Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der nationalsozialistischen Waldideologie und -politik klaffte eine gewaltige Lücke, da die NS-Machthaber durch eine Stilisierung zu einem Idealwald die kriegspolitischen Realitäten scheinbar außer Acht ließen.
Im Zuge der Autarkiebestrebungen des Dritten Reiches, die das Ziel der Selbstversorgung mit Rohstoffen hatten, wurde die nachhaltige Forstwirtschaft de facto aufgegeben und musste einer Wirtschaft, die zur Deckung des Holzbedarfs diente, weichen. Die von den Nationalsozialisten propagierte naturgemäße Waldwirtschaft wurde durch den naturgemäßen Wirtschaftswald ersetzt.
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Da die Kriegsvorbereitungen bereits vor dem Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 auf Hochtouren liefen, versteht es sich von selbst, dass der immens wichtige Rohstoff Holz in großen Mengen benötigt wurde, und somit die Versorgung mit Holz zum wichtigsten Aspekt der Forstwirtschaft wurde.
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„Wir müssen versuchen soviel wie möglich aus dem deutschen Wald herauszuholen.“ Diese Worte Hermann Görings machen deutlich, welche Ziele die nationalsozialistische Wald- und Forstpolitik anstrebte. Des Weiteren stehen sie im Widerspruch zur eigentlichen Waldideologie, die durch eine riesige Propagandamaschinerie ein bestimmtes Waldbild in der deutschen Gesellschaft zu festigen suchte. Der Dauerwaldgedanke, der zum Leitprinzip der deutschen Forstwirtschaft erhoben wurde – also der größtmögliche Holzzuwachs, nicht der höchste Geldertrag – musste der auf kriegerische Bedingungen abgestimmten Forstwirtschaft weichen. Die Dauerwaldidee war ideologisch jedoch viel näher an der NS-Waldideologie als das neue Prinzip des oben schon angeführten naturgemäßen Wirtschaftswaldes.
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Da der Wald eine besondere Bedeutung für Deutschland hatte und noch immer hat, war es enorm wichtig den Wald als etwas exklusiv Deutsches darzustellen. Die lange Verbundenheit zwischen den Deutschen und dem Wald sollte durch das nationalsozialistische Regime unterstrichen und gestärkt werden. Der deutsche Wald und das deutsche Volk wurden als untrennbar dargestellt. Diese Untrennbarkeit basiert auf einer langen Mythengeschichte, in der sich das deutsche Volk als das Waldvolk schlechthin präsentiert, und welche die Nationalsozialisten aufgriffen, um eine weitere Basis für ihre völkischen und rassischen Theorien zu haben.
Inhalt
I. Einleitung
II. Waldbilder
II. 1. Der Mythos des Waldes wird zum politischen Symbol
II. 2. Die politisch-nationalistische Waldideologie Riehls
II. 3. Die nationalsozialistische Waldideologie
III. Die NS-Instrumentalisierung des Waldes
III. 1. Der NSKG-Film Der ewige Wald
III. 2. Das Forschungsprojekt „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ des SS-Ahnenerbes
III. 3. Das Reichsforstamt: Das Projekt Wiederbewaldung des Ostens
IV. Schlussfolgerung/ Fazit
V. Literatur-/Quellenverzeichnis:
„Ewiger Wald - Ewiges Volk.
Es lebt der Baum wie du und ich, er strebt zum Raum wie du und ich.
Sein ‚Stirb und Werde’ webt die Zeit,
Volk steht wie Wald in Ewigkeit“[1].
I. Einleitung
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit der nationalsozialistischen Waldideologie und -politik klaffte eine gewaltige Lücke, da die NS-Machthaber durch eine Stilisierung zu einem Idealwald die kriegspolitischen Realitäten scheinbar außer Acht ließen.
Im Zuge der Autarkiebestrebungen des Dritten Reiches, die das Ziel der Selbstversorgung mit Rohstoffen hatten, wurde die nachhaltige Forstwirtschaft de facto aufgegeben und musste einer Wirtschaft, die zur Deckung des Holzbedarfs diente, weichen. Die von den Nationalsozialisten propagierte naturgemäße Waldwirtschaft wurde durch den naturgemäßen Wirtschaftswald ersetzt.
