiologische bzw. empirische Anschauung und Strukturierung des psychischen Apparats (über die Strukturtheorie) erlauben es nicht, Willensfreiheit zu beschreiben.
Schlüsselwörter: Willensfreiheit; Strukturtheorie; das topografische Modell; psychischer Apparat; das Es, das Ich und das Über-Ich; die Systeme Ubw, Vbw und (W-)bw; Trieb; Repräsentanz; Determinismus; raumzeitliche Determinanten; Kausalität; Empirismus; Rationalismus; Kompatibilismus; Inkompatibilismus; Libertarismus; Vernunft; liberum arbitrium indifferentiae; Spontaneität; empirischer Charakter; intelligibler Charakter
Abstract
Introduction: In everyday life, we humans always speak of responsibility and the freedom to be able to decide what we want. Therefore, free will is not only the basis for a selfdetermined life but also the foundation of societal structures and above all, of recognizing one's self. How is this “self” defined psychoanalytically and can/may we even speak of something like free will in the context of Freud's structural theory?
Objective: This paper examines whether by using Sigmund Freud's structural theory, arguments or representations can be advanced in favor of or against “free will”. The scientific research question is therefore, “How can free will' be described on the basis of Sigmund Freud's structural theory of the psyche?”
Methods: At the beginning of the work, philosophical positions on the subject of “free will” will be used to limit the analytical framework (this is only intended to represent the different approaches to the concept of the will). These philosophical representations should make it possible to answer the research question. Primarily, Freud's structural theory will be analyzed and evaluated, respectively interpreted, using a hermeneutic interpretation of the text.
Result: Taking into account the different philosophical positions on “free will”, the representations, respectively models of the first and second topics of the mental apparatus and the analysis of the structural theory, it is possible to advance consistent arguments against “free will” . In other words: The physiological, respectively empirical view and structuring of the mental apparatus (through the structural theory), do not allow freedom of will to be described.
Keywords: Freedom of will; structural theory; the topographical model; mental apparatus; the id, the ego and the superego; the Ubw (unconsousness), Vbw (preconsciousness) and (W-)bw (consciousness) systems; drive; representation; determinism; spaciotemporal determinants; causality; empiricism; rationalism; compatibilism; incompatibilism; Libertarianism; reason; liberum arbitrium indiffernetiae; spontaneity; empirical character; intelligible character
1. Einleitung
Im Kontext seiner Ausführungen zum psychischen Apparat entwickelte Sigmund Freud zwei grundlegende psychoanalytische Theorien: im Jahr 1915 die erste Topik über das Unbewusste und im Jahr 1923 die zweite Topik über das Ich und das Es. Diese topografischen Modelle sollen den psychischen Apparat bzw. die Struktur des Seelenlebens darstellen und psychoanalytisch erklären. Wie sich diese Theorien und im Speziellen die zweite Topik (Strukturtheorie) zum „freien Willen“ verhält und wie ein „freier Wille“ in dieser psychoanalytischen Struktur zu verstehen ist, soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Im alltäglichen Leben sprechen wir Menschen immer von Verantwortung und wollen dieses oder jenes kontrollieren. Immer wieder kommt es zu unterschiedlichen Darstellungen und Meinungen über den Verlauf der Welt und uns Menschen in ihr. Warum schreiben wir uns als Menschen immer wieder unser „Wollen“ und dessen Ursprünge selbst zu? Welche Auswirkungen hat dieser „Glaube“ auf unser Verständnis von uns selbst als „freien“ Menschen, und welche gesellschaftlichen Auswirkungen ergeben sich aus dieser „Freiheit“? Das sind alles Fragen, die auf einen freien Willen aufbauen bzw. nur über einen freien Willen verstanden werden können. Womöglich ist dieser „freier Wille“ aber doch nicht so einfach zu begreifen - bzw. vielleicht gibt es so etwas wie den freien Willen gar nicht, und all unsere menschlichen Gesellschaften und deren Gesetze beruhen auf „fälschlichen“ Annahmen? Um diese Fragen möglichst objektiv beantworten zu können - über eine psychoanalytische Darstellung bzw. Interpretation -, wird in der vorliegenden Arbeit genau dieser „freie Wille“ untersucht bzw. gesucht. Kann ein solch menschlich verstandener „freier Wille“ überhaupt über Freuds psychoanalytische Theorie vom „Ich“ in der Gesellschaft verortet bzw. gefunden werden? Diese Frage ist der Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit. Über philosophische Theorien und Positionen zum freien Willen wird ein Rahmen gesetzt, der der folgenden psychoanalytischen Analyse von einem „freien Willen“ das notwendige philosophische Fundament geben soll. Abschließend werden die psychoanalytischen Ergebnisse in einen ethischen Kontext zu Verantwortung und Schuld gesetzt, um mögliche Auswirkungen bzw. Fehlinterpretationen in Bezug auf Mensch und Gesellschaft aufzeigen zu können.
Es soll darauf hingewiesen werden, dass in dieser Arbeit aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet wird. Weibliche und andere Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage(n) erforderlich ist.
1.1 Forschungsfrage dieser Arbeit
Mit dieser Arbeit soll folgende Forschungsfrage untersucht werden:
„Wie lässt sich der freie Wille' anhand von Sigmund Freuds Strukturtheorie der Psyche beschreiben?“
Ferner sollen aus der Analyse tiefenpsychologische Argumente, die aus den gesammelten Werken Freuds entnommen werden, angeführt bzw. gefunden werden, die sich für oder gegen einen „freien Willen“ aussprechen.
1.2 Methode - Vorgehensweise
Primär wird mithilfe einer hermeneutischen Textauslegung der Teil der gesammelten Werke Freuds untersucht bzw. analysiert, der sich mit der Strukturtheorie beschäftigt. Das heißt, es erfolgt eine Darstellung und Auslegung von „Das Ich und das Es“ von 1923. Herangezogen wird primär der dritte Band der Studienausgabe von 1975 mit dem Titel „Psychologie des Unbewußten“. Der Korpus des zu untersuchenden Textes bzw. dessen Kernaussagen werden vom Autor im Kontext der Forschungsfrage analysiert bzw. interpretiert, dargestellt und in Verbindung gesetzt mit verschiedenen philosophischen Positionen zum Thema. Diese verschiedenen philosophischen Positionen werden zu Beginn der Arbeit als Hinführung zum Thema bzw. zur Forschungsfrage und deren Begrifflichkeiten dargelegt. Grundsätzlich steht aber die hermeneutische Interpretation der Strukturtheorie von Sigmund Freud im Mittelpunkt der Arbeit. Die philosophischen Positionen sollen dabei aufzeigen, dass es viele unterschiedliche Zugänge und Interpretationen bzw. Theorien zum Begriff „Willensfreiheit“ bzw. „freier Wille“ gibt. Ebenfalls sollen diese philosophischen Positionen verdeutlichen, dass die Frage nach einem freien Willen nicht erst mit Freud aufkam. Grundlegend werden vom Autor die verschiedenen philosophischen Positionen ausgewählt und deren Kernaussagen interpretativ dargestellt. Eine ganzheitliche historische oder philosophische Darstellung bzw. Auslegung zum Thema Willensfreiheit soll aber nicht stattfinden, da dies den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen würde. Ausmaß und Reihenfolge der philosophischen Darstellungen bzw. Positionen werden vom Autor selbst definiert und sollen daran erinnern, dass eine philosophische Grundlage zum Thema „Willensfreiheit“ für die weitere psychoanalytische Analyse hilfreich ist, aber keinesfalls in ihren geschichtlichen Ausprägungen vollständig dargestellt werden muss. Mit anderen Worten: Die philosophischen Positionen sollen zwar zeigen, dass es eine Vielzahl von verschiedenen Herangehensweisen an die Thematik „Willensfreiheit“ gibt (ohne zu werten und Prioritäten bzw. Hierarchien anzustellen), aber sie sollen nicht im Fokus der Arbeit bzw. der Analyse stehen. Diese philosophischen Positionen sollen die psychoanalytische Analyse stützen, indem sie den Begriffen „Willensfreiheit“ bzw. „freier Wille“ Kontur bzw. einen Rahmen geben, mit dem schlussendlich über die Analyse von „Das Ich und das Es“ die Forschungsfrage beantwortet werden kann. Die Reihenfolge der Ausarbeitung der philosophischen Positionen wird vom Autor so getroffen, dass sich für den Leser ein „Verstehen“ bezüglich der Vielschichtigkeit des Begriffs „Willensfreiheit“ bzw. „freier Wille“ ergibt, aber auch eine grundlegende Rahmensetzung entworfen werden kann, um die psychoanalytische Analyse im Kontext der Forschungsfrage zu verstehen. Die psychoanalytische Analyse selbst wird mithilfe der hermeneutischen Textauslegung bzw. Interpretation (Mayring 2015, 29 f.) durchgeführt. Die hermeneutische psychoanalytische Analyse der Ausführungen Freuds zu „Das Ich und das Es“ von 1923 stehen im Fokus. Ein psychoanalytischer Rahmen wird mit der „ersten Topik“ von Freud über „Das Unbewusste“ von 1915 gesetzt. Generell soll zur Einführung in die Analyse bzw. den psychischen Apparat unter Punkt 3.1 mithilfe von Schuster & Springer-Kremser (1997) ein psychoanalytisches Verständnis gewährleistet werden. Dazu werden Freuds Triebdarstellungen sowie die erste und zweite Topik kurz erläutert bzw. interpretativ dargestellt und mit Zitaten (direkt und/oder indirekt) von Schuster & Springer-Kremser (1997) bzw. Freud (1915a, 1915b, 1915c, 1917, 1920, 1923) untermauert. In der Analyse selbst wird wie bereits erwähnt die Strukturtheorie (zweite Topik) von Freud hermeneutisch analysiert. Die Kernaussagen der verschiedenen Kapitel, die aus Verständnisgründen nacheinander aufbauend interpretiert werden, sollen zur Beantwortung der Forschungsfrage herangezogen werden. In der Analyse wird soweit möglich an die philosophischen Positionen erinnert und diese den psychoanalytischen Interpretationen gegenübergestellt. Nach Beantwortung der Forschungsfrage in der psychoanalytischen Analyse werden im letzten Kapitel dieser Arbeit Überlegungen zu etwaigen strafrechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Ergebnis der Analyse ableiten lassen, angestellt. Dabei werden verschiedene Sichtweisen auf ethische Konsequenzen kurz angeführt und mit den philosophischen Positionen und dem psychoanalytischen Ergebnis verglichen.
