„Zuerst wird geprüft, ob du auf der Besucherliste stehst. Dann wirst du mit einem Metall- und
Drogendetektor kontrolliert.“ Und dann öffnet sich auf Knopfdruck die massive Stahltür.
Petra darf eintreten. Vor ihr liegt „eine fremde Welt“, unwirklich, „wie in einem Sciencefiction“.
Was die junge Frau dort wirklich erwartet, ist allerdings keine Zukunftsvision,
sondern eher ein Alptraum aus dem tiefsten Mittelalter. Es ist der Todestrakt des SCI Greene
Gefängnisses von Waynesburg, Pennsylvania. „Wie ein Atombunker“, so kommt der
Besucherin das Labyrinth dieser „weiten, langen Gänge“ vor. „Es ist hell, doch das Licht
erreicht einen nicht. Und es kommt kein Ton von draußen nach drinnen, alles ist vollkommen
geräuschisoliert.“ Grabesstille. „Nur wenn eine der vollautomatischen Schleusen in
Bewegung gerät, dann ist das ein Lärm, als würde die Welt zusammen brechen.“ Wärter in
kugelsicheren Plexiglaskabinen schleusen Petra auf diese Weise immer weiter hinein in den
grauen Betonsarkopharg. Unheimlich sind ihre Gesten. „Sie sprechen nicht, geben nur
Handzeichen.“ Die Frau aus Bocholt zweifelt daran, dass dies alles real ist. Egal, sie will
endlich Jimmy sehen.
Der 29jährige Jimmy Dennis ist Petras Brieffreund, eigentlich mehr noch, „er ist für
mich wie ein Bruder“. Kennengelernt hatte sie ihn, als sein Fall im Internet vorgestellt wurde,
zusammen mit einer Kontaktadresse. Jimmy wurde im Oktober 1992 wegen eines
Raubmordes zum Tode verurteilt. Ein Mord, den er womöglich nicht begangen hat. „Als das
Mädchen vor dem U-Bahnhof in Philadelphia erschossen wurde, war Jimmy gerade bei seinem Vater zu Besuch.“, erklärt Petra und zitiert die im Prozess unterdrückten
Beweismittel. „Der Täter war nach Zeugenaussagen 1,80 Meter groß. Jimmy ist 15
Zentimeter kleiner.“ Schon der Einschusswinkel hätte ein ganz anderer sein müssen. „Aber
die Polizei brauchte einen Täter.“ Unter massivem Druck der Beamten habe Charles
Thompson, ein Bekannter, ihn, Jimmy, belastet. „Er sagte, er habe ihn in der fraglichen Nacht
mit einer Waffe gesehen. Nicht mehr und nicht weniger.“ Genug, um Jimmy anzuklagen. [...]
Endstation Todeszelle
Die Geschichte der Todesstrafe in den USA mit fünf Beispielen nach 1976
Inhalt:
Der aktuelle Fall Jimmy Dennis
Geschichte der Todesstrafe in den USA bis 1976
„Wir haben alle mit abgedrückt.“ Gary Mark Gilmore, Utah, 1977
„Dann wurde es still und selbst wir Kinder waren leise.“ Connie Ray Evans, Mississippi,
1987
„Ich kämpfe bis zum Schluss.“ Roger Keith Coleman, Virginia, 1992
„Dann fiel der Vorhang.“ Billy Bailey, Delaware, 1996
„In Deine Hände begebe ich mich, oh Herr.“ Karla Faye Tucker, Texas, 1998
„Zuerst wird geprüft, ob du auf der Besucherliste stehst. Dann wirst du mit einem Metall- undv12738
Drogendetektor kontrolliert.“ Und dann öffnet sich auf Knopfdruck die massive Stahltür.
Petra darf eintreten. Vor ihr liegt „eine fremde Welt“, unwirklich, „wie in einem Sciencefiction“.
