Welche Weichen können und müssen gestellt werden, um die verhärtete Verweigerungshaltung von Jugendlichen gegenüber schulischen Anforderungen, aber auch ganz profanen Anforderungen der Alltagsbewältigung, vermeiden zu können und um sie stark zu machen für ein selbstbestimmtes Leben in der heutigen Gesellschaft? Um dieser Frage nachzugehen, ist es notwendig, das Problem Schulverweigerung und mögliche Ursachen für schulisches Versagen näher zu beleuchten.
Im ersten Teil der Arbeit werden die Begrifflichkeiten des Phänomens Schulverweigerung geklärt. Die unterschiedlichen Formen der Verweigerung, die unter dem Oberbegriff unterrichtsmeidende Verhaltensmuster subsummiert werden, werden erläutert. Die Jugendlichen haben äußerst heterogene Problemlagen in ihrem Gepäck, die die Arbeit mit ihnen zu einem abwechslungsreichen Unterfangen macht.
Diese beginnen verbreitet mit einem defizitärem Bindungsverhalten, mangelhaften sozialen Kompetenzen, psychischen Auffälligkeiten (ADHS, ADS, Borderline, aggressiv-dissoziale Störung, oppositionelle Verhaltensstörung etc., die recht häufig diverse Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nötig machen), problematischen familiären Milieus (zerrüttete Familienverhältnisse, inkonsequentes Erziehverhalten, elterliches Desinteresse, Überbehütung, Missbrauch, Misshandlungen, Vernachlässigung,…) bis hin zu gravierenden Verhaltensauffälligkeiten, delinquentem Verhalten, teilweise niedrigen Intelligenzwerten, Lese-Rechtschreib-Schwächen, erheblichen Selbstwertproblemen und einigen anderen Befunden.
Inhalt
Einleitung
1. Das Problem Schulabsentismus und seine Erscheinungsformen
1.1. Schulverweigerung und Schulversagen als aktuelles politisches und wirtschaftliches Problem
1.2. Formen von Schulverweigerung und unterrichtsmeidenden Verhaltensmustern
1.2.1. Schulabsentismus
1.2.2. Schulschwänzen
1.2.3. Schulphobie und Schulangst
1.2.4. Zurückhalten
1.2.5. Unterrichtsabsentismus
1.2.6. Unterrichtsverweigerung
1.2.7. „passive“ und „aktive“ Schulverweigerung
1.2.8. Vom schulmeidenden Verhaltensmuster zum Dropout
2. Individuelle, soziale und strukturelle/ schulische Bedingungsfaktoren bzw. Erklärungsansätze
2.1. Individuelle Faktoren
2.1.1. Alter/ Geschlecht
2.1.2. Schul- und Leistungsangst
2.1.3. Schulphobie
2.1.4. Schulangst
2.2. Soziale Faktoren
2.2.1. Die Familie
2.2.2. Einstellung/ Erziehungsverhalten der Eltern
2.2.3. Peer-Group
2.2.4. Schulverweigerung als abweichendes Verhalten
2.3. Schulische und strukturelle Faktoren
2.3.1. Schul- und Klassenklima
2.3.2. Lehrer
2.3.2.1. Die Lehrerpersönlichkeit
2.3.2.2. Das Lehrerverhalten
2.3.2.3. Die Erwartung des Lehrers und sein Urteil
2.3.3. Vom Rausschmeißen und Ausschließen
3 Interventionsmöglichkeiten zur Reduktion/Vermeidung von Schulabsentismus und Dropout bzw. zum Wiedereinstieg in systematisches Lernen
3.1. Die Feldtheorie Kurt Lewins
3.2. Das Netzwerk „Prävention von Schulmüdigkeit und
Schulverweigerung“ des DJI
3.2.1. Angebote früher Prävention an Schulen
3.2.1.1. Hauptschule „Heuchelhof“ in Würzburg
3.2.2. Innerschulische Förderung abschlussgefährdeter Jugendlicher
3.2.2.1. Das Projekt „Arbeit statt Strafe“ in Leipzig
3.2.3. Außerschulische Beschulungsangebote sogenannter nicht beschulbarer „harter“ Schulverweigerer
3.2.3.1. Das Projekt MOVE aus Berlin
3.3. Elternarbeit
3.3.1. Kooperation von Lehrkräften und Eltern
3.3.2. Empowerment-Konzepte bei Schulabsentismus
4. Zusammenfassende Betrachtung
Einleitung
Als Mitarbeiterin einer stationären lernpsychotherapeutischen Einrichtung für Schulverweigerer im Land Brandenburg fiel mir die Wahl eines Themas für meine bevorstehende Diplomarbeit nicht schwer. Mein besonderes Interesse, welches sich infolge der mehrjährigen Begleitung der Entwicklung dieser Jugendlichen in unserer Einrichtung herauskristallisierte, gilt der nachhaltigen Verbesserung der Chancen benachteiligter Jugendlicher.
Die Jugendlichen haben äußerst heterogene Problemlagen in ihrem Gepäck, die die Arbeit mit ihnen zu einem abwechslungsreichen Unterfangen macht. Diese beginnen verbreitet mit einem defizitärem Bindungsverhalten, mangelhaften sozialen Kompetenzen, psychischen Auffälligkeiten (ADHS, ADS, Borderline, aggressiv - dissoziale Störung, oppositionelle Verhaltensstörung etc. die recht häufig diverse Aufenthalte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nötig machen), problematischen familiären Milieus (zerrüttete Familienverhältnisse, inkonsequentes Erziehverhalten, elterliches Desinteresse, Überbehütung, Missbrauch, Misshandlungen, Vernachlässigung,.) bis hin zu gravierenden Verhaltensauffälligkeiten, delinquentem Verhalten, teilweise niedrigen Intelligenzwerten, Lese-Rechtschreib-Schwächen, erheblichen Selbstwertproblemen und einigen anderen Befunden. Die Jugendlichen kommen entweder auf Drängen der Eltern, des Jugendamtes und mitunter auch aus eigenem Antrieb nach einer langen Odyssee verschiedenster Ablehnungserfahrungen (Ausschlüsse aus der Familie, Unterrichtsausschlüsse, Schulverweise, Schulwechsel, Heimaufenthalte, viele Wechsel der Betreuungsformen) zu uns - als letzte Möglichkeit einen Schulabschluss zu erwerben und in der Hoffnung, ein bisschen Perspektive und Kontinuität in ihr Leben zu bringen. Viele Jugendliche schaffen nach einem Aufenthalt von ungefähr zwei Jahren ihren Hauptschulabschluss bzw. erweiterten Hauptschulabschluss oder werden in einer berufsvorbereitenden Maßnahme untergebracht. Einige gehen nach der Beendigung der Maßnahme in den elterlichen Haushalt zurück und absolvieren ihre Schulpflicht im gewohnten Umfeld, andere werden in betreuten Wohnformen bis zum Abschluss ihrer Ausbildung untergebracht und einige wenige brechen die Maßnahme vorzeitig ab oder müssen aufgrund gewalttätiger Übergriffe auf Kinder oder Mitarbeiter der Einrichtung oder anhaltender, konsequenter Ablehnung der Mitarbeit vorzeitig entlassen werden.