1.3 Gliederung der Arbeit
Nach der Einleitung, die die Forschungsfrage, die Methode und die Gliederung der Arbeit darstellt, werden unter Punkt 2 die philosophischen Positionen im Kontext der Forschungsfrage zum freien Willen interpretativ dargestellt. Wie bereits in der Ausführung zur Methode erwähnt, soll keinesfalls eine philosophische Hierarchie vermittelt werden. Grundlegend soll im zweiten Kapitel nur eine interpretative Darstellung von philosophischen Positionen im Kontext der Forschungsfrage erfolgen. Die Anzahl der philosophischen Darstellungen bzw. die Philosophen selbst wurden vom Autor so gewählt, dass sie in Kombination mit der Forschungsfrage bzw. der psychoanalytischen Analyse eine möglichst verständliche Rahmensetzung der Begrifflichkeiten ergeben und in der Analyse zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen sollen/können. Dabei wird sich der Autor auf Kant, Schopenhauer und Beckermann beziehen, weil seines Erachtens diese Philosophen in der Vergangenheit wesentliche Beiträge in Bezug auf die Forschungsfrage geleistet haben - nicht zuletzt deshalb, weil sie verschiedene Theorien und Argumente für bzw. gegen einen freien Willen darlegen. Zusätzlich werden Nietzsche und Foucault zitiert (direkt/indirekt) bzw. interpretiert. Mit der interpretativen Ausarbeitung dieser philosophischen Positionen wird vonseiten des Autors ein begrifflicher Rahmen gesetzt, der für die Beantwortung der Forschungsfrage hilfreich sein wird.
Im dritten Kapitel findet die „eigentliche“ Analyse bzw. hermeneutisch-interpretative Darstellung eines möglichen freien Willens über die Strukturtheorie von Freud (1923) statt. Dabei wird, wie bereits erwähnt, primär der dritte Band der Studienausgabe von 1975 (Psychologie des Unbewußten) herangezogen und im Speziellen der Abschnitt über „Das Ich und das Es“ (1923) analysiert. Hermeneutisch werden die Kernaussagen der Strukturtheorie zitiert, interpretiert und bearbeitet, sodass schlussendlich eine klare psychoanalytische Darstellung der Theorie Freuds über „Das Ich und das Es“ die Forschungsfrage beantworten kann.
Das vierte Kapitel soll sich mit möglichen ethischen Konsequenzen auseinandersetzen, sodass ethisch-juristische Grundlagenfragen zu Verantwortung, Schuld und Strafe im Kontext von Willensfreiheit mit dem Ergebnis der Analyse verbunden und interpretiert werden können.
Im letzten Kapitel wird als ergänzende Interpretation zum Fazit aus dem dritten Kapitel eine allgemeine kurze Zusammenfassung niedergeschrieben. Eine womöglich spezielle Lesart gewisser prägnanter Stellen aus der Analyse wird mithilfe einer subjektiven Betrachtung und Darstellung erläutert.
2. Philosophische Positionen im Kontext von „Willensfreiheit“
Wie in der Einleitung zur Methode beschrieben, soll im Kontext der philosophischen Positionen keine leistungsorientierte (wertende bzw. gegenüberstellende) Hierarchisierung der Theorien vorgenommen werden. Die Reihenfolge der philosophischen Positionen soll für die spätere psychoanalytische Analyse im Kontext von Willensfreiheit unterstützend wirken. Jede philosophische Position soll für sich und deren Aussagen bzw. Theorien zum freien Willen als Hilfestellung bzw. Rahmensetzung zum Thema verstanden werden. Die verschiedenen Positionen haben auch verschiedene theoretische Grundlagen und generieren verschiedene Hypothesen, Theorien und Ansichten. Über eine Auswahl der philosophischen Zugänge zum freien Willen soll ein grober Rahmen für die spätere Analyse konstruiert werden. Differenzen in den Begrifflichkeiten und Hypothesen bzw. Theorien der philosophischen Positionen werden nicht zu vermeiden sein. Schlussendlich soll in der psychoanalytischen Analyse über „Das Ich und das Es“ genug philosophisches Material vorhanden sein, um diese verschiedenen Standpunkte bzw. Theorien mit Freuds Darstellungen zu vergleichen und diesen gegenüberstellen zu können.
2.1 Der „freie Wille“ bei Immanuel Kant
Immanuel Kant wurde 1724 in Deutschland (Königsberg) geboren und war ein (der) Philosoph der Aufklärung. Kants KrV (Kritik der reinen Vernunft) war ein Wendepunkt in der Philosophiegeschichte und der Beginn der modernen Philosophie. Kants philosophischer Einfluss kann in der Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ethik, Ästhetik, Religions- und Rechtsphilosophie und der Geschichtsphilosophie verortet werden. Kant wurde unter anderem von Aristoteles, Descartes, Platon, Hume, Rousseau, Spinoza, Leibniz, Epikur, Newton, Berkeley, Wolff, Euclid und Pythagoras beeinflusst und starb 1804 in seiner Geburtsstadt Königsberg.
Bei Kant muss der erkenntnistheoretische Zugang über einen möglichen freien Willen von einer ethisch-praktischen Vernunftentwicklung „für“ einen freien Willen (deontologische Ethik bzw. Pflichtethik) unterschieden werden. Im „erkenntnistheoretischen Zugang“ wird in meinen Augen der Frage nachgegangen, ob so etwas wie Freiheit bzw. Willensfreiheit überhaupt möglich ist bzw. erkannt werden kann. In der „ethisch-praktischen Vernunftentwicklung“ werden meines Erachtens grundlegende Überlegungen und Konstruktionen angestellt (eine Pflichtethik wird konstruiert, auf Maximen aufgebaut und unter anderem mit dem kategorischen Imperativ ausgestattet), um so etwas wie Freiheit bzw. Willensfreiheit (in einem ethisch-praktischen Kontext) möglich zu machen (eine Gesinnungsethik wird entwickelt). Dabei dürfen die unterschiedlichen Auslegungen von Freiheit aber nicht einander gleichgesetzt werden (in jedem Kontext sind sie anders zu verstehen). Das heißt, Teil 1 (2.1.1) beschäftigt sich mit der Suche nach Freiheit bzw. Willensfreiheit im erkenntnistheoretischen Kontext, und Teil 2 (2.1.2) beschäftigt sich mit der Konstruktion und den notwendigen Grundlagen (über ein allgemeines ethisches Prinzip) von Freiheit bzw. Willensfreiheit. In Teil 3 (2.1.3) werden diese zwei „Welten“ zusammengeführt und ethische Konsequenzen des Vernunftbegriffs für Staat, Kirche und Individuum beispielhaft skizziert.