Der Autarkiegedanke sollte unter dem Grundsatz „Gemeinnutz steht vor Eigennutz“ umgesetzt werden, da nicht der maximale Gewinn mehr das Ziel sein sollte, sondern der Nutzen für die gesamte Volksgemeinschaft angestrebt werden sollte.[2] Diese Unabhängigkeit von Rohstoffimporten sollte Szenarien der Versorgungsengpässe, wie die des Ersten Weltkrieges, verhindern. Diese Bestrebungen wurden in einen Vierjahresplan zusammengefasst, welcher auf dem Parteitag im September 1936 von Hitler verkündet wurde. Um diesen Plan zu verwirklichen wurde am 18. Oktober 1936 eine Behörde mit Hermann Göring an der Spitze geschaffen. Laut Karlernst Friedrichs war „der gewaltige Plan des Vierjahresplans […], die deutsche Rohstoffbasis soweit wie möglich vom Auslande in den nationalen Wirtschaftsraum zu verlegen.“[3]
Da die Kriegsvorbereitungen bereits vor dem Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 auf Hochtouren liefen, versteht es sich von selbst, dass der immens wichtige Rohstoff Holz in großen Mengen benötigt wurde, und somit die Versorgung mit Holz zum wichtigsten Aspekt der Forstwirtschaft wurde.
„Wir müssen versuchen soviel wie möglich aus dem deutschen Wald herauszuholen[4] “. Diese Worte Hermann Görings machen deutlich, welche Ziele die nationalsozialistische Wald- und Forstpolitik anstrebte. Des Weiteren stehen sie im Widerspruch zur eigentlichen Waldideologie, die durch eine riesige Propagandamaschinerie ein bestimmtes Waldbild in der deutschen Gesellschaft zu festigen suchte. Der Dauerwaldgedanke, der zum Leitprinzip der deutschen Forstwirtschaft erhoben wurde – also der größtmögliche Holzzuwachs, nicht der höchste Geldertrag – musste der auf kriegerische Bedingungen abgestimmten Forstwirtschaft weichen. Die Dauerwaldidee war ideologisch jedoch viel näher an der NS-Waldideologie als das neue Prinzip des oben schon angeführten naturgemäßen Wirtschaftswaldes. „Das Wesen des Dauerwaldes kann niemand erforschen, eben weil er nationalsozialistischer Wesensart voll entspricht“; die Idee müsse, genau wie die Weltanschauung der Nationalsozialisten, „erfühlt werden“.[5]
Da der Wald eine besondere Bedeutung für Deutschland hatte und noch immer hat, war es enorm wichtig den Wald als etwas exklusiv Deutsches darzustellen. Die lange Verbundenheit zwischen den Deutschen und dem Wald sollte durch das nationalsozialistische Regime unterstrichen und gestärkt werden. Der deutsche Wald und das deutsche Volk wurden als untrennbar dargestellt. Diese Untrennbarkeit basiert auf einer langen Mythengeschichte, in der sich das deutsche Volk als das Waldvolk schlechthin präsentiert, und welche die Nationalsozialisten aufgriffen, um eine weitere Basis für ihre völkischen und rassischen Theorien zu haben.
Trotz der erkennbaren Divergenz zwischen Waldwirtschaft und ideologischem Inhalt des Waldthemas, soll der Fokus dieser Arbeit nicht auf diesem Gebiet liegen. Viel mehr sollen in dieser Arbeit die geschichtlichen Bedingungen dargestellt werden, die es den Nationalsozialisten ermöglichten ihre Waldideologie durchzuführen. Des Weiteren soll versucht werden, die Gründe für dieses spezielle Interesse der Nazis für den deutschen Wald aufzuzeigen.
