Das 19. Jahrhundert ist von politischen Revolutionen, wissenschaftlichen Errungenschaften,
technischen Innovationen und einer noch nie dagewesenen globalen Vernetzung von Menschen,
Staaten und Märkten geprägt. Die Tatsachen, dass Zeitgenossen im 19. Jahrhundert die
Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen bemerkten und dass eine Definition des Begriffs
„Weltwirtschaft“ auch zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftaucht,
geben Anlass dazu, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten im 19.
Jahrhundert im Hinblick auf den Beginn der frühen europäischen Weltwirtschaft näher zu
analysieren und sie zum Gegenstand dieser Arbeit zu machen. Der Fokus liegt dabei auf der
Leitfrage, wann sich ein möglicher Beginn der europäischen Weltwirtschaft setzen lässt.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Europäische Weltwirtschaft – Begriffserklärung
2. Hauptteil
2.1 Die Entstehung der globalen Wirtschaft
2.1.1 Frühe Wirtschaftsformen
2.1.2 Politische Umwälzungen und technologische Innovationen im 18. und 19. Jahrhundert
2.1.3 Erste Schritte zu einer Freihandelspolitik
2.1.4 Allgemeine infrastrukturelle Änderungen
2.1.5 Die Bedeutung der neuen Transport- und Kommunikationstechnologien für die Weltwirtschaft
2.1.6 Zusammenfassung und Bewertung
2.2 Europa und die Weltwirtschaft
2.3 Periodisierung
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vorwort
Das 19. Jahrhundert ist von politischen Revolutionen, wissenschaftlichen Errungenschaften, technischen Innovationen und einer noch nie dagewesenen globalen Vernetzung von Menschen, Staaten und Märkten geprägt. Die Tatsachen, dass Zeitgenossen im 19. Jahrhundert die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen bemerkten und dass eine Definition des Begriffs „Weltwirtschaft“ auch zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftaucht, geben Anlass dazu, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten im 19. Jahrhundert im Hinblick auf den Beginn der frühen europäischen Weltwirtschaft näher zu analysieren und sie zum Gegenstand dieser Arbeit zu machen. Der Fokus liegt dabei auf der Leitfrage, wann sich ein möglicher Beginn der europäischen Weltwirtschaft setzen lässt.
1.2 Europäische Weltwirtschaft – Begriffserklärung
Wenn von der europäischen Weltwirtschaft gesprochen wird, dann bedarf es erst einmal der Erklärung, was unter „Europa“ zu verstehen ist. Würde als Voraussetzung für eine wirtschaftliche Beziehung zwischen Europa und der Welt gelten, dass alle Staaten Europas gleichberechtigte Partner sind, hätten wir nicht einmal heute eine europäische Weltwirtschaft. Genauso wenig partizipieren nicht alle Staaten im gleichen Maße an der globalen Wirtschaft und noch minder war es früher der Fall. Weil auf jedem Kontinent Kluften zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit der einzelnen Staaten bestanden bzw. bestehen, ist der Terminus „Europa“ in diesem Zusammenhang näher zu definieren.
Seit die Welt einen Handel zwischen Europa und anderen Kontinenten kennt – also beginnend mit dem 14. Jahrhundert – lag die größte Ausprägung wirtschaftlichen Handelns im Süden Oberitaliens, in der Region Flandern-Brabant und im Mittelmeerraum. Die Handelszentren Oberitalien und Flandern-Brabant kommunizierten über eine Kontinentalachse, die sich im 15. Jahrhundert nach Westen verschob und entlang des Rheins über den oberdeutschen Raum und den Alpenpässen nach Süden führte. Wichtige Städte auf dieser Achse waren Antwerpen, Frankfurt, Augsburg, Nürnberg und Venedig.[1]
Selbstverständlich spielten bereits in römischer Zeit der Mittelmeerraum und die Ostküste Italiens eine herausragende Rolle, was sich bis in die Frühe Neuzeit fortsetzte. Doch mit der Entdeckung des Seewegs nach Indien über das Kap der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama 1488, der Karibik und Amerika Ende des 15. Jahrhunderts, eröffneten sich neue Perspektiven für die nordwesteuropäischen Länder. Der Zugang zu neuen Ländern über den Atlantik und der direkte Zugang über die See nach Indien führten zur Verlagerung des wichtigsten Stapelplatzes für Gewürze von Venedig nach Antwerpen. Großbritannien und in der Frühen Neuzeit besondere die Niederlande stiegen zu den wirtschaftlichen Zentren Europas auf. In diesem Zusammenhang wurde Nordwesteuropa überhaupt zum Begriff. Wenn also im weiteren Verlauf von europäischer Weltwirtschaft gesprochen wird, dann grenzt sich „Europa“ in (Süd-)Westeuropa, genauer in die Staaten England, Niederlande, Frankreich, die Gebiete in Oberdeutschland und im Ostseeraum, Oberitalien (und Neapel) und die Iberische Halbinsel ab.[2]
