Das Betriebliche Gesundheitsmanagement verfolgt das Ziel, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern und demzufolge auch den Unternehmenserfolg nachhaltig zu beeinflussen. Zu diesem Zweck kann eine Vielzahl von Maßnahmen und Führungsprinzipien verwendet werden. Mitarbeiter der Baubranche sind besonders vielen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und trotzdem wird der Gesundheit der Belegschaft in der Regel wenig Beachtung geschenkt. Daher ist es notwendig zu verstehen, ob und wie gesundheitsfördernde Maßnahmen auch in der Baubranche wirksam eingesetzt werden können.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, ob und inwiefern gesundheitsfördernde Maßnahmen die Gesundheit und somit auch die Produktivität und Arbeitsfähigkeit von Baustellenarbeitern verbessern können.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde zunächst die aktuelle wissenschaftliche Literatur analysiert, und anschließend ein quantitatives Feldexperiment durchgeführt. Spezifisch wurden bei dem Experiment verschiedene gesundheitsfördernde Maßnahmen konzipiert, welche bei sieben Baustellenarbeitern über den Zeitraum von sechs Wochen eingesetzt wurden. Standardisierte und validierte Fragebögen wurden verwendet, um die Auswirkungen auf die untersuchten Gesundheitsfaktoren, sowie die Arbeitsfähigkeit zu messen. Die Produktivität wurde mittels Beobachtung erhoben.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
1. PROBLEMSTELLUNG
2. GEGENSTAND BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT
2.1.Der Gesundheitsbegriff
2.2.Bestandteile des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
2.3.Betriebliche Gesundheitsforderung
2.4.Gesundheitsorientierte Personalarbeit und Fuhrung
2.5.Betriebliches Fehlzeitenmanagement
3. GESELLSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNGEN
4. ZIELE DES BETRIEBLICHEN GESUNDHEITSMANAGEMENTS
4.1.ErhaltundVerbesserung der Arbeitsfahigkeit
4.2.Steigerung der Attraktivitatder Arbeitgebermarke
4.3.Verbesserung des Unternehmenserfolgs durch gesteigerte Produktivitat
5. BESONDERHEITEN DER BAUBRANCHE
5.1.Muskel-Skelett-Erkrankungen
5.2.Verletzungen
5.3.Physische Gesundheit und das Alter
5.4.Fruhrente
5.5.Fachkraftemangel
6. METHODIK
7. RAHMENBEDINGUNGEN FUR DIE DURCHFUHRUNG DES FELDEXPERIMENTES
8. KONZIPIERUNG DER MABNAHMEN
8.1.Marnahmen zur Prevention vonMSE
8.2.Risikoanalyse
8.3.Marnahmenpaket
8.4.Marnahmen- Wirkungskonzept
9. DURCHFUHRUNG UND ERGEBNISSE
9.1.Entwicklung der psychischen Gesundheit
9.2.Entwicklung der physischen Gesundheit
9.3.Entwicklung der Arbeitsfahigkeit
9.4.Entwicklung der Produktivitat
10. DISKUSSION DER ERGEBNISSE
11. FAZIT
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS
12. ANHANG
Abstract
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement verfolgt das Ziel, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fordern und demzufolge auch den Unternehmenserfolg nachhaltig zu beeinflussen. Zu diesem Zweck kann eine Vielzahl von Maftnahmen und Fuh- rungsprinzipien verwendet werden. Mitarbeiter der Baubranche sind besonders vielen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und trotzdem wird der Gesundheit der Belegschaft in der Regel wenig Beachtung geschenkt. Daher ist es notwendig zu verstehen, ob und wie gesundheitsfordernde Maftnahmen auch in der Baubranche wirksam eingesetzt werden konnen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden ob und inwiefern gesund- heitsfordernde Maftnahmen die Gesundheit und somit auch die Produktivitat und Arbeitsfahigkeit von Baustellenarbeitern verbessern konnen.
Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde zunachst die aktuelle wissen- schaftliche Literaturanalysiert, und anschlieftend ein quantitatives Feldexperiment durchgefuhrt. Spezifisch wurden bei dem Experiment verschiedene gesundheits- fordernde Maftnahmen konzipiert, welche bei sieben Baustellenarbeitern uber den Zeitraum von sechs Wochen eingesetzt wurden. Standardisierte und validierte Fragebogen wurden verwendet urn die Auswirkungen auf die untersuchten Ge- sundheitsfaktoren, sowie die Arbeitsfahigkeit zu messen. Die Produktivitat wurde mittels Beobachtung erhoben.
Schlussendlich zeigen die Ergebnisse des Experiments, dass die eingesetzten Maftnahmen erfolgreich in derVerbesserung der Gesundheit und Produktivitat wa- ren sowie eine, wenn auch nur maftige Steigerung der Arbeitsfahigkeit erzielen konnten. Weiterfuhrende Forschung ist notwendig urn die langfristigen Auswirkungen von einem mehrkomponentigen Maftnahmenpaket auf die Gesundheit, Produktivitat und Arbeitsfahigkeit von Bauarbeitern zu bestatigen.
Occupational health management pursues the goal of promoting the health of employees and thus positively influencing the success of the company. A variety of interventions and management principles can be used to achieve this goal. Employees in the construction industry are particularly exposed to a great number of health risks and yet little attention is paid to the health of the workforce. It is therefore necessary to understand whether health promotion measures can also be effective in the construction industry.
