Im Rahmen dieser Hausarbeit soll die Frage beantwortet werden, wie der Sachverhalt der Identität von 0,999... = 1 für Schüler*innen mathematisch verständlich im Mathematikunterricht argumentiert werden kann. Hierzu wird insbesondere die Hypothese: „Beweise zur Frage ‚0,999… = 1‘ sind für Schüler*innen der Sekundarstufe I zu kompliziert und daher ungeeignet“ untersucht. Daher sollen Beweise im Hinblick auf ihre didaktische Eignung für den modernen Mathematikunterricht analysiert werden und es soll erörtert werden, welches Vorwissen für diese Beweise notwendig ist. Abschließend soll auf Basis dieser Ergebnisse eine Einschätzung darüber getroffen werden, für welche Klassenstufe die jeweilige Begründung geeignet ist und welche mathematikdidaktischen Lernziele damit verfolgt werden können.
Um diese Ziele der Hausarbeit zu erfüllen, werden im Anschluss an die Einleitung die von Ludwig Bauer empirisch untersuchten Schülergrundvorstellungen und Grundverständnisse zu diesem Sachverhalt dargestellt. In den Folgenden Kapiteln (3 und 4) werden drei Beweisarten vorgestellt. Die ersten beiden Beweise sind der fachdidaktischen Argumentationsart zuzuordnen. Im Anschluss wird eine fachmathematische Argumentation gezeigt, hierbei bezieht sich die Hausarbeit auf die Ausführungen von Deiser et al. (2012). Anschließend werden diese Beweise mit den am Anfang dargestellten Schülergrundvorstellungen im Hinblick auf die sinnvolle didaktische Verwendung im Mathematikunterricht diskutiert, hierbei wird Bezug genommen auf Fehlvorstellungen im Bereich von Folgen und Grenzwerten. Zum Schluss wird ein Fazit mit einem abschließenden Ausblick dargestellt, wie ein Mathematikunterricht ausgebaut werden kann um diesen Fehlvorstellungen und Fehlverständnisse präventiv entgegenzuwirken.
Gliederung
1 Einleitung
2 Schülergrundvorstellungen
3 Fachdidaktische Argumentationsarten
3.1 Argument: Erweiterung von Brüchen
3.2 Argument: Visualisierung von Folgen und Funktionen
4 Fachmathematische Argumentationsarten
5 Diskussion
6 Fazit / Ausblick
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Durch die Einführung der reellen Zahlen im Mathematikunterricht entstehen fachmathematisch fragliche Vorstellungen der reellen Zahlen und unendlicher Dezimalzahlen. Im Jahr 2008 wurde der damals 18-Jährige Abiturientin Lina Elbers von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung ein Preis verliehen, sie stellte dem Berliner Mathematiker Ehrhard Behrends die Frage warum 0,9 nicht kleiner als 1 sei (“Preis Für Rechen-as: Schülerin Stellt Klügste Mathefrage,” 2008). Infolgedessen bat Ehrhard Behrends seine Kolleginnen in einer Mathematik-Fachzeitschrift um Vorschläge diese Frage angemessen und fachmathematisch richtig für Schülerinnen zu erklären (“Preis Für Rechen-as: Schülerin Stellt Klügste Mathefrage,” 2008).
Im Rahmen dieser Hausarbeitsoll die Frage beantwortet werden, wie der Sachverhalt der Identität von 0,9 = 1 für Schülerinnen mathematisch verständlich im Mathematikunterricht argumentiert werden kann. Hierzu wird insbesondere die Hypothese: „Beweise zur Frage ,0,999. = 1‘ sind für Schülerinnen der Sekundarstufe I zu kompliziert und daher ungeeignet“ untersucht. Daher sollen Beweise im Hinblick auf ihre didaktische Eignung für den modernen Mathematikunterricht analysiert werden und es soll erörtert werden, welches Vorwissen für diese Beweise notwendig ist. Abschließend soll auf Basis dieser Ergebnisse eine Einschätzung darüber getroffen werden, für welche Klassenstufe die jeweilige Begründung geeignet ist und welche mathematikdidaktischen Lernziele damit verfolgt werden können.