Was die junge Frau dort wirklich erwartet, ist allerdings keine Zukunftsvision,
sondern eher ein Alptraum aus dem tiefsten Mittelalter. Es ist der Todestrakt des SCI Greene
Gefängnisses von Waynesburg, Pennsylvania. „Wie ein Atombunker“, so kommt der
Besucherin das Labyrinth dieser „weiten, langen Gänge“ vor. „Es ist hell, doch das Licht
erreicht einen nicht. Und es kommt kein Ton von draußen nach drinnen, alles ist vollkommen
geräuschisoliert.“ Grabesstille. „Nur wenn eine der vollautomatischen Schleusen in
Bewegung gerät, dann ist das ein Lärm, als würde die Welt zusammen brechen.“ Wärter in
kugelsicheren Plexiglaskabinen schleusen Petra auf diese Weise immer weiter hinein in den
grauen Betonsarkopharg. Unheimlich sind ihre Gesten. „Sie sprechen nicht, geben nur
Handzeichen.“ Die Frau aus Bocholt zweifelt daran, dass dies alles real ist. Egal, sie will
endlich Jimmy sehen.
Der 29jährige Jimmy Dennis ist Petras Brieffreund, eigentlich mehr noch, „er ist für
mich wie ein Bruder“. Kennengelernt hatte sie ihn, als sein Fall im Internet vorgestellt wurde,
zusammen mit einer Kontaktadresse. Jimmy wurde im Oktober 1992 wegen eines
Raubmordes zum Tode verurteilt. Ein Mord, den er womöglich nicht begangen hat. „Als das
Mädchen vor dem U-Bahnhof in Philadelphia erschossen wurde, war Jimmy gerade bei
seinem Vater zu Besuch.“, erklärt Petra und zitiert die im Prozess unterdrückten
Beweismittel. „Der Täter war nach Zeugenaussagen 1,80 Meter groß. Jimmy ist 15
Zentimeter kleiner.“ Schon der Einschusswinkel hätte ein ganz anderer sein müssen. „Aber
die Polizei brauchte einen Täter.“ Unter massivem Druck der Beamten habe Charles
Thompson, ein Bekannter, ihn, Jimmy, belastet. „Er sagte, er habe ihn in der fraglichen Nacht
mit einer Waffe gesehen. Nicht mehr und nicht weniger.“ Genug, um Jimmy anzuklagen.
Es ist soweit. Jimmy wird vorgeführt. Wie ein Paket ist er zusammengeschnürt mit
schwarzen Ledergurten, zusätzlich gefesselt mit Handschellen. „Es war hart, ihn so zu
sehen.“, erinnert sich Petra. Getrennt durch eine Glasscheibe saß sie Jimmy gegenüber. „Ich
auf einem Hocker mit Lehne, er auf einem Hocker ohne Lehne.“ Besuchszeit fünf Stunden.
„Worüber spricht man fünf Stunden mit einem zum Tode Verurteilten ?“, nimmt Petra die
nächste Frage vorweg. „Natürlich möchte er wissen, wie es seiner Familie geht, seinen
Kindern.“ Die Familie, und auch Jimmys Eltern, sie leben in Philadelphia im Ghetto. Sie
haben kaum das Geld für die vierhundert Kilometer bis Waynesburg. Aber Petra war vorher
bei ihnen, kann das Neueste erzählen, Grüße übermitteln. „Sie sind so warmherzig“, erzählt
sie von Jimmys Eltern, „da ist nie eine Distanz. Mum und Dad (so nennt Petra die beiden
inzwischen) ertragen das alles mit viel Kraft.“ Kraft vor allem aus dem Glauben an Gott und
aus dem täglichen Gebet. „Die ganze Familie ist sehr religiös. Dad ist seit über 60 Jahren
Organist in fünf bis sechs Kirchen.“ Auch Petra betet inzwischen, genauso wie Jimmy. „Er
hat noch was, woran er glaubt, ein starker Glaube. Und das ist die Ursache, warum Jimmy
immer noch relativ zuversichtlich ist, während andere im Todestrakt den Verstand verlieren.“
So klammert sich Jimmy daran, doch noch freizukommen. „Unser Ziel ist es, einen neuen
Prozess zu bekommen, mit neuen Beweisen, mit einer fairen Staatsanwaltschaft und einem
fairen Richter.“ Dafür sammelt Petra Spenden, bezahlt damit die Ermittler in den USA. „Wir
sind im Zugzwang, wir müssen die Unschuld beweisen.“ Fortschritte bei diesen Bemühungen
machen deshalb einen großen Teil der Gespräche aus.