Wie auch immer das Ende der Maßnahme ausfällt, die Jugendlichen werden in eine Zukunft entlassen, die alles andere als rosig aussieht. Einige wenige entlässt man mit einem guten Bauchgefühl und Zuversicht, dass diese Jugendlichen ihren Weg in der Gesellschaft aktiv und positiv gestalten können und werden. Das Gros der Jugendlichen kehrt mit einem Hauptschulabschluss und einer gereiften Persönlichkeitsstruktur zurück in ihr altes und teilweise wenig förderliches Umfeld mit einer beruflichen Perspektive, die nahezu so düster ist, wie sie bereits vor Beginn der Maßnahme war. Die „Schicksale“ dieser Jugendlichen, die sich ihre positiven Entwicklungen bezüglich ihrer sozialen Kompetenzen, ihrer Schulleistungen und ihres Selbstwertempfindens hart erarbeitet haben und die den Mitarbeitern und damit auch mir trotz oder gerade wegen der oft emotional stark geladenen Problematiken und Auseinandersetzungen auf dem Weg dorthin ans Herz gewachsen sind, machen relativ häufig betroffen und unzufrieden. Aus diesem Grunde stellt man sich oft genug die Frage, welche Weichen gestellt werden können und müssen, um die verhärtete Verweigerungshaltung dieser Jugendlichen gegenüber schulischen Anforderungen aber auch ganz profanen Anforderungen der Alltagsbewältigung vermeiden zu können und um sie stark zu machen für ein selbstbestimmtes Leben in der heutigen Gesellschaft.
Um dieser Frage nachzugehen ist es notwendig das Problem Schulverweigerung und mögliche Ursachen für schulisches Versagen näher zu beleuchten. Im ersten Teil meiner Arbeit sollen die Begrifflichkeiten des Phänomens Schulverweigerung geklärt werden. Die unterschiedlichen Formen der Verweigerung, die unter dem Oberbegriff unterrichtsmeidende Verhaltensmuster subsummiert werden, werden erläutert. Dennoch erhebt diese Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da diese Begrifflichkeiten in den unterschiedlichen Schriften teilweise unterschiedlich interpretiert und definiert werden. Es gibt keine gesetzte, allgemeingültige Terminologie für das Phänomen „Schulverweigerung“ und seine unterschiedlichen Ausprägungsformen. Ab wann ein Schüler bspw. als „Intensivschwänzer“ gilt, liegt weitgehend im Ermessen des jeweiligen Autors. Die unterschiedlichen Formen von unterrichtsmeidenden Verhaltensweisen sind darüber hinaus nicht immer trennscharf und überlappen sich teilweise, so dass bei einem Schüler mehrere Formen in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung seiner „Schulverweigererkarriere“ vorliegen können und mitunter fließend ineinander übergehen.
Im zweiten Teil meiner Arbeit befasse ich mich mit möglichen Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel eine Entwicklung zum Schulverweigerer begünstigen können. Dabei werden soziale und strukturelle Faktoren erläutert, die multikausal wirken und zu einem erhöhten Risiko bezüglich der Abkehr von Schule führen können.
Im dritten Teil meiner Arbeit werden Interventionsmöglichkeiten beschrieben, die einerseits frühzeitiges Eingreifen im Schulalltag ermöglichen und einer negativen Entwicklung des Schulbesuchsverhalten entgegen wirken können, sowie sogenannten „harten Schulverweigerern“ die Möglichkeit offerieren, trotz erheblicher fachlicher Defizite und der Abkehr von der verantwortlichen Schule in systematisches Lernen wieder einzusteigen und einen Schulabschluss zu erwerben.
Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in meiner Arbeit weitgehend die männliche Form benutzt, dennoch beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter.
1 Das Phänomen Schulverweigerung und seine Erscheinungsformen
1.1 Schulverweigerung und Schulversagen als aktuelles politisches und wirtschaftliches Problem
„Sparen in der Bildung ist teuer“ (Bertelsmann Stiftung). Die vielfältigen Ausgangslagen und unterschiedlichen Lebensbedingungen von Kindern erfordern unterschiedliche Ressourcen, führen zu sozioökonomischer Benachteiligung und ungleichen Bildungschancen. Die Verbesserung der Chancen beim Zugang zu guter Bildung für alle Kinder stellt seit einigen Jahren bereits ein wichtiges politisches und gesellschaftliches Ziel dar und wurde seit der PISA Studie wieder in den Mittelpunkt der Debatten der Bildungspolitik gerückt. Unzureichende Bildung belastet laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung nicht nur den Einzelnen sondern die gesamte Gesellschaft. Hohe Quoten von Schulabbrechern, Jugendliche, die nicht ausreichend lesen und schreiben können und ohne Schul- und Ausbildungsabschluss keine berufliche Perspektive haben, werden oftmals abhängig von staatlichen Zuwendungen, zahlen weniger Steuern und die Einzahlungen in die Systeme der sozialen Sicherung sind auch eher gering. Hinzu kommen die Kosten für den Schulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg und außerbetriebliche Ausbildungsgänge für die berufliche Qualifizierung, sowie die der Strafverfolgung, denn ein geringer Bildungsstand und Perspektivlosigkeit erhöht das Risiko in die Kriminalität abzurutschen. Darüber hinaus sind Bildungsinvestitionen auch im weiteren Lebensverlauf „wesentliche Faktoren für die persönliche Entfaltung und Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft“ (Vgl. Bertelsmann Stiftung).