Um diese Ziele der Hausarbeit zu erfüllen, werden im Anschluss an die Einleitung die von Ludwig Bauer empirisch untersuchten Schülergrundvorstellungen und Grundverständnisse zu diesem Sachverhalt dargestellt. In den Folgenden Kapiteln (3 und 4) werden drei Beweisarten vorgestellt. Die ersten beiden Beweise sind der fachdidaktischen Argumentationsart zuzuordnen. Im Anschluss wird eine fachmathematische Argumentation gezeigt, hierbei bezieht sich die Hausarbeit auf die Ausführungen von Deiser et al. (2012). Anschließend werden diese Beweise mit den am Anfang dargestellten Schülergrundvorstellungen im Hinblick auf die sinnvolle didaktische Verwendung im Mathematikunterricht diskutiert, hierbei wird Bezug genommen auf Fehlvorstellungen im Bereich von Folgen und Grenzwerten (vgl. Bender, 1991). Zum Schluss wird ein Fazit mit einem abschließenden Ausblick dargestellt, wie ein Mathematikunterricht ausgebaut werden kann um diesen Fehlvorstellungen und Fehlverständnisse präventiv entgegenzuwirken.
2 Schülergrundvorstellungen
Ludwig Bauer untersuchte im Rahmen einer empirischen Studie 256 Schüler*innen aus insgesamt 11 Klassen von drei unterschiedlichen bayrischen Gymnasien in den Klassenstufen von 7 bis 12. Den 256 Teilnehmenden wurde ein vom Autor entwickelter Fragebogen vorgelegt welcher in Einzelarbeit bearbeitet werden sollte. Das Augenmerk richtete sich in dieser Untersuchung auf die Frage: „Statt 0,999... (immer so weiter) schreibt man auch 0,9. Welche der folgenden Aussagen ist richtig?“ (Bauer, 2009, S. 80). Die Schüler*innen sollten mit einer Begründung ankreuzen, ob 0,9 < 1, 0,9 = 1 oder 0,9 > 1 gilt. Ziel seiner Arbeit sei es gewesen „Schülerinnen- und Schülervorstellungen zu 0,9 zu erheben und zu analysieren“ (Bauer, 2009, S. 81), die Ergebnisse dieser Analyse soll im Folgenden dargestellt werden.
In der quantitativen Auswertung konnte gezeigt werden, dass bei einer Betrachtung der Gesamtpopulation etwa 70 % die Vorstellung vertraten 0,9 sei kleiner als 1. Demnach seien etwa 30 % der Auffassung 0,9 sei nicht kleiner als 1. Die stärkste Skepsis zu 0,9 = 1 gab es in dem Grundkurs der 12. Klassenstufe. Bauer (2009, S. 88) kommt hierbei zu der Schlussfolgerung, dass eine intensive Beschäftigung mit dem Thema der Infinitesimalmathematik zu einer Verstärkung der Ablehnung von 0,9 = 1 führt (vgl. Kapitel 5 - Diskussion, S. 11 f.).
Unter einer qualitativen Betrachtung stellt Bauer dar, dass sich vor allem Schüler*innen der Sekundarstufe I 0,9 und 1 als zwei unterscheidbare Zahlen mit einem reellen Abstand vorstellen. In der Sekundarstufe II werden vermehrt Folgen und Grenzwerte zur Argumentation verwendet, hierbei hebt der Grenzwert die Grundvorstellung hervor, dass 0,9 < 1 sei. Denn man könne 0,9 als Limes für x gegen 1 betrachten, demnach nähere sich 0,9 zwar 1 an wird jedoch nie 1. In diesem Sinne nehmen Schüler*innen an, 0,9 sei nur 1, falls man im Sinne eines Rundungsverfahrens 0,9 « 1 setzt. Bauer (2009, S. 90) wertete ebenso aus, dass manche befragten Schüler*innen 0,9 < 1 als eine Selbstverständlichkeit annehmen und infolgedessen mathematische Beweise hierzu nicht notwendig seien.