Die Todesangst bleibt. „Worunter Jimmy sehr leidet, ist der ständige Gedanke: werde
ich wirklich irgendwann frei sein ? Wird es meine Familie dann noch geben ? Werde ich
sterben ?“ So verbringt er Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr in seiner Todeszelle,
Länge zwei Meter sechzig, Breite ein Meter achtzig. „Da hat alles seinen Platz, nämlich
Jimmys Stahlbett und die Toilette. Das Essen wird durch einen Türschlitz geschoben.“ 23 von
24 Stunden täglich ist Jimmy in dieser Zelle eingesperrt. Manchmal gebe es „eine Stunde
Hofgang – alleine in einem Käfig. Jimmy sagt, das sei ein Hundekäfig, da könne man noch
nicht einmal richtig drin laufen.“ Ein immer gleicher Ablauf, der plötzlich an einem Tag im
Jahre 1998 unterbrochen wurde. „Wachen marschierten vor der Zelle auf und brachten Jimmy
in den Keller. Dort musste er sich nackt ausziehen, Gesicht an die Wand und ihm wurde der
Hinrichtungsbefehl vorgelesen. Dann wurde ihm alles weggenommen, die Taschentücher, der
Kamm, einfach alles.“ Mit diesem Ritual beginnt in Pennsylvania „Phase Zwei“ einer
Exekution. Der Verurteilte wird über das genaue Datum und die Uhrzeit informiert, hat
danach meist noch etwa vier Wochen zu leben. Unter verschärfter Bewachung. Wegen
Selbstmordgefahr. Bei Jimmy allerdings wurde Phase Zwei wegen eines Aufschubs wieder
abgebrochen. Es ging zurück in die jahrelange Warteschleife im Betonbunker von
Waynesburg.
Die fünf Stunden sind um. „Ich weiß nie, ob ich ihn wiedersehe.“ Manchmal möchte
Petra zum Abschied die Hand an diese Glasscheibe legen. „Aber das ist normalerweise das
‚final goodbye‘. Und das soll es nicht sein.“ (1)
Die Hoffnung, dass Jimmy Dennis freikommt, ist sehr gering. Über 700 Delinquenten wurden
seit der Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA im Jahre 1976 hingerichtet, davon
allein 98 im Jahre 1999 und 85 im Jahre 2000, insgesamt in den 90er Jahren weit mehr als im
Jahrzehnt zuvor (2). Während es in Europa spätestens seit Mitte der 60er Jahre einen
eindeutigen Trend gegen die Todesstrafe gibt (3), erlebte diese letzte aus dem Mittelalter
überkommene Körperstrafe in den USA in der jüngsten Zeit geradezu einen Boom. US-Präsident
George W.Bush ist selber ein gnadenloser Verfechter der „Death Penalty“ und hatte
als Gouverneur von Texas die mit Abstand höchste Hinrichtungsrate in einem US-Bundesstaat
zu verantworten. Und nun, in seiner Amtszeit als US-Präsident, sind bereits
mehrere Hinrichtungen nach Bundesrecht (d.h. nach Bundesgesetzen, die nicht in einem
Teilstaat, sondern direkt in Washington D.C. erlassen wurden) anberaumt und durchgeführt
worden, die ersten seit 1963. So starb im Bundesgefängnis von Terre Haute (Indiana) der
Terrorist Timothy McVeigh durch die Giftspritze. McVeigh hatte 168 Menschen, darunter 19
Kinder, in den Tod gebombt. Noch in der Todeszelle zeigte der rechtsradikale McVeigh
keinerlei Reue. Die toten Kinder bezeichnete er als „Begleitschaden“ seiner Tat, die er als
politische Aktion verstand. Hunderte von Angehörigen der Opfer konnten die „Hinrichtung
des Jahrzehnts“ in Kinosälen live mit ansehen. Eine Übertragung im Internet wurde dagegen
untersagt.
Hinrichtungen im 21.Jahrhundert – die USA sind der letzte westliche Staat, der
weiterhin an der Todesstrafe festhält. Nur China, der Iran, Saudi-Arabien und der Kongo sind
vergleichbar, was die Hinrichtungsziffern betrifft.