Frühe und effektive Investitionen in gute Bildung aller Kinder können die Folgekosten unzureichender Bildung erheblich senken, zu einer gesunden Lebensführung und freiwilligem sozialen Engagement und zudem zu einer Verbesserung des wirtschaftlichen Entwicklungspotenzials der Gesellschaft beitragen. Die Bertelsmann Stiftung fordert daher mehr Transparenz durch Bildungsmonitoring. Die Kenntnis von Bedarf und Investitionswirkungen ist eine wichtige Voraussetzung, um Mittel sinnvoll nutzen zu können. Mit dem Projekt „Folgekosten unzureichender Bildung“, einer im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführten aktuellen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), will die Bertelsmann Stiftung aufzeigen, wie wichtig Bildung aus einer langfristigen, gesellschaftlichen Perspektive ist und, dass es notwendig ist, frühzeitig und effektiv in die Bildung aller Kinder zu investieren. Laut ALLMENDINGER, GIESECKE und OBERSCHACHTSIEK (2011), den Autoren der genannten Studie, reicht spätestens seit den 1990er Jahren das Ausbildungsplatzangebot nicht mehr aus, um allen Jugendlichen eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Die Jugendlichen, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, landen so in der Warteschleife im sogenannten Übergangssystem und haben in der Folge kaum eine Chance, „eine aufeinander aufbauende und zielgerichtete Qualifikation zu erlangen“ (Vgl. ebd. S. 2)
Knapp 40 Prozent derer, die das Übergangssystem verlassen, haben keine darauf folgende Berufsausbildung und erleben bei der Suche danach vorwiegend Ablehnung, die letztendlich in Resignation und immer geringer werdendem Selbstvertrauen mündet. In Folge dieser, seit zwei Jahrzehnten andauernden Entwicklung, haben 1,5 Millionen der heute zwischen 25 und 34 Jährigen weder Ausbildungsabschluss noch Abitur. 22 Prozent der 1,5 Millionen haben keinen Schulabschluss, 52 Prozent besitzen einen Hauptschulabschluss und gut ein Viertel von diesen jungen Menschen, nämlich 26 Prozent, hätte die notwendige Voraussetzung für eine Berufsausbildung in Form eines Realschulabschlusses. Dieser ist jedoch heute schon lange keine Garantie für einen erfolgreichen Start ins Erwerbsleben mehr, sondern führt oftmals zu einer von einem hohen Arbeitslosigkeitsrisiko und einem niedrigen Einkommen geprägten Erwerbsbiografie. (Vgl. ebd., S. 5)
Derzeit starten mit jedem neuen Abschlussjahrgang weitere „150.000 junge Menschen in ihr Berufsleben ohne Ausbildungsabschluss und schlechten Zukunftsperspektiven“ (ebd. S. 2). Die geringen gesellschaftlichen Teilhabechancen dieser jungen Menschen, die durch zahlreiche Studien sehr gut belegt sind, werden sich angesichts der sich rasant weiterentwickelnden Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft und ihrer Bedarfe auch in der Zukunft eher verschärfen. Diese jungen Menschen werden „drei bis viermal häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sein als ausgebildete Fachleute“ (ebd., S. 6)
Die Folgekosten für diese Misere tragen Bund, Länder und Kommunen in Form von ausbleibenden Lohnsteuereinnahmen und Beiträgen in die Systeme der sozialen Sicherung, Transferleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit und niedrigem Einkommen. Die Studie des WZB hat die Folgekosten unzureichender Bildung der öffentlichen Haushalte untergliedert in vier fiskalisch bedeutsame Kostenarten errechnet. Diese setzen sich zusammen aus den entgangenen Lohnsteuereinnahmen, entgangenen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, dem auszuzahlenden Arbeitslosengeld I und den Sozialleistungen. Die entgangenen Lohnsteuereinnahmen machen bei den Folgekosten mit 70 Prozent den größten Anteil aus, Transferzahlungen (ALG I und Sozialleistungen) fallen mit rund 17 Prozent am geringsten ins Gewicht. Grundlage der Berechnung der Folgekosten sind Querschnittsdaten aus dem Mikrozensus, Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und die Lohn- und Einkommensstatistik. Mit Hilfe dieser Daten wurden Erwerbsprofile und Erwartungseinkommen für verschiedene Bildungsgruppen im Lebensverlaufunter heutiger Bildungs- und Ausbildungsverteilung simuliert. Für die hypothetisch angenommenen besseren Bildungsverteilungen - einmal mit einer Verringerung unzureichend ausgebildeter junger Menschen um 20 Prozent und einmal um 50 Prozent - werden dieselben Daten zugrunde gelegt und mit den Ergebnissen der Verteilung der derzeitigen Situation verglichen. Die Folgekosten unzureichender Bildung bestehen dann aus der Differenz zwischen der derzeitigen Situation und einer der hypothetisch angenommenen Situationen mit einer verringerten Anzahl unzureichend gebildeter junger Erwachsener. Bleibt die Situation so wie sie derzeit ist, entstehen jährlich mit jedem Altersjahrgang bei einer angenommenen Erwerbsbiografie von 35 Jahren Folgekosten von 1,5 Mrd. Euro. 2020 hätten wir nach dieser Berechnung bereits 15 Mrd. Euro zu tragen. Der Betrag von 1,5 Mrd. Euro berechnet sich aus der Differenz zwischen der Situation heute und der hypothetischen Situation einer veränderten Bildungsverteilung, wenn nur die Hälfte der unzureichend gebildeten jungen Menschen in den Arbeitsmarkt einsteigt. Zusätzlich tragen wir derzeit bereits schon die Folgekosten von über 7 Mio. Menschen im Alter von 25 bis 65 Jahren, die keinen Ausbildungsabschluss besitzen. Dies bedeutet laut den genannten Autoren, dass umgekehrt jährlich 1,5 Mrd. Euro vermieden werden könnten, wenn man jungen Erwachsenen eine bessere berufliche Perspektive bieten würde. Die Ausgaben von Konsum, Gesundheit und Renten werden in dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt, weshalb davon auszugehen ist, dass der Gesamtbetrag der Folgekosten weitaus höher anzusiedeln ist. (Vgl. ALLMENDINGER J., GIESECKE J., OBERSCHACHTSIEK D., 2011) Aus urheberrechtlichen Gründen ist diese Abbildung nicht in der Publikation enthalten.
1.2 Formen von Schulverweigerung und unterrichtsmeidenden Verhaltensweisen
Klassifikatorisch wird unter den weiten Kontext unterrichtsmeidender Verhaltensmuster nach SCHULZE & WITTROCK (2001) der Schulabsentismus, der Unterrichtsabsentismus und angrenzende Erscheinungsformen subsummiert. Diese sollen im Folgenden kurz erläutert werden.
1.2.1 Schulabsentismus
Der Begriff des Schulabsentismus (engl.: school absenteeism) als klassifikatorische Kategorie umfasst Schülerinnen und Schüler, die sich während der Unterrichtszeit in alternativen Räumen aufhalten, die schulfern sind. Dies bedeutet demnach die physische Abwesenheit aus dem schulischen Wirkbereich. Hinsichtlich der Bedingungskonstellationen für Schulabsentismus lassen sich drei Formen unterscheiden.
1. Das Schulschwänzen, welches von Schulunlust und Schulaversion geprägt ist.
2. Die angstinduzierte Schulverweigerung.
3. Das Zurückhalten von Schülern durch Erwachsene.
Diese drei Konstellationen können in Rein- aber auch als Mischform dem Schulabsentismus zu Grunde liegen. Als zentrales Merkmal bei den meisten Schülern mit habituellem Schulabsentismus ist eine schulaversive Haltung, d.h. eine im subjektiven Erleben tiefe Ablehnung von schulischen Settings zu nennen. Langeweile im Unterricht, Probleme mit Mitschülern und/oder Lehrern, der Wunsch, mit Personen zusammen sein zu wollen, die ebenfalls nicht in der Schule sind, werden in Interviews mit schulaversiven Jugendlichen als häufige Gründe genannt. Die Schule hat für diese Schüler ihre Attraktivität verloren und bietet ihnen keine ausreichenden Möglichkeiten zur positiven Identifikation. Distanz scheint die einzige motivationale Verhaltenstendenz in Bezug auf Schule zu sein. (Vgl. RICKING/SCHULZE/WITTROCK, 2009)
Sind diese Schüler trotz ihrer Einstellung in der Schule, stehen sie schulischen Anforderungen gleichgültig oder ablehnend gegenüber und bringen dies auch auf der Verhaltensebene durch Verweigerungs- und Störverhalten zum Ausdruck. Dieses Verhalten zieht wiederum konfliktreiche Interaktionen mit Mitschülern und Lehrern nach sich und hat nicht selten Schulstrafen bzw. -ausschlüsse zur Folge.
So verstärkt sich sukzessive das negative Selbstbild dieser schulaversiven Jugendlichen und wird zunehmend statisch. Anerkennung kann nunmehr vorwiegend durch gleichgesinnte Peers erlangt werden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Der Ausweg aus dem Ausschluss lautet Gleichgültigkeit und Ablehnung gegenüber schulischen Leistungsanforderungen, Werten und Normen bis hin zur gesamten Gesellschaft.