Da der nationalsozialistische Propagandaapparat sowie eine eigens dafür gegründete Forschungsgemeinschaft, das SS-Ahnenerbe, sich stark darum bemühten die rassische Überlegenheit der arischen Menschen wissenschaftlich zu begründen, ist es sehr interessant zu erforschen, auf welche (kultur-)geschichtlichen Ereignisse sie sich bezogen, wie sie sie deuteten, und wieso gerade der deutsche Wald so sehr in ihrem Interesse stand.
Um die propagandistische Bedeutung des deutschen Waldes für die Nationalsozialisten zu erläutern, möchte ich die historische Verbundenheit der Deutschen mit dem Wald aufzeigen, um so die Frage nach dem Interesse der Nazis am Wald beantworten zu können.
II. Waldbilder
II. 1. Der Mythos des Waldes wird zum politischen Symbol
Die oben bereits angesprochene Verbundenheit des deutschen Volkes mit seinen Wäldern soll in diesem Kapitel das Thema sein. Hieran möchte ich die jahrtausende Alte Assoziation zwischen Deutschsein und Wald verdeutlichen.
Schon Tacitus schrieb in seinem Werk Germania aus der Zeit um circa 100 u. Z., dass „das Land […] zwar im einzelnen recht verschieden aus[sieht], […] jedoch im ganzen schaurig durch seine Urwälder oder hässlich durch seine Moore“[6] sei.
Zwar war Tacitus Werk „als der Mythos eines wilden, unzivilisierten Volkes von ihm aufgezeichnet worden und für eine stadtrömische Leserschaft bestimmt“[7], aber durch die deutschen Romantiker des 19. Jh. – darunter Jacob Grimm – zu einer ernstzunehmenden historischen Quelle erhoben worden. Die Beschreibungen Tacitus über die schon erwähnten „Urwälder“ und „vor allem von der Furcht der Bewohner Germaniens vor dem Betreten bestimmter Waldbezirke“[8] zeugen davon, dass seine Erzählung als ein so genannter „Ursprungsmythos“ gedacht war, in dem den Bewohnern Germaniens eine „geheimnisvolle Herkunft aus undurchdringlichen dunklen Wäldern“[9] zugesprochen wurde. Germania war allerdings eher eine auf innerrömische Wirkung angelegte Ethnographie der germanischen Welt und als literarischer Text gedacht[10].
Spätestens seit der Deklaration der Germania zum ersten Geschichtsbuch über die Deutschen, sind die Deutschen und ihr Wald auf eine untrennbare Weise miteinander verbunden und gelten als Waldvolk. Aber, „ob die Germanen tatsächlich glaubten, dass ihre Wälder von Göttern und Geistern belebt waren, und das Waldesdickicht deshalb verehrten […] oder mieden, mögen wir dem Autor (Tacitus) abnehmen oder auch nicht“[11]. Dennoch basiert das Bild des deutschen Nationalcharakters stark auf gerade diesen Beschreibungen. Und, vor Allem seit dem 19. Jh. wurde den Deutschen in Liedern, Romanen und Gedichten eingebläut, was der Wald für sie bedeuten sollte. Er sollte das Symbol der eigenen Herkunft und ein lebendiges Abbild ihrer kulturellen und geistigen Gegenwart[12] sein. Durch den Fehler das Werk des Tacitus als historisches Werk zu interpretieren, wurden die Erzählungen von Sitten und Bräuchen der Germanen genutzt, um die charakteristischen Eigenschaften der Deutschen davon abzuleiten. Die Deutschen wurden nunmehr als direkte Nachfahren der antiken Germanen betrachtet, was sie nunmehr als ein Waldvolk auszeichnete, da die Germanen ebenfalls als ein solches galten.
Dieser deutsche Waldmythos behauptete sich trotz aller historischen Entwicklung und unterstellt den Deutschen zu Beginn des 20. Jh. eine Identität mit den alten Germanen, die als unkorrigierbare Tatsache von Germanisten und Mythologen bewiesen wurde.
Für die Romantiker stellte der Wald einen Ort der Ruhe und Gegenstand träumender Intellektueller dar, und war somit nicht politisch gedacht, was sich jedoch bald ändern sollte.