2.1.1 Freiheit bzw. „freier Wille“ im erkenntnistheoretischen Kontext der KrV
Im Kontext von „Willensfreiheit“ bzw. „Kausalität und Freiheit“ schreibt Kant in der III. Auflösung der kosmologischen Ideen von der Totalität der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen, dass man entweder nur Natur oder nur Freiheit als Kausalität denken kann. Natur ist die kausale (regelgeleitete) Anschauung dessen, dass immer ein Zustand auf einen vorherigen folgt. Diese Kausalität der Erscheinungen beruht immer auf Zeitbedingungen. Diese Natur (Kausalität, die regelgeleitet und zeitlich determiniert ist) steht der Freiheit (Willensfreiheit) gegenüber. Nach Kant ist Freiheit kosmologisch so zu verstehen, dass ein Zustand ohne Ursache von selbst anfangen kann. Diese Freiheit, sofern sie als Freiheit zu definieren ist, darf nicht mit dem naturgegebenen Kausalverhältnis (Zeitkausalität bzw. Kausalität von Ursache und Wirkung) zusammengefasst bzw. verwechselt werden. Nach Kant ist dieser Freiheitsgedanke eine rein transzendentale Idee, die nichts mit der Erfahrungswelt zu tun hat. Denn Erfahrung ist etwas, das durch bzw. über Kausalität definiert wird und als Inbegriff von Natur zu verstehen ist. Ein absolut „Freies“ hingegen muss etwas anderes sein als etwas in dieser kausalen Welt, etwas, das sich selbst aus der Vernunft schafft. Diese Spontaneität (etwas nicht Bedingtes, ein Ersturheber) wird als Idee aus der Vernunft gehoben, ohne dass eine andere Ursache dafür „verantwortlich“ ist. Nur unter diesen Bedingungen kann so etwas wie Freiheit existieren (vgl. Kant KrV, A 532/B 561).
Solange wir als Menschen in der Naturkausalität unseren Sinnen (Sinnenwelt) gehorchen bzw. vertrauen (müssen), dürfen/können wir von nichts anderem als von Kausalität bzw. Determinismus sprechen. Sobald wir aber etwas von unseren Sinnen (Sinnenwelt) Getrenntes annehmen, besteht zumindest die Möglichkeit, so etwas wie Freiheit annehmen zu können. Kant spricht in diesem Kontext von der Möglichkeit, eine andere Art von „Kausalität“, den Dingen an sich, zu unterstellen. Demnach könnten wir Menschen als Ding an sich (was wir aber nicht sind!) die rein mechanischen Kausalitäten übersteigen und als eine Art „Ersturheber“ Gedanken bzw. Taten erzeugen. Dies wäre dann eine transzendentale Freiheit bzw. eine absolute „Spontaneität“. Somit könnte eine Kausalkette von dieser absoluten Spontaneität („willens- bzw. handlungsfreier“ Mensch) angefangen werden. In den Antinomien der reinen Vernunft bzw. im dritten Widerstreit der transzendentalen Ideen als Beweis der Thesis für eine Kausalität als Freiheit postuliert Kant eine Kausalität, die selbst keiner vorhergehenden Ursache entspringt. Diese ursachenlose Kausalität (Spontaneität oder auch transzendentale Freiheit) läuft naturgesetzlich ab, ohne jemals verursacht worden zu sein (vgl. Kant KrV, A 446; Grondin 2013, 82 f.).
Da die naturgegebene Kausalität nicht die einzige Erscheinung ist, aus der die Welt abgeleitet werden kann, kommt Kant zu einer Erklärung dieser „absoluten Spontaneität“ über die Freiheit. Im Beweis der Thesis des dritten Widerstreits der transzendentalen Ideen argumentiert Kant für einen „freien Willen“. Da wir in einer naturgegebenen kausalen Weltordnung immer wieder auf einen vorhergehenden Zustand (Ursache) referieren müssen, folgt diese Art von Erklärung einer Methode, die schlussendlich in einem „subalternen“ und niemals in einem ersten Anfang gründet. Daher ist eine Vollständigkeit der natürlich-kausalen Reihe nicht gegeben, und somit kann auch dieses Naturgesetz nicht als einzige Grundlage für eine kausale Reihe bestimmt werden. Somit braucht es einen Anfang, eine Ursache, die dieser natürlichen kausalen Reihe nicht folgt - eine Spontaneität, die von selbst ohne Ursache zu wirken beginnt (vgl. Kant KrV, A 444/B 474 f.).
Zwar wird sich eine solche „Freiheit“ nie erkennen lassen (da sie transzendental ist), aber eine Denkmöglichkeit bleibt bestehen. Eine solche „Freiheit“ hätte somit das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen (Kant spricht von Spontaneität). Die Grundbedingung dafür ist aber nach Kant diejenige, bei der sich der Mensch als Ersturheber „erkennt“ bzw. definieren kann. Da diese „Erkenntnis“ aber nie möglich ist, da wir als Menschen immer nur durch unsere Sinne die Erscheinungen wahrnehmen können und nie die Dinge an sich, selbst wenn es uns als Lebewesen selbst betrifft, dürfen wir nur im Kontext von „Freiheit“ bzw. „freiem Willen“ von Ideen sprechen. Daher spricht Kant auch von der Metaphysik der Freiheit. Solange dieser Freiheitsgedanke im Kontext der natürlichen (Natur) Kausalität verortet wird, darf/kann kein Erkenntniszuspruch erfolgen (vgl. Grondin 2013, 83; Kant KrV, A 532/B 561).
Um die Argumentationen Kants (Thesis/Antithesis) im Kontext von Kausalität nach Gesetzen der Natur bzw. Kausalität durch Freiheit darstellen zu können, sollte ebenfalls die Antithesis dargelegt werden. So argumentiert Kant im Beweis gegen eine Kausalität durch Freiheit über eine Unumgänglichkeit der Regeln bzw. Gesetze, die eben naturgegeben sind. Diese Regel besagt, dass selbst eine „Spontaneität“ eine vorhergehende Ursache braucht, um im kausalen Zustand kausal wirken zu können. Denn wenn selbst nicht kausal verursacht, warum kann diese Spontaneität dann kausal wirken?! Und auf Basis dieser Tatsache ist alles andere als die Kausalität der Natur mit ihren fixen Regeln und Gesetzen unumgänglich, selbst für eine „absolute Spontaneität“. Alles andere ist nur „leeres Gedankending“. So unterscheiden sich die Begriffe Natur und transzendentale Freiheit, wie die Begriffe Gesetzmäßigkeit und Gesetzlosigkeit, voneinander (vgl. Grondin 2013, 81 f.; Kant KrV, A 445/B 475).
Kausale Gesetze der Natur bzw. die in ihr wirkenden Regeln von Raum und Zeit werden nicht nur in der KrV, sondern auch in der KpV (Kritik der praktischen Vernunft) dargestellt. So betont Kant in der KpV, dass die „gewöhnlichste Vorstellungsart“ zwischen Erscheinungen und Dingen an sich oftmals nicht unterscheidet und diese „gewöhnliche Vorstellungsart“ Grundlage für Missverständnisse ist, wodurch eine Unterscheidung bzw. Trennung und Definition der unterschiedlichen Kausalitäten (Natur und Freiheit) nicht zustande kommen kann. Dieses Wissen über den Faktor Zeit in der natürlichen Kausalität (Erscheinungen in der Sinnenwelt) ist Grundlage dafür, dass Freiheit (einer Spontaneität) in einer zeitlich bedingten Anschauung nicht angenommen werden darf (vgl. Kant KpV, A 169).
Schlussendlich möchte Kant darauf hinweisen, dass, wenn der doppelte ontologische Stellenwert des Menschen (über kausale Natur und transzendentale Freiheit) nicht anerkannt bzw. berücksichtigt (unterschieden) wird, so etwas wie Freiheit nicht möglich ist. Nur die Idee von Freiheit kann angenommen (postuliert), nicht aber bewiesen werden (daher auch transzendentale Idee). Hingegen kann eine Welt der natürlichen kausalen Ketten bzw. der Zeit (die für Kant die der Erscheinungen bzw. die Sinnenwelt ist) nie Freiheit bzw. einen freien Willen enthalten (vgl. Grondin 2013, 64 f.; Kant KpV, A 169 f.).
Kant spricht davon, dass sich Freiheit nicht wirklich erklären lässt (die Welt der Erscheinungen ist ein in sich kausales Ganzes) und nur ihre Zulässigkeit in der theoretischen Kritik (transzendentale Idee) zu verteidigen ist. So muss Freiheit als eine Eigenschaft verstanden werden, „die sich aus unerforschtem Grund“ nicht in der Erkenntnis zeigen lässt. Aufgrund der empirischen Notwendigkeit von Kausalität lässt sich nur eine theoretische Frage in Bezug auf die prinzipielle Möglichkeit von Freiheit stellen. Dabei verstand Kant diese „Möglichkeit“ von Freiheit nur als „logische Möglichkeit“, als Denkmöglichkeit und nicht als „reale Möglichkeit“ (vgl. Sala 2004, 211 f.; Kant KrV, A 596).