The aim of this paper is to find out whether and to what extent health promotion measures can improve the health and wellbeing and thus also the productivity and work ability of construction site workers
To answer the research question, the current scientific literature was analyzed, and a quantitative field experiment was conducted. Specifically, various healthpromoting interventions were designed for the experiment, which were applied to seven construction site workers over a period of six weeks. Standardized and validated questionnaires were used to measure the effects on the health determinants studied, as well as work ability. Productivity was measured by observation.
The experiment results show that the interventions used were successful in improving health and productivity and moderately successful in improving work ability. Further research is needed to confirm the long-term effects of a multi-component intervention package on construction workers' health, productivity and work ability.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung IGrunde fur Betriebuches Gesundheitsmanagement (Vgl. Bechmann etal.,2011, S. 17.) ..9
Abbildung2Entwicklung des Krankenstands in % von2009 - 2010(Vgl. Badura et al.,2020, S. 380381.)
Abbildung3Haus der Arbeitsfahigkeit (eigene Darstellung nach Ilmarinen etal.,2006, S. 133.)
Abbildung4:Umfrage zu den wichtigsten Dingen im Leben in Deutschland nach Geschlecht2017; Angaben in % (Vgl. Statista,2017.)
Abbildung5Fehlzeiten nach Krankheitsarten und Branchen, Angaben in %; Jahr2019(Vgl. Badura et al.,2020, S. 411.)
Abbildung6Anzahl der Falle und Dauer der Arbeitsunfahigkeit nach Alter (Vgl. Badura et al.,2020, S. 384
Abbildung7Berufliches Austrittsalter nach Alterskohorten und Branchen (Vgl. Brussig & Ribbat,2014, S. 10)
Abbildung8Grunde fur das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nach Berufsgruppen; Angaben in % (Vgl. Statistisches Bundesamt,2014)
Abbildung9Physische Risiken furMSEanhand des Exposure Scores (eigene Erhebung)
Abbildung10Marnahmen-Wirkungskonzept (eigene Darstellung)
Abbildung11Muskel-Skelett-Beschwerden der letzten12Monate; Zeitpunkt: Woche0(eigene Erhebung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle1Demografisches Profil derteilnehmenden Handwerker (eigene Erhebung)
TABELLE 2 TEILNAHMEQUOTE AM MOBILITATSTRAINING UND DER ERGONOMISCHEN SCHULUNG (EIGENE ERHEBUNG)
Tabelle3Entwicklung des Wohlbefindens (eigene Erhebung)
Tabelle4Entwicklung des Grads der emotionalen Erschopfung (eigene Erhebung)
Tabelle5Beschwerden, welche die Ausfuhrung der Arbeit negativ beeinflusst haben; Angaben in %; Zeitpunkt: Woche0(eigene Erhebung)
Tabelle6Entwicklung der MSE-Symptome (eigene Darstellung)
Tabelle7Individuelle Betrachtung der MSE-Symptome (eigene Erhebung)
Tabelle8Entwicklung der Arbeitsfahigkeit (eigene Erhebung)
Tabelle9Entwicklung der Arbeitsproduktivitatwahrend des Experiments (eigene Erhebung)
Tabelle10Entwicklung der Arbeitsproduktivitat, Zeitraum: Dezember2020-Juni2021(eigene Erhebung)
Tabelle11Individuelle Betrachtung der psychischen Gesundheitskomponente (eigene Erhebung)
Tabelle12Individuelle Betrachtung der physischen Gesundheitskomponente (eigen Erhebung)
1. Problemstellung
Die Thematik der Gesundheit entwickelte sich in den letzten zwei Jahren, vor allem durch die COVID-19-Pandemie, zum Schwerpunkt medialer und wirtschaftlicher Aufmerksamkeit. Die Aufgabe der Mitarbeitergesundheit betrifft Unternehmer je- doch schon seit langerer Zeit. Gesellschaftliche Herausforderungen, wie der de- mografische Wandel, stellen Arbeitgeber vor die Aufgabe, die Gesundheit und Arbeitsfahigkeit von Mitarbeitern nachhaltig zu erhalten.1 Trotzdem ist das Thema der Mitarbeitergesundheit durch ein akutes Spannungsfeld bei deutschen Unter- nehmern ausgezeichnet. Wahrend einige Arbeitgeber bereits seit Jahren gesund- heitsfordernde Maftnahmen im Betrieb einsetzen, sind andere nach wie vor der Auffassung, dass die Gesundheit in der personlichen Verantwortung des jeweili- gen Mitarbeiters liegt.2 Unfallverhutung und Arbeitsschutz sind Themen, denen in der Baubranche bereits viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Allerdings wird der Schwerpunkt selten auf die gesundheitsbedingten Probleme der Arbeiter gelegt. Dieser Status ist in Frage zu stellen, da insbesondere Bauarbeiter einer Vielzahl von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind.3 Die Vorbeugung von Krankheiten sowie die Erhaltung und Forderung der Gesundheit, Motivation und des Wohlbefindens von Mitarbeitern werden in dem Managementprinzip des Betrieblichen Gesundheitsmanagements analysiert.4
Im Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit wird der Frage nachgegangen, inwiefern gesundheitsfordernde Maftnahmen dazu beitragen konnen die Gesundheit von Baustellenarbeitern zu verbessern. Das Ziel dieser Arbeit ist in zwei Etappen aufzugliedern. Zum einen, soil herausgefunden werden, inwiefern Maftnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagement die Gesundheit von Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Baustelle beinflussen konnen. Zum anderen, soil uberpruft werden, ob eine positive Veranderung der Mitarbeitergesundheit auch die okonomisch relevanten Faktoren der Produktivtat und der Arbeitsfahigkeit steuern kann. Um dieser Fragestellung nachzugehen, wird sowohl der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Forschung betrachtet, als auch ein Feldexperiment zur Uberprufung der Thesen durchgefuhrt. Diese Arbeit beginnt mit einer theoretischen Einfuhrung in das Konzept des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Der Begriff wird definiert und alle relevanten Bestandteile werden analysiert. Das dritte Kapitel widmet sich den wichtigsten Grunden welche fur die Einfuhrung eines Betriebliches Gesundheitsmanagementsystems sprechen. Daraufhin folgt eine Analyse der Ziele, welche mit der Gesundheitsforderung im Betrieb verfolgt werden konnen. In Kapitel funf werden die branchenspezifischen Probleme und Herausforderungen der Baubranche analysiert. Diese Untersuchung dient als Grundlage fur die Konzipierung der gesundheitsfordernden Maftnahmen des Feldexperimentes. Aufbauend auf dieser theoriegestutzten Untersuchung der Thematik, wird in den folgenden Kapiteln wird die Methodik, Konzipierung und Durchfuhrung des Experimentes besprochen. Zusammenfassend werden im zehnten Kapitel die erlangten Ergebnisse interpretiert, und mit den theoretischen Uberlegungen verglichen. Abschlieftend werden im letzten Kapitel sowohl die theoretischen als auch die empirischen Ergebnisse aufbereitet und besprochen.
