Im Mittelpunkt dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten des inländischen Tourismus und dessen ökonomischen sowie soziokulturellen Bedeutungen während der Corona-Pandemie stehen. Es gilt, herauszufinden, vor welchen Herausforderungen touristische Anbieter:innen im Zeitraum von März 2020 bis Juli 2021 standen, welche Chancen sich herauskristallisiert haben und wie sich aus diesen Erfahrungen die Zukunft des Tourismus bewerten lässt. Die Basis hierfür bilden Ergebnisse und Analysen vorhandener Forschungs- und Literaturpublikationen sowie eigene Befragungen.
Durch die Erfahrungen im vergangenen Sommer 2021 und der zunehmenden Impfrate hofft die Branche auf eine baldige Erholung. Dennoch ist nicht in naher Zukunft mit Bestimmtheit abzusehen, wann es keine Reisebeschränkungen mehr geben wird, ob Hygieneauflagen sich schnell lockern werden und ob sich die Mentalität und das Reiseverhalten der Tourist:innen nicht langfristig gewandelt hat.
Als konkreter Untersuchungsort habe ich mich für die Stadt Görlitz entschieden. Sie wurde aus dem regionalen Bezug zu Sachsen sowie ihrer touristischen Vielfalt ausgewählt. Es ist eine Mittelstadt am östlichsten Punkt Deutschlands, welche sowohl Angebote für Städtetourist:innen als auch Natururlauber:innen bereithält.
Impressum
Danksagung
2.2.1 Die Vorphase (bis etwa 1850)
2.2.2 Die Anfangsphase (1850 bis 1914)
2.2.3 Die Entwicklungsphase (1914 bis 1945)
2.2.4 Die Hochphase (seit 1945)
2.2.5 Zukünftige Entwicklung des Tourismus
2.3 Grundlagen der Tourismusnachfrage
2.3.1 Bedürfnispyramide nach Maslow
2.3.2 „Hin-zu“ und „Weg-von“-Motivationen
2.3.4 Theorie der zentralen Orte von Christaller
3 Stand der Forschung zum Coronavirus
3.1 Entwicklung und Ausbreitung der Covid-19-Pandemie
3.2 Coronavirus in Deutschland
3.3 Tourismus während Corona
4 Forschungsdesign am Fallbeispiel Görlitz
4.1 Untersuchungsgebiet Görlitz
4.2 Tourismus in Görlitz
4.3 Forschungsmethoden
4.3.1 Experteninterviews
4.3.2 Schriftliche Befragung
5 Empirische Ergebnisse
5.1 Tourismus vor Corona in Görlitz
5.2 Tourismus während Corona in Görlitz
5.3 Zukunft des Tourismus
6 Abschließende Worte
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abgrenzung möglicher Tourismusformen
Abbildung 2: Maslowsche Bedürfnispyramide
Abbildung 3: Das System der zentralen Orte
Abbildung 4: Tägliche globale Meldungen neuer Infektionsfälle
Abbildung 5: Stufenkonzept der ControlCOVID-Strategie, Stand: 14.09.20212021
Abbildung 6: induktive Kategorienbildung
Abbildung 7: Assoziationen der Befragten zu Görlitz
Abbildung 8: Gründe gegen eine Reise nach Görlitz
1 Thematische Einführung
Seit dem Ausbruch des Coronavirus in Wuhan (China) Ende 2019 hat sich das
neuartige Coronavirus nicht nur in China, sondern weltweit verbreitet. Am 12.
März 2020 verkündete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass die
Verbreitung des Virus als Pandemie zu bewerten ist (vgl. WHO 2020a).
Seitdem erlebt das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in vielen
Bereichen weltweite Einschränkungen. Nach Aussagen des Robert-Koch-Instituts
(RKI) löst der Erreger eine Krankheit aus, die Atemwegserkrankungen mit
Symptomen wie Husten, Fieber und schwere Fälle von Atembeschwerden verursachen
kann. Der Hauptübertragungsweg für Covid-19 (Coronavirus Disease 2019) geschieht
über die Aufnahme von virushaltigen Partikeln, zum Beispiel beim Sprechen,
Husten oder Niesen (vgl. RKI 2021a). Um eine unkontrollierbare Ausbreitung des
Virus einzudämmen haben viele Länder einen Lockdown veranlasst, um die
Infektionskette für diesen neuartigen Erreger zu stoppen. Auch in Deutschland
wurden Infektionsschutzmaßnahmen verordnet, wie Kontaktbeschränkungen, Ausgangsbeschränkungen,
das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in geschlossenen sowie in ausgewiesenen
öffentlichen Räumen und Reisewarnungen. Neben Freizeit- und Sportveranstaltungen,
Gastronomien, Kreativwirtschaft und Gesundheits- und Sozialwesen, ist auch die
Tourismuswirtschaft besonders stark von der Corona-Pandemie betroffen (vgl. BMWi
2020). Aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen wurde der touristische
Reiseverkehr nicht nur international, sondern auch innerhalb Deutschlands
eingeschränkt beziehungsweise untersagt. Viele touristische Anbieter:innen
mussten im ersten Lockdown Mitte März 2020 und von Dezember bis Juni 2021 schließen.
Urlaubsreisen wurden abgebrochen oder abgesagt und auch der umsatzstarke
Tagestourismus fiel weitgehend aus. Während ab Anfang Mai, sieben
Wochen nach Inkrafttretung des ersten Lockdowns in Deutschland, bundesweit
aufgrund der verbesserten Infektionslage eine Lockerung der Reisebeschränkungen
erlassen wurde, stand der internationale Tourismus durch geschlossene Grenzen
und eingestellten Flugverkehr weiterhin vor Herausforderungen. Aufgrund der
wenigen Alternativen gewann Deutschland als Reiseland für die einheimischen Bürger:innen
an Bedeutung (vgl. Statista Research Department 2020, S. 36). Die Mobilität der Menschen innerhalb Deutschland
erhöhte sich. Einzelhandel, Schulen und Betreuungseinrichtungen durften wieder
öffnen, jedoch unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln. Es fehlen
jedoch aktuell noch immer allgemein anerkannte Konzepte für die
Tourismusbranche, um unter Pandemiebedingungen einen sicheren und dennoch
ausgelasteten Aufenthalt an der Destination zu gewährleisten (vgl. Schrader et
al. 2020, S. 4).
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem deutschen Inlandstourismus in Zeiten von Corona. Zwar besteht für die deutsche Wirtschaft keine signifikante Abhängigkeit des Tourismus wie beispielsweise in den Ländern Österreich oder Spanien – hier macht der Wirtschaftszweig Tourismus zwischen 13 und 15 Prozent für das Bruttoinlandsprodukt aus – dennoch leistet die Branche mit etwa neun Prozent einen wichtigen Beitrag für die deutsche Wirtschaft (vgl. Statista Research Department 2020, S. 6). Es gilt möglichst schnell effiziente Lösungen für die Tourismusbranche zu entwickeln. Während Restaurants unter Auflagen Take-Away-Angebote bereitstellen konnten, mussten Hotels und weitere Übernachtungsstätten komplette Saisons hinweg weitesgehend auf ihre Einnahmen verzichten. Im Jahr 2020 wurden in deutschen Beherberungseinrichtungen etwa 302,3 Millionen Gäste aufgenommen. Im Vergleich zum Jahr 2019, in welchem 495,6 Millionen Gäste beherbergt worden, ergibt dies eine Differenz von 193,3 Millionen Gästen, was rund 39 Prozent Verlust entspricht (vgl. Statista Research Department 2021a, S. 7). Es ist insgesamt ein starker Rückgang an Unterkunftsbuchungen zu verzeichnen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten des inländischen Tourismus und dessen ökonomischen sowie soziokulturellen Bedeutungen während der Corona-Pandemie stehen. Es gilt herauszufinden, vor welchen Herausforderungen touristische Anbieter:innen im Zeitraum von März 2020 bis Juli 2021 standen, welche Chancen sich herauskristallisiert haben und wie sich aus diesen Erfahrungen die Zukunft des Tourismus bewerten lässt – basierend auf Ergebnissen und Analysen vorhandener Forschungs- und Literaturpublikationen sowie eigener Befragungen. Durch die Erfahrungen im vergangenen Sommer 2021 und der zunehmenden Impfrate hofft die Branche auf eine baldige Erholung. Dennoch ist nicht in naher Zukunft mit Bestimmtheit abzusehen, wann es keine Reisebeschränkungen mehr geben wird, ob Hygieneauflagen sich schnell lockern werden und ob sich die Mentalität und das Reiseverhalten der Tourist:innen nicht langfristig gewandelt hat.
Als konkreter Untersuchungsort habe ich mich für die Stadt Görlitz entschieden. Sie wurde aus dem regionalen Bezug zu Sachsen sowie ihrer touristischen Vielfalt ausgewählt. Es ist eine Mittelstadt am östlichsten Punkt Deutschlands, welche sowohl Angebote für Städtetourist:innen als auch Natururlauber:innen bereit hält. Mit einem Bruttoumsatz von 101,7 Millionen Euro im Jahr 2019 und einer kontinuierlichen Wachstumsrate ist der Tourismussektor ein essenzieller Bestandteil in der Görlitzer Wirtschaft (vgl. dwif 2020, S. 6). Im Jahr 2019 verzeichnete Görlitz einen Rekord an Übernachtungen, da 158.038 Tourist:innen insgesamt 327.529 Übernachtungen gebucht haben, was eine Steigerung von rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ausmacht. Die Zahlen an monatlichen Übernachtungen blieben im gesamten Jahr über alle Monate verteilt nahezu gleich (vgl. Stadt Görlitz 2020). Im selben Jahr waren etwa 2.750 Personen hier in der Tourismusbranche primär beschäftigt, wobei dieser Wert nicht mit der Anzahl an durch den Tourismus beschäftigten Person gleichgesetzt werden darf. Weitere Beschäftigte, welche vom touristischen Sektor anteilig leben, sind unter anderem Verkäufer:innen im Einzelhandel, Angestellte im Personennahverkehr oder Servicepersonal in Bars und Restaurants. Dadurch werden nicht nur Tourist:innen, sondern auch Einheimische bedient (vgl. dwif 2020, S. 10).