2.1.2 Freiheit bzw. „freier Wille“ im Kontext einer ethisch-praktischen Vernunftentwicklung
Willensfreiheit bzw. Freiheit lässt sich im Kontext einer ethisch-praktischen Vernunftentwicklung ganz anders darstellen als im Kapitel zuvor. Nicht mehr Naturgesetze sollen den Menschen ein Vermögen zuschreiben, um zu wollen (bzw. den Menschen determinieren), sondern aufgrund von vorgestellten Gesetzen soll sich der Mensch selbst das Vermögen geben, sein Handeln zu bestimmen und somit frei zu sein (mit Vernunft als Grundlage) (vgl. Höffe 2008, 16). Kant unterscheidet zwischen den tierischen Naturwesen (arbitrium brutum), die nur über ihre sinnlichen Antriebe (pathologisch) bestimmt werden, und dem Menschen mit dem freien Willen (arbitrium liberum), der unabhängig von den sinnlichen Antrieben durch Bewegursachen (von der Vernunft vorgestellt) bestimmt wird (vgl. Kant KrV, B 829/ A 801).
Dieser freie „reine“ Wille, auch praktische Vernunft genannt, ist von empirischen Bestimmungsgründen unabhängig. Somit gilt das Moral- bzw. Sittengesetz (ohne empirische Einschränkungen) als kategorisch bzw. als unbedingt gültig. Menschen werden weiterhin durch Antriebe der Sinnlichkeit (Trieb, Bedürfnisse und Interessen) gesteuert bzw. bestimmt; um aber frei sein zu können, bedarf es dieses kategorischen Imperativs (fordert zu bestimmten Handlungen auf, die für sich selbst gut sind) (vgl. Höffe 2008, 16).
Ein solches Gesetz, das als moralisch gelten soll, muss (s)eine absolute Notwendigkeit bei sich selbst führen (und nicht abhängig von individuellen Ausprägungen bzw. Neigungen in speziellen Situationen sein, sondern „muss“ für jeden Menschen immer in jeder Situation gültig sein). Das heißt, es muss frei von aller Empirie sein, denn nur dann können die gesetzten Regeln auch aus der Vernunft entspringen und als allgemein gelten. Somit ist die Vernunft die Voraussetzung für ein solches moralisches Gesetz (vgl. Horster 1985, 78 f.).
Sala (2004, 168) führt diese Darstellung Kants in einer Gleichung aus: „praktische Vernunft = Wille = Autonomie = Freiheit.“ Die Freiheit als Autonomie des Willens steht somit im Zentrum der Ethik Kants.
Im Kontext des kategorischen Imperativs ist der Mensch als Vernunftwesen frei. Er kann sich von Natureinflüssen mittels der Vernunft frei machen. Der Mensch gilt auch als einzige vernünftige Natur und ist der Grund (als freier Selbstgesetzgeber zu verstehen) für die moralischen Gesetze (wie bereits weiter oben erwähnt). Der Mensch existiert als Zweck an sich selbst und nicht, weil er Mittel für eine beliebige Sache ist. Das, was dem Menschen seine Identität gibt, ist die Vernunft, als Vermögen zu verstehen, diese moralischen Gesetze zu schaffen und in jeder Situation ihre Notwendigkeit einzusehen und auch danach handeln zu „wollen!“ (deswegen Freiheit), nach selbstbestimmten Zwecken zu wirken. Erst durch diese Vernunft kann Kant ein allgemeingültiges Prinzip postulieren, das die Autonomie der Menschen garantieren kann (vgl. Horster 1985, 81).
Ein oberstes objektives Prinzip des Willens wird über dessen Selbstzweck definiert (dadurch als praktisches Gesetz verstanden). Die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst. Alle Gesetze des Willens zum moralischen Handeln müssen über diesen kategorischen Imperativ abgeleitet werden (vgl. Horster 1985, 81).
Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde (Kant GMS, BA 52).
So wird die Handlung eines Menschen nicht dadurch moralisch (nach dem Selbstzweck des kategorischen Imperativs), dass der Zweck außerhalb dieses kategorischen (moralischen) Gesetzes liegt (zum Beispiel um mehr Geld für sich persönlich anzuhäufen oder generell seine eigenen individuellen Ziele zu erreichen). Um diesem kategorischen Imperativ zu folgen bzw. ihn überhaupt denken zu können, muss nach Kant Freiheit des Menschen vorausgesetzt werden. Nur vernünftige Wesen können frei von fremden Einflüssen (unabhängig von Natureinflüsse) den kategorischen Imperativ leben bzw. denken. Mit dem kategorischen Imperativ sind die Menschen nicht nur frei von Natureinflüssen (negative Betrachtung), sondern auch frei im Sinne einer Autonomie des Menschen unter Menschen (positive Betrachtung). Demnach können Menschen ohne Hinzuziehen oder Hineinreden von anderen Ursachen frei bestimmen, nur unter Anleitung des kategorischen Imperativs. Diese moralischen Gesetze bzw. dieser kategorische Imperativ hat sich der Mensch selbst gegeben (Selbstgesetzgebung) aufgrund seiner Vernunft (vgl. Horster 1985, 83).
Diese Ausführungen stellen die praktische Freiheit sehr gut dar. Wirklich frei kann ein Mensch nur in einer freien Gesellschaft sein, in der die Menschen durch die Freiheit wollen und nicht müssen (und zwar kategorisch) und dieses „Wollen“ auch einsehen bzw. dazu in der Lage sind (durch die Vernunft und ihre Freiheit). Wie sich dieses „Wollen“ bzw. der Wille über/durch diese praktische Freiheit in der Gesellschaft darstellt und wie diese Pflichtethik (deontologische Ethik) zu verstehen ist, soll nun kurz erläutert werden. Zuvor soll aber noch ein kritischer Nietzsche zu Wort kommen.
Lange vor Kant und seinem kategorischen Imperativ hatte Luther aus der selben Empfindung gesagt: es müsse ein Wesen geben, dem der Mensch unbedingt vertrauen könne, - es war sein G o t t e s b e w e i s , er wollte, gröber und volksthümlicher als Kant, dass man nicht einem Begriff, sondern einer Person unbedingt gehorche und schliesslich hat auch Kant seinen Umweg um die Moral nur desshalb genommen, um zum G e h o r s a m g e g e n d i e P e r s o n zu gelangen: das ist eben der Cultus des Deutschen, je weniger ihm gerade vom Cultus in der Religion übrig geblieben ist (Nietzsche 1887a, KSA Bd. 3, 188).
Der Mensch steht in dieser Pflichtethik zwischen natürlichen Neigungen (Triebe, Bedürfnisse und Einstellungen) und den moralischen (selbst gegebenen) Gesetzen. Dieses moralische Gesetz genießt absolute Verbindlichkeit, auch als Pflicht zu verstehen - Pflicht aber nicht im Sinne einer auferlegten Norm, die keine Freiheit zulässt (oder kausal-deterministisch zu verstehen), sondern Pflicht im Sinne einer „vernünftigen“ Notwendigkeit den eigenen Handlungen gegenüber aus Achtung fürs praktische Gesetz (durch/über die Fähigkeit der Einsicht des Menschen in jeder Situation - der Mensch möchte von sich aus diesen moralischen Gesetzen gehorchen, weil er ein freies und vernunftbegabtes Wesen ist = guter Wille). Nur wenn dieses moralische Gesetz nach dem kategorischen Imperativ auch wirklich immer befolgt werden kann, ist auch Freiheit möglich (sowohl negativ als auch positiv). Handlungen haben daher ihre Pflicht in der Ausführung der Maximen (der kategorische Imperativ fordert diese Verallgemeinerbarkeit bzw. Universalisierbarkeit als selbst gesetzte Leitprinzipien, die nicht bloß subjektiv gültig sein dürfen, sondern objektiv für jedes Vernunftwesen gültig und daher moralisch sind) und nicht in der antizipierten Wirkung (Absicht). Pflichtmäßige Handlungen bekommen erst über/durch die Maximen bzw. den kategorischen Imperativ im moralischen Gesetz einen moralischen Wert (freie vernunftbegabte Menschen würdigen bzw. achten in der moralisch notwendigen Handlung das moralische Gesetz). Die Menschen stehen in der Gesellschaft aber immer im Zwiespalt zwischen den natürlichen Neigungen und der Vernünftigkeit der Handlungen. Aus diesem Grund müssen sich die Menschen aber immer zum moralischen Gesetz und dessen Befolgung zwingen. Weil die Menschen genau diese Einsicht haben (im Moment diesen Neigungen nicht nachzugehen) und dem moralischen Gesetz (Sollensethik - Pflichtethik - deontologische Ethik) folgen, sind sie vernünftige und freie Wesen (vgl. Horster 1985, 87 f.).