2. Gegenstand Betriebliches Gesundheitsmanagement
Betriebliches Gesundheitsmanagement, BGM, ist ein Thema welches vor allem in den letzten Jahren sowohl an gesellschaftlicher als auch an wirtschaftlicher Rele- vanz gewonnen hat.
Das Thema Gesundheit im Betrieb wurde bereits in der Nachkriegszeit unter dem Begriff Gesundheitserziehung betrachtet. Dieser Ansatz wird meist als Vorganger des Betrieblichen Gesundheitsmanagements gesehen. Diese Theorie besagt, dass Arbeitnehmer aufgrund von mangelndem Wissen und daraus resultierenden Fehlverhalten selbst fur die eigenen gesundheitlichen Probleme verantwortlich sind. Infolgedessen wurden gesundheitsrelevante Entscheidungen von Experten getroffen, urn Risiken zu minimieren und die Gesundheit der Belegschaft aufrecht- zuerhalten.5 Ein Paradigmenwechsel fand erst in den 1970er Jahren statt. Der Schwerpunkt der Theorien entwickelte sich dahingehend, Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass die Anzahl der Unfalle am Arbeitsplatz verringert werden sollte.6 Dieser Ansatz entwickelte sich im Laufe der 70er Jahr zu der Hypothese weiter, dass gesunde Arbeitnehmer weniger Krankheiten aufweisen und somit geringere Kosten verursachen. Eine Vielzahl von Studien konnten damals bereits feststellen, dass betriebliche Gesundheitsprogramme erfolgreich Gesundheitsrisiken verrin- gern. Allerdings wurde der Zusammenhang zwischen Gesundheitsprogrammen und den vermeintlichen geringeren Kosten, erst im Jahr 1997 erbracht.7
Aktuelle Herausforderungen wie der demografische Wandel Oder der Fachkrafte- mangel in Kombination mit den steigenden Anforderungen der Arbeitgeber, for- dern eine neue Sichtweise auf gesundheitsfordernde Marnahmen. Das Themen- gebiet beschrankt sich nicht mehr auf den reinen Aspekt des Arbeitsschutzes Oder der Verringerung von Gesundheitskosten. Die umfassenden Bestandteile eines modernen betrieblichen Gesundheitsmanagement, lassen sich anhand deraktuel- len Definition ableiten: „Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist die Ge- staltung, Lenkung und Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, urn Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz gesundheitsforderlich zu gestal- ten. [,..]“8 Diese recht umfangreiche Definition verdeutlicht die komplexe Viel- schichtigkeit des Ansatzes. Betriebliches Gesundheitsmanagement wird als uber- geordneter Begriff aller Handlungsfelder rund urn das Thema Gesundheit am Arbeitsplatz verstanden.9 Bevor diese im nachfolgenden genauer analysiert werden, sollte zunachst der Aspekt betrachtet werden, den alle Bestandteile gemein haben: die Gesundheit.
2.1. DerGesundheitsbegriff
Die Definition der WHO besagt: „Gesundheit ist ein Zustand des vollstandigen kor- perlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen."10 Prinzipiell offenbart diese Definition, dass Gesundheit kein erreichbarer Zustand ist, sondern vielmehr ein kontinuierlicher Prozess. Demzufolge kann Gesundheit innerhalb eines Managementsystems als Zielvor- stellung verstanden werden, deren Erreichung angestrebtwerden sollte.