Im Kapitel 2 soll zunächst ein einheitliches Verständnis vom Begriff „Tourismus” gegeben werden. Hierzu werden nicht nur anerkannte Definitionen vorgestellt, sondern auch die Entwicklungsetappen des Tourismus sowie Motive für das Reisen erläutert. Dies bietet die Möglichkeit heutige Entwicklungstendenzen nachzuvollziehen und einen ersten Ausblick für zukünftige Trends aufzuzeigen. Das darauffolgenden Kapitel gibt einen Einblick zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Tourismusbranche. Hier wird auf die Ausbreitung, den Umgang mit dem Virus und die Maßnahmen, welche in Deutschland ergriffen wurden und welche Folgen dies für den inländischen Tourismus hat. Nach dem Umriss der Entwicklungen in Deutschland gehe ich in Kapitel 4 auf meinen Forschungsschwerpunkt ein, nämlich konkret auf die Fallstadt Görlitz. Hierzu stelle ich die Stadt Görlitz zunächst vor und erläutere zentrale Elemente des Tourismus in Görlitz, wie die Tourismuskonzeption. Im selben Kapitel gehe ich tiefgreifend auf die verwendeten Forschungsmethoden ein. Mithilfe von Experteninterviews mit regionalen Akteur:innen und einer deutschlandweiten quantitativen Umfrage soll unter anderem herausgefunden werden, welche Veränderungen im Bezug auf den Tourismus durch die Pandmie wahrgenommen worden, wie auf diese Veränderungen reagiert wurde und mit welchen zukünftigen Verhaltensstrukturen sich touristische Anbieter:innen gegebenenfalls neu anpassen müssen. Die Ergebnisse der Interviews wurden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet und zusammen mit der standardisierten Befragung im Kapitel 5 als empirische Ergebnisse präsentiert. Zum Abschluss gebe ich Handlungsempfehlungen für den gegenwärtigen und zukünftigen Umgang mit dem Coronavirus in der Tourismusbranche wieder. Die Frage ist nicht ob Tourismus stattfindet, sondern wie Tourismus sich zukünftig mit dem Hintergrund von Krisen wie der Corona-Pandemie gestalten lässt. Es gilt einen Ausblick auf das zukünftige Entwicklungsgeschehen im touristischen Verhalten der Reisenden aufgrund von Covid-19 zu geben sowie welche Umsetzungskonzepte in der Stadt Görlitz erfolgreich waren und somit auch für andere touristische Anbieter:innen hilfreich sein können. Auswertungen und Ausblicke zielen vor allem auf den inländischen Tourismus in Deutschland mit Schwerpunkt auf die Region Görlitz.
Zum Zwecke der Inklusion aller Personengruppen wurde in dieser Arbeit die feminine Form, als auch substantivierte Partizipien für die Bezeichnung von Verantwortlichkeiten verwendet. Dies soll für alle Geschlechter gleichwertig gelten.
2 Theoretische Grundlagen
Bevor Tourismus erfassbar ist und die Entwicklungsstufen beschrieben werden
können, muss zunächst Klarheit über die dazugehörigen Begrifflichkeiten
geschaffen werden. Das folgende Kapitel behandelt zunächst die theoretischen
Grundlagen der Arbeit, wobei zentrale Begriffe analysiert werden. Besonders im
Fokus steht das Wort „Tourismus“. Hierbei wird auf die verschiedenen Elemente
eingegangen, von denen sich diverse Tourismusformen ableiten lassen. Zudem wird
der Wirtschaftszweig Tourismus beleuchtet. Anschließend wird die Entwicklung
des Tourismus aufgezeigt sowie Motive des Reisens hervorgehoben.
2.1 Definitionen Tourismus
Reisen ist ein Bedürfnis des modernen Menschens. Der
Anthropologe Graburn definiert Tourismus als „one of those necessary structured breaks from ordinary
life which characterises all human societies” (Grabun 1983, S. 11). Tourismus stellt eine Notwendigkeit für den „Ausbruch”
aus dem Alltag dar, unabhängig von der Herkunft, Einkommen oder anderen
sozioökonomischen Merkmalen einer Person. Im deutschsprachigen Raum gelten die Begriffe
„Tourismus“, „Fremden- und Reiseverkehr“ weitgehend als Synonyme und finden
dadurch häufig die selbe Verwendung. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden
zudem die Begriffe „Urlaub“ und „Tourismus“ gleichgesetzt, obwohl es während
des Urlaubs nicht zwangsläufig zu einer Reise kommen muss und Tourismus ein
weiteres Spektrum umfasst als Urlaubsreisen. „Tourism“ ist international die
Bezeichnung, die am weitesten verbreitet
ist (vgl. Freyer 2018, S. 2670). Die Wortherkunft des Begriffes
„Tourism” leitet sich vom Wort „Tour” ab, welches aus dem Lateinischen vom Wort
„tornare” stammt, welches übersetzt „runden um einen Punkt” bedeutet. Das
Suffix „-ism” bezeichnet eine ausgeführte Aktion oder einen Prozess. Durch die
Kombination aus den einzelnen Worten wird die Bewegung um einen Kreis
suggeriert. Bildlich kann man sich somit eine Person vorstellen, welche bei einem
Ausgangspunkt eine Reise anfängt und schließlich zu ihrem ursprünglichen
Ausgangspunkt zurückkehrt. Die Person, welche eine solche Reise unternimmt,
wird als Tourist:in bezeichnet (vgl. Theobald 2005, S. 9f.). Die
Bezeichnung „Tour” wurde nach dem deutsch-französischen Krieg (1870/71) im neu
gegründeten Deutschen Reich weniger gebraucht, stattdessen wurde der Begriff „Reise”
gebräuchlicher. Ableiten lässt sich das Wort mit dem Englischen „rise”, was
mit „Anstieg” übersetzt werden kann. Zudem hat es gemeinsame Wurzeln mit dem
altfriesischen Begriff „rîsa”, was soviel wie „sich erheben” bedeutet. Reise
bezeichnet somit einen Aufbruch. Im Gegensatz zum „Tourismus”-Begriff, bei
welchem eine Rückkehr an den Ausgangspunkt mit bedacht ist, bleibt dieser
Aspekt bei dem Wort Reise nicht eindeutig definiert. Somit sind bei einer Reise
verschiedene Motivationsformen inbegriffen. Zum einen das Wiederzurückkommen
von einer Reise, aber eben auch die Option für immer am Ziel zu bleiben, wie es
beim Auswandern der Fall ist (vgl. Mundt 2013, S. 1).
Die Welttourismusorganisation (UNWTO) hat 1993 auf einer Konferenz in Ottawa ein international geltendes System erstellt für statistische und wirtschaftsanalytische Zwecke, welches Tourismus zusammenfässt unter „the activities of a person travelling to a place outside his or her usual environment for less than a specified period of time and whose main purpose of travel is other than the exercise of an activity remunerated from within the place visited" (UNWTO 1993, S. 3). Diese Definition zeigt, dass Tourismus mit der Aktivität einer Person gleichgesetzt ist, die an Orte außerhalb vom ihrem gewohnten Lebensumfeld verreist und dort für einen bestimmten Zeitraum verweilt. Auf die zeitliche Dauer bei einer touristische Aktivität wird im nächsten Absatz genauer eingegangen. Der Zielort wird im touristischen Kontext auch „Destination“ genannt. Die Destination beschreibt den geographischen Raum, welchen sich der Gast als Reiseziel gesetzt hat. Hierunter fällt nicht nur der Ort als solches, sondern auch die landschaftlichen und klimatischen Gegebenheiten, die kulturellen und freizeitlichen Angebote, Unterkunft und sonstige vorhandene Infrastruktur. Somit werden mit der Bezeichnung Destination sowohl naturräumliche wie auch angebotene Faktoren, wie Einzelhandel und Sehenswürdigkeiten, in der Region verstanden (vgl. Scherhag 2018). Im Anschluss darauf kehrt diese Person wieder zurück an ihren Ursprungsort. Das Wort „Tourist:in“ wird von der UNWTO wie folgt definiert: "A visitor is a traveller taking a trip to a main destination outside his/her usual environment, for less than a year, for any main purpose (business, leisure or other personal purpose) other than to be employed by visitors qualify as tourism trips. Tourism refers to the activity of visitors" (UNWTO 2008, S. 10). Hier wird die Definition um den Hintergrund einer Reise ergänzt, nämlich ob diese zu Freizeit-, Geschäfts- oder anderen Zwecken unternommen wurde. Diese beiden Definitionen nehmen Bezug auf die Etymologie und wurden erweitert um die drei konstitutiven Elemente des Tourismus: der Reisedauer (Zeit), Ortsveränderung im Bezug auf das Reiseziel (Ort/Raum) und der Reisemotivation (Anlass der Reise).
Die touristische Reisedauer umfasst die zeitliche Bewegung im Raum. Diese erfordert mindestens eine Übernachtung außerhalb des gewohnten Umfelds, darf jedoch nicht länger als ein Jahr überschreiten. Dauerhafte Migration in Form von Umzug oder Zwangsmigration zählen somit nicht als touristische Aktivität. Es wird zwischen Kurz- und Langzeittourismus unterschieden. Reisen ohne Übernachtung werden als Tagesausflüge bezeichnet (vgl. Freyer 2018, S. 2670; vgl. Kagermeier 2016, S. 27). Unter der Ortsveränderung wird die Bewegung einer Person im Raum von einem Ausgangspunkt zu einem Zielpunkt verstanden. Es bedarf keiner Mindestaufenthaltsentfernung oder das Überschreiten von kommunalen oder nationalen Grenzen als Voraussetzung. Die Ortsveränderung wird klassifiziert in den Nah- oder Ferntourismus. Neben dem Inlandstourismus (Domestic Tourism), also dem Nahtourismus, wird der grenzüberschreitenden Tourismus (internationaler beziehungsweise interkontinentaler Tourismus) als Ferntourismus unterschieden. Hier können zwei Reiserichtungen stattfinden, nämlich die Einreise- oder Ausreisetourismus (Incoming-/Inbound-Tourismus beziehungsweise Outgoing-/Outbound-Tourismus) (vgl. Freyer 2018, S. 2670). Zweck der Reise bezeichnet die Motive für die Raumveränderung. Dazu zählen neben freizeitmotivierten und Geschäftsreisen unter anderem der Besuch bei Freunden oder Verwandten, sowie Erholungsreisen, Kuraufenthalte, Bildungsreisen und religiöse Pilgerfahrten. Nicht hinzugezählt werden Fahrten von Pendler:innen zum Ort der Berufsausübung. Zu diesen Elementen müssen weiteren Punkte, wie die Organisationsform (Pauschal- oder Individualtourismus), die Wahl des Verkehrsmittels (Bahn-, Pkw-, Bus-, Rad-, Schiffs-, oder Flugtourismus), die Teilnehmeranzahl (Single-, Partner- oder Gruppen-tourismus) zur Kategorisierung des Reiseverhaltens berücksichtigt werden. Die drei konstitutiven Elemente – Ortswechsel, temporäre Aufenthalt und Zweck der Reise – ermöglichen eine Abgrenzung in die folgenden drei Bereiche: touristischer Kernbereich, touristischer Randbereich und nichttouristischer Bereich. Beim touristischen Bereich werden Reisen verstanden, die nahezu immer unter Tourismus fallen, zum Beispiel Auslandstourismus. Im Vergleich zum touristischen Randbereich zählen Reisen hinzu, welche nur teilweise zum Tourismus gerechnet werden, zum Beispiel Stadttourismus. Beim nichttouristischen Bereich sind Reisen gemeint, die nicht den drei Elementen entsprechen, wie zum Beispiel Fahrten von Berufspendler:innen (vgl. Freyer 2009, S. 3). Welche Einflussfaktoren die touristische Nachfrage bestimmen, wird im Kapitel 2.3 genauer beleuchtet.