Nietzsche interpretiert diese Pflicht (Sollensethik) etwas anders. Für ihn ist dieser kategorische Imperativ, diese „Festigkeit des moralischen Urteils“, etwas Selbstsüchtiges - selbstsüchtig insofern, als mit dem kategorischen Imperativ ein individuelles Urteil als Allgemeingesetz empfunden wird (vgl. Nietzsche 1887b, KSA Bd. 3, 562).
Das folgende Zitat von Nietzsche erinnert in späterer Folge an Freuds Ausgang zum psychischen Apparat und die bewussten und unbewussten Mechanismen der Instanzen im Strukturmodell (ohne bereits jetzt zu viel vorwegzunehmen). Dieser „Nietzscheapell“ bzw. diese Relativierung von Kants Pflichtethik und dessen kategorischem Imperativ greift schon beinahe „gespenstisch“ auf Freuds Strukturtheorie und die Frage nach dem „Ich“ bzw. dem „Selbst“ vor.
Und, kurz gesagt: wenn du feiner gedacht, besser beobachtet und mehr gelernt hättest, würdest du diese deine „Pflicht“ und diess dein „Gewissen“ unter allen Umständen nicht mehr Pflicht und Gewissen benennen: die Einsicht darüber, wie ü b e r h a u p t j e m a l s m o r a - l i s c h U r t h e i l e e n t s t a n d e n s i n d , würde dir diese pathetischen Worte verleiden, - so wie dir schon andere pathetische Worte, zum Beispiel „Sünde“, „Seelenheil“, „Erlösung“ verleidet sind. - Und nun rede mir nicht vom kategorischen Imperativ, mein Freund! - diess Wort kitzelt mein Ohr, und ich muss lachen, trotz deiner so ernsthaften Gegenwart: ich gedenke dabei des alten Kant, der, zur Strafe dafür, dass er „das Ding an sich“ - auch eine sehr lächerliche Sache! - sich e r s c h l i c h e n hatte, vom „kategorischen Imperativ“ beschlichen wurde und mit ihm im Herzen sich wieder zu „Gott“, „Seele“, „Freiheit“ und „Unsterblichkeit“ z u r ü c k v e r i r r t e , einem Fuchse gleich, der sich in seinen Käfig zurückverirrt: - und s e i n e Kraft und Klugheit war es gewesen, welche diesen Käfig e r b r o c h e n hatte! - Wie? Du bewunderst den kategorischen Imperativ in dir? Diese „Festigkeit“ deines sogenannten moralischen Urtheils? Diese „Unbedingtheit“ des Gefühls „so wie ich, müssen hierin Alle urtheilen“? Bewundere vielmehr deine S e l b s t s u c h t darin! Und die Blindheit, Kleinlichkeit und Anspruchslosigkeit deiner Selbstsucht! Selbstsucht nämlich ist es, s e i n Urtheil als Allgemeingesetz zu empfinden; und eine blinde, kleinliche und anspruchslose Selbstsucht hinwiederum, weil sie verräth, dass du dich selbst noch nicht entdeckt, dir selbst noch kein eigenes, eigenstes Ideal geschaffen hast (Nietzsche 1887b, KSA Bd. 3, 562).
Nach Kant ist der Wille das Vermögen, mit Bewusstsein zu begehren (später dazu die Gegenüberstellung zu Freuds Bewusstsein bzw. Willenserklärung). Der freie Wille ist im Kontext der praktischen Freiheit etwas, was unabhängig von natürlichen Neigungen und Trieben bzw. subjektiv nötigenden Ursachen begehrt. Ein freier Wille, der mit sich selbst nach allgemeinen Gesetzen (moralischen Gesetzen) der Freiheit übereinstimmt (bewusst nach dem kategorischen Imperativ agiert), ist ein guter Wille. Dieser gute Wille ist ein Wille aus (moralisch-vernünftiger) Pflicht. Die Pflicht ist im Kontext der praktischen Freiheit der alleinige Bestimmungsgrund des Handelns. Es wird nur der moralischen Pflicht nach gehandelt und nicht, weil ich aus dem Handeln für mich einen Nutzen ziehen könnte (deswegen auch guter Wille). Der Wille definiert sozusagen die Fähigkeit des vernünftig- guten-moralischen Menschen, eine Verbindung zwischen praktischer Vernunft und den konkreten Bestimmungsgründen von willkürlichen Neigungen herzustellen. Die Fähigkeit, sich über/durch eine allgemeine Regel (bewusst) entscheiden zu können (und die Einsicht zu haben), ist der Bestimmungsgrund des (freien) Willens (vgl. Horster 1985, 88 f.).
Dieser Bestimmungsgrund bzw. das moralische Gesetz ist für Nietzsche eine gefährliche Sache. In Gegenwart einer allgemeinen Regel, einer moralischen Pflicht, soll wie im Kontext der Interaktion mit Autoritäten nicht gedacht, sondern gehorcht werden. Wann haben denn schon Autoritäten, so Nietzsche, die Moral kritisiert bzw. als problematisch angenommen? Die Gefahr der Moralität ist sogleich auch ihre eigene Sicherheit, denn die Moral versteht es mit einer gewissen Kunst zu begeistern bzw. zu bezaubern (vgl. Nietzsche 1887a, KSA Bd. 3, 12 f.).
Im Kontext von praktischer Freiheit bzw. Willensfreiheit in einer ethisch-praktischen Vernunftentwicklung können ein ethischer Empirismus und ein Skeptizismus (vgl. Höffe 2008, 17) verworfen werden. Kant spricht vom „Faktum der Vernunft“. Er spricht von dem Bewusstsein des Sittengesetzes, von einer Wirklichkeit der moralischen Erfahrung. Dieses Bewusstsein ist etwas Wirkliches, etwas, das aber nicht von allein existiert, sondern vom Menschen gemacht ist (dazu Kritik von Nietzsche über die Moral als Zeichensprache der Affekte - vgl. Nietzsche 1886, KSA Bd. 5, 107). Über Urteile wird dieser moralisch richtige Wille ausgesprochen. Damit wird aber auch gesagt, dass bestimmte Handlungen (obwohl gewisse natürliche Neigungen diesen entgegenstehen) als verpflichtend vorausgesetzt werden (vgl. Höffe 2008, 17 f.).
Abschließend soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass Kant oft selbst neben der Unentbehrlichkeit des freien Willens für das moralische Gesetz auch von einer „völligen Unbegreiflichkeit“ der Freiheit spricht (vgl. Sala 2004, 211 f.; Kant KpV, A 13).
Für Nietzsche ist diese Moral (kategorischer Imperativ), wie eben erwähnt, auch nur eine „Zeichensprache der Affekte“ bzw. „nur“ Behauptung von dem Behauptenden und somit konstruiert bzw. notwendig abhängig von ihren naturgegebenen Grundlagen (vom Menschen und dieser wiederum von seiner Umgebung und der Welt [Naturgesetze], in der er lebt und wirkt) (vgl. Nietzsche 1886, KSA Bd. 5, 107).
2.1.3 Kants Zusammenschluss zweier Welten und der Vernunftbegriff mit seinen ethischen Auswirkungen auf Staat, Kirche und Individuum
Unter zwei „Welten“ sind die beiden Darstellungen der letzten Unterkapitel zu verstehen (2.1.1 und 2.1.2). Sowohl die kausale Natur (Kant spricht von einer Sinnenwelt) als auch der Grund des ethischen Handelns (Willensfreiheit) über den Vernunftbegriff (Kant spricht im Gegensatz zur Sinnenwelt von einer Verstandeswelt) werden von Kant als notwendig, unentbehrlich, aber auch als unbegreiflich erachtet bzw. angenommen. Dieser „doppelte ontologische Stellenwert des Menschen“ (vgl. Grondin 2013, 64 f.) muss, um Freiheit zu ermöglichen, angenommen bzw. postuliert werden. Ohne die Naturgesetze außer Kraft zu setzen (Sinnenwelt), wird der Mensch (mit freiem Willen begabt) die Welt nach den Maximen der Vernunft gestalten (Verstandeswelt). Eine logische Ableitung dieses freien Willens (über die Verstandeswelt) ist aber nicht möglich, weder über Erkenntnisquellen a priori noch aus Erfahrungen a posteriori. Nur über das verbindliche Zusammenspiel des Menschen (die Anerkennung) mit dem moralischen Gesetz wird die Möglichkeit bzw. die Wirklichkeit eines freien Willens bewiesen. Somit wird neben der Freiheit als Spontaneität (in der kausalen Sinnenwelt) auch Freiheit im Sinne einer sittlichen Selbstbestimmung denknotwendig bzw. wirklich (vgl. Rosenberger 2006, 108 f.).