Jedoch gab es, wie in der quantitativen Analyse gezeigt auch Schüler*innen mit der Auffassung 0,9 sei gleich 1. Argumentiert wurde dieses unter anderem dadurch, dass der reelle Unterschied zwischen der Folge 0,9 und 1 unendlich klein wird und dadurch 0,9 = 1 gilt (Bauer, 2009, S. 91). Damit nähere sich nach den Teilnehmenden 0,9 der Zahl 1 immer weiter an.
Zusammenfassend konnte die Studie zeigen, dass Schüler*innen in allen untersuchten Klassenstufen Fehlvorstellungen und Fehlverständnisse im Bereich der Infinitesimalmathematik aufgewiesen haben. Es wird im Allgemeinen angenommen, jede reelle Zahl habe in den reellen Zahlen eine eindeutige Dezimaldarstellung. Die befragten Schüler*innen interpretierten die unendliche Dezimalzahl 0,9 als einen direkten Vorgänger von 1, woraus sich der Ausdruck 0,9 < 1 verfestigt. In diesem Sinne wird in der Folgenbetrachtung 0,9 + 0,09 + 0,009 + ... für unendlich Summanden die Zahl 1 als Grenzwert betrachtet, wobei in der Vorstellung eines Grenzwertprozesses einer Folge der reelle Grenzwert nicht erreicht werden kann und sich nur annähere.
3 Fachdidaktische Argumentationsarten
Bei fachdidaktischen Argumentationstypen handelt es sich meist um elementare Beweise, das heißt es wird sich auf bekannte Konzepte aus der Schulmathematik bezogen. Hierdurch können Schüler*innen einerseits den Argumentationsgang besser nachvollziehen, allerdings entstehen durch elementare fachdidaktische Beweise meist fachmathematische Probleme. Im Folgenden werden zwei fachdidaktische Argumentationstypen analysiert und auf ihre didaktische Eignung untersucht.
3.1 Argument: Erweiterung von Brüchen
Ein sehr einfacher und für Schüler*innen leicht zu verstehender Ansatz wird durch die Erweiterung und das Wissen von Brüchen als Darstellungsform von Dezimalzahlen gestellt. In diesem Sinne führt das Lehrbuch „Elemente der Mathematik“ für die Klassenstufe 6 diesen Sachverhalt ein. Die Schüler*innen sollen „[...] den periodischen Dezimalbruch 0,9 in einen gewöhnlichen Bruch [umwandeln]“ (Bruder & Griesel, 2015, S. 179). Im Anschluss soll von den Schüler*innen eine Argumentation zu der Identität von 0,9 = 1 verstanden werden können und diese „Entdeckung“ (Bruder & Griesel, 2015, S. 179) sprachlich festgehalten werden.
Eine Grundlage hierzu legt das Niedersächsische Kultusministerium (2015, S. 23) als verpflichtende Kompetenz zum Ende des 6. Schuljahrganges in der gymnasialen Schulbildung unter den inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen fest, hierzu zählen das dem Deuten von Brüchen als Verhältnisse und Anteile. Ebenso sollen Schüler*innen Dezimalzahlen als Darstellungsform für Brüche deuten und die Umwandlung der einen Form in die andere Form durchführen können (Niedersächsische Kultusministerium, 2015, S. 23).
Den Schüler*innen sollte somit im Sinne des Kerncurriculums der gymnasialen Bildung bis zum Ende des 6. Schuljahres bekannt sein, dass 0,333... = 1. Mit dieser Voraussetzung erweitern wir die beiden Seiten der Gleichung mit dem Faktor 3 und erhalten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Als Vorwissen müssen die Schüler*innen Grundlagen des Bruchrechnens bekannt sein und Kenntnisse von Rechenoperationen bei Brüchen und Dezimalzahlen. Als Grundlagen des Bruchrechnens sollten, wie im Kerncurriculum des Niedersächsische Kultusministeriums (2015) angegeben, Umformungen von Brüchen in Dezimalzahlen gegeben sein. Dieses wird benötigt um die Voraussetzung des Beweises verstehen zu können benötigt, siehe 0,3 = 1/3.