Unregelmäßiger Schulbesuch wird in der Clique initiiert und stabilisiert. Diese kann bis zum Dropout eine beachtliche Rolle spielen. Kollektives Schulschwänzen stellt so ein verbindendes, integrierendes Element in einer altershomogenen Gruppe von Jugendlichen mit vergleichbarer Lebenssituation und Normstruktur dar (Vgl. ebd., S. 14ff).
Viele dieser Kinder fühlen sich weder in der Schule noch Zuhause willkommen und integriert, weshalb sich ihr Lebensmittelpunkt zusehends auf die Straße verlagert. Sie halten sich vorwiegend in Einkaufsmeilen, auf den belebten Plätzen der Stadt oder beispielsweise dem abgelegenen Fußballplatz auf und entgehen so zusammen mit Freunden der einheitlich negativ erlebten Unterrichts- und Schulsituation, zeigen eine höhere Vulnerabilität bezüglich delinquentem Verhalten, Disziplinproblemen, aggressiven Verhaltensmustern und Drogenmissbrauch.
1.2.2 Schulschwänzen
Der Begriff Schulschwänzen (engl.: truancy) umfasst diejenigen illegitimen Schulversäumnisse, die ein Schüler aus eigener Motivation und vorwiegend unbemerkt von seinen Erziehungsberechtigten initiiert.
Oftmals erfahren laut H. RICKING, G. SCHULZE und M. WITTROCK (2009) die Eltern/Erziehungsberechtigten erst durch den Klassenlehrer von den schulischen Problemen des Schülers. Von Versagenserlebnissen (schlechten Noten, drohenden Klassenwiederholungen), Schulstrafen und -ausschlüssen, sozialen Akzeptanzproblemen des Schülers oder Konflikten im Umgang mit Mitschülern und Lehrern. Nicht selten seien die Eltern durch ihre Arbeitszeiten zu einer adäquaten Aufsicht und Unterstützung nicht in der Lage, praktizieren ein inkonsequentes Erziehverhalten oder geben dem Kind nicht die sozio-emotionale Unterstützung, die für eine relativ erfolgreiche Absolvierung der Schulzeit von Nöten wäre.
1.2.3 Schulphobie und Schulangst
Kinder, die aufgrund subjektiv erlebter Bedrohung und daraus resultierenden Ängsten die Schule nicht besuchen können, zeigen Vermeidungsverhalten. Die Kinder, die unter Schulphobie (engl.: school refusal, school phobia) leiden, haben aufgrund ihres inneren 9 Angsterlebens große Schwierigkeiten, die Schule zu besuchen auch, wenn der Wille zum Schulbesuch mitunter da ist. Sie verbleiben oftmals in der elterlichen Wohnung und neigen bei forciertem Schulgang zu schweren emotionalen Ausbrüchen. Hierbei können verschiedene Angstformen die Grundlage für derartiges Verhalten bilden. Der Begriff Schulphobie umfasst Teilaspekte der Trennungsangst (Trennung von der Bezugsperson), bei der das Kind massiv die Befürchtung hat, der Bezugsperson könnte im Moment der Abwesenheit etwas Schlimmes zustoßen (LÜDERS & ROMER, 2000), sowie konkrete Furcht vor Bedrohungsmomenten. Diese subjektiv erlebte Bedrohung geht in dem Fall von Lehrern oder Mitschülern aus und ist oftmals das Resultat erlebter Erpressung, Gewalt unter Jugendlichen und/oder Mobbing. Im Falle dieser Schulangst zeigen Schüler Rückzugsverhalten, vermeiden soziale Situationen, Lehrer, die drohen, erniedrigen und unter Druck setzen, Schüler, von denen sie drangsaliert werden, haben Versagensängste und vermeiden Leistungskontrollen sowie soziale Ängste, die dazu führen, dass soziale Situationen mit vielen Menschen, wie Schulhöfe, Klassen und Busfahrten vermieden werden. Oftmals zeigen sich Schüler mit Schulangst gehemmt und klagen über Schmerzen und Krankheitssymptome, meist Kopf- oder Bauchschmerzen, für die sich keine organischen Gründe finden lassen, die also psychosomatisch infolge der subjektiv erlebten Belastungssituation auftreten (Vgl. H. RICKING, G. SCHULZE & M. WITTROCK, 2009).
1.2.4 Zurückhalten
Eine wohl unterschätzte Anzahl von Schülern wird laut RICKING, SCHULZE & WITTROCK (2009) aus unterschiedlichsten Gründen vom regelmäßigen Schulbesuch zurückgehalten. Das Fehlen geht hier nicht von der Eigeninitiative des Schülers aus, sondern von den Erziehungsberechtigten, die aufgrund eigener negativer Schulerfahrungen dem Kind freistellen, die Schule zu besuchen und der schulischen Ausbildung ihres Kindes gegenüber gleichgültig sind. Weiterhin gibt es viele Migranten, die aufgrund kultureller Differenzen die deutsche Schulpflicht insbesondere für Mädchen als zu lang erachten oder aufgrund religiöser Differenzen den Religionsoder Biologieunterricht als schädlich für ihr Kind einschätzen. (Vgl. ebd., S. 18)
Es gibt in dieser Subkategorie von Schulabsentismus oftmals Kinder mit Eltern, die 10 unter psychischen Erkrankungen oder Substanzmissbrauch leiden, sowie Kinder sozial schwacher Familien, die durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beitragen müssen, im Haushalt helfen oder die kleinen Geschwister beaufsichtigen.
Im Falle von Missbrauch, Misshandlung oder Verwahrlosung dient das Zurückhalten (engl.: withdrawal) dem Verbergen von Verletzungen des Kindes oder der Verhinderung belastender Aussagen des Kindes gegenüber Mitschülern oder Lehrern. Zurückhalten tritt vorwiegend in der Grundschule auf. Die Eltern entschuldigen ihre Kinder ohne ein ärztliches Attest vorzulegen.
1.2.5 Unterrichtsabsentismus
Erscheinungsformen, wie sporadische unterrichtsmeidende Verhaltensweisen können aversiver oder angstinduzierter Art sein und äußern sich durch intendiertes Zuspätkommen, das unerlaubte oder mit vorgeschobener Begründung gebilligte Verlassen des Klassenraumes („Aus-Zeit“, Raucherpause, Toilettengang,...) während des Unterrichtes, vorzeitiges Verlassen des Unterrichtes ohne Wiederkehr oder provozierter, d. h. vom Schüler intendierter Ausschluss vom Unterricht. Die Schüler mit aktivem Störverhalten stellen für Pädagogen eine tägliche Herausforderung dar. Oftmals lassen sie sich aufgrund ihrer Abwehrhaltung gegen den Unterricht durch äußere Einflüsse ablenken oder lenken ihrerseits Mitschüler durch ihr Störverhalten (lautes Dazwischenrufen, geräuschvolle Beschäftigungen, Aggression und Gewalt gegenüber Mitschülern und den Lehrer) ab, gefährden so das Erreichen der Lernziele für sich und die gesamte Klasse und bringen Pädagogen oft an ihre Grenzen. Die Folge dessen ist die Suspendierung, die in den Schulgesetzen und schulischen Ordnungskatalogen die einzig auffindbare Maßnahme gegen Schulschwänzer und Störenfriede darstellt.