Solange der Mensch sich in der Zeit, in der Sinnenwelt, begreift, kann nur Notwendigkeit und nicht Freiheit angenommen werden. Wenn sich der Mensch aber auch als Ersturheber betrachtet, sich dessen bewusst wird und somit nicht durch die kausalen Zeitbedingungen determiniert ist, sondern sich selbst durch selbst bestimmbare Gesetze (über die Vernunft) die Freiheit bzw. die Willensfreiheit gibt, kann er (der Mensch) auch in einer primär unausbleiblichen notwendigen Situation in der Sinnenwelt (kausale Natur) eine freie Entscheidung treffen bzw. eine Handlung unterlassen. Auf Grundlage dieser Darstellung können zwei Perspektiven bzw. Erklärungen des Subjekts angestellt werden. Erstens kann/muss der Mensch als ein Wesen definiert werden, das sich den Naturgesetzen unterwirft (totale Determination in der zeitlich kausalen Welt, dazu 2.1.1). Zweitens wird der Mensch auch als ein freies denkendes Wesen angesehen/definiert, das sich selbst bestimmt (Willensfreiheit in der Verstandeswelt, dazu 2.1.2). Über diese Zwei-Welten-Theorie (Dualismus, weicher Determinismus oder Libertarier des Kompatibilismus) bzw. den Zusammenschluss zwischen Sinnen- und Verstandeswelt wird nach Kant der Mensch, das Individuum in Staat und Gesellschaft, definiert bzw. definiert/schafft sich selbst (auf Grundlage der Vernunftbegabung). Diese Lösung ist nach Kant eine schwer zu verstehende, aber dennoch eine, die besser ist als jede falsche Vereinfachung (die nur palliativ wirke) (vgl. Rosenberger 2006, 110 f.).
Diese dualistische Darstellung Kants definiert das Unbedingte (2.1.2, freier Wille) als frei und das Bedingte (2.1.1, Mensch in der Naturkausalität) als notwendig bzw. determiniert. Die Freiheit funktioniert nur als eine unbedingte Kausalität (Spontaneität), hingegen ist die Naturnotwendigkeit immer bedingt. Kant spricht in dieser dualistischen Anschauung/Erklärung von zwei Standpunkten, auf deren Grundlage man auf die Welt schauen kann. Dabei wird der Mensch als unbedingte Spontaneität (Ersturheber) von einem Standpunkt begriffen, der außerhalb der naturnotwendigen Erscheinung zu verorten ist. Jedoch warnt Kant davor, sich diese Gegenstände, die außerhalb der Erscheinungswelt liegen (in der Verstandeswelt), sinnvoll vorstellen zu können (wir haben nicht die mindeste Kenntnis von ihnen). Auf Grundlage dieser Bezeichnungen ergibt sich ein ontologischer Dualismus. Die Sinnenwelt wird über einen starken (naturnotwendigen) Kausalbegriff, der sich auf die linearen Beziehungen von Ursache und Wirkung bezieht, verstanden. Diese Sinnenwelt ist vollständig determiniert und betrifft alle Ereignisse in ihr. Sie ist a priori denknotwendig und a posteriori aufweisbar/beweisbar. Die Verstandeswelt wird hingegen über einen starken Freiheitsbegriff (Freiheit als Unabhängigkeit des Willens von jeder anderen Ursache bzw. als Fähigkeit, als Erstursache in der Sinnenwelt kausal zu wirken) definiert und gibt dem Menschen eine vollständige Freiheit aller Akte seines Willens. Diese Freiheit ist in einer ethisch-moralischen Welterklärung a priori denknotwendig, aber nicht a posteriori aufweisbar/beweisbar (vgl. Rosenberger 2006, 112 f.).
Auf dieser dualistischen Grundlage entwickelt Kant (um Freiheit gewährleisten zu können) den kategorischen Imperativ und setzt somit Freiheit eines jeden Menschen als Notwendigkeit in die Welt. Wie nun dieser kategorische Imperativ und Freiheit zu verstehen sind und wie diese Darstellungen auf Individuum und Gesellschaft bzw. auf Staat und Kirche wirken, soll in den folgenden Absätzen nur oberflächlich dargestellt werden.
Wie bereits erwähnt, kann sich der Mensch (als Vernunftwesen) von den kausal wirkenden Natureinflüssen (über die Fähigkeit der Reflexion) befreien (unter 2.1.2). Der Mensch ist der Grund für die moralischen Gesetze, in denen er immer bloß als Zweck existiert und nie nur als Mittel (zu einem beliebigen Gebrauch). Erst durch die Vernunft wird der Mensch zum Menschen. Diese „Vernunftbegabung“, die sonst kein anderes Lebewesen besitzt, unterscheidet den Menschen von allen anderen Lebewesen, macht ihn zugleich zum Menschen und definiert ihn als solchen. Er ist frei, weil er sich über diese Vernunft das Vermögen gibt, nach selbst gesetzten Zwecken in der Welt zu wirken. Aufbauend darauf kann Kant ein allgemeingültiges moralisches Gesetz/Prinzip (kategorischer Imperativ) entwickeln, wodurch der Mensch seine Autonomie garantieren kann. Ein moralisches Gesetz, das immer jeden Einzelnen als Zweck an sich selbst, sowohl subjektiv als auch objektiv, und nicht als Mittel definiert, ist gleichzeitig auch ein moralisches Gesetz, das die individuelle Autonomie unterstützt bzw. definiert und somit den Menschen als freien Menschen (notwendig) in die Welt/Gesellschaft setzt (vgl. Horster 1985, 81).
Dieser Selbstzweck (diese Selbstzweckgebung), diese Freiheit (als unbedingtes praktisches Gesetz) bzw. diese Autonomie des Menschen als menschliche Eigenschaft führt dazu, dass ab diesem Zeitpunkt eine Wende eintritt - eine Wende, die sich auf ein Moralverständnis bzw. eine Staatspolitik auswirkt. Dadurch wird die bis dahin verstandene Vernunftfähigkeit von den (kausal wirkenden und somit unbewussten) Leidenschaften abgekoppelt und ihnen eine Eigenständigkeit (Freiheit) zugestanden. Als Grundlage dient ebendieser Vernunftbegriff (Freiheitsbegriff), der als autonom gilt (ist nicht mehr den Leidenschaften untergeordnet) und als psychologisch irreduzibel zu verstehen ist. Dadurch kommt es zu einer Veränderung der Dynamik von Vergesellschaftung (die Freiheit bzw. Autonomie des Menschen wird erkannt bzw. postuliert), die eine Eigenständigkeit des Individuums erlaubt und eine Moral definiert (Pflichtethik), die wiederum nicht mehr über Politik oder Kirche aufgelöst werden muss. Diese Moral besteht nun unabhängig von Kirche und Staat (es kommt zur Emanzipation/Aufklärung) (vgl. Leist 2003, 7).
Um die Frage mit Kant zu beantworten, was Aufklärung sein soll bzw. was Aufklärung bewirkt:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung (Kant 1999, 20).
Diese autonome Betrachtung des Menschen in Gesellschaft und Staat (über den kategorischen Imperativ) führt dazu, dass es zu einer Loslösung des Individuums von einer Staats- und Kirchenherrschaft (Kontrolle bzw. Gesetzgebung) kommt. Einer Klassengesellschaft, in der die Menschen unterdrückt werden, wird dadurch präventiv entgegengesteuert. In einer Gesellschaft mit bzw. durch den kategorischen Imperativ wird erst eine wirkliche Allgemeinheit moralischer Gesetzgebung möglich (eine Solidarität wird dadurch erst ermöglicht) (vgl. Horster 1985, 86).
Abschließend soll noch gesagt werden, dass der Mensch immer im Zwiespalt zwischen dem Naturanteil und der Vernünftigkeit seiner Handlungen steht. Der Mensch muss sich nach Kant immer wieder zum moralischen Gesetz und dessen Befolgung zwingen. So kommt er (der Mensch) aber nie in die Lage, es immer gern und in Übereinstimmung mit seinen Neigungen zu befolgen (ebenfalls bereits unter 2.1.2 dargestellt). Der menschliche Wille ist für Kant ein Vermögen, das bewusst begehrt, unabhängig von Neigungen und Trieben. Ein unabhängiger „freier Wille“ ist von den subjektiven nötigenden Ursachen befreit und stimmt mit den allgemeinen Gesetzen der Freiheit überein (guter Wille nach Kant). Ein guter Wille ist ein Wille, der eine Handlung zur Folge hat, die aufgrund der moralischen „Pflicht“ geschieht. Der alleinige Bestimmungsgrund, eine Handlung auszuführen, ist diese Pflicht (Pflicht stellt erst Freiheit her, wenn ich aus reiner Achtung für das menschliche moralische „gute“ Gesetz handle) (vgl. Horster 1985, 88 f.).