Für eine weitere Abgrenzung möglicher Tourismusformen können die Abgrenzungskriterien nach Steingrube verwendet werden. Diese Kriterien greifen „auf sichtbare, äußere Erscheinungen oder auf nur zum Teil sichtbare Verhaltensweisen sowie auf die nicht sichtbare Reisemotivation zurück, um die Vielfalt der touristischen Nachfrage zu gliedern" (Steingrube 2001, S. 358f.). In Abbildung 1 ist eine mögliche Gliederung der Tourismusformen dargestellt. Es wird deutlich, dass die Vielzahl an Tourismusformen einem offenen Konzept folgen, welches je nach Perspektive die verschiedenen Teilbereiche aufgliedern lässt. Die Kriterien sind frei wählbar und erfassen nicht die Gesamtheit aller Arten des Tourismus. Bei den Auswahlkriterien kann es zu Überschneidungen von anderen Tourismusformen kommen und somit können sie auch kombiniert werden, wie beispielsweise der Sporttourismus (Motivation) zur Winterzeit (Jahreszeit) im alpinen Raum (Landschaftsform) mit der Aktivität Skifahren. Durch die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Tourismusformen sind heutige Tourist:innen im Vergleich zu früheren Zeiten, in denen die Mobilität und Urlaubstage noch begrenzter waren, weniger auf einen fixierten Tourismustyp zu beschränken. Tourist:innen können einen Billigflug buchen und dennoch ein Luxushotel gebucht haben. Diese Erscheinung wird als „Hybrider Tourist“ bezeichnet, da es keine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Tourismusformen gibt. Hybride Tourist:innen zeichnen sich durch eine Vielfältigkeit der Gestaltung des Urlaubs aus und folgen nicht nur einer Tourismusform (vgl. Kagermeier 2016, S. 72).
Abbildung 1: Abgrenzung möglicher
Tourismusformen (Quelle: Steingrube 2001, S. 358; eigene Darstellung)
Tourismus meint somit den nationalen sowie internationalen Reiseverkehr, mit
der Mobilität von Tourist:innen zwischen dem Heimatort und dem Reiseziel, den
temporären Aufenthalt einer fremden Person am Reiseziel sowie die Planung und
Vorbereitung der Reise am Heimatort. Was unterscheidet aber nun das Wort „Tourismus“
von „Fremdenverkehr“?
Der Begriff „Fremdenverkehr“ ist im deutschsprachigen Raum einzigartig, da es keine direkte Entsprechung in andere Sprachen gibt. Das Adjektiv „fremd“ kommt von dem germanischen Wort „fram“, welches mit „vorwärts“ oder „weiter“ übersetzt werden kann. Hier beschreibt die Begrifflichkeit ebenfalls einen Aufbruch, wie es auch bei „Reise“ zu verstehen ist. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Bedeutung des Begriffs zu „unbekannt“ und „unvertraut“. Darum wird der Begriff „Fremdenverkehr“ in Deutschland vor allem für die Aufnahme von Gästen verwendet (inbound). Für die Einwohner:innen (EW) einer Stadt oder Gemeinde sind die ankommenden Gäste fremde Personen, welche ihren Ort besuchen. Verglichen mit „Tourismus“ wird hier der Fokus auf das zeitbegrenzte Verlassen des Wohnortes und die Ankunft an einem anderen Ort gelegt (outbound) (vgl. Mundt 2013, S. 2). Es werden vor allem nationale und binnenwirtschaftliche Aspekte, beispielsweise aus der Perspektive der deutschen „Fremdenverkehrs“-Orte, in den Fokus genommen. Jedoch hat die Bezeichnung „fremd“ eine überwiegend negative Konnotation im Bezug auf „Unbekanntheit“ und teilweise dem einhergehend „Unerwünschten“. Es wird daher empfohlen nicht von „Fremden“ zu sprechen, sondern die neutralen Ausdrücke „Gäste“ oder „Tourist:innen“ zu wählen (vgl. Freyer 2009, S. 7). Mit Blick auf die Etymologie und der aktuellen Begriffsauffassung wird der Vorzug des Begriffes „Tourismus“ deutlich, welcher hier in dieser Arbeit anhand der genannten Bedeutungen hauptsächlich verwendet wird.
Neben unterschiedlichen Formen des Tourismus soll auch der Wirtschaftszweig Tourismus kurz vorgestellt werden. Die Besonderheiten im touristischen Wirtschaftssektor zeigen sich „im Dienstleistungscharakter, in der Kapitalintensität und der Konjunktur- und Saisonabhängigkeit sowie in der Abhängigkeit von natürlichen (Klima, Topografie, Landschaft) und infrastrukturellen Gegebenheiten (Beherbergungs- und Verpflegungsangebot, Einrichtungen für Sport und Freizeitgestaltung, Verkehrswege usw.)“ (Freyer 2018, S. 2677). Nach Freyer sind vor allem folgende Bereiche bedeutend im Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des Tourismus: die Wertschöpfung, die Beschäftigung sowie die Import- und Exporteffekte (vgl. ebd.). Im Hinblick auf die Wertschöpfung wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eines Landes gemessen. Durch die Tourismuswirtschaft entstehen neue Sachgüter und Dienstleistungen, weshalb der Tourismus auf der einen Seite als Antrieb für wirtschaftliche Entwicklungen fungiert, andererseits sollte es aber nicht zu einer einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit in diesen Bereich kommen, da es in Krisenzeiten zu hohen Risiken kommen kann. Nach dem World Travel & Tourism Council (WTTC) ergab die touristische Wertschöpfung im Jahr 2019 in Europa 9,5 Prozent des BIP. 2020 sank das BIP durch die Auswirkungen im touristischen Bereich um 51,4 Prozent (-1,126 Milliarden Dollar). Das BIP Deutschlands zeigt ähnliche Tendenzen: 2019 lag hier der Anteil des BIP durch den Tourismus bei 9,8 Prozent und im Jahr 2020 bei 5,5 Prozent (vgl. WTTC 2021, S. 6f.). Dieses Beispiel für die Auswirkungen von weltweiten Krisen auf den Tourismus zeigt, dass wirtschaftlich nicht der alleinige Schwerpunkt auf der Tourismusbranche liegen sollte. Genauer wird zum Thema „Tourismus während Corona“ im Kapitel 3 eingegangen. Wie schon in der Einleitung, angerissen arbeiten Menschen direkt und indirekt im Tourismussektor. Vor der Covid-19-Pandemie hatte die Beschäftigungszahl sich in diesem Sektor positiv entwickelt, trotz der Kritik an den Arbeitsbedingungen in dieser Branche, wie unregelmäßige Arbeitszeiten, Saisonabhängigkeit oder niedrige Löhne (vgl. Freyer 2018, S. 2677). Zu den tourismusnahen Dienstleistungen zählen insbesondere die Gastronomie und der Einzelhandel. Weitere konsumnahe und persönliche Dienstleistungen in den Bereichen Kultur, Sport, Gesundheit, Vermietung, Verleih oder Freizeitgestaltung lassen sich ebenfalls zum Tourismus zuordnen. Diese Dienstleistungangebote können jedoch nicht trennscharf in die Tourismusbranche verortet werden, da an den Destinationen auch Einheimische ein Nachfragepotenzial haben (vgl. Schrader et al. 2020, S. 5).
Übernachtungszahlen stellen ebenfalls keine eindeutige Messgröße des Tourismus dar, weil auch einheimische Personen hier ihren Besuch untergebracht haben können oder Geschäftspersonen einquartiert worden und dadurch nicht zwingend eine touristische Motivation besteht. Es kann aber angenommen werden, dass die Zahl der Übernachtungen mit der Nachfrage und Beliebtheit der Destination einhergeht. Das bedeutet, je höher die Übernachtungszahlen an einem Ort sind, desto eher werden diese Regionen sich an den touristischen Bedürfnissen ihrer Gäste orientieren und ihre Dienstleistungsstrukturen anpassen. Dadurch werden mehr Arbeitsplätze in der Tourismusbranche geschaffen und die Wirtschaft der Region fokussiert sich verstärkt auf den Tourismus (vgl. Schrader et al. 2020, S. 5). Auch die vom Tourismus ausgehenden Import- und Exportwirkungen können international wie auch regional positive Auswirkungen haben. Unter beiden Begriffen werden unter anderem Personal- und Warenimport beziehungsweise -export verstanden. Die zusätzliche Beschaffung von Waren, die Aufstellung einer funktionalen Infrastruktur oder dem Aneignen von personellem Wissen können zu einer geringen Devisenbilanz führen. Durch die Geldmengen und Waren, welche von und für die Tourist:innen generiert worden, können zudem auch lokale Märkte bedroht werden (vgl. Freyer 2018, S. 2677).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Tourismus ein Bedürfnis nach Mobilität von Personen darstellt und nicht nur als reiner Wirtschaftszweig zu betrachten ist. Der Begriff beschreibt einen Aufbruch aus dem ständigen Wohnsitz in eine unbekannte Region mit vorübergehenden Aufenthalt und der anschließenden Rückkehr. Die an dem temporären Aufenthaltsort ausgeübten Aktivitäten und Ausgaben für die Unterkunft, Freizeit- und Kulturangebote, Dienstleistungen, Transport und Verpflegung bilden die Gesamtheit des Tourismus und repräsentieren die wahrgenommene Qualität und wirtschaftlichen Auswirkungen des Tourismus auf die Destination (vgl. Lickorish & Jenkins 1997, S. 33). Um den Tourismus aus heutiger Sicht nachvollziehen zu können, welche Ansprüche die Gäste heute haben und wie sich die touristischen Anbieter:innen darauf eingestellt haben, müssen die einzelnen Entwicklungsphasen genauer beleuchtet werden. Dies wird im folgenden Kapitel getan.
