Das Thema meiner Arbeit ist das kulturelle Überläufertum in den eroberten Gebieten Amerikas. Als kulturelle Überläufer bezeichnet man Personen, die in eine fremde Kultur wechseln und dabei Sprache, sowie Sitten und Gewohnheiten übernehmen. Im Verlauf der Arbeit werde ich mich auf die Kolonien Frankreichs und Englands beschränken. Es sollen die Unterschiede aufgezeigt werden, mit denen die beiden Nationen die verschiedenen Gebiete eroberten und besetzten. Aber auch die Verschiedenheit im Umgang mit kulturellen Überläufern soll zum Ausdruck gebracht werden, sowie das gesamte Verhalten gegenüber der indigenen Bevölkerung. Zu diesem Verhalten gehören die variierenden Bezeichnungen die beide Länder fanden um kulturelle Überläufer zu benennen. Diese sollen von ihrem Ursprung her erläutert und anhand kurzer Beispiele verdeutlicht werden. Außerdem spielen die Beweggründe, die zu kulturellem Überläufertum führten, eine wichtige Rolle in den Gesellschaftsbildern der damaligen Zeit, auch wenn diese unterschiedlich geprägt waren. Jedoch wird nicht nur die europäische Seite, sondern auch die der Indianer und ihrer Haltung gegenüber Fremden thematisiert werden.
Es bestanden allerdings zwischen den beiden Staaten nicht nur Gegensätze und Unterschiede. Unter anderem gibt es auch Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, die sich in ganz Europa und darüber hinaus wieder finden lassen. Diese Prozesse werden in der Arbeit benannt und an verschiedenen Stellen wieder aufgegriffen um ihre Bedeutung deutlicher werden zu lassen oder sie näher zu bestimmen.
Im letzten Teil der Arbeit werden schließlich persönliche Schicksale einzelner Vertreter der jeweiligen Kultur kurz vorgestellt um die vorher ausgeführten Sachverhalte zu unterstützen.
Am Ende soll auf die Frage, ob es kulturelles Überläufertum überhaupt gibt, eine Antwort gefunden werden. Diese Frage wird von Trenk in einem seiner Aufsätze angeregt, indem er den Autor Bruce Trigger zitiert, der davon ausgeht, dass kulturelles Überläufertum. in diesem Sinne, nicht stattgefunden hätte.
Inhaltsverzeichnis:
1. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Neu-Frankreich und Neu-England:
1.1 Der Franco-Amerikanische Weg der Eroberung der Neuen Welt:
1.2 Der angloamerikanische Weg der Eroberung der Neuen Welt:
1.3 Gemeinsamkeiten im Umgang mit kulturellen Überläufern:
2.Drei verschiedene Arten von Überläufern:
2.1 „Les Francois Sauvages“
2.2 „White Captives“
2.3 „Renegades“
3 Beweggründe für die Leichtigkeit der Anpassung an die indianische Kultur:
4.Beispiele persönlicher Schicksale kultureller Überläufer beider Seiten:
4.1 Persönliche Schicksale kultureller Überläufer in die indianische Kultur:
4.1.1 Etienne Brulés (1592-1633):
4.1.2 Baron de Saint-Castin (1652-1707):
4.2 Persönliche Schicksale kultureller Überläufer in die europäische Kultur:
4.2.1 Enoe-Will (Indianerhäuptling):
4.2.2 Pocahontas ( ca.1595-ca.1617):
Literaturverzeichnis:
1. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Neu-Frankreich und Neu-England:
1.1 Der Franco-Amerikanische Weg der Eroberung der Neuen Welt:
Der Entdecker Kanadas war der Franzose Jacques Cartier. Er entdeckte 1541 das spätere Neu-Frankreich.
Ab dem 17. Jahrhundert beabsichtigen die Franzosen in der Neuen Welt Handel zu treiben und ein Imperium aufzubauen. Auch die Missionierung gehörte zu ihren Absichten. Das Kerngebiet, welches sie besiedelten lag am Sankt-Lorenz Strom[1].