Was heute in Europa als überwunden gilt, war in früheren Jahrhunderten nahezu weltweit
grausamer Alltag. Amerika war da keine Ausnahme. Durch die Machtausübung der
Kolonialherren, vor allem Englands, waren auch Hinrichtungen - wie anderswo – an der
Tagesordnung. Die früheste überlieferte Hinrichtung ist die von George Kendall, einem der
ersten Ratsherren der englischen Kolonie Virginia, im Jahre 1608. Er wurde wegen Spionage
für Spanien verurteilt und erschossen (4). Als 1776 die USA unabhängig wurden, ließ deren
Verfassung weiterhin die Todesstrafe zu, wenn auch im 8.Verfassungszusatz Strafen verboten
wurden, die „grausam und unüblich“ seien. Es war eine Frage der Auslegung. Jedenfalls gab
es etliche von der Aufklärung beeinflusste Gegner der Todesstrafe, auch in einflussreichen
politischen Kreisen (5). So kam es, dass ab 1846 Bundesstaaten im Norden wie Michigan,
Rhode Island und Wisconsin die Todesstrafe ganz oder teilweise abschafften. Die so
genannten Südstaaten dagegen bestanden auf ihrer Anwendung und weiteten sie sogar noch
aus, z.B. gegenüber Sklaven. Die Todesstrafe wurde im Süden deshalb auch vor dem
Hintergrund einer rassistischen Herrenmentalität gefordert und gefördert. Ihre Opfer waren
meistens Schwarze. Ebenso gehörte im „Wilden Westen“ der öffentliche Galgen zum
Straßenbild der Goldgräberstädte. Szenen wie die Folgende von 1864 waren wohl keine
Seltenheit: „Noch ehe die schwachen, langsamen Zuckungen des Körpers endeten, regierten
Raub und Gewalttat, lautes Lachen, Flüche, Raufen, schändliches Benehmen und schmutzige
Reden rund um den Galgen, nah und fern. Und dabei blieb es mit wenig oder keiner
Unterbrechung, bis der alte Henker Calcraft wieder unter Pfeifen und Johlen und höhnischen
Fragen, was er an diesem Morgen zu trinken gehabt habe, zum Fallbrett schlingerte. Nachdem
es ihm zuerst nicht gelang, das Seil zu kappen, machte er einen zweiten, erfolgreicheren
Versuch und die Leiche verschwand außer Sicht.“ (6)
Die Sheriffs begründeten die Notwendigkeit dieser Hinrichtungen damit, Lynchmorde
auf der Straße zu verhindern. „Sie sagten, hört auf, wir machen das für euch.“ (7) In der
Folgezeit ging es den Befürwortern der Todesstrafe in den USA vor allem darum,
Hinrichtungen zu „humanisieren“, weniger grausam erscheinen zu lassen, wohl auch, um
Gegnern das Argument zu nehmen, die Strafe verstoße gegen den achten Zusatz zur US-Verfassung
(s.o.). Es wurden neue Hinrichtungsmethoden entwickelt, die nach Auffassung
ihrer Erfinder einen schnelleren, schmerzloseren und einen sauberen Tod versprachen im
Gegensatz zum primitiven Strick. Doch sie hatten sich furchtbar getäuscht – das staatliche
Töten wurde zum Horror und die Hinrichtungsstätte geradezu zur Folterkammer.
Experimentiert wurde zunächst mit Starkstrom (ab 1890 in New York) und später mit
Blausäuregas (ab 1924 in Nevada). Zunehmend fanden die Exekutionen in separaten
Gefängnistrakten abseits der Öffentlichkeit um Mitternacht statt (8). Die Presse interessierte
sich wenig für einzelne Fälle bei über 1600 Vollstreckungen allein in den 30er Jahren, im
Zeichen der Wirtschaftskrise und der Bekämpfung des organisierten Verbrechens im Gefolge
der Prohibition. Eine Ausnahme war die Hinrichtung der beiden italienisch-stämmigen
Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti am 22.8.1927 in Boston. Sie waren
wegen eines Raubmordes verurteilt worden, beteuerten aber vehement ihre Unschuld.