2.2 Entwicklung des Tourismus
Touristische Reisen und Freizeit, wie wir
sie heute verstehen, sind relativ junge Phänomene, allerdings mit historischen
Bezügen. Es wird nun versucht die Epochen des Tourismus zu beschreiben und
somit ein Verständnis für die aktuelle Entwicklung und Nachfrage zu erhalten.
Der Schwerpunkt dieses geschichtlichen Überblicks liegt auf den veränderten
Reiseformen und deren Entwicklung in Deutschland.
Nach Freyer lassen sich in Europa vier Phasen des Reisens benennen, die einen Wandel des Tourismus bedeutet haben. Die Unterscheidungen zeichnen sich durch eine Veränderung des Transportmittels, der Reisemotivation sowie der Touristenzahl und deren soziale Schicht aus (vgl. Freyer 2009, S. 9f.). Diese Epochen des Tourismus markieren folgende Zeitabschnitte: die Vorphase (bis etwa 1850), die Anfangsphase (1850 bis 1914), die Entwicklungsphase (1915 bis 1945) und die Hochphase (seit 1945). Des Weiteren werden in diesem Kapitel auch mögliche Zukunftsszenarien für den Tourismus aufgezeigt.
2.2.1 Die Vorphase (bis etwa 1850)
Wie bereits im Kapitel 2.1 erwähnt, ist Reisen ein Bedürfnis der Menschen.
Darum kann gesagt werden, dass schon immer gereist wurde. Die ersten Reisenden
bezeichnet die Tourismuslehre allerdings nicht als „Tourist:innen“, da ihnen
andere Motivationen innewohnten. Reisen wurden nicht wie heute aus
freizeitlichen Motiven heraus veranlasst, sondern waren Mittel zum Zweck. Sie
waren meist beschwerlich und notwendig für Handel, Entdeckungsfahrten,
Forschungszwecken, Bildung oder Religion (vgl. Freyer 2009, S. 11). Beispiele
hierfür sind Expeditionen, wie die Forschungsreisen von Alexander von Humboldt,
Wanderschaften der Handwerksgesellen oder religiös motivierte Reisen, wie die
Kreuzzüge. Als Fortbewegungsmittel wurde das Pferd, manchmal auch mit Kutsche,
oder das Schiff genutzt. Meist galt die Regel „one man one vehicle“ (Burkart
& Medlik 1975, S. 7). Die anfängliche Reisegeschwindigkeit betrug etwa fünf
bis sieben km die Stunde, was einer Strecke von etwa 25 bis 60 Kilometer am Tag
entsprach. Das Reisen galt als Privileg für Adelige und Geschäftsleute. Die
jungen Adeligen sollten nach ihrer Ausbildung und vor dem Eintritt ins
Berufsleben fremde Kulturen kennenlernen und ihren Bildungshorizont erweitern
auf der sogenannten „Grand Tour“. Im Fokus der Motivation stand Bildung und
Vergnügen. Der allgemeinen Bevölkerung waren solche Chancen und Privilegien nicht
zugänglich beziehungsweise konnten sie sich Reisen finanziell und zeitlich
nicht leisten. Sie bekamen die Eindrücke des Reisens über
Geschichtenerzählungen mit, später durch Abenteurbücher oder Zeitungsartikel.
Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Reisen zudem aus gesundheitlichen Gründen
unternommen. Um der in Europa verbreiteten Melancholie und den Epediemien, wie
der Cholera, entgegenzuwirken, wurden Gesundheits- und Bäderreisen veranlasst
(vgl. Freyer 2009, S. 12).
2.2.2 Die Anfangsphase (1850 bis 1914)
Ab 1850 begann die Anfangsphase des
zeitgemäßen Tourismus. Diese Phase zeichnet sich unter anderem durch den Ausbau
des Post- und Nachrichtendienstes, für welchen das Straßennetz erweitert wurde,
die Erfindung des Dampfschiffes und der Eisenbahn sowie einem höheren Wohlstand
einer neuen Mittelklasse durch die Industrialisierung aus (vgl. ebd., S. 13).
Mithilfe des Eisenbahnnetzes konnten in Deutschland viele Orte in kürzerer Zeit,
als in der Vorphase, erreicht werden. Das neue Reisen mit der Eisenbahn bietete
mehr Komfort als mit der Kutsche. Zudem konnten mehr Personen mit einem
Transportmittel verreisen, wodurch die Reisekosten sanken. In der Mitte des 19.
Jahrhunderts gewannen auch die deutschen Schifffahrtsgesellschaften, wie die Hamburg-Amerikanische
Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG), an Bedeutung und legten den Grundstein
für Reisen und Auswanderungen über Ozeane (vgl. Wolf 2013, S. 203). Es kam in
der Anfangsphase des Tourismus zu einer Steigerung hinsichtlich der
Transportgeschwindigkeit und Nachrichtenübermittlung, Ausbau des Straßen- und
Schienennetzes, der reisenden Personenanzahl und der zurückgelegten Strecke pro
Tag.
Zu dieser Zeit wurde 1841 auch die erste Pauschalreise von Thomas Cook als Bahnreise in England von Leicester nach Loughborough veranstaltet (vgl. Freyer 2009, S. 13). Die sogenannte „Sommerfrische“ als Reiseform sorgte im deutschsprachigen Raum für Erholung und Abwechslung zum Alltag. Die Sommerfrische bezeichnet den Aufenthalt von Stadtbewohner:innen auf dem Land zur Sommerzeit (vgl. Haas 1992, S. 365). Man wollte auf diese Weise den hygienischen Bedingungen der Stadt im Sommer entgehen und die Ruhe auf dem Land genießen. Das gehobene Bürgertum konnte es sich leisten, neben einem Wohnsitz in der Stadt ein Landhaus zu besitzen. Die Destinationen waren meistens nicht weit vom Heimatort in ländlichen Regionen entfernt. Durch den erweiterten Eisenbahnausbau konnten auch ländliche Gebiete gut erreicht werden. Diese Reiseform konnte bei wohlhabenden Familien oftmals mehrere Monate dauern (vgl. Freyer 2009, S. 14). Die Sommerfrische und der beginnende Tourismus sind eng miteinander verbunden und beschreiben eine neue Form des Reisens sowie der Motivation zu Reisen, nämlich die Landlust und Erholung der Städter:innen (vgl. ebd.).
2.2.3 Die Entwicklungsphase (1914 bis 1945)
Ein Versiegen der Tourismusströme entstand
infolge des Ersten Weltkrieges. Es kam zu Liquiditätsproblemen der Reisebetriebe
und auch die Nachfrage nach touristischen Reisen der Bevölkerung nahm ab. Nach
dem Ersten Weltkrieg erlebte die „Sommerfrische“ eine Renaissance. Zunehmend
mittlere und gehobene Angestellte reisten, den sozialen Bedingungen entsprechend,
bescheiden. Ab 1918 wurde durch die Weimarer Republik die erste Urlaubsregelung
erlassen, welche drei bis sechs freie Tage im Jahr vorsah. Mitte der 20er Jahre
unternahmen auch kleinere Arbeiter:innen Reisen (vgl. Freyer 2009, S. 14).
Durch den Nationalsozialismus kam es 1933 zu einer neuen Strukturierung der Urlaubsreisen. Die NS-Freizeitorganisation schaffte mit „Kraft durch Freude“ (KdF) organisierte Reisen- und Freizeitgestaltungen. Die Zielsetzung lag auf den ausreichenden Urlaub für die deutschen Arbeiter:innen, um ein „nervenstarkes Volk“ zu haben (Weiß 1993, S. 293). Zweck dieser organisierten Reisen war es die Leistungskraft der Arbeiterschaft zu erhalten und den Arbeiter:innen eine gesellschaftliche Aufwertung sowie eine Beteiligung an Urlaubsmöglichkeiten zu geben, welche bislang dem Bürgertum vorbehalten war (vgl. ebd., S. 294). Es wurden innerdeutsche Reisen preiswert vom Deutschen Reich organisiert. Es kam zum ersten deutschen Reiseboom: Von 1934 stieg die Zahl von 2,3 Millionen Reisen auf 10,3 Millionen zum Jahr 1938 (vgl. Freyer 2009, S. 15). Seit Beginn des Zweiten Weltkrieges nahmen Reisen aus Vergnügungsmotivationen ab.
2.2.4 Die Hochphase (seit 1945)
Die touristische Hochphase in Deutschland begann in den 50er Jahren. Diese
entstand infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg
und zeichnete sich durch höhere Einkommen, mehr verfügbare Freizeit und die
Weiterentwicklung von Kommunikations- und Transportmöglichkeiten aus. Die
Zunahme des verfügbaren Einkommens betraf alle Teile der bundesrepublikanischen
Bevölkerung und wird darum vom Soziologen Beck als „Fahrstuhleffekt“ bezeichnet
(Beck 1986, S. 122). Seit Beginn der 50er Jahre führen diese „Driving Forces“
zu einer anhaltenden dynamischen Entwicklung der Tourismusreisen. Das Auto
wurde zum Symbol der Freiheit und des uneingeschränkten Reiseverkehrs. Hinzu
kamen später die ersten Charterflüge (vgl. Freyer 2009, S. 15). Die
Weiterentwicklung und Erschließung dieser Transportmittel schaffte nicht nur
eine Verkürzung der Reisezeit, sondern ermöglichte auch spontane Reisen wie
Kurzurlaube. Der Auslands- und Ferntourismus gewann in dieser Phase an
Bedeutung als Ausdruck von Wohlstand, Ungebundenheit und Mobilität (vgl. Freyer 2018, S. 2671). Nach den
schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges wollte die Bevölkerung der
Bundesrepublik Deutschland (BRD) das Leben genießen. Tourismus wurde zum festen
Bestandteil der Gesellschaft und Ökonomie. Das Individuum stand nun im
Mittelpunkt als handelndes Element im Wechselspiel mit der Umwelt und der
Gestaltung dieser (vgl.