Der Begriff „Weltwirtschaft“ tauchte zum ersten Mal 1826 bei Karl Heinrich Rau auf: „Der Güterverkehr der Menschen erstreckt sich über die Grenzen des einzelnen Staates hinaus und verbindet mehrere Länder, selbst Erdteile miteinander. Deshalb ist die Annahme einer großen Weltwirtschaft, die wenigstens alle gebildeten Völker der Erde umschlingt, nicht unstatthaft.“[3] Interessant hierbei ist der Begriff „Güterverkehr“. Sicherlich gab es Transportmöglichkeiten vor der Industrialisierung, aber die Möglichkeiten, im 19. Jahrhundert dampfbetriebene Fahrzeuge wie Eisenbahnen oder Schiffe zu bauen, veränderten die Beziehungen zwischen den Staaten in jeglicher Hinsicht, ja intensivierten sie auch. „In Europe the spread of the railway led to […] the creation of the large markets necessary for industralization. […] Outside North America and Europe, railways were essentially instruments of the expansion of the world economy.”[4]
Autoren wie Fritz Rörig und Bruno Kuske befolgen die Auffassung, dass zwischen der „alten“ und der „neuen“, also ab dem 19. Jahrhundert einsetzenden Weltwirtschaft, nur die Quantität der einzige Unterschied sei.[5] Rörig stellt weiter fest, dass nur die Funktion einer bestimmten Menge der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen innerhalb einer bestimmten Zeit maßgebend sei.[6] Somit wäre also Weltwirtschaft je nach Epoche immer wieder neu zu definieren. Das erscheint im ersten Moment sicherlich nicht verkehrt, zumal viele Begriffe Epochen bezogen neu verstanden werden müssen. Allerdings verhält es sich mit dem Begriff Weltwirtschaft anders, weil er erstmals als Begriff erst im 19. Jahrhundert auftauchte und die Definitionen für Weltwirtschaft sehr kontrovers waren. Allgemein gesehen beinhalten alle Definitionen den Faktor der Arbeitsteilung. Hans Pohl stellt 1989 zwar fest, „…daß Weltwirtschaft nicht als bloße Summe oder auch ‚Inbegriff‘ von wirtschaftlichen Beziehungen verstanden werden kann, sondern als zusammenhängendes Gebilde“[7], aber trotzdem ist eine moderne und in ähnlicher Fassung verbreitete Definition aus Meyers Großem Taschenlexikon für Weltwirtschaft immer noch folgende: „Die Weltwirtschaft ist die „Gesamtheit der globalen und wirtsch. Beziehungen zw. versch. Staaten der Erde, die durch Außenhandel, internat. Arbeitsteilung sowie Austausch von Arbeitskräften, Kapital und techn. Wissen zw. unterschiedl. Volkswirtschaften entstanden sind […].“[8] Oder eine andere von Rolf Walter: „Generell alle Beziehungen und Verflechtungen, die durch internationale Transaktionen (Handel, Bewegung von Faktoren wie z.B. (Human-)Kapital, Arbeit, Wissen) zwischen den Märkten entstehen. […] „Wesentliche Komponenten der Weltwirtschaft sind die internationale Arbeitsteilung und gegenseitige Beziehungen (Interdependenzen) unterschiedlicher Intensität.“[9]
Ein Vergleich mit der Definition für Wirtschaft im selben Lexikon lässt feststellen, dass bei der Weltwirtschaft nur das internationale Moment und der Aspekt der internationalen Arbeitsteilung dazukommen.
Die Weltwirtschaft ist nicht mit dem Welthandel gleichzusetzen; letzteres ist ein Bestandteil davon. Wichtiger Bestandteil neben dem Welthandel sind – wie in der Definition genannt – die internationale Arbeitsteilung (und damit verbunden später auch die Globalisierung), der Austausch, das bedeutet also die Bewegung der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Wissen. Was in der Definition an den Produktionsfaktoren nicht genannt wird, ist auch der einzige Faktor, der nicht mobil ist: nämlich der Boden.