Zusatzlich zu dieser vielzitierten Definition von Gesundheit wird im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements haufig das Salutogenese Modell er- wahnt. Dieses Konzept beschaftigt sich mit der Entstehung von Gesundheit und wurde von den Entdeckungen des Medizinsoziologen Aron Antonovsky wesentlich beeinflusst. Die Salutogenese ist das Gegenstuck zur klassischen Krankheitsbe- trachtung und beschaftigt sich mit den Faktoren, die einer Krankheit entgegenwirken und einen Menschen gesund erhalten. Die krankheitsverursa- chenden Faktoren werden als Stressoren bezeichnet. Ein Mensch benotigt ein ge- wisses Ressourcenvorkommen, urn den Auswirkungen von Stressoren entgegen- zuwirken. Das Koharenzgefuhl stellt dabei die zentrale Gesundheitsressource des Modells dar.11 Die Starke des Koharenzgefuhl ist maftgeblich fur den jeweiligen Gesundheitszustands eines Menschen. Abhangig von der Auspragung dieses Ge- fuhls befindet sich der Mensch auf einer bestimmten Stelle des oben beschriebe- nen kontinuierlichen Gesundheitsprozesses. Dabei lassen sich die Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit unterscheiden. Verstehbar- keit beinhaltet die Kapazitat einer Person, sein Umfeld strukturiert und logisch wahrzunehmen. Inwiefern ein Mensch in der Lage ist etwas zu beeinflussen, wird unter dem Begriff Handbarkeit beschrieben. Schlieftlich beinhaltet die Kompo- nente der Bedeutsamkeit den Grad der Sinnhaftigkeit, die eine Person in einer Sache sieht.12
Die Anwendbarkeit des Salutogenese Modells in der Praxis ist vor allem in Deutschland jedoch umstritten. Kritiker stellen insbesondere einen Mangel an the- oretischer Orientierungsmoglichkeiten fest.13
Der Gesundheitsbegriff im Rahmen eines BGM sollte sich vielmehr auf eine Maft- nahmengestaltung anhand dergesundheitsebenen physische Gesundheit, psychi- sche Gesundheit und soziale Gesundheit orientieren. Die physische Gesundheit kann beispielsweise durch Bewegungstherapie Oder die Einnahme von Medika- menten verandert werden. Die Psychische Ebene wird unter anderem durch Be- ratungsgesprache und die soziale durch das gesellschaftliche Umfeld beein- flusst.14
2.2. Bestandteile des Betrieblichen Gesundheitsmanage- ments
Die Handlungsfelder des Betrieblichen Gesundheitsmanagement bestehen aus den Themen Arbeitsschutz, berufliches Eingliederungsmanagement, betrieblicher Gesundheitsforderung, Personalarbeit und Fuhrung sowie dem betrieblichen Fehl- zeitenmanagement.15 An dieser Stelle ist zu erwahnen, dass die Literatur sich bei der Festlegung der Bestandteile des Betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht komplett einig ist. Diverse Quellen zahlen beispielsweise Aspekte wie Work- Life-Balance16, oder Betriebliches Versorgungsmanagement dazu. In dieser Stu- die hat man sich bewusst auf die oben erwahnten Bestandteile als Grundlage fur die weiteren Untersuchungen geeinigt, da die oben genannten Handlungsfelder fur den Kontext der Studie, am relevantesten sind.
Der Begriff Arbeitsschutz umfasst jegliche Maftnahmen, die der Aufrechterhaltung und Verbesserung von Sicherheit am Arbeitsplatz dienen. Dies beinhaltet sowohl allgemeine Unfallverhutung als auch Maftnahmen zur menschengerechten Gestal- tung.17Trotz derstetigen Bemuhungen von Arbeitgebern die Krankheiten zu redu- zieren mittels Arbeitsschutzes, etc., lasst sich manches nicht verhindern. So kom- men beispielsweise in dem Fall, dass ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres fur mehr als sechs Wochen am Stuck krankheitsbedingt seiner Arbeit fernbleiben muss, die Maftnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zum Tra- gen. Das ubergeordnete Ziel dieses Handlunsbereiches, ist die Wiedereingliede- rung von langzeitkranken Arbeitnehmern in den Arbeitsalltag. Sowohl Arbeitsplatz- gestaltung, begleitende Unterstutzung im Arbeitsalltag als auch Hilfe im Rahmen von Leistungen, wie z.B. Schulungen, gehoren zu den Moglichkeiten des betrieblichen Eingliederungsmanagements. 18
Der Aspekt des Arbeitsschutzes und des betrieblichen Eingliederungsmanagements gehort zu den gesetzlich geregelten Pflichten eines jeden Unternehmens. Das bedeutet, dass fur alle Organisationen einer Branche die gleichen Pflichten und Aufgaben gelten. Aus diesem Grund wird dieser Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagementim Folgenden nichtweiter betrachtet.
2.3. Betriebliche Gesundheitsforderung
Die betriebliche Gesundheitsforderung stellt einen elementaren Teil des Betrieblichen Gesundheitsmanagements dar. Die Abgrenzung zum ubergeordneten Betrieblichen Gesundheitsmanagement verschwimmt aus diesem Grunde oft in Workshops und Literatur. Prinzipiell beinhaltet der Begriff Betriebliche Gesund- heitsforderung jegliche Maftnahmen eines Betriebes, welche zur Prevention von Krankheiten oder der allgemeinen Gesundheitsforderung dienen.19 Betriebliche Prevention, also die Vermeidung und Abschwachung von berufsbedingten Krank- heiten, lasst sich noch weiter in Primar-, Sekundar- und Tertiarpravention untertei- len. Primarpravention ist ein Sammelbegriff fur alle Aktivitaten und Maftnahmen, welche vor dem Auftreten von Gesundheitsrisiken veranstaltet werden, um eben- diese zu verhindern. Dazu zahlen beispielsweise Ergonomieberatungen und kor- perliche Aktivitaten zur Prevention von Ruckenschmerzen.