Kagermeier 2016, S. 25).
Parallel zur BRD entwickelte sich der Tourismus in der DDR (Deutsche Demokratische Republik) auf eine andere Weise. Hier lag der Tourismus verstärkt auf den gesellschaftlichen und politischen Fokus. Reisen wurden weitesgehend staatlich organisiert, wie vom Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB)-Feriendienst. Diese Einrichtung des FDGB vermittelte Werktätigen und ihren Betrieben subventionierte Urlaubsreisen im Inland, um diese durch besondere Verdienste zu belohnen (vgl. Schaufuß 2011, S. 34). Der überwiegende Anteil der Urlaubsziele lag im Gebiet der DDR, Auslandsaufenthalte durften ins sozialistische Ausland wie Ungarn unternommen werden. Reisehürden gab es zwischen den deutsch-deutschen Grenzen, vor allem nach dem Mauerbau 1961, und galt als Privileg von hochrangigen Personen. Erst durch den Fall der Mauer 1989 konnte die Bevölkerung der ehemaligen DDR ebenfalls uneingeschränkt verreisen (vgl. Freyer 2009, S. 16).
Das Volumen der Reisen hat seitdem in ganz Deutschland zugenommen. Durch die ökonomischen wie auch technischen Möglichkeiten finden Urlaubsreisen seit dem Mauerfall vermehrt im Ausland statt. Mitte der 50er Jahre haben vier von fünf Urlaubsreisen in der BRD stattgefunden. Seit der Jahrtausendwende sind es lediglich ein Drittel der Reisen (vgl. Kagermeier 2016, S. 62). Nach Auliana Poon können heutige Tourist:innen durch fünf Faktoren charakterisiert werden: erhöhte Kompetenz (größere Reiseerfahrung, Qualitätsanspruch und Interessensvielfalt), veränderte Wertvorstellung und Lebensstile (erlebnisorientiert, Authentizitätswunsch, Gesundheits- und Umweltbewusstsein), sozio-demographischer Wandel (flexible Arbeitszeit, mehr Freizeit, demographischer Wandel), verändertes Konsumverhalten (bewussteres Konsumieren, Affinität für Technologien) und Wunsch nach Individualität (Wahl- und Handlungsfreiheit, Erfüllung persönlicher Sehnsucht) (vgl. Poon 1993, S. 115). All diese Elemente bedingen eine Veränderung der Reiseformen und auch Reiseziele. Die modernen Tourist:innen verfolgen ein verändertes Wertesystem, in welchem sie eher eine „Gleichgewichtsethik“ als eine „Berufsethik“ anstreben. Das heißt, sie achten auf eine Balance zwischen Arbeit und Leben. Die heutigen Tourist:innen wollen sich auf der einen Seite in ihrer Arbeit verwirklichen und gleichzeitig ihre Freizeit ausgiebig kultivieren. Anders als zum 20. Jahrhundert nimmt nicht mehr die Arbeit den Schwerpunkt im Leben der Arbeiter:innen zur Selbstfindung ein, wo die Freizeit lediglich als Revitalisierungsakt der Arbeitskraft diente, sondern durch das Gleichgewicht beider Lebensrealitäten erwarten sie eine Sinnfindung (vgl. Opaschowski 2004, S. 429).
2.2.5 Zukünftige Entwicklung des Tourismus
Auch die zukünftige Entwicklung des Tourismus ist geprägt von Veränderungen.
Herausforderungen sind unter anderem eine Stagnation des touristischen
Wachstums in den traditionellen Reiseländern, der Konkurrenz- und Verdrängungswettbewerb
von touristischen Anbieter:innen, Entstehung neuer Reiseformen und die
Ungewissheit durch Krisen. Die potenziellen Reisenden haben veränderte
Ansprüche an ihre Urlaubsreise. Sie legen mehr Wert auf Authentizität und
suchen neue Zielgebiete. Sie besuchen seltener die klassischen Urlaubsregionen
und es wird zukünftig touristisches Wachstum in Asien, Afrika und Südamerika
erwartet (vgl. Freyer 2009, S. 16f.). Allerdings hat auch das Deutschland einen
hohen Stellenwert als Urlaubsziel. Knapp jede vierte Reise war eine
Inlandsreise im Jahr 2019 (vgl. FUR 2020, S. 3).
Durch die weltweite Vernetzung von Informations- und Buchungssystemen wird die Welt zukünftig noch schneller erfassbar. Die Weiterentwicklung von Technologien könnten weitere Tourismusangebote, wie e-tourism oder virtuelles Reisen, geschaffen werden. Beide Reiseformen sind jedoch streng genommen keine echten touristischen Reisen, da eine physische Ortsänderung fehlt und die Reisedauer deutlich kürzer ist als bei einer klassischen Reise (vgl. Freyer 2018, S. 2680). Dennoch können sie unser zukünftiges Reiseverhalten bestimmen und die Möglichkeiten bieten, zeitlich flexibel und mental zwischen unterschiedlichen Orten oder Zeitepochen weltweit zu wechseln. Bei Subventionierung könnte diese Form des Reisens die Destinationen wirtschaftlich unterstützen und ökologisch die Orte nicht schädigen.
Welchen Einflüssen die Nachfrage an touristischen Angeboten unterliegt, wird im kommenden Abschnitt aufgezeigt.
2.3 Grundlagen der Tourismusnachfrage
Um eine ganzheitliche Übersicht über den Tourismus zu erhalten ist es wichtig
den Bereich der Nachfrageseite genauer zu beleuchten. Für Kaspar stellt eine touristische
Nachfrage „die Bereitschaft des Touristen dar, verschiedene bestimmte Mengen
touristischer Güter zu verschiedenen bestimmten Geldmengen einzutauschen, d.h.
zu erwerben.“ (Kaspar 1986, S. 9f.). Um die Perspektiven der
Tourismusgeographie seitens der Nachfrage und der räumlichen Aspekte zu
ergründen, werden in diesem Kapitel folgende Konzepte genauer vorgestellt: die
Bedürfnispyramide nach Maslow, „Hinzu“ und „Weg-von“-Motivationen, das AIDA-Modell
und als standortbezogenes Konzept die „Theorie der zentralen Orte“ von
Christaller.
2.3.1 Bedürfnispyramide nach Maslow
Urlaubsmotive sind Aspekte die Tourst:innen – unabhängig von ihren bestimmten
Zielort – für eine touristische Reise als bedeutsam einschätzen (vgl. FUR 2014,
S. 24). Während ökonomische Einflussfaktoren, wie der Preis von Angeboten,
eine untergeordnete Größe für die Entscheidung spielen, gewinnen beispielsweise
Image des Reiselandes, Politik, Geographie, Umweltbedingungen und individuelle
Vorstellungen mehr an Bedeutung. Die touristische Nachfrage wird somit von
nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens beeinflusst. Nach Freyer
lassen sich diese Faktoren in sechs Einflussbereiche gliedern: individuelle,
gesellschaftliche, ökologische, ökonomische, staatliche und Anbieter-Einflüsse
(vgl. Freyer 2009, S. 67f.). Die individuelle Ebene wird unter anderem motiviert
durch Neugier, Aktivitäten, Erholungswunsch und Kommunikation. Die Gesellschaft
stellt geltende Normen, Werte und soziale Strukturen auf. Im Bereich Ökologie
bedingen Faktoren wie Klima, Naturraum, Urbanisierung und Wohnumfeld die
Tourismusnachfrage. Die wirtschaftliche Ebene beeinflusst die Nachfrage durch
Handelsbeziehungen, Transportkosten und Einkommenssituation. Staatliche
Einflüsse können Gesetzgebungen und Ausreisevorschriften sein. Die
Anbieter:innen beeinflussen durch Marketing, Produkte und
Preis-Leistungs-Verhältnis die touristische Nachfrage. Alle sechs
Einflussbereiche generieren die Nachfrage nach Unterkunft, Verpflegung,
Mobilität, Infrastruktur, (touristische) Angebote und Dienstleistungen der
gesamten Reise (vgl. Freyer 2009, S. 68). Diese Kategorisierungen sind nicht
trennscharf von einander zu betrachten. Es kann zu Überlagerungen der Motive
kommen. Zudem sind nicht alle Einflüsse für alle Personen subjektiv
gleichwertig und tragen darum auch unterschiedlich zur Nachfrage einer Reise
bei. Den größten Einfluss auf die Reisenachfrage haben die individuellen
Motivationen. Unter individuelle Einflüsse werden Motivationen für das Reisen
betrachtet, worunter auch Bedürfnisse fallen. Ein Bedürfnis entsteht durch das
Gefühl eines Mangels und den Wunsch diesen Mangel zu beseitigen (vgl. ebd., S.
71). Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist ein grundlegendes Element in der
Sozial-psychologie und zeigt die Kategorisierung der individuellen Bedürfnisse und
Motivationen (vgl. Maslow 1943, S. 370). In Abbildung 2 sind die fünf Ebenen
der Bedürfnishierarchie dargestellt.
Abbildung 2: Maslowsche Bedürfnispyramide (Quelle: Maslow 1943, S. 370; eigene Darstellung)
Die einzelnen Ebenen bauen aufeinander auf. Wenn die erste Stufe, die Grundbedürfnisse, befriedigt ist, möchte das Individuum die nächste Bedürfnisstufe erreichen und so weiter. Hierbei ist nicht entscheidend, dass die Bedürfnisse einer Ebene vollständig erfüllt werden.