Auswanderung und Handel wurden von der französischen Krone unterstützt, sowie kontrolliert. Beispielsweise lagen unter Colbert strategische und merkantilistische Ausrichtungen im Vordergrund, sowie die Einrichtung militärischer Stützpunkte[2]. Jedoch hatten den meisten Anteil an der Besiedlung der Neuen Welt die Handelskompanien, die von der Krone autorisiert, am immer stärker werdenden Pelzhandel teilnahmen. Im Gegenzug hatten diese Handelsgesellschaften Verpflichtungen einzuhalten. Einerseits war dies die Beförderung von Siedlern und Mitgliedern des Klerus zur Unterstützung der vom Staat geförderten Auswanderungsprogramme. Andererseits hatten sie die Aufgabe innerhalb der Siedlungen für die Aufrechterhaltung von Justiz und Verwaltung zu sorgen[3]. Der Pelzhandel wurde zur Säule der Wirtschaft in Amerika und verlangte einen guten Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Mit der Zeit hatte sich eine Schicht von Pelzjägern herausgebildet, die in engem Kontakt mit den Indianern stand und nicht selten auch ihre Lebensweise übernahm. Auch kam es vor, dass die Pelzjäger, auch Coureur de bois genannt, nicht mehr in die „zivilisierte“ Welt zurückkehrten, sondern ein Leben unter den Indianern führten. Auffallend war hier, besonders in Neu-Frankreich die offensichtliche Leichtigkeit, mit der sich kulturelle Überläufer an die fremde Kultur anpassten und Gewohnheiten übernahmen. Eine Erklärung lässt sich im starren Herrschaftssystem Frankreichs finden, welches im 17. Jahrhundert vorherrschte[4]. Strenge Restriktion und eine große Macht der Kirchen führten in diesem System zu einem großen Maß an Fremdbestimmtheit des Lebens. Dadurch musste das freie und ungezwungene Leben der Indianer den meisten Franzosen, die mit ihnen in Kontakt traten, wie das Paradies vorgekommen sein. Allerdings waren die französischen Kolonien nicht weniger fremdbestimmt als ihr Mutterland. Zur Zeit der Eroberung stand das Feudalsystem Frankreichs bereits am Ende seiner Blütezeit. In den Kolonien wurde nun versucht diesem System weiterem Bestand zu verleihen, was dazu führte, dass die Kirchen einen noch größeren Einfluss gewannen. Diese Macht der Kirchen, die als „Staat im Staate“[5] bezeichnet werden könnten, brachte noch strengere Konventionen und Moralvorstellungen mit sich, sodass die Besiedlung der Kolonien nur spärlich voranging, da die Anreize zur Auswanderung fehlten. Die Orden versuchten die Kinder von Indianern zivilisiert zu erziehen, was aber aufgrund von Stränge und Unverständnis immer wieder scheiterte. Einige der Missionare versuchten aber auch ihren Glauben zu verbreiten, indem sie die indianische Lebensweise annahmen, um einen besseren Zugang zu bekommen, was aber auch nur selten von Erfolg gekrönt war[6]. Außerdem begünstigten eben diese Umstände das kulturelle Überläufertum zur indianischen Kultur. Konflikte zwischen den Siedlern und der Bevölkerung gab es aber eher keine. Die Siedler waren auf die geographischen Kenntnisse und die Jagdmethoden der Indianer angewiesen, um an die begehrten Pelze zu gelangen. Weiterhin trug auch das Vorhandensein einer Menge brach liegenden Landes[7] dazu bei, dass größere Auseinandersetzungen ausblieben. In Kanada lebten die Stämme meist noch als umherziehende Nomaden und betrieben keinen Ackerbau, sondern lebten von der Jagd, so konnten sich die Franzosen ungehindert niederlassen. Doch nicht nur die Tierfelle und der damit verbundene Handel führten die Siedler zu den Indianern, sondern auch Notlagen in die sie gerieten. So schnitten beispielsweise die Engländer 1628 die Versorgungsschiffe der Franzosen hab, was zu Nahrungsengpässen führte und einen Teil der Siedler und Soldaten zur Überwinterung bei den Indianern zwang[8]. Im Gegenzug kam es dazu, dass die französische Armee die ansässigen Algonkin in ihrem Kampf gegen die Irokesen unterstützte und sich so Verbündete gegen die Engländer verschaffte[9].
Mit der Zeit aber kamen die Handelsgesellschaften in finanzielle Schwierigkeiten, da außer den Pelzen die sonstigen Rohstoffe der Neuen Welt keine nennenswerten Gewinne abwarfen. Durch ihre Verpflichtungen der Krone gegenüber wurden ihre Probleme nur noch verstärkt und es kam dazu, dass sich die Handelskompanien zurückzogen und die Kolonien in Staatsbesitz übergingen[10].
[...]
[1] Kohl Karl-Heinz, Entzauberter Blick. das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, FaM 1983 (Qumran Verlag). S.53.
[2] Ebd. S.53.
[3] Ebd. S.53.
[4] Ebd. S.54.
[5] Ebd. S.54.
[6] Ebd. S.60.
[7] Ebd. S. 56.
[8] Trenk, Marin, Die weissen Indianer Kanadas. S.68.
[9] Kohl, Karl-Heinz S.56.
[10] Ebd. S. 54.
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