Weltweit gab es Proteste gegen das Todesurteil. Inzwischen sind sie – zu spät – teilweise
rehabilitiert. Immer wieder wurden dumpfe Stimmungen in der Bevölkerung aufgegriffen, um
mit dem Mittel der Todesstrafe politische Popularität zu erlangen. Dies spielte nicht nur eine
Rolle bei der latenten Abneigung gegen italienische Einwanderer zur Zeit Al Capones,
sondern auch, als die Entführung des Lindbergh-Babys die Amerikaner in Atem hielt. Als
prompte Reaktion nämlich wurde die Todesstrafe auch auf Kidnapping ausgeweitet.
Überhaupt waren es nicht nur Mörder, die nach Ansicht von Richtern , Gouverneuren oder des
Präsidenten den Tod verdient hatten. Keine Gnade etwa hatte Präsident Eisenhower mit dem
jüdischen Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg. Sie waren Opfer des Kalten Krieges, beschuldigt der
Spionage für die Sowjetunion. Bei Julius Rosenberg war eine subjektive Schuld juristisch fraglich,
seine unschuldige Frau war als Druckmittel mit angeklagt worden, um Aussagen zu erpressen. Weil
Julius Rosenberg jedoch zu seinen Aktivitäten weiter schwieg, wurden beide zum Tode
verurteilt. Die Stimmung war aufgeheizt. „Burn all reds“, „Verbrennt alle Roten“, war auf
Schildern antikommunistischer Demonstranten zu lesen, die den Tod des Paares forderten (9).
Trotz internationaler Gnadenappelle, unter anderem von Albert Einstein und Papst Pius XII,
wurden die Hinrichtungen am 19.6.1953 vollzogen. Im grell erleuchteten Exekutionssaal des
Gefängnisses Sing-Sing im Bundesstaat New York fanden beide einen qualvollen Tod auf
dem elektrischen Stuhl (10). In den folgenden Jahren vollstreckten die staatlich beauftragten
Henker Todesurteile immer seltener. Der Trend in den USA kehrte sich, wie in anderen
Ländern auch, allmählich gegen diese Blutgerichtsbarkeit, die einer hochzivilisierten
modernen Welt nicht mehr angemessen schien (11). Als einer der vorerst letzten Fälle erregte
Caryl Chessman 1960 in Kalifornien Aufsehen. Er hatte zwölf Jahre in der Todeszelle
gesessen und beharrte darauf, unschuldig wegen Kidnappings verurteilt worden zu sein.
Während der Haft hatte er mehrere Bestseller, darunter das Buch „Todeszelle 2455“,
geschrieben, was ihm eine gewisse Berühmtheit verlieh. Trotz aller Unschuldsbekundungen
wurde Chessman am 2.5.1960 nach achtmaligem Aufschub in der Gaskammer exekutiert.
Den neunten Aufschub bekam er, während die giftigen Dämpfe schon aufstiegen. Der
Todeskampf hatte bereits begonnen und es war zu spät, die Hinrichtung noch abzubrechen. –
1967 wurde die Vollstreckung von Todesurteilen in den gesamten USA ausgesetzt, ein
Moratorium trat in Kraft, da erwartet wurde, dass der Oberste Gerichtshof bald eine
grundsätzliche Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit oder –widrigkeit der Death
Penalty aussprechen würde. Denn der Supreme Court befasste sich nach mehreren Klagen mit
der Frage der Gefahr von Willkürentscheidungen durch Geschworene in Todesstrafprozessen.
Aufgrund einer derartigen Klage, die als „Furman gegen Georgia“ in die amerikanische
Rechtsgeschichte einging, urteilte der Supreme Court am 29.6.1972, dass die Todesstrafe
gegen den achten Zusatz zur US-Verfassung, der unübliche und grausame Strafen verbietet,
verstößt. Damit wurde die Todesstrafe am 29.6.1972 in allen Bundesstaaten der USA außer
Kraft gesetzt, quasi abgeschafft. 629 Todesurteile wurden in lebenslange Freiheitsstrafen
umgewandelt. (12) Die Geschichte der Todesstrafe in den USA war eigentlich zu Ende.