Die Bedürfnispyramide nach Maslow bietet Erkenntnisse über die individuellen und gesellschaftlichen Einflüsse der Nachfrage zum Tourismus. Früher waren Reisen ein notwendiges Grundbedürfnis, um den täglichen Bedarf an Nahrung zu sichern. Es wurden Handelsreisen unternommen, um den Grundbedarf zu decken. Tourismus sorgt auf der Stufe Sicherheitsbedürfnisse für die Regenerierung der Arbeitskraft und fördert damit die Gesundheit. Soziale Bedürfnisse werden, neben Geschäftsreisen, durch private Besuchsreisen befriedigt. Die Etappe Wertschätzung wird erreicht, wenn eine Reise gesellschaftlich hohes Ansehen genießt – wie Bildungsreisen. Die oberste Stufe der Selbstverwirklichung beschreibt die Motivation von Reisen aus Selbstzwecken. Hier stehen im Fokus die Zufriedenheit und das Vergnügen des Individuums an der Reise und am Reiseziel. In dieser Ebene ist das heutige Verständnis vom (Urlaubs-)Tourismus einzustufen, da Reisen überwiegend mit dem Zweck des Vergnügens unternommen werden. Es zeigt sich also, dass Reisen nicht ausschließlich einem Grundbedürfnis folgen, sondern auch einen gehobenen Bedarf und Luxus darstellen (vgl. Freyer 2009, S. 72f.). Die Veranschaulichung der Motivationsgruppen in hierarchischer Form wird jedoch in der empirischen Tourismusforschung weniger beachtet. Nach Braun werden vier Motive des Reisens gleichwertig nebeneinander betrachtet und nicht aufeinander aufbauend: Erholungs- und Ruhebedürfnis (Ausruhen, Abwendung von Reizen), Bedürfnis nach Abwechslung und Ausgleich (Veränderung gegenüber dem Gewohnten, neue Anregungen und Eindrücke gewinnen), Befreiung von Bindungen (Unabhängigkeit von sozialen Strukturen, Befreiung von Pflichten), sowie Erlebnis- und Interessenfaktoren (Erlebnisdrang, Reiselust, Interesse an fremden Kulturen und Menschen) (vgl. Braun 1993, S. 200).
2.3.2 „Hinzu“ und „Weg-von“-Motivationen
Neben der Motivationsdarstellung in Form einer Pyramide lassen sich die Einflussfaktoren in zwei Kategorien einteilen: in „Hin-zu“ und „Weg-von“-Reisen. Durch die Dichotomie werden die Motivationen für den Tourismus auf diese beiden Gegensätze heruntergebrochen.
Mit „Hin-zu“-Motivationen (auch „Pull“-Faktoren genannt) werden die Motive gemeint, welche die Tourist:innen anziehen. Die Reise wird aus Gründen der Freude und des Kennenlernens neuer Naturräume, dem Spaß an sportlichen Aktivitäten oder der Bildungsneugier unternommen. Es sind Faktoren, die ein Individuum für den Aufbruch einer Reise in einen anderen Ort oder Region bewegen. Hierzu zählen auch eine politisch stabile Lage, keine Terrorgefahr oder eine sichere epidemische Lage in der Destination (vgl. Freyer 2009, S. 77).
In der Praxis als auch Theorie verliert diese Form der Motivation im Vergleich zu „Weg-von“-Reisen mehr an Bedeutung. „Weg-von“-Motive werden auch als „Push“-Faktoren bezeichnet. Hier steht vor allem der Fluchtgedanke im Fokus, also aus welchen Gründen eine Person ihren derzeitigen Lebensort verlassen möchte. Sie sehnt sich nach einem Ausgleich zu ihrem gegenwärtigen Alltag. Sie möchte Abwechslung, sich von Strukturen und Zwängen befreien, aber auch Aktivitäten ausüben, denen sie im alltäglichen Leben keine oder zu wenig Beachtung schenkt (vgl. Freyer 2009, S. 74). Dieser Ausgleich zu alltäglichen Gegebenheiten findet sich zum Beispiel im Arbeitsalltag wieder. Während die Arbeit stressig ist, Pflichten bestehen und alles terminiert ist, stellt der Urlaub die Vorstellung von Ruhe, Entschleunigung und Entspannung her. Die „Flucht“-Motivation wird häufiger zum Anlass einer Reise gewählt, als die „Hin-zu“-Motivation. In der Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) wurden 29 Elemente mit möglichen Motiven für eine Reise abgefragt, welche in zehn Gruppen mit absteigender Bedeutung, eingeteilt wurden. Zu den meist genannten Faktoren gehören: „Sonne, Wärme, schönes Wetter haben“, „Frische Kraft sammeln, auftanken“, „Abstand zum Alltag gewinnen“, „Entspannung, keinen Stress haben, sich nicht unter Druck setzen“ und „Natur erleben (schöne Landschaften, reine Luft, sauberes Wasser)“ (vgl. FUR 2014, S. 24). Auch hier bestätigt sich die Motivwahl eher in Richtung der „Weg-von“-Kategorie. Den Tourist:innen ist ein konkretes Reiseziel weniger wichtig, als die Möglichkeiten für Freizeit und Ausbruch aus den Strukturen. Sie äußern zunehmend allgemeine Vorstellungen, wie ein Land mit warmen Temperaturen oder eine konkrete Preisvorstellungen für die Urlaubsausgaben (vgl. Freyer 2009, S. 77). Anbieter:innen müssen aufgrund dieser veränderten Nachfrage ihren Kundenstamm neu definieren und sich an den Wünsche dieser orientieren, um treue Wiederholungsbesucher:innen zu gewinnen. Es ist zudem wichtig festzuhalten, dass beide Formen der Motivation nicht als klare Abgrenzung oder gegenteilig voneinander zu betrachten sind, sondern sich gegenseitig ergänzen.
2.3.3 AIDA-Modell
Um ein Grundverständnis für die Reisenachfrage seitens der Tourist:innen zu
erhalten, wird in diesem Abschnitt der Reiseentscheidungsprozess am AIDA-Modell
erläutert. Es soll zunächst zwischen den vier Phasen unterschieden. Die erste
Phase ist die motivationale Phase, in welcher dem Individuum erstmals die
eigenen Bedürfnisse nach einer Reise bewusst werden. Es kommt zum Reisewunsch.
In der zweiten Phase, der Präferenzphase, entwickelt die Person Wünsche nach
Zielen. In der nächsten Phase befindet sich der Entscheidungsprozess des
Individuums in der Bewertungsphase. Hier vergleicht die Person Reiseoptionen
und festigt ihre gestellten Ansprüche an den Zielort. In der finalen Phase
kommt es zu einer Entscheidung für eine Reise, darum wird dies auch als
Entscheidungsphase bezeichnet. Hat eine Person all diese Phasen erlebt, kommt
es zu einer Stabilisierung der Vorstellungen und einer Bewertung der Reise.
Dadurch werden zukünftige Reiseentscheidungen beeinflusst und der Kreislauf
beginnt von vorne (vgl. Kagermeier 2016, S. 75).
Das AIDA-Modell ist ein bekanntes Stufenmodell, welches die potenziellen Reisenden durchlaufen und zu ihrer Reiseentscheidung führen soll. Es geht auf den Marketingstrategen Elmo Lewis zurück. Die Bezeichnung „AIDA“ ist ein Akronym aus den Begriffen: Attention (A), Interest (I), Decision (D) und Action (A) (vgl. Lewis 1903, S. 124). „Attention“ zielt auf die Aufmerksamkeitsgenerierung der reisenden Person ab. Dies geschieht meist durch Informationsvermittlung über mündliche Weitergabe in ihrem näheren Umfeld, aber auch durch Internetpräsentation. Über den digitalen Informationsaustausch können touristische Anbieter:innen aktiv ihre Destination bewerben und ein erstes Bild des Reiseziels bei ihrer Zielgruppe erstellen. In der „Interest“-Phase wird das Interesse der Tourist:in weiter fokussiert. Durch emotionale Assoziationen, wie Slogan, Aktivitäten oder Naturräume, soll das Interesse der Person an der Destination weiter wachsen. Informationen zu konkreten Fragen der Unterkunfts- und Freizeitangebote werden ebenfalls weitergegeben. Es folgt „Desire“, also der Wunsch nach einem Besuch an diesen Zielort. Ist dieser Drang erst einmal geweckt, kommt es zur letzten Phase, nämlich „Action“. Hier hat die Person ihre Wahl über den Reiseort getroffen und geht in die Planung der Reise über. Es werden Dauer, Unterkunft, Aktivitäten, Verpflegung und Transport geplant, beziehungsweise auch gebucht. Der potenzielle Gast ist nun zum Reisenden geworden. Für Tourismusanbieter:innen gilt es nun die Erwartungen der Zielgruppe zu erfüllen und das Interesse während des Aufenthalts zu halten. Dies gelingt durch eine niederschwellige Informationsvermittlung und der Darstellung einer emotionalen Verbindung zum Gast (vgl. Kagermeier 2016, S. 75f.). So wird der Besucher:in eine Verbundenheit und kontinuierlich positive Wahrnehmung suggeriert, sodass sie die Destination mit zufriedenen Erinnerungen verbindet.
2.3.4 Theorie der zentralen Orte von Christaller
Als Beispiel für die Verteilung von Angebotsstandorten wird in diesem Kapitelabschnitt
die Theorie der zentralen Orte von Christaller beschrieben. Es soll
dadurch ein Einblick gewonnen werden, welche Bereitschaft zur
Distanzüberwindung für ein Destinationsbesuch die Tourist:innen auf sich
nehmen. Das Prinzip der zentralen Orte soll eine Gesetzmäßigkeit für die
unterschiedliche Verteilung, Größe und Funktionsebenen von städtischen Gebieten
schematisch aufzeigen (vgl. Christaller 1968, S. 4). Die Orte sind der Theorie
nach in einer zentralistischen Anordnung, also ein Gebiet um ein Zentrum (vgl.
ebd., S. 21). Die Anordnung der Orte geschieht auf Basis ihrer Bedeutung (vgl.
Abb. 3).
Nach Christaller ist „Bedeutung“ „[…] keine Summe, sondern das Ergebnis des Zusammenwirkens der wirtschaftlichen Bewohner, dieses ‚Wirken‘ ist ein Intensitätsgrad, und etwas ganz anderes als eine bloße Addition der einzelnen Wirtschaftserfolge. Dieses Zusammenwirken […] meint man, wenn man eine Stadt ‚lebhaft‘ nennt, oder ‚blühend‘, oder ‚wichtig‘“ (Christaller 1968, S. 26). Darunter versteht er die vielfältigen ökonomischen Dienstleistungen einer Stadt, welche sie bedeutender in ihrer geographischen Lage machen. Ausgehend von ihrer Bedeutung wird auch die Stadtgröße bestimmt. Das bedeutet, je bedeutsamer eine Stadt für ihr Umland ist, desto größer ist ihre flächenhafte Ausdehnung. Hat eine Stadt die höchste Bedeutungskategorie, wird sie als zentraler Ort 1. Ordnung eingestuft und es ergibt sich ein Bedeutungsüberschuss auf die umliegende Region. Ihre Funktionen erstrecken sich über ein größeres Gebiet, in welchem auch zentrale Orte von geringerer Bedeutung liegen. Zu bedeutenden Funktionen und Dienstleistungen zählen unter anderem Einrichtungen der Verwaltung, Kultur, Bildung, Gesundheitsversorgung, Mobilität und des Gewerbes (vgl. Christaller 1968, S. 139f.).