Maftnahmen, welche zur Wiederherstellung der Gesundheit nach Krankheitsaus- bruch durchgefuhrt werden, fallen in die Kategorie der Sekundarpravention. Diese umfassen unter anderem die Bekampfung bestehender Risikofaktoren, wie z.B. die Senkung des Cholesterinspiegels bei Herzleiden.
Die Tertiarpravention beinhaltet jegliche Rehabilitationsmaftnahmen, welche dem Erhalt der Gesundheit sowie das Wiederauftreten von Krankheiten verhindern sol- len.20
Zusatzlich zur Differenzierung der betrieblichen Prevention in Bezug aufden Zeit- punkt der Maftnahmen, wird zwischen Verhaltens- und Verhaltnispravention un- terschieden. Wahrend jene Maftnahmen, welche gesundheitsfordernde Beeinflus- sung von Verhalten auslosen als Verhaltenspravention bezeichnet werden, gilt die Veranderung von Arbeitsstrukturen, -prozessen und -umfeld als Verhaltnispravention.21
Folglich lassen sich klare Gemeinsamkeiten sowie Unterscheidungsmerkmale zwischen den Bereichen der betrieblichen Prevention und des Arbeitsschutzes fest- stellen. Beide Themen befassen sich mit der Vermeidung von berufsbedingten Krankheiten und Leiden. Der Arbeitsschutz befasst sich jedoch lediglich mit der Vermeidung von Krankheiten, welche ein direktes Ergebnis der Arbeitstatigkeit sind. Maftnahmen der Sekundar- und Tertiarpravention kummern sich daruberhin- aus auch um die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit auf Grund von nicht arbeitsspezifischen Leiden.22
2.4. Gesundheitsorientierte Personalarbeit und Fuhrung
Sowohl die Arbeitsorganisation, die Personalarbeit als auch der Grad, der Digitali- sierung haben mittel- bis langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit von Orga- nisationsmitgliedern. Spezifische Aktivitaten der Personalarbeit, wie z.B. Essens- Oder Work-Life-Balance-Angebote, konnen die Gesundheit von Angestellten for- dern. Auch der Aufbau der Organisation und deren Entwicklung, wie beispiels- weise die Zusammenlegung von Standorten, konnen sowohl die Rahmenbedin- gungen fur das Betriebliche Gesundheitsmanagement als auch die Gesundheit der Belegschaft selbst beeinflussen.23 In Anbetracht dessen ist es wenig uberra- schend, dass auch das Verhalten der Fuhrungskrafte gesundheitliche Auswirkun- gen mit sich bringt. Der Terminus „Gesundheitsorientiertes Fuhren", beschreibt einen Fuhrungsstil, der gesundheitliche Belangen in die Entscheidungsfindung mit- einbezieht. Ziel ist es, gesundheitsfordernde Rahmenbedingungen zu schaffen, die Belastung von Mitarbeitern zu senken und somit deren Gesundheit zu fordern. Ein solcher Fuhrungsstil muss i.d.R. durch wiederholte Schulungsmaftnahmen an- gelernt werden. Dieser Prozess gestaltet sich unter anderem deshalb als beson- ders langwierig, da die psychosoziale Gesundheit fur viele Mitarbeiter ein uberaus sensibles Thema darstellt.24
2.5. Betriebliches Fehlzeitenmanagement
Die Reduzierung von Fehlzeiten ist einer der meistgenannten Grunde fur die Ein- fuhrung eines Betrieblichen Gesundheitmanagementsystems. Betriebliches Fehlzeitenmanagement versucht mittels Planung, Durchfuhrung und Evaluation von diversen Maftnahmen die Fehlzeiten eines Betriebes nachhaltig zu senken.25 Der Begriff „Fehlzeiten“ (auch Absentismus genannt) lasst sich wiederum in motivations- oder gesundheitlichbedingte Fehlzeiten, sowie in vermeidbare und unver- meidbare Abwesenheitszeiten unterteilen. Motivationsbedingte Fehlzeiten konnen zwar insgesamt durch ein erfolgreiches Betriebliches Gesundheitsmanagement beeinflusst werden, die Maftnahmen des Fehlzeitenmanagements beeinflussen diesen Aspekt jedoch nur marginal. Vielmehr werden motivationsbedingte Ausfall- zeiten durch die Bestandteile der gesundheitsorientierten Fuhrung und Personal- arbeit erfolgreich reduziert. Prinzipiell basieren alle Maftnahmen die Abwesenheit reduzieren auf einer Verbesserung der Gesundheit und einer Erhohung der Ar- beitsmotivation. Fehlzeitenmanagement ist ein durchaus umstrittener Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, denn wenn dieses nicht korrekt ausge- fuhrt wird, es durchaus negative Auswirkungen auf den Betrieb haben kann. Die
Umsetzung und Kontrolle von Maftnahmen konnen den Druck auf die Fuhrungs- krafte eines Betriebes erhohen, wenn diese nicht ausreichend unterstutzt werden. Dadurch ware eine erfolgreiche Umsetzung eines gesundheitsorientierten Fuh- rungsstiles in Gefahr. Aufterdem kann ein suboptimal ausgefuhrtes Fehlzeitenma- nagement den sozialen Druck auf die Belegschaft erhohen und dadurch wiederum Prasentismus auslosen.26 Arbeitnehmer, welche trotz Krankheitserscheinungen, zur Arbeit erscheinen und durch ihre Beschwerden weniger produktiv sind, werden dem Phanomen des Prasentismus zugeordnet.27
3. Gesellschaftliche Herausforderungen
Der Gegenstand des Betrieblichen Gesundheitsmanagements lasst sich zusam- menfassend als durchaus vielseitig und aufwendig bezeichnen. Fur Unternehmer stellt sich folglich die Frage, warum so ein komplexes System eingefuhrt werden sollte. Dieses Kapitel widmet sich den wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen, die fur die Einfuhrung eines betrieblichen Gesundheitmanagement spre- chen.