Weiterhin gibt es Schüler, die ganze einzelne Stunden dem Unterricht fern bleiben, sich jedoch im schulischen Raum aufhalten (im Schülercafé, auf dem Pausenhof...) und die Schule als sozialen Kontaktraum durchaus noch schätzen.
Auch Schulversäumnisse und Unterrichtsverweigerungen die eine angemessene Form berechtigten Widerstandes gegen unangemessene Normen oder auch schüleraversive Lehrer mit erniedrigenden Verhaltensweisen gegenüber Schülern, sowie gegen schlechte materielle oder strukturelle Bedingungen an Schulen können zu diesen 11 angrenzenden Erscheinungsformen gezählt werden und gewinnen bezüglich wissenschaftlicher Beleuchtung der Thematik zunehmend an Bedeutung.
1.2.6 Unterrichtsverweigerung
Bei der Unterrichtsverweigerung verschließt sich der Schüler bei physischer Anwesenheit gegenüber schulischen Lernprozessen. Dieses Phänomen, welches früher als Lernprotest bezeichnet wurde, kann laut SCHULZE (2009) in vier Formen unterschieden werden:
1. die Unterrichtsabwehr
2. die Unterrichtsverweigerung mit überwiegend offenen Anteilen
3. die Unterrichtsverweigerung mit überwiegend verdeckten Anteilen
4. die bewusste Nichtbeteiligung
Bei der ersten Form lässt sich der Schüler vom Unterricht ablenken oder lenkt seinerseits die Mitschüler vom Unterricht ab. Dies geschieht vornehmlich durch unangemessenes Verhalten wie lautes Dazwischenrufen, Herumlaufen im Klassenraum und aggressives Verhalten. Dieses aktive Störverhalten bereitet den Pädagogen am meisten Probleme, da diese Schüler das Erreichen der Lernziele der gesamten Klasse stark gefährden und die Lehrkräfte an die Grenzen ihrer pädagogischen Möglichkeiten bringt.
Die zweite Form meint Schüler, die sich häufig durch nicht angemessene Diskussionsformen demonstrativ gegen die Anerkennung der Didaktik bzw. der Werte und Normen des Unterrichts wehren.
Die Form mit überwiegend verdeckten Anteilen meint den passiven Rückzug aus dem Unterrichtsgeschehen oder Formen des Ausweichens durch das häufige Vergessen der Hausaufgaben und benötigter Arbeitsmaterialien.
Die Klassifizierung des Phänomens in „verdeckt“ oder „offen“ ist jedoch laut SCHULZE (2009) nicht eindeutig und geschieht auf der „Grundlage des subjektiven Verständnisses des Klassifizierenden“ (ebd. S. 140).
Die letztgenannte Subkategorie beschreibt Verhaltensweisen, die den Lehrer nicht explizit stören, jedoch für den Schüler oft Leistungsabfall und einen sozialen Ausgrenzungsprozess nach sich zieht. Gemeint sind Schüler, die keinerlei Initiative zeigen, jedoch in Abgrenzung zu innerem Rückzug über vielerlei „Fassadentechniken“ verfügen, die die geistige Abwesenheit kaschieren (Malen, Kritzeln, Abschalten, Tagträumen,.) und aufgrund dessen meist zu spät erkannt werden. (Vgl. SCHULZE, 2009)
1.2.7 „Passive“ und „aktive“ Schulverweigerung
Weiterhin können die unterschiedlichen Formen der Schulverweigerung in zwei Kategorien unterteilt werden. Diese sind laut SCHREIBER-KITTL/ SCHRÖPFER (2002) die „passive“ Schulverweigerung und die „aktive“ Schulverweigerung. Viele Schulverweigerer haben zu Beginn der Problematik mit einer Verweigerungshaltung im Unterricht oder dem geistigen Rückzug begonnen und sind dann zur aktiven Form der Schulverweigerung gewechselt. Aktiv heißt hier, dass der Unterricht massiv gestört wird und „in regelmäßigen Intervallen“ der gesamte Unterricht oder bestimmte Unterrichtsfächer geschwänzt werden. Dies geschieht oftmals um bestimmten Lehrkräften auszuweichen, die den Schülern aufgrund unangenehmer Vorfälle oder erlebter Konfliktsituationen unsympathisch sind. Viele befragte Schulverweigerer einer empirischen Untersuchung zur Schulverweigerung in Brandenburg sahen die passive Schulverweigerung als Vorstufe der aktiven Schulverweigerung an („wenn man zum Schwänzen noch zu feige ist“ STURZBECHER, DIETRICH 1993, S. 59) und waren sich der Entwicklung von der einen zur anderen Form von Schulverweigerung durchaus bewusst. Begünstigt wird laut dieser Untersuchung die Entwicklung zur aktiven Form durch bestimmte Rahmenbedingungen. Diese seien das „Desinteresse des Elternhauses an schulischen Belangen, das Gefühl, von Lehrkräften abgelehnt zu werden, die Gewöhnung bzw. Resistenz gegenüber negativen Sanktionen, geringe Kompetenzerwartungen bzw. Furcht vor Misserfolgserlebnissen sowie das Gefühl, aufgrund von Versäumnissen sowieso keine Chancen mehr zu haben“ (SCHREIBER-KITTL, SCHRÖPFER 2002, S. 82). Weiterhin beschreiben STURZBECHER & DIETRICH (1993) die diesbezüglichen Aussagen der befragten Jugendlichen als Reaktion auf nutzlos empfundene, lebensfremde Lerninhalte, fehlende didaktische und soziale Kompetenzen von Lehrkräften und empfundene Zwänge des Elternhauses bzw. der Schule, die eine Entwicklung zur aktiven Form der Schulverweigerung fördern.
1.2.8 Vom schulmeidenden Verhaltensmuster zum Dropout
Dropout im Sinne eines vorzeitigen Abbruchs des Schulbesuches tritt nach einer längeren Periode wachsender Distanzierung in der letzten Phase der Schulpflichtzeit auf und kann als desintegratives Verhalten bezeichnet werden.
Diese vorzeitige Schulbeendigung umfasst nach SCHULZE & WITTROCK zwei Formen:
- Schulabbruch in der Sekundarschulphase ohne Beendigung der Schulpflicht
- Schulabbruch ohne qualifizierenden Abschluss für den Arbeitsmarkt oder weiterführende Schulen
Dieser Abbruch der schulischen Laufbahn ohne Schulabschluss oder relevante Mindestqualifikation für den Arbeitsmarkt macht diese Schüler zu einer Hochrisikogruppe für soziale Devianz (Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Delinquenz, psychische und gesundheitliche Probleme, ...) und Armut. Nur wenige sind in der Lage, durch Kreativität und Können den Sprung in die Arbeitswelt zu schaffen und einen zufriedenstellenden Arbeitsplatz zu ergattern.
