Auf OnlyFans findet sich eine Szene von jungen Frauen und Männern, die ihre selbstgedrehten pornografischen Inhalte im Monatsabonnement ab 4,99 US-Dollar verkaufen. Dieses neue Segment der Porno-Industrie scheint die Regeln der etablierten Branche komplett zu verändern.
Im ersten Teil der Arbeit geht die Autorin kurz auf die Entwicklungen der Pornografie ein, insbesondere darauf, wie sich diese historisch zu dem aktuellen Phänomen entwickelt hat, welche Definitionsversuche von verschiedenen Personen- und Berufsgruppen existieren und welche Parameter Mainstream-Pornografie im Internet heutzutage kennzeichnend ausmachen. Das ist fundamental, um zu später darstellen zu können, inwieweit OnlyFans diese Aspekte aufnimmt oder ein Gegenbeispiel dazu darstellt. Im darauffolgenden Kapitel werden Informationen zum Entstehungshintergrund von OnlyFans beschrieben. Dabei wird besonders auf den Entstehungshintergrund und die Nutzungsbedingungen der Website eingegangen sowie auf die rechtlichen Grundlagen für OnlyFans-Creator, um Lesenden zu zeigen, wie die Arbeit auf OnlyFans von der Website selbst reguliert wird. Daraufhin stellt die Autorin den Hauptparameter ihres empirischen Verständnisses von qualitativer Forschung vor. Folgend wird das Forschungsdesign beschrieben, die Methodenwahl begründet und ebenfalls erläutert, welche Problematiken im Prozess auftraten.
Im siebten Kapitel werden die Informationen, die in der Forschung gesammelt wurden, anhand von anonymisierten Fallbeispielen vorgestellt. Im letzten Teil, der Auswertung wird nun dargestellt, was OnlyFans auszeichnet und inwieweit OnlyFans ein Gegenentwurf zu Mainstream-Pornografie ist. Anschließend wird die Frage beantwortet, ob die Arbeit auf OnlyFans einem feministischen Anspruch gerecht werden kann und wie Zwang und Sexarbeit zusammenhängen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Pornografie