Die wichtigsten Grunde fur die Einfuhrung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements aus Sicht des Unternehmens, wurden in einer2011 durchgefuhrten Studie erfasst. Diese Studie wurde bewusst als Grundlage fur dieses Kapitel gewahlt. Denn diese Studie stellt mit 500 befragten Unternehmen jeglicher Groftenordnung, in ganz Deutschland eine umfassende Datenbasis zur Verfugung. Alle befragten Unternehmen haben entweder bereits in Betriebliches Gesundheitsmanagement eingefuhrt oder befanden sich gerade in der Planungsphase.
Abbildung 1 stellt die Ergebnisse dieser Befragung zusammengefasst dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Grunde fur Betriebliches Gesundheitsmanagement (Vgl. Bechmann et al., 2011, S. 17.)
Die Ergebnisse der Befragung geben ein klares Ergebnis wieder. Sowohl die Ver- besserung der Mitarbeitergesundheit als auch die Erhohung der Leistungsfahigkeit sowie Arbeitsmotivation stellen die wichtigsten Aspekte fur Unternehmer dar.
Die Abbildung verdeutlicht aufterdem, dass das Thema der Mitarbeitergesundheit sich immer mehr zu einem wichtigen Faktor fur Unternehmen entwickelt. Oft ge- nannte gesellschaftliche Grunde fur diese Entwicklung sind der demografische Wandel und die Zunahme an Krankheitstagen.28 Der demografische Wandel be- schreibt die Entwicklung der Altersstruktur einer Landesbevolkerung. In Deutschland wird fur die nachsten Jahre eine deutliche Alterung der Gesellschaft erwartet. Dies ist bedingt durch eine Kombination der steigenden Lebenserwartung und der niedrigen Geburtenrate. Durch den kurzen Zeitabstand zwischen dergeburtenstar- ken Generation der Babyboomer und dem Pillenknick, wirkt sich der demografische Wandel hierzulande noch starker aus als in anderen europaischen Landern. Dieser, mittlerweile unaufhaltsame, Prozess, wird sich in den kommenden Jahren vor allem auf den Arbeitsmarkt auswirken. Durch die Veranderung der Altersstruktur wird die Zahl der erwerbsfahigen Menschen in Zukunft deutlich zuruckgehen. Arbeitgeber sind also in Zukunft, mehr denn je darauf angewiesen, Erwerbspoten- ziale erfolgreich zu nutzen, um ihre Produktivitat aufrechtzuerhalten.29
Der zweite gesellschaftliche Faktor fur die steigende Relevanz der Mitarbeitergesundheit ist das Thema der Fehlzeiten, bzw. des Absentismus. Abbildung 2 gibt Auskunft uber die branchen- und landesweite Entwicklung des Krankenstandes von 2009 bis 2019. Der Krankenstand wird als prozentualer Wert verstanden und setzt sich zusammen aus der Anzahl der Krankheitsmeldungen sowie der Dauer derjeweiligen Abwesenheiten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Entwicklung des Krankenstands in % von 2009 - 2010 (Vgl. Badura et al., 2020, S. 380-381.)
Abbildung 2 veranschaulicht das in den letzten 10 Jahren tatsachlich von einem Anstieg der Fehlzeiten auszugehen ist. Wahrend 2009 der durchschnittliche Krankheitsstand noch bei ca. 4,9 % lag, ist er 2019 bereits auf 5,6 % angestiegen. Eine Erhohung von 0,7 % scheint auf den ersten Blick jedoch nicht besonders gra- vierend zu sein. Die Auswirkungen dieser Entwicklung lassen sich allerdings gut an einem Zahlenbeispiel demonstrieren. Als Basis fur dieses Beispiel wird eine durchschnittliche in Vollzeitbeschaftigung befindliche Person in Berlin herangezo- gen. Die Arbeitstage belaufen sich dabei von Montag bis Freitag und es besteht ein Urlaubsanspruch von 25 Tagen. Zieht man zusatzlich noch alle Feiertage ab, arbeitet diese Person 228 Tage im Jahr. Ein Berliner Unternehmen mit 100 Ange- stellten wurde folglich bei einer Fehlzeitenquote von 4,9% rund 1.117 Arbeitstage im Jahrverlieren. Derdurchschnittliche Bruttoverdienst in Berlin liegt bei 236,95€ pro Arbeitstag.30 Folglich wurde ein Ausfall von 1.117 Arbeitstagen einem Produk- tivitatsverlust von 263.717,00 € nahekommen. Erhoht man die Ausfallquote auf 5,6%, steigt der Verlust auf ungefahr 302.534,00€, die Kosten sind somit um 37.816,00 € gestiegen. Dieser stattliche Betrag berucksichtigt jedoch noch keine administrativen Aufwendungen, etwaige Ersatzbeschaffungen oder zusatzliche Uberstunden, welche der verbliebene Teil der Belegschaft ausfuhren musste, um den Ausfall zu kompensieren. In der Realitat kann folglich von durchaus gravieren- deren wirtschaftlichen Nachteilen ausgegangen werden.