Meiner Ansicht nach ist diese moralische Pflicht (kategorischer Imperativ) im Kontext von Willensfreiheit kritisch zu betrachten, was an dieser Stelle nicht unbemerkt bleiben soll. Auch diese moralische praktische Freiheit, weil sie nicht a posteriori beweisbar ist, soll kritisch hinterfragt werden (wie viel Aussagekraft wollen wir Dingen geben, die nicht beweisbar sind, das heißt a posteriori definiert werden können?). Dieser Unterschied zwischen notwendigen Neigungen und Trieben (Naturkausalität und somit keine Freiheit) und den moralischen Pflichten (Vernunftbegriff bzw. Freiheit und der kategorische Imperativ) kann meines Erachtens auch anders interpretiert werden. Jedoch soll diese kritische Betrachtung nicht die ethischen Folgen, die dieser Vernunftbegriff und diese Sollensethik (Pflichtethik bzw. deontologische Ethik) mit sich gebracht haben bzw. mit sich bringen (basierend auf Einsicht der moralischen Gesetze und des bewussten Begehrens und Handelns nach ihnen), schmälern oder in einem negativen Licht erscheinen lassen.
2.2 Arthur Schopenhauers Unterscheidung zwischen empirischem und intelligiblem Charakter sowie eine Hinführung zum „liberum arbitrium indifferentiae“ in seiner Preisschrift über die Freiheit des Willens
Arthur Schopenhauer wurde 1788 in Polen (Danzig) geboren und war ein deutscher Philosoph und Hochschullehrer. Seine Lehre und Philosophie wird im Kontext der Erkenntnistheorie, der Metaphysik, der Ästhetik und der Ethik verortet. Schopenhauer sah sich selbst als Schüler und Vollender von Kants Philosophie. Er starb im Alter von 72 Jahren in Frankfurt am Main und wurde unter anderem von Kant, Hegel, Platon, Aristoteles, Spinoza, Hume, Locke, Fichte, Hobbes und Rousseau beeinflusst.
1841 verfasste Schopenhauer im Rahmen von Preisausschreiben zwei Schriften unter dem Titel „Die beiden Grundprobleme der Ethik“. Die erste Preisschrift behandelt die Freiheit des Willens und soll im Kontext der Forschungsfrage zum freien Willen dargestellt werden, die zweite betrachtet die Grundlagen der Moral. Bevor die Preisschrift über die Freiheit des Willens näher dargelegt wird, soll in den folgenden Unterkapiteln zunächst auf eine Textpassage aufmerksam gemacht werden, die in der Gesamtausgabe „Die Welt als Wille und Vorstellung“ im Abschnitt zur „Kritik der Kantischen Philosophie“ (KKP) zu finden ist. Darin wird Schopenhauers Fokus auf bzw. Interpretation von Kants metaphysischen Ausführungen zum „freien Willen“ verdeutlicht. Diese Textpassage findet sich in der Unterscheidung der Erscheinung vom Dinge an sich, die nach Schopenhauer Kants größter Verdienst im Kontext des „freien Willens“ ist (vgl. Spierling 2015, 101; Schopenhauer 2011, 534 f.).
Diese Unterscheidung zwischen den Erscheinungen der Dinge und den Dingen an sich ist nach Schopenhauer die grundsätzliche Lehre Kants und verweist auf die Diversität des Realen und Idealen. Auf Grundlage dieser Unterscheidung führt Schopenhauer seine Überlegungen weiter und kommt demnach zu seinen Ausführungen des „empirischen“ und „intelligiblen“ Charakters. Schopenhauer macht sich ebenfalls über Goethe und Hegel lustig, die diese so wichtigen Unterscheidungen Kants nicht annähernd gewürdigt hätten. Schopenhauer nennt Goethes Anschauungen „Windbeuteleien“ und Hegels Ausführungen „plump und geistlos“ (vgl. Schopenhauer 2001, 535 f.). Kants Sonderungen der Erscheinungen sind, wie bereits erwähnt, als tiefsinnige und besonnene Begründungen anzuerkennen und übertreffen alles bisher Dagewesene (vgl. Schopenhauer 2011, 535 f.).
In Schopenhauers „Preisschrift über die Freiheit des Willens“ hat der Mensch aus empirischer Sicht keinen „freien Willen“, in metaphysischer (intelligibler) Hinsicht dagegen soll der Wille als frei gelten. Diese Unterscheidung soll im nachstehenden Unterkapitel näher dargelegt werden (vgl. Spierling 2015, 102; Schopenhauer 2013, 230).
Wenn wir (Menschen) etwas wollen oder handeln, sind wir immer in der empirisch dargelegten „Erscheinungswelt“ (Erscheinungen der Dinge und nicht die Dinge an sich selbst betreffend). Dadurch sind wir auf deren Grundlagen des menschlichen Erkenntnisvermögens bzw. auf deren Kausalwirkungen zu jeder Zeit angewiesen. Somit können wir auf empirischer Ebene (empirischer Charakter) niemals frei sein (da wir als Menschen durch die notwendigen Naturgesetze in unserer Wahrnehmung bzw. Anschauung determiniert sind). Hingegen ist der intelligible Charakter, der aus der Idee entspringt (a priori denknotwendig, um einen freien Willen anzunehmen), diesen empirisch-zeitlichen Determinanten nicht unterlegen und daher frei (vgl. Spierling 2015, 103 f.; Schopenhauer 2013, 227 f.).
Spierling (2015, 103) erwähnt dazu einen „ursprünglichen, außerzeitlichen, unteilbaren Objektivationsakt des Willens“. Dieser ist als Idee des jeweiligen Menschen als „intelligibler“ Charakter zu verstehen und metaphysisch zu definieren (vgl. Spierling 2015, 103).
Für Nietzsche ist dieser intelligible Charakter (Freiheit) ein Unsinn und vielleicht schon von Plato gelehrt worden. Niemand gibt dem Menschen seine Eigenschaft, bzw. niemand ist dafür verantwortlich. Die Fatalität (Schicksalshaftigkeit bzw. Vorbestimmtheit) eines Wesens ist nicht aus der Fatalität von allem, was war und ist, herauszulösen (= absolute Kausalität bzw. Determinismus). Das heißt, der Mensch ist nicht Folge seiner Absicht, seines Willens oder eines (moralischen) Zwecks. Es gibt kein Ideal des Menschen oder ein Ideal von Moralität wie mit der kantischen praktischen Vernunft. Für Nietzsche ist der Begriff „Zweck“ etwas Erfundenes und nichts, was die Grundlage für Freiheit wäre. Der Mensch ist etwas Notwendiges, ein Stück Verhängnis und Teil des Ganzen. Aus dieser Art des Seins wird für Nietzsche die Unschuld des Wesens Mensch erst wiederhergestellt. Durch die Leugnung des Begriffs „Gott“ und dessen Verantwortlichkeit werden die Welt und deren Notwendigkeiten bzw. der Mensch in ihr erst wieder erlöst (vgl. Nietzsche 1889, KSA Bd. 6, 96 f.).
2.2.1 Zu Schopenhauers Darstellung des empirischen und intelligiblen Charakters
Das „zum Schönsten und Tiefgedachten“ bzw. zum „Vortrefflichsten“, was ein Mensch jemals hervorgebracht hat, ist für Schopenhauer Kants Unterscheidung des intelligiblen vom empirischen Charakter (wie bereits einleitend erwähnt). Auf dieser Grundlage beruht Schopenhauers Philosophie. Diese Unterscheidung macht es sowohl Schopenhauer als auch Kant möglich, sowohl Freiheit als auch Determinismus annehmen zu können (ein dualistisches Weltbild wird dadurch möglich). Handlungen von Menschen können im Kontext des „empirischen Charakters“ nur determiniert sein. Handlungen im Kontext des „intelligiblen Charakters“ sind hingegen frei (weil selbst der „intelligible Charakter“ etwas Metaphysisches ist, eine Idee, und somit den empirisch-kausalen Determinanten nicht unterworfen ist). Auf dieser Grundlage wird den Menschen „ihre Freiheit“ gerettet. Durch die „metaphysische freie Tat“ des intelligiblen Charakters und deren zeitliche Entfaltung auf empirischer Ebene (Charakter) sind wir Menschen vollkommen frei (vgl. Spierling 2015, 103 f.).
