Die Arbeit richtet sich grundsätzlich nach dem Aufsatz "Globale Solidarität. Inklusionsprobleme der modernen Gesellschaft" von Hauke Brunkhorst. Thema ist die Herleitung der Entwicklung von Solidarität in der Menschheitsgeschichte, angefangen bei der Bürgersolidarität im antiken Athen über die christliche Nächstenliebe, die französische Revolution bis zur Solidarität in der globalisierten Welt. Komplizierte Zusammenhänge werden auf verständliche Weise erklärt und diskutiert, sowie aktuelle und zukünftige globale Probleme internationaler Solidarität angesprochen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Geschichte der Solidarität
2.1 Konkrete Solidarität
2.1.1 Die Bürgerfreundschaft in der Antike
2.1.1 Die Brüderlichkeit im Christentum
2.2 Abstrakte Solidarität
2.2.1 Egalitär organisierte Solidarität und die französische Revolution
2.2.2 Exkurs: Funktionale Differenzierung und die zwei Inklusionsprobleme der Mo-
derne
2.2.3 Eurozentrisch/nationalstaatlich organisierte Solidarität
2.2.4 Ausblick
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Dem Nachbarn das Werkzeug leihen oder dessen kaputten Fahrradreifen flicken, sich um die pflegebedürftigen Eltern kümmern, eine verlorene Geldbörse im Fundbü-ro abgeben, als Autofahrer besonders rücksichtsvoll fahren, an Hilfsorganisationen spenden, durch ehrenamtliches Engagement, indem man in die Rentenkassen ein-zahlt; mit diesen und vielen anderen alltäglichen Dingen erweisen sich Menschen in vielfältiger Weise solidarisch anderen Menschen gegenüber. Dabei reicht die Palette von konkreter, mechanischer Hilfe für den Nachbarn oder die Familie bis zu abstrak-ter und organischer Solidarität, bei der Solidarleistungen anonymisiert von einer Menge von Gebenden zu einer Menge von Empfangenden transferiert werden, wo-bei diese Mengen sich verändern und überschneiden können.
Diese Differenz zwischen konkreter und abstrakter, von mechanischer und organi-scher Solidarität1 kann man auch in der Geschichte erkennen, nämlich als histori-sche Entwicklung jeweils von der ersten zur letzteren. Dass diese Entwicklung immer noch stattfindet ist leicht zu erkennen, wenn man einen Blick wirft auf Solidarität zwi-schen einzelnen Staaten und Ländern oder gar auf globale Solidarität. Hier werden neue Möglichkeiten ausgelotet, Aktionsradien erweitert, Netzwerke geschaffen. Soli-darität wird mehr und mehr auch globalisiert. Aber auch auf diesem Gebiet scheitern Projekte, Transfers von Hilfsgütern finden nicht die richtigen, sondern die falschen Abnehmer. Eliten bereichern sich und Bedürftige gehen leer aus, eine faire und funk-tionierende globale Solidarität steht noch in weiter Ferne. Afrikanische Länder versin-ken im Chaos, während in den vermögenderen Ländern Institutionen, die zu Hilfe imstande wären, die Not ignorieren oder nur Alibileistungen erbringen oder sogar versuchen sich aus der bedrohlichen Situation anderer wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Die Entwicklung, Verbreitung und Verbreiterung der Solidaritätsmodelle ist noch nicht abgeschlossen. Die bisherige Entwicklungsgeschichte lässt sich aber schematisch nachvollziehen.
Das Programm der folgenden Kapitel ist, die Entwicklungsschritte von der konkreten zur abstrakten Solidarität in Gesellschaft und Politik nachzuvollziehen. Angefangen mit dem Modell der Bürgerfreundschaft über die christliche Nächstenliebe bis hin zur nationalstaatlich organisierten, egalitären Solidarität als letzte Vorstufe zur globalen Solidarität. Diese Verbreiterung vom einfachen Solidaritätsmodell hin zum abstrakte-ren soll nachvollzogen werden. Ein Exkurs zu den zwei Inklusionsproblemen der Mo-derne ist nötig, da auch ein Blick auf die Probleme der Solidaritätsstufen geworfen werden soll, und die beiden Inklusionsprobleme aber aufgrund ihrer Komplexität und Wichtigkeit für die Moderne ein gesondertes Kapitel verdienen. Das gesamte Thema ist auch insofern von Interesse, da die bisherige Ausbreitung und Formen von Solida-rität noch nicht zu einem Abschluss gekommen sind und sich bei der zukünftigen Entwicklung Entwicklungsschemata wiederholen könnten.