Aber nicht nur in der deutschen Romantik wurde der Waldmythos verankert, auch in der nationalistisch geprägten Politik zur Jahrhundertwende hatte sich dieser Bezug der Deutschen zu ihrem Wald festgesetzt. Laut dem Germanisten Friedrich von der Leyen, bediente sich Fürst von Bismarck der leitenden Tendenzen der Waldforschung für seine politischen Zwecke[13]: „Aus dieser Baumvertilgung spricht nicht ein deutscher, sondern ein slavischer Charakterzug. Die Slaven und die Celten, beide ohne Zweifel stammverwandter als jeder von ihnen mit den Germanen, sind keine Baumfreunde[…]“[14]. Mit dieser Aussage des scheidenden Reichskanzlers zur angeordneten Fällung der Bäume vor dem Reichtag durch seinen Nachfolger Caprivi, unterstreicht von Bismarck die Entwicklung des Waldes vom Natursymbol zum politischen Symbol, da die Beziehung zwischen Mensch und Wald nunmehr als einer der Kernpunkte des deutschen Nationalcharakters empfunden wurde.
In anderen Worten ist zu sagen, dass die Mythenbilder der romantischen Germanenforscher, wie z. B. Grimm, ursprünglich nicht politisch gedacht waren, sondern „seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. und in der Zeit des Nationalsozialismus sehr wirkungsvoll politisch instrumentalisiert“[15] wurden.
Bevor ich jedoch dazu übergehe diese nationalsozialistische Instrumentalisierung zu analysieren, möchte ich gerne auf die weitere Entwicklung der Waldideologie eingehen.
Hierzu ist es notwendig den wohl einflussreichsten Waldideologen Wilhelm Heinrich Riehl und seine Theorien näher zu betrachten[16].
[...]
[1] Textprotokoll des Filmes Ewiger Wald (1936): Kopie im Bundesarchiv-Filmarchiv Berlin Produzent: Lex-Film Berlin/ Albert Graf von Pestalozza im Auf-trag der NSKG.
[2] Braun, Bernhard: Die Autarkiebestrebungen Deutschlands, Diss. Nürnberg 1939, S. 12.
[3] Friedrichs, Karlernst: Der zweite Vierjahresplan, ein Weg zur Weltwirtschaft oder Autarkie?(Idee und Verwirklichungsbedingungen) Diss. Münster 1938, S. 10.
[4] Anonymus: Das Reichsforstamt bei der Arbeit, in DDF 16 (1934), S. 579.
[5] Gross, Eberhard: Gedanken zum Dauerwald, in: DDF 17 (1935), S. 31.
[6] Tcitus: Germania. Lateinisch und Deutsch. Übersetzung: Joseph Lindauer. (1967), S. 11.
[7] Lehmann, Albrecht: Mythos Deutscher Wald, in: Der Bürger im Staat 51 (2001), S. 4.
[8] Ebds.
[9] Ebds.
[10] Vgl. Zechner, Johannes: Ewiger Wald und ewiges Volk: Die Ideologisierung des deutschen Waldes im Nationalsozialismus. Mit einem Vorwort von Uwe Puschner, Freising 2006 (= Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur, Bd. 15) S. 14.
[11] Lehmann, Albrecht: Von Menschen und Bäumen. Die Deutschen und ihr Wald. Hamburg 1999, S. 26.
[12] Vgl. Ebds.
[13] Vgl. Lehmann, Albrecht: Von Menschen und Bäumen. Die Deutschen und ihr Wald. Hamburg 1999, S. 26.
[14] Bismarck, Otto von: Erinnerung und Gedanke, Berlin 1932 (zuerst 1896), S. 539. (in Lehmann, S. 26).
[15] Lehmann, Albrecht: Mythos Deutscher Wald, in: Der Bürger im Staat 51 (2001), S. 4.
[16] Vgl. Lehmann, Albrecht: Von Menschen und Bäumen. Die Deutschen und ihr Wald. Hamburg 1999, S. 27.
- Citation du texte
- Karl Kovacs (Auteur), 2006, Der Wald als ideologisches Instrument im Dritten Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127321
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