Unter anderem durch die leichte Ableitung von betriebswirtschaftlichen Kennzah- len, hat sich der Absentismus in den letzten Jahren sozusagen als Aushangeschild des Betrieblichen Gesundheitsmanagements etabliert. Die Fehlzeiten bilden aller- dings nurdie Spitze des metaphorischen Eisbergsab. Denn nicht jederMitarbeiter, der von der Arbeit fernbleibt, ist krank und nicht jeder Anwesende istgesund. Der Begriff des Prasentismus wurde erstmals 1955 wissenschaftlich verwendet und beschrieb damals die reine Anwesenheit am Arbeitsplatz, sprich das Gegenstuck zum Absentismus. Seit den fruhen 2000er Jahren hat sich dieser Ansatz ganzlich verandert. Es existieren mittlerweile eine Vielzahl an unterschiedlichen Interpreta- tionen, welche mit dem Ursprungsgedanken des Prasentismus nur mehr peripher verbunden sind. Obgleich der Masse an unterschiedlichen Interpretationen und Auslegungen des Themas, haben sich in den letzten Jahren zwei Ansatze etabliert. Studien aus den USA interpretieren Prasentismus meist als die Produktivi- tatsverluste, welche durch gesundheitliche Beschwerden entstehen. Diese recht okonomische Betrachtung des Themas wird in Europa meist nicht so aufgenom- men. Vielmehr sehen europaische Studien den Prasentismus als das Verhalten seineArbeit ungeachtet von Krankheitweiterhin auszufuhren. Etwaige Produktivi- tatsverluste werden zwar auch betrachtet, stellen aber nicht den zentralen Gegen- stand des Gebiets dar.31
Die monetare Quantifizierung der Produktivitatseinbuften, die Prasentismus verur- sachen kann, gestaltet sich besonders schwierig. Dies ist zum einen, der Komple- xitat der Kostenbestandteile der Krankheit und der Produktivitat geschuldet. Zum anderen beruhen eine Vielzahl der Studien bis dato auf einer Selbsterfassung der Produktivitat von Arbeitnehmern durch eigene Befragung. Obwohl diese der ob- jektiven Messung von Produktivitat durchaus nahekommen konne, sind diese den- noch als reine Abschatzungen und nicht als Faktum zu betrachten.32 Approximati- onen der wirtschaftlichen Folgen von Prasentismus in Deutschland geben sowohl die Studien von Steinecke & Badura, als auch von der Firma Booz & Company.
Beide Studien stellen fest, dass Produktivitatsverluste das Resultat von sowohl Absentismus als auch von Prasentismus sind. Die dementsprechenden Kosten werden von Steinecke & Badura auf ein Verhaltnis von 75% Prasentismus und 25% Absentismus aufgeteilt.33 Booz & Company behaupten wiederum, dass nur zwei Drittel der Gesamtkosten die Ursache von Prasentismus sind und ein Drittel durch Absentismus bedingt sind.34 Wendet man zur besseren Nachvollziehbarkeit das konservativere Ergebnis von Booz & Company auf das Zahlenbeispiel der vor- herigen Seiten an, lautet das Ergebnis wie folgt: Das Berliner Unternehmen mit einer Ausfallquote von 5,6% wurde folglich krankheitsbedingte Produktivitatsaus- falle in der Hohe von rund 908.000,00 € tragen mussen. Diese bestehen aus den bereits oben ermittelten Kosten von 302.534,00 € aufgrund von Fehlzeiten, sowie den Prasentismus bedingten Kosten in der Hohe von 605.068,00 €. Sowohl dieses Beispiel als auch die Ergebnisse der beiden Studien sind jedoch nicht direkt auf die Realitat ubertragbar. Trotzdem geben diese Erkenntnisse einen wichtigen Hin- weis auf die Relevanz des Prasentismus sowie das damit verbundene Thema der Mitarbeitergesundheit.
4. Ziele des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Die Einfuhrung eines jeden Produktes, Konzeptes Oder Managementverfahrens, verfolgt immerein bestimmtes Ziel. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement bil- det hier keine Ausnahme. Ein Betrieb und deren Fuhrungspersonen sind zu einem gewissen Mafte verantwortlich fur das Wohlehrgehen der eigenen Belegschaft. Abgesehen von dieserethischen Verpflichtung und noch zahlreichen weiteren mo- ralischen Beweggrunden, die fur das Gesundheitssystem im Betrieb sprechen, gibt es noch einige betriebliche und teilweise sogar okonomische Ziele bzw. Chancen, die verfolgt werden konnen.