2. Geschichte der Solidarität
2.1 Konkrete Solidarität
2.1.1 Die Bürgerfreundschaft in der Antike
Schon in der Einleitung wurde deutlich, dass Solidarität eine Entwicklung, eine Aus-breitung vom Einfachen, vom Konkreten hin zum Abstrakten genommen hat. Man kann deshalb auch allgemein feststellen, dass der Charakter der Solidarität umso na-turwüchsiger ist, je weiter man in der Menschheitsgeschichte zurück geht. So um-fasste der „kleine Kreis“ innerhalb dessen solidarisch gehandelt wurde zuerst die Verbindungen durch Blutsverwandtschaft und sexuelle Beziehungen.2
In der Exklusivität der Solidarität dieser Beziehungen lagen aber auch Gefahren: denn die Gemeinschaft einer Polis wäre - wenn es nur eine solche Solidarität gäbe - stark zersplittert. Es wurden Konflikte zwischen Familien mit dem Schwert ausgetra-gen, die Blutrache war eine Privatangelegenheit - bis zur Verrechtlichung zum Bei-spiel in Griechenland durch Drakon3 und gefährdete die Eintracht der Polis.4 Ein- tracht ist das Stichwort, von dem ausgehend man den Gedanken der Bürgerfreund-schaft aufrollen kann. Die primären Ziele der Bürgerfreundschaft waren nämlich das Gemeinwohl5 und die Eintracht der Polisgemeinde. Die zahlreichen Freundschaften zwischen den (männlichen, erwachsenen Staats-) Bürgern bildeten ein Netzwerk, das die gesamte Polis umschloss, und damit gegen eine innere Gefahr der Zerris-senwerdens, der inneren Konflikte, der Zwietracht als Gegenpart zur Eintracht ge-richtet war.6 „Eintracht ist generalisierte, auf die Polis im Ganzen erweiterte Freund-schaft: ‚[...] im Sinne von Polis-Freundschaft (philia politike) wird das Wort auch ge-braucht - denn sie bezieht sich auf das öffentliche Wohl.ʻ“7 „Philia“, das griechische Wort für Freundschaft beschrieb bei Aristoteles die „frei gewählte Beziehung zwi-schen freien Bürgern.“8 Sie mussten freie Bürger sein, durften also nicht von einem Herrn abhängig sein (wie Sklaven oder Frauen). Nur so konnten sie frei gewählte Freundschaften pflegen und an der Politik, an der Öffentlichkeit der Polis teilnehmen.9 Bürgerfreundschaften hatten auch den Zweck, (mafiöse) Strukturen zu verhindern, mit denen Vorteile für Familienmitglieder geschaffen werden konnten. Aber sie sollten auch das „familienzentrische Eigeninteresse der Oikosdespoten, der Hausherrn“ zugunsten eines Engagements für die Polisgemeinschaft erweitern.10 Denn sobald Freundschaften zu nicht-blutsverwandten Bürgern bestanden, bestand auch eine Bande von Solidarität zwischen den Freunden. Wenn diese Verbindungen sich zu einem Netzwerk, das alle Polisbürger umfasste, erweitert wurden, dann exis-tierte also auch ein Netzwerk polisumspannender Solidarität. Zwar erreichte die Soli-darität einer einzelnen Person nicht notwendigerweise jeden anderen in der Polis, aber wenn jeder Bürger Freundschaften pflegt, ist jeder in dieses Netz eingebunden und steht nicht isoliert ausserhalb des Freundschafts- und Solidaritätsnetzwerkes. Durch die Integration eines jeden Bürgers in das Netzwerk versuchte man die über-lebenswichtige Eintracht innerhalb des Polis zu bewahren und zu schützen. Die Bür-gerfreundschaft hatte zudem mit ihrem Fokus auf das Erreichen und Bewahren des Gemeinwohls und der Öffentlichkeit der Freundschaften eine stark politische Note.
[...]
1 Der Begriff „Solidarität“ stammt aus dem römischen Recht, in dem das Adjektiv „solidus“ die Bedeu-tung von „zuverlässig, moralisch begründet“ annahm. Dies geschah im Zusammenhang mit „obligatio in solidum“, einer Haftungsform, in der die Schulden einer Gemeinschaft oder eines Mitglieds dieser Gemeinschaft von jedem einzelnen Mitglied mitgetragen werden mussten. vgl. dazu Bayertz, 11, so-wie Metz, 172 und Zürcher, 53.
2 vgl. Bayertz, 15.
3 siehe dazu Ruschenbusch, E.: Phonos. Zum Recht Drakons und seiner Bedeutung für das Werden des athenischen Staates, in: Historia 9 (1960), 129-154.
4 vgl. Brunkhorst (2002), 26.
5 vgl. Brunkhorst (2002), 29.
6 vgl. Brunkhorst (2002), 25 f.
7 Brunkhost (2002), 25.
8 Ebd.
9 vgl. Brunkhorst (2002), 25.
10 vgl. Brunkhorst (2002), 27.
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