Wäre zu Ende gewesen, wenn sich nicht alles wieder gewendet hätte. Die
konservativen Südstaaten Texas, Florida und Georgia legten dem Obersten Gerichtshof neue
Gesetzesentwürfe vor für ein revidiertes Todesstrafrecht mit Einschränkungen bezüglich der
Befugnisse der Jury und einer Differenzierung in mildernde und erschwerende Umstände. Der
Supreme Court – inzwischen ebenfalls stärker mit konservativ eingestellten Richtern besetzt –
entschied am 2.7.1976, dass die Todesstrafe unter diesen Bedingungen doch rechtmäßig sei
(13).
[...]
(1) Die Geschichte basiert auf einem Interview des Verfassers mit Petra Richter am 2.5.2000.
Auf der Grundlage des Interviews wurden Artikel in der „neuen bildpost“ am 7.9.2000 und
in der „17“, Ausgabe Dezember 2000, veröffentlicht.
(2) Eine ständig aktualisierte fortlaufende Liste aller Hinrichtungen ist zu finden unter
www.deathpenaltyinfo.org.
(3) Durch einen Artikel in der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1983 und die Leitlinien
des Europarates ist die Todesstrafe in ganz Europa nahezu unmöglich geworden. Derzeit (Stand April
2003) ist sie nur noch in Bosnien-Herzegowina, in Weißrussland und Russland rechtlich verankert. In
allen anderen Staaten, zuletzt auch im Herbst 2001 in Jugoslawien und im Sommer 2002 in der
Türkei, wurde sie abgeschafft, so etwa in Westdeutschland bereits 1949, in Großbritannien 1969 und
in der DDR 1987. Eine der letzten Hinrichtungen in Europa (außer Weißrussland, da gibt es sie noch
heute, Stand 2011) gab es 1989, als in Rumänien der gestürzte Diktator Nicolae Ceaucescu und seine
Frau Elena standrechtlich erschossen wurden. In der Türkei kann der 1999 zum Tode verurteilte
ehemalige PKK-Führer Abdullah Öcalan nicht mehr hingerichtet werden. Siehe auch bei Margrit
Sprecher „Leben und Sterben im Todestrakt.“ Zürich 1999 (zit.Sprecher) die dortige Liste der Staaten
mit dem jeweiligen Jahr der Abschaffung der Todesstrafe und der letzten Hinrichtung, S.207f.
(4) Ingo Wirth „Todesstrafen. Eine geschichtliche Spurensuche.“ Augsburg 1998, S.188
(zit.Wirth) sowie www.todesstrafe-usa.de/geschichte_usa.htm.
(5) Darunter waren Benjamin Franklin und William Bradford. US-Präsident Thomas
Jefferson wollte die Todesstrafe einschränken auf die Verbrechen Mord und Verrat, hatte
mit diesem Vorstoß aber zunächst keinen Erfolg, www.todesstrafe-usa.
de/geschichte_usa.htm.
(6) Wirth S.91, dort zitiert aus einem „Times“-Artikel von 1864
(7) Russell Newfeld, New Yorker Rechtsanwalt, 1998 in einem Fernsehinterview, in
„Tödliche Mischung. New Yorks erstes Todesurteil.“, Sendung in West 3, 2.11.1999 (zit. West 3,
2.11.1999)
(8) Die letzte öffentliche Hinrichtung gab es 1936 in Kentucky.
(9) Jeremy Isaacs und Taylor Downing „Der Kalte Krieg“, deutsch von Markus Schurr und Anderen,
München, Zürich 1999, S.106 (zit.Isaacs)
(10) Isaacs, S.112f.
(11) In den 1940er Jahren gab es in den USA 1289 Hinrichtungen, in den 1950er Jahren 715
Hinrichtungen und in den 1960er Jahren nur noch 191 Hinrichtungen. (http://www.todesstrafe-
usa.de/geschichte_usa.htm) ; einige Länder schafften in neuen Verfassungen die Todesstrafe im
regulären Strafrecht bereits ganz ab: Italien 1947, BRD 1949.
(12) http://www.todesstrafe-usa.de/geschichte_usa.htm
(13) Diese Entscheidung ist bekannt als „Gregg gegen Georgia“
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