THIMM (2000) beschreibt den Werdegang von Schulverdrossenheit, Schwänzen, Stören zum Totalausstieg als fließende Stadien in Prozessen:
Dieser beginnt mit Passivität und Desinteresse im Unterricht gefolgt von Stunden- und Tageschwänzen als Ausnahme. Das Später-Kommen bzw. Früher-Gehen wird dann in Kombination mit weiterem häufigerem und intensivem Stunden- und Tagesschwänzen zu einer regulären Bewältigungsstrattegie. Diese Bewältigungsstrattegie wächst sich zunehmend zu einer umfassenden Schulvermeidung als mit negativen Gefühlen besetztes Wegbleiben aus und mündet letztendlich in einem mehr oder weniger kalkulierten Totalausstieg. Begleitet wird diese Entwicklung von Unterrichtsausschlüssen und Schulverweisen, die als möglichen Endpunkt die Erklärung der sogenannten Unbeschulbarkeit des Schülers hat.
2 Individuelle, soziale und strukturelle/schulische Bedingungsfaktoren bzw. Erklärungsansätze
2.1 Individuelle Faktoren
2.1.1 Alter/Geschlecht
Bezüglich der Geschlechtsabhängigkeit des Schulschwänzens konnte in mehreren Schülerbefragungen festgestellt werden, dass Jungen der Schule häufiger fern bleiben, als Mädchen. Jungen machen bis zu 90% der Schüler an Schulen für Erziehungshilfe und anderen Sondereinrichtungen aus. (Vgl. THIMM 2010, S. 92) Dennoch gleicht sich der Anteil Schulschwänzender Mädchen der Jungenquote langsam an. Probleme im schulischen Alltag gibt es unbestritten mehr mit Jungen als mit Mädchen. Forschungen zu Folge sind Jungen weniger fähig, Empathie zu zeigen, werden als weniger kritikfähig eingeschätzt, sind egoistischer und weniger gruppendienlich und nehmen rücksichtsloser Raum für sich ein. Die Vermeidung von Niederlagen (bzw. Unmännlichkeit) scheint für Jungen geradezu existenziell, sie müssen aufdrehen und aufschneiden und wehren so Gefühle von Hilflosigkeit und Minderwertigkeit ab, da, so THIMM, „Inneres“ und „Weiches“ als hochbedrohlich gelten“ und Sensibilität für eigene Ohnmachtsgefühle, Angst und Überforderung als „weibliche“ Eigenschaften weitgehend abgespalten werden. Darum gilt im Umgang mit anderen Geschlechtsgenossen: „Angriff ist die beste Verteidigung“ (Vgl. ebd.) Aus der Sozialpsychologie ist bekannt, dass das männliche Selbstbild ein unabhängiges ist, dass Anerkennung weitgehend durch Individualität und Behauptung ermöglicht (wie es eher den westlichen Gesellschaften entspricht). Dementgegen verstehen sich Mädchen tendenziell eher als Teil einer Gruppe (Familie, Schulklasse, ...), haben also ein interdependentes Selbstbild (wie es in den asiatischen Ländern verbreitet ist) und handeln auch eher sozial. So sind Mädchen kompromissbereiter, sind auf ihr Gegenüber bezogen, können Gleichwertigkeit eher zulassen und können Hilflosigkeit und Angst eher zugeben als Jungen, deren „weiche Seite in der Regel nur ganz enge Bezugspersonen kennen“ THIMM 2010, S. 92). Mädchen favorisieren oft eher die 15 innere Emigration als weniger spektakuläres „Verdrossenheitsmanagement“ und nehmen lieber am Gelegenheitsschwänzen in der Gruppe oder allein zu Hause teil, was für manche Mädchen eine Ablösungschance aus der häuslichen Abhängigkeit oder Einengung darstellt. Weiterhin zeigen sie häufiger als Jungen Symptome wie psychosomatische Reaktionen, Depression oder ähnliches als Signale der Überforderung und verdecken diese durch Krankschreibungen. Diese geschlechtsspezifischen Einschätzungen sollte jedoch nicht allzu stereotyp gesehen werden. Unter den Jungen und Mädchen gibt es natürlich große Unterschiede und teilweise gleichen sie sich in ihrem Verhalten auch an. Im Hinblick auf Faktoren, wie die Schichtzugehörigkeit, Biografien und die gruppenbezogener und situativer Art müssen laut THIMM weitere Differenzierungen vorgenommen werden. Nicht zu vergessen sind die Einschätzungen von Lehrern, dass es zunehmend „Macho-Mädchen“ als neue Problemgruppe an den Schulen gibt, die sich stark an negativen Verhaltensweisen der Jungen orientieren und diese zum Teil sogar übertreffen, möglicherweise um so deren Aufmerksamkeit, Respekt und Anerkennung zu erlangen und aus der schwachen, weichen, weiblichen Opferrolle in die starke männliche Täterrolle zu wechseln. (Vgl. THIMM, S. 93ff.)
2.1.2 Schul- und Leistungsangst
Die Lernerfahrungen die ein Schüler während der Schulzeit macht, haben natürlich Auswirkungen auf sein Selbstvertrauen und seine Leistungsbereitschaft. Erfolgs- und Misserfolgserlebnisse prägen nachhaltig die Lernmotivation und das Leistungsverhalten eines Schülers. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft sind laut M. SCHREIBER-KITTL und H. SCHRÖPFER (2002) Selbstwert- und Sicherheitsgefühle primär abhängig vom Leistungserfolg.
Dieser Argumentation folgend müssen negative Leistungsergebnisse geradezu zwangsläufig zu Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen führen, die bei entsprechender Häufigkeit oftmals nur durch Scheinkompetenzen ausgeglichen werden können. Weiterhin scheint es sehr wahrscheinlich, dass die gemachten Lernerfahrungen während der Schulzeit „die Entwicklung notwendiger Bewältigungsstrategien und -chancen für eine krisenhafte Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation beeinflussen“. (ebd. S. 144)
Eine als problembehaftet und konfliktreich erlebte Schulzeit kann folglich hinderlich für die Bewältigung späterer Krisen sein, da ein während der Schulzeit erworbenes negatives Selbstbild nachhaltige Folgen in Form von mangelndem Selbstvertrauen und geringer Selbstwirksamkeitserwartungen bedingt und so oftmals als negative Persönlichkeitsressource über die gesamte Lebensspanne bestehen bleibt. Dies führt wiederum zu geringer Anstrengungsbereitschaft in Krisensituationen, der Vermeidung von Situationen mit Leistungsanforderungen und zu dem, was SELIGMAN in seinem Konzept der erlernten Hilflosigkeit beschreibt.
JAQUELINE TUPAIKA nähert sich dieser Thematik mithilfe der Angst- bzw. Stresstheorie von LAZARUS. Demnach wird Angst ausgelöst von subjektiv als Gefahr bzw. Bedrohung empfundenen Reiz- und Dispositionsvariablen und entsteht aus der Folge und den Ergebnissen von kognitiven Entscheidungsprozessen aus der Bewertung der Gefahrenrelevanz und der individuellen Einflussmöglichkeiten auf die gegebene Situation. So werden Situationen auf der ersten Bewertungsstufe („primary appraisal“) nach ihrer Gefahrenrelevanz beurteilt. Diese Beurteilung ist abhängig von personalen Determinanten, wie die individuellen Vorerfahrungen und dem Grad der Ängstlichkeit. Auf der zweiten Bewertungsebene („secondary appraisal“) wird die Situation mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten/Strategien in Beziehung gesetzt. Reichen diese nach subjektiver Einschätzung nicht aus um die Gefahr abzuwenden und entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln, reagiert die Person mit Aufmerksamkeitsveränderungen und Angstgefühlen. Eine anschließende Neubewertung der Situation („reappraisal“) als „insgesamt negative Einschätzung der Situation bewirkt das Empfinden einer persönlichen Bedrohung („personal threat“), der der Betroffene hilflos und deshalb angstgeladen gegenübersteht. (ebd. S. 63f.)