Abbildung 3: Das System der zentralen Orte (Quelle: Christaller 1968, S. 66; eigene Darstellung)
Die Dienstleistungsverteilung kann auch auf touristische Angebote übertragen
werden. Die Nachfrage nach diesen Angeboten steht,
der Theorie nach, in Abhängigkeit zum Raumüberwindungsaufwand und wird in der
Zeit-Kosten-Mühe-Relation betrachtet. Christallers Theorie geht von der Annahme
aus, dass je näher ein Angebot von den potenziellen Nachfragenden liegt, desto
häufiger wird dieses nachgefragt (vgl. Christaller 1968, S. 109f.). Dabei hängt
die Bereitschaft zur Raumüberwindung auch von der subjektiven Bedeutung und
Wertigkeit der nachgefragten Dienstleistung für den Gast ab. Ist es eine
Dienstleistung, welche regelmäßiger nachgefragt wird, wie Verpflegung einkaufen,
ist hier die Distanzüberwindungsbereitschaft im Vergleich geringer als zum
Beispiel für den Besuch eines renomierten Musicals. Es gilt jedoch, dass nicht
allgemein gesagt werden kann, welche konkreten Events oder Leistungen eine
Distanzüberwindung eher wert sind. Hier spielt die subjektive Wahrnehmung eines
Individuums eine zentrale Rolle (vgl. Kagermeier 2016, S. 38). Christallers
Theorie geht davon aus, dass sich Angebote im Raum durch möglichst wenig
Konkurrenz verteilen. Es bilden sich hexagonal angeordnete Einzugsgebiete der
Standorte. Im Zentrum dieses Einzugsgebietes befindet sich ein zentraler Ort 1.
Ordnung (sehr hohe Nachfrage). Anknüpfend daran liegen die zentralen Orte 2. Ordnung
(höheres Einzugsgebiet), sodass in den räumlichen Zwischendistanzen die zentralen
Orte 3. und 4. Ordnung liegen. Diese Gebiete sind weniger mit Dienstleistungsangeboten
versorgt, durch ihre geographische Nähe zu den zentralen Orten höherer Stufen
können sie dies jedoch gut kompensieren. Dies würde für die Tourismusnachfrage
heißen, dass Destinationen erst dann an Relevanz gewinnen, wenn sie eine entsprechende
Stadtgröße und bedeutsame Dienstleistungen erfüllen. Das Konzept der zentralen
Orte ist jedoch in der Praxis nicht auf jedes Gebiet in Deutschland anwendbar
und veränderten raumordnungspolitischen Kontexten gegenübergestellt (vgl.
Danielzyk 2002, S. 1). Die vereinfachte Kategorisierung von Orten ist im
zeitgemäßen Raumplanungsverständnis nicht möglich. Städte und Kommunen können
nicht auf einzelne Funktionen reduziert und ihnen dadurch eine „Bedeutsamkeit“
für die Region und Tourismus zugesprochen werden. Zudem wird das Handeln des
Menschen als Konsument:in ebenfalls stark vereinfacht. Durch die Globalisierung
und Weiterentwicklung des Informationsaustausch, der Transportmittel oder
Zuliefungsnetzwerke, wie zum Beispiel E-Commerce, haben sich auch die
Möglichkeiten für Angebote, Verfügbarkeiten und Distanzen verändert. Die
Zeit-Raum-Distanzen (engl. Time-Space-Compression) haben sich durch die technische
Entwicklung verringert. Durch den schnelleren und globalen Zugang zu
Informationen können auch kleine Orte mit touristischen Besonderheiten auf sich
aufmerksam machen. Dennoch bildet die Theorie von Christaller eine Grundlage
für erste Ansätze der Distanzüberwindung und Nachfrageorientierung im Raum.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es individuelle Beweggründe für Personen und ihre Reisenachfrage gibt. Diese können durch demographische Faktoren, darunter Alter, Einkommen, Wohnort oder Familienstand, aber auch durch ihre Erfahrungen und gesellschaftspolitischen Strukturen beeinflusst werden (vgl. Mason 2017, S. 14). Anbieter:innen können das Interesse von potenziellen Reisenden wecken und ihnen bei ihrer Umsetzung helfen und sie während und nach ihrer Reise begleiten. Es ist dabei wichtig zu verstehen, was die Tourist:innen motiviert und welche Möglichkeiten die Destination ihnen bieten kann.
Nachdem nun die theoretischen Begrifflichkeiten, geschichtliche Etappen des Tourismus sowie einzelne Konzepte zur touristischen Nachfrage genauer behandelt wurden, folgt nun ein Überblick zur Corona-Pandemie in Deutschland und ihre Auswirkungen auf die Tourismusbranche.
3 Stand der Forschung zum Coronavirus
Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus stellt viele Bereiche des Lebens
vor große und bislang unbekannte Herausforderungen: Es kam in vielen Bereichen zu einem gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Stillstand. Die Covid-19-Pandemie
hat der zuvor kontinuierlich wachsenden Reisebranche hohe Verluste gebracht.
Der Tourismus litt besonderes unter den Bewegungseinschränkungen. In diesem
Kapitel wird ein Überblick zur globalen Entwicklung der Corona-Pandemie
gegeben. Im Zuge dessen wird konkreter auf die Reaktionen in Deutschland
eingegangen. Der Fokus liegt hierbei auf der Ausbreitung in Deutschland, welche
Infektionsschutzmaßnahmen beschlossen wurden und wie sich durch die Beschlüsse die
Tourismussituation verändert hat.
3.1 Entwicklung und Ausbreitung der Covid-19-Pandemie
Der Name „Coronavirus“ bezieht sich auf das
Aussehen der kronenartigen Vorsprünge auf der Erregeroberfläche. „Corona“
stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Heiligenschein“ oder „Krone“. Beim
Menschen treten Coronavirus-Infektionen am häufigsten im Winter und im zeitigen
Frühjahr auf, können jedoch auch ganzjährlich erscheinen (vgl. Felman 2021). Ihren
Ausgangspunkt hat die Corona-Krise in Wuhan (China), wo der erste bekannte Fall
von Covid-19 im Dezember 2019 erste Symptome schilderte. Von hieraus verbreitete
sich das Virus SARS-CoV-2 weltweit (vgl. Lipsitch et al. 2020, S. 1194). Das SARS-CoV-2
(Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom Coronavirus Typ 2) ist eine neue Form des Coronavirus und wurde
als Auslöser für die Covid-19 Erkrankung identifiziert (vgl. RKI 2021b). Coronaviren
waren jedoch bereits vor 2019 bekannt. Forscher:innen identifizierten erstmals
1937 ein Coronavirus bei Vögeln. Wissenschaftler:innen fanden in den 1960er
Jahren Beweise für menschliche Coronaviren, durch Abstriche in den Nasen von erkälteten
Menschen (vgl. Felman 2021). Vor Beginn der Corona-Ausbreitung 2019
vermuteten die örtlichen Behörden in China, dass eine Übertragung von
Mensch-zu-Mensch (direkt Infektion) nicht wahrscheinlich ist (vgl. Da Shiji
2020). Sie gingen davon aus, dass eine Übertragung von einem Tier auf den
Menschen (Zoonose) ebenfalls unwahrscheinlich ist, da die meisten Coronaviren
nicht auf den Menschen übergehen (vgl. Felman 2021). Die meisten Wissenschaftler:innen sind sich einig, dass Fledermäuse ein
Reservoir für SARS-CoV-2 sind. Die Forschung vermutet, dass 2019 das Virus
zuerst von ihnen ausging und später Übertragung auf Schuppentiere fand und dann
auf den Menschen (vgl. Bakar & Rosbi 2020, S. 190). Nachdem die WHO
Anfang Januar 2020 den Erreger als neuartige Unterart des SARS-CoV deklarierte,
gingen zuständige Behörden von ähnlichen Bedingungen wie bei der bereits
bekannten Krankheit SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) aus. SARS
wird durch SARS-CoV verursacht, welches später zur Abgrenzung vom neu
entdeckten Coronavirus oft als SARS-CoV-1 bezeichnet wird, und löste eine
globale Pandemie in den Jahren 2002/2003 aus (vgl. WHO 2020b).
Am 30. Januar 2020 rief die WHO den Ausbruch von 2019-nCoV (novel coronavirus) zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite aus und am 12. März 2020 verkündete sie, dass die Covid-19-Ausbreitung als Pandemie zu bewerten ist (vgl. WHO 2020c; vgl. WHO 2020a). Nach globalen Echtzeitdaten sind aktuell (Stand: 16.12.2021) insgesamt 222 Länder und Gebiete von Covid-19 betroffen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind weltweit etwa 272.971.300 erkrankte Fälle mit Corona übermittelt wurden, wovon zirka 245.189.800 Personen wieder genesen und etwa 5.350.600 verstorben sind (vgl. Worldometer 2021). Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus stellt die Welt somit bis heute vor große Herausforderungen. Nahezu jedes Land hat enorme Anstrengungen unternommen, um die weitere Verbreitung von Covid-19 zu verhindern und die Zahl der Fälle und Todesfälle zu minimieren. Die Letalitätsrate, also der Anteil aller Erkrankten, die an der Krankheit verstirbt, hat sich im Verlauf der Pandemie verändert und unterscheidet sich stark zwischen den Altersgruppen und weiteren Faktoren, wie zum Beispiel Vorerkrankungen. Zur Berechnung der Letalitätsrate zählen drei Indikatoren: Der Anteil der mit dem Virus angesteckten verstorbenen Erkrankten, die Infektions-Sterbe-Rate (Anteil der Infizierten, die versterben) und der Fall-Verstorbenen-Anteil (der zunehmende Anteil der gemeldeten Fälle, der verstorben ist). Die Letalität von Covid-19 schwankt von null Prozent (jüngste Altersgruppe) bis etwa 10–30 Prozent bei den über 80-Jährigen (vgl. RKI 2021a). Es gibt jedoch Ungenauigkeiten bei der Berechnung der Indikatoren. Beispielsweise kann es zu fehlerhaften Meldezahlen kommen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass es eine unbekannte Anzahl an Personen gibt, die nicht als Covid-19-Erkrankte registriert werden. Ursachen hierfür kann ein unbemerkter Krankheitsverlauf sein, wenn durch die Krankheit für einzelne demographische Gruppen nur sehr milde Symptome auftreten oder Tests nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden. Zudem kann es Schwierigkeiten bei der Übermittlung der Daten geben oder Gesundheitszentren kapazitär überlastet sein, sodass dadurch Daten fehlen (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2020, S. 10). Dennoch bieten die Meldezahlen wichtige Anhaltspunkte für politische Entscheidungen, wie weiterhin mit der Ausbreitung umgegangen werden sollte und welche Maßnahmen notwendig sind.