Als es auch der Name bereits vermuten lasst, ist das oberste Ziel des BGM der Erhalt und die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit.35 Der Begriff Gesundheit ist, wie in Kapitel 2.1. geschildert, jedoch durchaus komplex und umfasst eine Viel- zahl von Aspekten. Demnach muss dieses Ziel, gemaft betriebswirtschaftlicher Vorgehensweise konkretisiert und aufgeteilt werden. Eine Verbesserung der Gesundheit der Mitarbeiter geht unteranderem einher mit folgenden erreichbaren Zielen:
- Erhalt und Verbesserung der Arbeitsfahigkeit
- Verbesserung des Unternehmenserfolgs durch gesteigerte Produktivitat
- Steigerung der Attraktivitat der Arbeitgebermarke
4.1. Erhalt und Verbesserung der Arbeitsfahigkeit
In den meisten Fallen stellt die Reduzierung des Krankenstands eines der wich- tigsten Ziele fur Unternehmer dar. Allerdings ist der Krankenstand, wie in Kapitel 3 geschildert, nur ein kleiner Teil des Gesamtbildes. Zusatzlich ist die Kennzahl der Fehltage ein sogenannter Spatindikator. Das bedeutet, dass die Auswirkungen auf den Betrieb erst im Nachhinein erfasst und analysiert werden konnen. Hinzu kommt, dass die Betrachtungen des Indikators irrefuhrend sein konnen. Der Krankenstand verfugt namlich in der Regel uber eine hohe Schwankungsbreite und wird bei einer Betrachtung uber einen kurzen Zeitraum keine faktische Auskunft geben konnen.36 Eine Alternative zur Verwendung der Fehlzeiten als zielgebende Kennzahl stellt die Betrachtung der Arbeitsfahigkeit dar. Die Arbeitsfahigkeit wird definiert als die Kompetenz einer Person, eine gewisse Tatigkeit zu einer bestimm- ten Zeit zu erledigen. Abbildung 3 spiegelt das Konzept der Arbeitsfahigkeit gra- fisch wider. Diese Darstellung, auch Haus der Arbeitsfahigkeit genannt, wurde von dem finnischen Professor llmarinen uber einen Zeitraum von elf Jahren entwickelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Haus der Arbeitsfahigkeit (eigene Darstellung nach llmarinen et al., 2006, S. 133.)
Die verschiedenen Aspekte der Arbeitsfahigkeit sind in den jeweiligen symboli- schen Stockwerken des Hauses dargestellt. Im Erdgeschoss befindet sich die Gesundheit, diese stellt die zentrale Grundlage derArbeitsfahigkeit dar. Ohne einem entsprechenden Mindestmaft an Gesundheit, wurde das Haus metaphorisch zu- sammenbrechen und ein gutes Mate an Arbeitsfahigkeit konnte nicht bestehen.
Das erste Stockwerk beinhaltet die Kompetenzen, die fur den jeweiligen Beruf not- wendig sind. Der Beschaftigte muss zusatzlich zur Gesundheit uber ausreichende fachliche sowie soziale Kompetenzen verfugen und diese im Laufe seiner Karriere ausbauen konnen. Die sozialen und moralischen Werte befinden sich im zweiten Stockwerk. Darunter werden alle Werte verstanden, die zur gewunschten Unter- nehmenskultur beitragen. Der letzte und dritte Stock des Konzeptes wird mit dem vagen Begriff Arbeit betitelt. Darunter versteht man sowohl die physischen und psychischen als auch die sozialen Anforderungen der Arbeitsorganisation und - umgebung. Maftnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagement konnen die Arbeitsfahigkeit eines Beschaftigten verbessern, indem diese alle Stockwerke des Hauses derArbeitsfahigkeit betrachten.37 Eine geringe Arbeitsfahigkeit wird asso- ziiert mit langeren Fehlzeiten38, erhohtem Risiko fur Fruhverrentung39
[...]
1 Vgl. Ronick etal., 2018, S. 83.
2 Vgl. Kaminski, 2013, S. 5.
3 Vgl. Lingard & Turner, 2019, S. 6.
4 Vgl. Ruppi-Lang & Langer, 2018, S. 118.
5 Vgl. Singer, 2010, S. 25.
6 Vgl. Zink, 2005, S. 534.
7 Vgl. Edington etal., 1997, S. 1037-1046.
8 Badura et al., 1999; zitiert nach Ternes et al., 2017a, S. 5.
9 Vgl.Ternes etal.,2017b,S.7.
10 World Health Organization, 2016, S.1. (eigene Ubersetzung)
11 Vgl. Struhs-Wehr, 2017, S. 8.
12Vgl.Anker, 2016.S. 58.
13 Vgl. Blattner, 2007, S. 72-73.
14 Vgl. Wiemeyer, 2016, S. 8.
15 Vgl. Pfaff&Zeike, 2019, S. 4.
16 Vgl. Uhle und Treier, 2019, S.37.
17 Vgl. Knoll & Lugbauer, 2020, S. 42.
18 Vgl. Riechert et al., 2017, S. 4-6.
19 Vgl. Mohokum & Dordelmann, 2018, S. 3-4.
20 Vgl. Pfaff&Zeike, 2019, S. 6-8.
21 Vgl. Bahretal., 2018, S. 144.
22 Ebd.
23 Vgl. Pfaff&Zeike, 2019, S. 8-9.
24 Vgl. Rivkin, 2019, S. 345-347.
25 Vgl. Furstenberg, 2018, S. 610-611.
26 Vgl. Pfaff&Zeike, 2019, S. 11-12.
27 Vgl. Badura et al., 2020, S. 127.
28 Vgl. Kirsten, 2010, S. 251-254.
29 Vgl. Wilke, 2020, S. 21.
30 Vgl. Rudnicka, 2021.
31 Vgl.Steinke&Badura,2011,S. 14.
32 Vgl. Hagerbaumer, 2017, S. 87-89.
33 Vgl. Steinke & Badura, 2011.S.81.
34 Vgl. Booz & Company, 2009.
35 Vgl. Kaminski, 2013, S. 29.
36 Vgl. GraBI & Simmel, 2020, S. 14-15.
37 Vgl. Hasselhorn & Freude, 2007, S. 9-12.
38 Vgl. Burdorf et al., 2005, S. 31-36.
39 Vgl. Jaaskelainen et al., 2016, S. 490-499.
- Citar trabajo
- Angelo Viscusi (Autor), 2021, Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Baubranche, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1272713
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