Gegenstand des nächsten Kapitels wird es sein, anhand der Begriffserklärung in diesem Unterkapitel zu überprüfen, wann die Kriterien für eine europäische Weltwirtschaft geschaffen waren.
2. Hauptteil
2.1 Die Entstehung der globalen Wirtschaft
2.1.1 Frühe Wirtschaftsformen
Angenommen, es hätte schon vor 2000 Jahren eine Weltwirtschaft gegeben (Kuske) und sie hätte sich im Laufe der Zeit stärker verflechtet. Dann würde das zumindest voraussetzen, dass die Produktionsfaktoren Boden, Arbeit, Kapital und Wissen und derer internationaler Austausch und damit auch eine Form der internationalen Arbeitsteilung schon damals existiert haben müssen. Sie haben wahrscheinlich in einer Form existiert. Die Frage, die sich hierbei automatisch ergibt, ist: Hat sich im Laufe der Zeit nur die Quantität (Kuske) oder auch die Funktion und Bedeutung dieser Produktionsfaktoren verändert (Rörig)? Das soll nun etwas genauer erläutert werden: Das Mittelmeer spielte bereits in der Antike als ein außerordentlich wichtiger Handelsraum eine immense Rolle. Allerdings machte ein fehlender wirtschaftlicher Austausch mit weiter entfernten, zu der Zeit noch unbekannten Kontinenten wie Amerika die wirtschaftlichen Tätigkeiten noch keinesfalls zu einer Weltwirtschaft. Spätestens aber ab dem 17. Jahrhundert im Rahmen des Dreieckshandels, als bereits Handel und damit auch Wissens- und kultureller Austausch zwischen Europa und Amerika, dem Nahen und Fernen Osten, Australien und Neuseeland bestand, müsste eigentlich eine Weltwirtschaft existiert haben, zumal immerhin eine Arbeitsteilung zwischen Amerika und Europa bestand, denn in den Plantagen in Nordamerika wurden die Rohstoffe herangezüchtet, die dann zur weiteren Verarbeitung nach Europa verschifft wurden. Aber auch Afrika spielte als Exporteur – zum Beispiel von Gold und Sklaven – eine wichtige Rolle. Aus Südamerika kamen Holz, Silber und Gold, aus Indien exotische Gewürze und aus Australien und Neuseeland kamen zwar primär keine Rohstoffe, aber sie dienten als wissenschaftliche Untersuchungsobjekte und bodentechnisch als nutzbare Fläche für spätere Expansionen. Es soll an dieser Stelle nochmal darauf hingewiesen werden, dass zur Wirtschaft jegliche Beziehungen, also auch kulturelle, politische, technologische und nicht nur handelstechnische gehören.[10]
Im Großen und Ganzen scheint also schon einst eine Weltwirtschaft existiert zu haben. Das ließe dann die Schlussfolgerung zu, dass seit dem späten 17. Jahrhundert bis heute über 300 Jahre lang eine Weltwirtschaft bestanden hat, die mit einem einzigen Begriff erfassbar ist, die sich nicht elementar, sondern nur quantitativ und qualitativ verändert hat.
[...]
[1] Walter, Rolf: Geschichte der Weltwirtschaft. Eine Einführung, Köln 2006, S. 118 ff.
[2] Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft. Geschichte der Weltwirtschaft von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg (= Wissenschaftliche Paperbacks 24 Sozial- und Wirtschaftsgeschichte), Stuttgart 1989, S. 258 ff.
[3] Ebd. S. 10.
[4] Kenwood, A. G. / Lougheed, Alan L.: The growth of the international economy 1820-2000, London u.a. 1999, S. 13.
[5] Pohl, Hans: Aufbruch der Weltwirtschaft. Geschichte der Weltwirtschaft von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg (= Wissenschaftliche Paperbacks 24 Sozial- und Wirtschaftsgeschichte), Stuttgart 1989, S. 23.
[6] Ebd. S. 24.
[7] Ebd. 17.
[8] „Weltwirtschaft“, in: Meyers Großes Taschenlexikon (2003), S. 8331.
[9] Walter, Rolf: Geschichte der Weltwirtschaft. Eine Einführung, Köln 2006, S. 6.
[10] Walter, Rolf: Geschichte der Weltwirtschaft. Eine Einführung, Köln 2006, S. 167 ff.
- Arbeit zitieren
- Claudio Praiano (Autor:in), 2008, Der Beginn der europäischen Weltwirtschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127343
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