Des Weiteren wird an der Stelle 3 • 0,333. = 3 • 1/3 die Kenntnis von äquivalenten Rechenoperationen benötigt. Denn die Schüler*innen sollen verstehen, dass das beidseitige Faktorisieren eine äquivalente Aussage liefert. Es werden allerdings noch keine weitergehenden Kenntnisse von Äquivalenzumformungen in Gleichungssystemen benötigt. Diesen Argumentationsschritt können Schüler*innen Ende des 6. Schuljahres bereits nachvollziehen und als äquivalent wahrnehmen.
An dieser 3 • 0,333. = 3 • 1/3 ⇔ 0,999. = 1 Stelle der Argumentation wird die Ausführung der Rechenoperation als bekannt vorausgesetzt. Rein fachmathematisch werden an diesem Punkt Rechenoperationen ausgeführt, welche a priori nicht geklärt worden sind (Hochmuth et al., o.D., S. 1). Rechnungen auf diese Art sind fachmathematisch nicht zulässig, da keine Definition hierzu vorliegt.
Diese Art der Argumentationsführung ist für Schüler*innen der 6. Klassenstufe leicht zu verstehen, allerdings werden solche Erklärungen fachmathematisch als problematisch herausgestellt (Hochmuth et al., o.D., S. 1).
Es können basierend auf diesen Beweis folgende Lernziele erreicht werden:
- Die Schüler*innen können mithilfe elementarer Bruchrechenregeln mathematische Beweise führen.
- Die Schüler*innen verstehen, dass in den reellen Zahlen Doppeldeutigkeiten in der Darstellungsweise auftreten können.
3.2 Argument: Visualisierung von Folgen und Funktionen
Ein weiterer Beweis, der für Schüler*innen leicht zu verstehen ist, ist die Betrachtung von 0,9 als Folge oder Funktion (vgl. Bauer, 2009, S. 83) mit dem Grenzwert 1. Dieses kann für Schüler*innen mithilfe ikonischer Darstellungsmethoden, wie zum Beispiel die Darstellung der Folge 0,9 in einem kartesischen Koordinatensystem gelernt werden.
Einen solchen Ansatz verfolgte das Lehrbuch Elemente der Mathematik (vgl. Griesel, 2017, S. 28-29) für die Klassenstufe 10, in Ergänzung bezieht sich dieser Abschnitt ebenso auf die Darstellungen von Bauer (2009, S. 83-84). Zu Beginn kann die Folge 0,9 rekursiv definiert werden, hierzu betrachten wir zunächst den Anfangswert für n = 1: z(1) = ^. Die Zahl zweiter Ordnung (n = 2) kann durch Addition der vorherigen Ordnung (n = 1) mit erhalten werden: z(2) = z(1) + = 0,9 + 0,09 = 0,99.
Allgemein kann man die Zahl für die n-te Ordnung erhalten durch die Formel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Grenzwert für n ➜ <n ist wohldefiniert, also insbesondere eindeutig und existent mit lim z(n) = 1.
Einen ähnlichen Ansatz stellt Bauer (2009, S. 83-84) vor. Im Folgenden wird das Argument anhand der Darstellung in einem Koordinatensystem weiter betrachten. Durch die Betrachtung einer konvergenten Folge gegen einen Grenzwert, schaffe diese Möglichkeit nach Bauer (2009, S. 83) eine Anschauliche Vorstellung, dass die Glieder der Folge in dem Koordinatensystem für größere x beliebig nahe an die Zahl 1 konvergieren.
Man definiert eine Funktion in einem Koordinatensystem mit1:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Die natürlichen Zahlen werden in der Arbeit so definiert: N = {1,2,3,...}
- Citation du texte
- Jannik Poggemann (Auteur), 2021, Didaktische Überlegungen für den Matheunterricht zu der Frage "Warum ist 0,999...= 1?", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1273336
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