Diese Angst lässt sich auf zwei Wegen bewältigen („coping“): Durch eine Neueinschätzung der Situation unter veränderten Bedingungen und Reizeinflüssen oder durch aktive Gegenwehr der Person gegen die Angst unter dem bewussten Einsatz von Bewältigungsstrategien wie Angriff oder Flucht. Bezüglich der Thematik Schulversagen/Schulabsentismus lässt sich vor diesem Hintergrund nach angemessenen Reaktions- und Bewältigungsstrategien suchen, die die Schulangst verringern können und somit daraus resultierende Lernbeeinträchtigungen vermindern bzw. beseitigen können. Selbstberuhigung, das Negieren von Bedrohungen oder die Umdeutung von Gefahrenvariablen werden üblicherweise als Copingstrategie eingesetzt. Verfügt der Schüler nicht über entsprechende Handlungskompetenzen, wird die Angst unter Umständen verdrängt und als Folge dessen eine produktive Auseinandersetzung mit Belastungssituationen im Schulalltag verhindert. Dies führt laut TUPAIKA wiederum zu einer erheblichen Störanfälligkeit des Lernprozesses. (Vgl. S. 64)
Weiterhin wird unterschieden zwischen Angst als Zustandsangst („state anxiety“), die als Reaktion auf innere und äußere Bedrohungen entstehen und sich als akutes, unangenehmes Gefühl manifestieren und Ängstlichkeit als chronische „Eigenschaftsangst“ („trait anxiety“), im Sinne einer Persönlichkeitseigenschaft, die auf vergangene Erfahrungen zurückzuführen ist und sich als überdauernde Bereitschaft ängstlich zu reagieren zeigt. Ängstliche Schüler neigen aufgrund ihrer bereits früh gemachten negativen Erfahrungen zu einem kognitiven Wahrnehmungsmuster, das Umweltreize subjektiv schneller als bedrohlich bewertet und geraten so auch in der Schule häufiger in Situationen akuter Zustandsangst. Andererseits erhöht sich die Gefahr eine chronische Eigenschaftsängstlichkeit auszubilden bei den Schülern drastisch, die häufig angstgeladenen Leistungssituationen ausgesetzt sind und dies wiederum führt zu einer schulischen Leistungsängstlichkeit. (Vgl. SANDER 1981, S. 26 in TUPAIKA S. 64)
Während die Schulangst als eine von der Schule abhängige Angst gilt, entsteht die Schulphobie unabhängig von der Schulsituation infolge einer Trennungsangst oder Ängsten, die die Bewältigung des Schulwegs verunmöglichen. (Vgl. OVERMEYER 1994 in TUPAIKA 2003)
HANKE/HUBER & MANDL (1984) postulieren, dass sich Angst zwar auf die Leistungen eines durchschnittlich begabten Schülers hemmend auswirkt, diese hemmende Wirkung jedoch bei Schülern ober- und unterhalb des mittleren Intelligenzniveaus nahezu ausbleibt. Dies führt TUPAIKA auf den Umstand zurück, dass überdurchschnittlich intelligente Schüler möglicherweise über ausreichend wirksame Copingstrategien verfügen, die diese hemmende Wirkung minimieren und unterdurchschnittlich begabte Schüler gegebenenfalls in ihrer kognitiven Entwicklung eingeschränkter sind, Gefahrensituation nicht als solche erkennen oder deren Folgen als unerheblicher einschätzen. (Vgl. TUPAIKA 2003, S. 66)
Bei relativ angstfreien Schülern, die jedoch nur einen geringen Teil der gesamten Schülerschaft ausmachen, könne sich ein leichter schulischer Druck auch durchaus positiv auf die Lernleistungen auswirken. Somit sollte die emotionale Befindlichkeit eines Schülers neben der psychologischen Perspektive auch konstruktiv in didaktische und fachdidaktische Bemühungen einfließen und als „konstruktives Element beim Wissenserwerb, bei Wissensänderungen, beim Problemlösen sowie beim Handeln“ begriffen werden. (Vgl. ebd. S. 66)
2.1.3 Schulphobie
Laut SCHLUNG (1987) ist die Schulphobie auf psychoneurotische Störungen zurückzuführen, die auf einer „abnormen Eltern-Kind-Beziehung“ beruhen. Diese Abnormität der Beziehung, meist zwischen Mutter und Kind, äußert sich in symbiotischen Tendenzen und damit verbundenen Verlustängsten. So nimmt das Kind nicht selten die Rolle des Partnerersatzes bei alleinerziehenden Elternteilen ein und fühlt sich für diesen, als schwach erlebten Elternteil derart verantwortlich, dass das Alleinlassen desselben mit der Erwartung einer Katastrophe einhergeht und vermieden wird. Diese starke, symbiotische Bindung des Kindes an die Eltern verhindert den Erwerb sozialer Kompetenzen und schulischer Anpassungsfähigkeit, da sich das Kind weniger mit Gleichaltrigen auseinandersetzt. Dieser Mangel an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität wird besonders in Situationen von Klassen- bzw. Schulwechseln deutlich. Kinder mit einer derartigen symbiotischen Bindung lassen sich schlechter in die neue Klasse integrieren und reagieren auf neue Situationen eher mit sozialem Rückzug und depressiver Stimmungslage aus der sich nicht selten eine Schulverweigererkarriere entwickelt.
2.1.4 Schulangst
RANKL (1994) unterscheidet die Schulangst in „situationsbezogene“, „personenbezogene“ oder „dispositionelle“ Angst, bei der die Schulumwelt generell als bedrohlich empfunden wird. Weiterhin kann unterschieden werden zwischen Schulangst als „soziale Angst“ und Schulangst als „Leistungsangst“. Die erste Form beinhaltet Angst vor Machtverlust, Zurückweisung oder Nichtanerkennung und letztere die Angst vor Prüfungen und Misserfolg, wobei diese Unterscheidung wenig trennscharf erscheint, da die Leistungsangst sekundär, wenn nicht sogar auch primär, die Angst vor Machtverlust, Zurückweisung und Nichtanerkennung impliziert.
Angst in welcher Form auch immer, die gesundheitliche Beeinträchtigungen wie 19 Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Übelkeit und andere psychosomatische Beschwerden, sowie psychosoziale Schädigungen wie Feindseligkeit, Hyperaktivität, Aggressivität, Opportunismus, Kooperations- und Integrationsunwilligkeit bis hin zur Unterrichts- und Schulverweigerung nach sich zieht und den Schüler emotional in seinem Lernprozess beeinträchtigt, muss als schulischer Versagensfaktor ernst genommen werden.