Neben der Letalitätsrate schwankt auch die Zahl der Infizierten im Verlauf der Pandemie. Wie in Abbildung 4 erkennbar ist, finden anfangs die häufigsten Covid-19-Erkrankungen im Jahr 2020 in den Wintermonaten statt, während zum Frühjahr 2021 die Zahlen sichtbar sinken. Im April und Mai 2021 stiegen die Zahlen der täglich gemeldeten Infektionsfälle wieder an, wobei sie im Sommer diesen Jahres wieder sanken. Seit Herbst 2021 ist ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet. Der Kurvenverlauf zeigt starke Amplituden zwischen den verschiedenen Jahreszeiten.
Abbildung 4: Tägliche globale Meldungen neuer Infektionsfälle (Quelle: Worldometer 2021, Stand: 16.12.2021)
Ein wichtiger Parameter für die
Verbreitung des SARS-CoV-2 bildet die Basisreproduktionszahl R0. Diese Zahl
gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person durchschnittlich unter der
Bedingung, dass in der Bevölkerung keine Immunität sowie infektionspräsentive
Regelungen vorliegen, ansteckt. Wenn die Reputationszahl einer Infektion über
dem Wert 1 liegt, breitet sich diese langfristig aus. Die Basisreputationszahl
des ursprünglichen SARS-CoV-2 liegt bei einem Median von 2,8 bis 3,8. Neue
Varianten des Virus können von den Werten abweichen und eine höhere
Übertragbarkeit aufweisen (vgl. RKI 2021a).
Die Übertragung des Coronavirus geschieht über kleine Tröpfchen mit
virushaltigen Partikeln. Diese können nach Partikelgröße unterschieden werden. Die
Partikel können somit beim Sprechen, Niesen oder Handgeben übertragen werden.
Während sich größere Partikel auf Oberflächen ablagern, können Aersole auch über
längere Zeit in der Luft verweilen und sich in geschlossenen Räumen verbreiten.
Wie effektiv sich die Tröpfchen verteilen können, ist neben ihrer Größe von
weiteren Faktoren abhängig, wie der Luftzirkulation oder Feuchtigkeit des
Raumes. Die Ansteckungsgefahr ist in der Zeit wenige Tage vor und nach Symptombeginn
am größten. Eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Infektion jeglicher Partikelgrößen
geschieht schon in ein bis zwei Metern Entfernung um eine infizierte Person.
Darum wird empfohlen in Räumen regelmäßig zu lüften, den Mindestabstand von 1,5
Metern zu anderen Personen einzuhalten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen.
Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist ebenfalls möglich, da sich
hier Partikel ablagern und einige Zeit danach noch bis zu 72 Stunden infektiös
sein können. Darum sollten Oberflächen mittels Desinfektionsmittel regelmäßig gereinigt
werden (vgl. ebd).
Die auftretenden Symptome von Covid-19 sind von Person zu Person unterschiedlich und können auch in ihrer Intensität abweichen. Zu den häufigsten Symptomen zählen: Husten, Fieber, Schnupfen und die Störung des Geruchs- und Geschmackssinns. Weitere Symptome können Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall oder Lymphknotenschwellung sein (vgl. RKI 2021a.). Eine Erkrankung kann aber auch symptomlos ablaufen. Dies steht häufig in Abhängigkeit zu demographischen Faktoren oder Vorerkrankungen. Bei folgenden Personengruppen wurde ein schwerer Krankheitsverlauf beobachtet: ältere Menschen ab 50 Jahren, Raucher:innen, adipöse Menschen, Schwangeren, Personen mit Trisomie 21, sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, wie Herz-Kreislauf-System, chronische Lungenerkrankungen, einer Krebserkrankung oder einem geschwächten Immunsystem. Diese Symptome können etwa 2 bis 14 Tage anhalten. Im schlimmsten Fall kann der Krankheitsverlauf tödlich enden (vgl. Bakar & Rosbi 2020, S. 190). Es muss jedoch erwähnt werden, dass auch Personen ohne Vorerkrankung und jüngerer Altersgruppen einen schweren Verlauf durchleben können (vgl. RKI 2021a).
Um die Übertragung von Covid-19 einzudämmen, werden gesellschaftliche wie auch politische Maßnahmen aktiviert. Die WHO empfiehlt der Bevölkerung darum, sich zu impfen (wenn ein Impfstoff vorhanden ist), mindestens einen Meter Abstand zu anderen Personen zu halten (auch wenn diese nicht krank erscheinen), einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen (wenn keine Distanzierungsmöglichkeiten bestehen oder in geschlossenen Räumen), in geschlossenen Räumen regelmäßig zu Lüften, regelmäßig gründlich Hände zu waschen, beim Husten oder Niesen den Mund und die Nase zu bedecken sowie bei physischen Unwohlseins zu Hause zu bleiben. Zusätzlich sollte sich jede Person selbstständig regelmäßig über Neuigkeiten der Pandemieentwicklung infomieren (vgl. WHO 2021). Auf politischer Ebene wurden in vielen Ländern ebenfalls weitreichende gesundheitspolitische Gegenmaßnahmen beschlossen. Hierzu zählt unter anderem kontaktreduzierende Maßnahmen. Ziel jener erwähnten Maßnahme ist es, die Ausbreitungsgeschwindigkeit zu reduzieren und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2020, S. 6). Dadurch soll zudem das Infektionsrisiko für die genannten Risikogruppen minimiert werden. Durch die Eindämmung wird die Strategie der „flatten the curve“ angewandt. Die Kurve charakterisiert dabei die Infektionskurve, also die Anzahl von infizierten Personen, welche eine medizinische Versorgung benötigen. Der Hochpunkt der Kurve beschreibt die maximale Personenanzahl, welche zum jeweils aktuellen Zeitpunkt infiziert sind. Bei einer unkontrollierten Ausbreitung des Virus kommt es zu einer höheren Auslastung des Gesundheitssystems: Mehr Infizierte benötigen in einer kurzen Zeit medizinische Betreuung durch Intensiv- und Beatmungskapazitäten. Eine abgeflachte Kurve zeigt hingegen eine Senkung der Infektionszahlen und soll dadurch die Kapazität des Gesundheitssystems kontinuierlich sicherstellen (vgl. ebd., S. 15).
Der WHO-Pandemieplan WHO Pandemic Influenza Risk Management – WHO Interim Guidance (2013) zeigt die vier globalen Phasen einer Pandemie auf. Diese Phaseneinteilung dient der WHO zur Kommunikation von Szenarien – die betroffenen Länder sollten zusätzlich selbst eine nationale Risikoeinschätzung der epidemologischen Situation vornehmen. Die vier wesentlichen Phasen sind: die interpandemische Phase, die Alarm-Phase, die pandemische Phase und die Übergangsphase (vgl. WHO 2013, S. 6f.). Die erste Phase (interpandemische Phase) bezeichnet den Zeitraum zwischen Pandemien. Die Alarm-Phase ist die Phase, in der eine Krankheit durch eine neue Variante eines Virus beim Menschen identifiziert wird. In dieser Phase sind eine erhöhte Aufmerksamkeit und sorgfältige Risikobewertung auf lokaler, nationaler und globaler Ebene geboten. Wenn die Risikobewertungen darauf hindeuten, dass sich das neue Virus nicht zu einer pandemischen Belastung entwickelt, kann schon in dieser Phase eine Deeskalation der Situation erfolgen. Im Bezug auf das Coronavirus warnte in diesem Phasenabschnitt im Februar 2020 die WHO, dass sich das Virus zu einer weltweiten Pandemie ausweiten könnte. Die nächste Phase (pandemische Phase) beschreibt die Periode, bei der es zu einer globalen Ausbreitung des Virus kommt. Die Entwicklung zur Pandemie kann sehr schnell erfolgen. Die Risikobewertung der WHO basiert auf aktuellen virologischen, epidemiologischen und klinischen Datenbeständen (vgl. ebd., S. 7). Während dieser Phase wurde in Deutschland der Nationale Pandemieplan des RKI (2017) angewandt (siehe Kapitel 3.2). Zudem wurden in den einzelnen Bundesländern Pandemiepläne entwickelt, um Maßnahmen föderal umzusetzen (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2020, S. 14). In der letzten Phase, der Übergangsphase, wird die globale Infektionssituation als gering bewertet. Es können schrittweise Auflösungen beziehungsweise Reduzierungen globaler Maßnahmen oder Bewegung in Richtung Wiederherstellungsmaßnahmen gewohnter Aktivitäten folgen (vgl. WHO 2013, S. 7). Beim Abklingen einer Pandemie kann es zu verzögerten Infektionswellen kommen. Ein koordinierter Ausstieg aus der Pandemie („Exit-Strategie“) muss eingeleitet werden (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2020, S. 14). Diese Phasen bieten eine Grundlage für die Wahl von politischen Entscheidungen zur Verhinderung einer unkontrollierten Ausbreitung des Coronavirus. Zudem können mögliche Szenarien national interpretiert werden und auf absehbare Entwicklungen frühzeitig reagiert werden. Welche Reaktionen in Deutschland aufgrund der Covid-19-Pandemie beschlossen wurden, wird im folgenden Kapitel genauer beleuchtet.
3.2 Coronavirus in Deutschland
In diesem Kapitel soll eine kurze Übersicht über die wichtigsten Etappen der Corona-Entwicklung
in Deutschland dargelegt werden. Dazu gehören konkrete Maßnahmen, aktuelle
Zahlen sowie wirtschaftliche Auswirkungen durch das Coronavirus.
- Citation du texte
- Anne Rauchbach (Auteur), 2021, Tourismus in Zeiten von Covid-19. Erfahrungen und Umsetzungskonzepte der Stadt Görlitz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273652
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