Für Nietzsche ist dieser „intelligible Charakter“ genauso wie die Vernunft nicht im Reich der Wahrheit und des Seins vorzufinden (der wissenschaftlichen Objektivität), sondern er ist von einer Beschaffenheit, von der der Intellekt gerade noch so viel begreift, dass er sie als unbegreiflich definieren kann. Nietzsche zufolge müssen wir uns vor widersprüchlichen Aussagen im Sinne von einer „reinen Vernunft“, einer „absoluten Geistigkeit“ und einer „Erkenntnis an sich“ hüten (vgl. Nietzsche 1887c, KSA Bd. 5, 364 f.), weil hier immer ein Auge zu denken verlangt, das gar nicht gedacht werden kann, ein Auge, das durchaus keine Richtung haben soll, bei dem die aktiven und interpretirenden Kräfte unterbunden sein sollen, fehlen sollen, durch die doch Sehen erst ein Etwas-Sehen wird, hier wird also immer ein Widersinn und Unbegriff von Auge verlangt. Es giebt n u r ein perspektivisches Sehen, n u r ein perspektivisches „Erkennen“; und j e m e h r Affekte wir über eine Sache zu Worte kommen lassen, j e m e h r Augen, verschiedne Augen wir uns für dieselbe Sache einzusetzen wissen, um so vollständiger wird unser „Begriff“ dieser Sache, unsre „Objektivität“ sein (Nietzsche 1887c, KSA Bd. 5, 365).
Wie diese grundlegende Unterscheidung zwischen den Erscheinungen und den Dingen an sich, diese zwei Charaktere des Empirischen und des Intelligiblen, geformt werden bzw. notwendigerweise anzunehmen sind (auch auf der Grundlage bzw. Annahme von Verantwortung), und zwar aus der Perspektive von Schopenhauer, kann mittels „Über die Grundlage der Moral“ in Kants Lehre vom intelligiblen und empirischen Charakter dargestellt werden.
Verantwortung ist demnach etwas, eine Möglichkeit, anders handeln zu können, also Freiheit. Somit ist Verantwortung als Voraussetzung von Freiheit zu verstehen. Zur Lösung, so Schopenhauer (2013, 228 f.), versucht Kant, diese notwendigen tiefsinnigen Unterscheidungen zwischen den Erscheinungen der Dinge und dem Ding bzw. den Dingen an sich zu treffen. Dies ist der Schlüssel bzw. der Kern seiner (Kants) Philosophie, im Rahmen von Verantwortung und Freiheit (im erkenntnistheoretischen Kontext). Zu den „empirisch“ kausal notwendigen Erscheinungen des Menschen werden der angeborene Charakter (Motivation, etwas zu tun oder etwas zu unterlassen) und alle folgenden (auf einer linearen Zeitachse zu verstehenden) Äußerungen gezählt. Alles, was außerhalb dieser empirischen Bedingungen - „Successionen“ - zu verorten ist, sind die Dinge an und für sich, als Metaphysik bzw. als Idee vom „freien“ Charakter des Menschen. Dieser „intelligible Charakter“ befindet sich außerhalb von Raum und Zeit und ist deswegen diesen Determinanten nicht untergeordnet bzw. nicht „schuldig“. Der „empirische Charakter“ unterliegt hingegen einer streng notwendigen Naturfolge. Diese natürlich (kausal) bestimmten Motive definieren bzw. determinieren den „empirischen Charakter“ und lassen ihn als etwas streng Konstantes und Notwendiges begreifen (vgl. Schopenhauer 2013, 228 f.).
Anschließend unterstreicht bzw. lobt Schopenhauer noch einmal Kants Leistung im Kontext des „Zusammenbestehens“ von Freiheit und „Nothwendigkeit“. Seiner Ansicht nach ist diese Leistung Kants, neben der „transscendentalen Aesthetik“, die größte aller Leistungen des menschlichen Tiefsinns und die Krone des kantischen Ruhmes (vgl. Schopenhauer 2013, 229).
Abschließende Bemerkungen im Kontext des intelligiblen und empirischen Charakters gehen in Richtung einer Unmöglichkeit, einer erkenntnistheoretischen Relativierung, der Erkenntnis zum/vom „freien Willen“. Da dieser wie oben ausgeführt nur intelligibel und im Reich des Metaphysischen zu verorten ist, kann von ihm eigentlich nichts ausgesagt werden. Daher ist Freiheit letztlich etwas Unaussprechliches, etwas Undenkbares, etwas, was sich jeder Vergegenständlichung entzieht (vgl. Spierling 2015, 105).
Wir (alle Menschen) lernen uns selbst bzw. alle anderen auch nur empirisch kennen und haben daher keine Kenntnis (bzw. keine Möglichkeit der Erkenntnis) von einem Charakter a priori (vgl. Schopenhauer 2013, 231).
2.2.2 Freiheit und das „liberum arbitrium indifferentiae“ sowie das „Selbstbewußtseyn“ bei Schopenhauer
Freiheit:
Nach Schopenhauer ist der Begriff der Freiheit zuerst einmal ein „negativer“. Ein negativer Begriff insofern, als in Verbindung mit ihm immer die Abwesenheit von etwas gedacht wird, wie zum Beispiel die Abwesenheit eines Hemmenden oder eines Hindernden. Grundlegend unterscheidet Schopenhauer auch zwischen a) physischer Freiheit, b) intellektueller Freiheit und c) moralischer Freiheit.
Von physischer Freiheit kann nur dann gesprochen werden, wenn weder ein Gefängnis noch eine körperliche Lähmung oder andere materielle Hindernisse uns (sowohl Tiere als auch Menschen) in unserer Handlungsausführung bestimmen. Sobald von diesem physischen Freiheitsgedanken aber abgesehen wird, betreten wir nach Schopenhauer den Raum des philosophischen Zugangs zur Freiheit. Den intellektuellen Zugang zur Freiheit behandelt Schopenhauer zeitgleich mit dem moralischen, da der Intellekt und die Moral im Wechselspiel Freiheit definieren. Dieses „liberum arbitrium“ (der freie Wille) ist nach Schopenhauer auch dann nicht klar ersichtlich, wenn sich bereits eine physische Freiheit eingestellt hat (materielle Unabhängigkeit). So kann ein Mensch ohne materielle Hindernisse gehemmt bzw. „unfrei“ oder determiniert sein, wenn Motive wirken, die sich in Form von Drohungen, Versprechungen oder Gefahren darstellen lassen (intellektuelle bzw. moralische Determinanten). Durch diese Motive können wir Menschen von einer Handlung abgehalten oder zu einer Handlung gezwungen werden.
Der nächste Schritt, um zu einer Definition von Freiheit im Kontext der Willensfreiheit zu gelangen, ist derjenige, zwischen Handlungsfreiheit und Willensfreiheit zu unterscheiden. Wir können in unserem Handeln frei sein, wenn wir weder durch physische noch durch moralische Hemmungen abgehalten werden, etwas zu tun. Das Szenario „tun können, wie man will“ ist aber nicht identisch mit „wollen können, wie man will“. Dieser Begriff der Freiheit vom „Können“ unterscheidet sich grundlegend vom Begriff der Freiheit vom „Wollen“. Ist im Kontext von Willensfreiheit dieses „Wollen“ frei? Nach empirischer Freiheit, so Schopenhauer, bin ich frei, wenn ich tun kann, was ich will, und durch das „was ich will“ ist bereits für die Freiheit entschieden worden. Demnach müssen wir fragen, ob ich auch wollen kann, was ich will (vgl. Schopenhauer 2013, 40 f.).
Um die begriffliche Not im Kontext von Freiheit zu vereinfachen, schlägt Schopenhauer nun vor, nicht von dieser Negation, was Freiheit nicht ist, auszugehen, sondern einfach vom positiven Gegenteil, von Freiheit zu sprechen bzw. damit zu arbeiten. Das Gegenteil von Freiheit ist demnach Notwendigkeit. Notwendig ist etwas, was nicht anders sein kann. Also folgt daraus auch, dass auf Grundlage (im Kontext) von Notwendigkeit keine Freiheit sein kann, denn Freiheit inkludiert die Möglichkeit, dass etwas auch anders sein kann. Notwendig ist etwas, das einem zureichenden Grund folgt. Wir erkennen die Folge von etwas aus dem gegebenen Grund. Dadurch (Grund) wird die Wirkung notwendig.
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- Citar trabajo
- Jürgen Zechner (Autor), 2021, Der "freie Wille" in Sigmund Freuds Strukturtheorie der Psyche, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1276796
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