2.2 Soziale Faktoren
2.2.1 Die Familie
Die Familie, so störanfällig und verwundbar sie als soziales System auch sein mag, bleibt für Kinder und Jugendliche der „soziale und emotionale Heimathafen“, der ihnen in bedrängten Zeiten oft die ökonomische Basis bzw. den wirtschaftlichen Rückhalt bietet, auch wenn die Mehrheit der Jugendlichen einen unabhängigen Lebensstil entwickeln (Vgl. THIMM 2001, S. 19).
Immer mehr junge Menschen leben früh und ungeschützt in Armut und Bedrohung, in vorläufigen, zerbröselnden Familien und machen aufgrund von Erfahrungen, wie Haltlosigkeit, Orientierungslosigkeit enttäuschten Bindungswünschen und Misserfolgen im Leistungsbereich vielfältige Probleme. Die an sie gestellten Herausforderungen können oftmals nicht im geschützten Rahmen der Familie durch gute Partnerschaften mit Erwachsenen, die Zeit und Kraft in sie investieren, eingeübt werden. Eltern sind entweder berufstätig und in ständiger Anspannung oder arbeitslos, beziehen Sozialhilfe, sind von Armut gekennzeichnet und stehen unter dem Druck, gesellschaftlich „nicht mithalten“ zu können. Eltern, die selbst über Jahre am Arbeitsmarkt gescheitert sind, können ihren Kindern den Wert der Bildung oftmals nicht vermitteln, da ihre Erfahrungen eine andere Sprache sprechen. Einen eindeutigen Konsens über Werte und Normen gibt es so klar nicht mehr, unterschiedliche Erziehungsziele und pädagogische Richtungen stiften Verwirrung. Während Forscher auf der einen Seite behaupten, die Eltern-Kind-Beziehung habe sich durchschnittlich nicht verschlechtert, benennen sie andererseits recht durchgehend Defizite an wertegeleitetem Modellverhalten und Bindung, sowie Zuwendungsmängel. Kinder und Jugendliche imponieren eigenwillig, mit Eigenwert ausgestattet und zeigen Die Studie „Gewalterfahrungen, Schulschwänzen und delinquentes Verhalten Jugendlicher in Rostock“, die 1999 mit Schülern der 9. Jahrgangsstufe an 33 Schulen (Förderschulen, Hauptschulen, verbundene Hauptschulen/Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien) in Rostock durchgeführt wurde, brachte bei der Analyse einiger Merkmale folgende Ergebnisse zu Tage:
- Die Intensität des Schwänzens ist abhängig von der sozioökonomischen Lage ihrer Familien: Intensives Schwänzen ist häufiger bei Schülern, deren Familien von Sozialhilfe abhängig sind oder in denen der Haupternährer arbeitslos ist.
- Jugendliche Intensivschwänzer kommen häufiger aus Ein-Eltern-Familien als aus Familien, bei denen zwei Elternteile vorhanden sind. Hier wird von den Autoren ein Zusammenhang bezüglich besserer Kontrollmöglichkeiten des Schulbesuchs bei vollständigen Familien vermutet.
- Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Intensität des Schulschwänzens und der „berichteten Inkonsistenz des elterlichen Erziehungsverhaltens“ (SCHREIBER-KITTL, SCHRÖPFER, S. 59).
- Weiterhin besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Intensität des Schulschwänzens und elterlicher Partnergewalt in der Familie. Jugendliche, die massiv die Schule schwänzten kamen häufig aus Familien, in denen die Eltern zu gewaltsamen Auseinandersetzungen neigten.
- Darüber hinaus konnte ein Zusammenhang zwischen dem „Umfang des Schulschwänzens und elterlicher Züchtigung“ bzw. Misshandlung gefunden werden. So seien massive Schulschwänzer deutlich häufiger Opfer von schwerer elterlicher Züchtigung oder Misshandlung.
Die Kausalität der drei letztgenannten Punkte konnte von den Autoren jedoch nicht geklärt werden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass Gewalterfahrungen in der Familie das Ergebnis eines wechselseitigen Prozesses sind und, dass viele der Jugendlichen, die massiv die Schule schwänzen unter Lebensbedingungen aufwachsen, die „von ausgeprägten innerfamiliären Problemen gekennzeichnet sind“ (Vgl. ebd.).
2.2.2 Einstellung/Erziehungsverhalten der Eltern
Laut einer Vielzahl von Wissenschaftlern lässt sich das erzieherische Verhalten von Eltern auf zwei voneinander unabhängigen Dimensionspaaren beschreiben. Das erste Dimensionspaar lautet „Feindseligkeit-Liebe“, das zweite „Kontrolle-Autonomie“. (Vgl. WEINERT 1974, S. 381)
Während das erste Paar für das Ausmaß an Zuneigung dem Kind gegenüber steht, beschreibt das zweite Paar die praktizierte Lenkung im Erziehungsprozess. Hieraus ergeben sich bezüglich des Elternverhaltens vier Kombinationsmöglichkeiten, welche nach einer empirischen Untersuchung von W. C. BECKER („Consequences of different kinds of parental discipline“, 1964) zu folgenden Verhaltensweisen bei Kindern führen:
- Liebe-Kontrolle: Unterwürfigkeit, Abhängigkeit, Gehorsam, geringe Aggressivität, geringe Kreativität, hohe Nachgiebigkeit;
- Feindseligkeit-Kontrolle: neurotische Verhaltensstörungen, Schwierigkeiten bei der Rollenübernahme, Schüchternheit, Streitsucht, Autoaggressivität;
- Liebe-Autonomie: Aktivität, Unabhängigkeit, soziale Aufgeschlossenheit, Kreativität, Fähigkeit zur Rollenübernahme, zielgerichtete Aggressivität;
- Feindseligkeit-Autonomie: unsoziales und delinquentes Verhalten, Unfähigkeit sozialer Rollenübernahme, starke Aggressivität.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine liebevolle, fürsorgliche Haltung mit einem mittleren Maß an Autonomie als das erfolgversprechendste elterliche Erziehungsverhalten. Die weiteren drei Möglichkeiten wirken sich tendenziell ungünstig auf die kindliche Entwicklung und damit verbunden auch auf die Schulleistung aus.
Zu einer liebevollen, fürsorglichen Erziehungseinstellung gehört neben einem „prinzipiell liebenden Wohlwollen“ und der „elterlichen Echtheit“ eine gewisse „erzieherische Wachheit“, die Einstellung „das Wesen des Kindes annehmen, begleiten und fördern“ zu wollen und die „Bereitschaft zur Selbstreflexion“. (Vgl. GEHRIG 1995. In: TUPAIKA 2003, S. 87)
TUPAIKA (2003) führt weiterhin eine empirische Untersuchung von HELMKE (1983) an, die sich mit dem Zusammenhang von familiären Risikofaktoren und Leistungsangst beschäftigt. Demnach werden besonders „elterliche Strenge, Überforderung und Instabilität des Elternverhalten, welches vom Kind als unberechenbar empfunden wird, als angstfördernde Bedingungen angesehen“. (Vgl. TUPAIKA 2003, S. 87)
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- Quote paper
- Christine Haase (Author), 2011, Schulabsentismus bei Jugendlichen. Erscheinungsformen, Ursachen und Stand der Diskussion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273776
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