2.1 Definitionsversuche
2.2 FrühereEntstehungsgeschichte
2.3 Mainstream-Pornos und Internet
2.3.1 Hardcore / Softcore
2.3.2 Frauenbild / Gewalt
2.4 Arbeitsbedingungen
2.4.1 Bezahlung
2.4.2 Karrierendauer
2.4.3 Rechtsverletzungen
2.4.4 Urheber:innenrecht
2.5 Alternativen
2.5.1 Feministisch-Ethisch
2.5.2 Amateur-Porn
3 OnlyFans
3.1 Entstehungsgeschichte von OnlyFans
3.2 OnlyFans-Nutzungsbedingungen
3.2.1 Monetarisierung
3.2.2 Zahlungen
3.2.3 Creator und Agentur
3.2.4 Altersverifikation
3.3„Intimfluencer“
3.4 Kritik
3.4.1 Leaks
3.4.2 Ausstieg
3.4.3 Altersbeschränkungen
3.4.4 Willkürliche Löschungen
3.5 Der Porno-Bann auf OnlyFans
4 Qualitative Forschung
4.1 Ziel
4.2 Vorteile
4.3 Gütekriterien
4.4 Triangulation
4.5 Ethische Aspekte
4.5.1 Prinzip der informierten Einwilligung
4.5.2 Prinzip der Nicht-Schädigung
5 Forschungsdesign
5.1 Forschungsleitende Fragestellung
5.2 Feldzugang
5.3 Sampling
5.4 Basisdesign
5.5 Analyse Entstehungssituation
5.6 Prinzip der Offenheit
5.7 Formale Charakteristika des Materials
5.8 Qualitative Inhaltsanalyse
5.9 Fallzusammenfassungen
6 Falldarstellungen
6.1 OnlyFans-Darstellerin 1: Anni
6.1.1 Motivation
6.1.2 Selbstbestimmung
6.1.3 Kund:innenkontakt
6.2 OnlyFans-Darstellerin 2: Becky
6.2.1 Motivation
6.2.2 Selbstbestimmung
6.2.3 Kund:innenkontakt
6.2.4 Reaktionen des Umfeldes
6.3 OnlyFans-Darstellerin 3: Carina
6.3.1 Motivation
6.3.2 Selbstbestimmung
6.3.3 Kund:innenkontakt
7 Auswertung
7.1 Motivation
7.1.1 Selbstwerterhöhung
7.1.2 Erotisches Erleben
7.1.3 Finanzielle Motivation
7.1.4 Weitere mögliche Motivationsebenen
7.2 Selbstbestimmung
7.3 Stigmatisierung, Hass und Belästigung
7.3.1 Hasskommentare und Diskriminierung im Internet
7.3.2 Generelle Stellung von Sexarbeit in Gesellschaft
7.4 Belästigungserfahrungen
7.5 Zwischenfazit.
8 Zum Feminismus und Zwang
9 Fazit
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Verschriftliche Chatverläufe
Whatsapp-Chatverlauf: Carina
Whatsapp-Chatverlauf: Becky
Whatsapp-Chatverlauf: Anni
Screenshots der Chats
Chatverlauf mit Anni
Chatverlauf mit Becky
Chatverlauf mit Carina
Screenshots der Reaktionen auf den Bann von Sexarbeit
1 Einleitung
Die aktuelle Pornoindustrie ist hauptsächlich durch ökonomische Interessen bestimmt. Hinter dem gängigen Mainstream-Porn steht fast ausschließlich das kapitalistische Streben, immer mehr finanziellen Gewinn zu erzielen. Dabei werden reduzierte, sexistische und obsolete binäre Geschlechts- und Rollenvorstellungen genutzt, Pornografie lebt von der Kategorisierung verschiedener sexueller Praktiken nach Profit und ist nicht selten rassistisch. Vielfalt von Sexualität(en) findet in der herkömmlichen Pornografie nicht statt, respektvolle, positive Sexualität findet ebenso keine Darstellung (vgl. Méritt 2012: 371).
Dem entgegen scheint OnlyFans als relativ junge Plattform zu stehen, die den Darstellerinnen Autonomie in ihrer Arbeit gewährt und diverse Darstellungen von Sexualität abbildet. Auf der Website findet sich eine Szene von jungen Frauen und Männern, die ihre selbstgedrehten pornografischen Inhalte im Monatsabonnement ab 4,99 US-Dollar verkaufen. Dieses neue Segment der Porno-Industrie scheint die Regeln der etablierten Branche komplett zu verändern (vgl. Ryan 2019: 120).
Im ersten Teil der Arbeit gehe ich kurz auf die Entwicklungen der Pornografie ein, insbesondere darauf, wie sich diese historisch zu dem aktuellen Phänomen entwickelt hat, welche Definitionsversuche von verschiedenen Personen- und Berufsgruppen existieren und welche Parameter Mainstream-Pornografie im Internet heutzutage kennzeichnend ausmachen. Das ist fundamental, um zu später zu darstellen zu können, inwieweit OnlyFans diese Aspekte aufnimmt oder ein Gegenbeispiel dazu darstellt. Im darauf folgenden Kapitel werden Informationen zum Entstehungshintergrund von OnlyFans beschrieben, dabei wird besonders auf den Entstehungshintergrund und die Nutzungsbedingungen der Website eingegangen, sowie auf die rechtlichen Grundlagen für OnlyFans-Creator, um Lesenden darzustellen, wie die Arbeit auf OnlyFans von der Website selbst reguliert wird.
Daraufhin stelle ich die Hauptparameter meines empirischen Verständnises von qualitativer Forschung vor.
Folgend werde ich mein Forschungsdesign beschreiben, die Methodenwahl begründen und ebenfalls erläutern, welche Problematiken im Prozess auftraten.
Im siebten Kapitel werden die Informationen, die ich in der Forschung gesammelt habe, anhand von anonymisierten Fallbeispielen vorgestellt. Im letzten Teil, der Auswertung, wird nun dargestellt, was OnlyFans auszeichnet und in wie weit OnlyFan ein Gegenentwurf zu Mainstream-Pornografie ist. Anschließend wird die Frage beantwortet, ob die Arbeit auf Onlyfans einem feministischen Anspruch gerecht werden kann und wie Zwang und Sexarbeit zusammenhängen.
Darauf folgt ein abschließendes Fazit.
Oberstes Ziel dieser Arbeit ist es also, herauszufinden, was Darstellerinnen auf On- lyFans ausmacht. Besonderes Interesse gilt dabei den folgenden Bereichen:
1) Motivation/ Beweggründe der Sexworker:innen Warum entschlossen sich die jungen Frauen dazu, autopornografische Inhalte zu erstellen und auf OnlyFans zu teilen?
2) Grad der Selbstbestimmung der Arbeit Nehmen die Darsteller:innen ihre Arbeit als autonom wahr?
2 Pornografie
Dieses Kapitel gibt Definitionsversuche von Pornografie und beschreibt den Entstehungshintergrund aktueller Bewegungen in der jüngsten Vergangenheit. Ebenfalls werden Problemlagen innerhalb der Branche beschrieben.
2.1 Definitionsversuche
Bei den Worten „Porno“ oder „Pornografie“ kommen jeder Person sicherlich direkt Bilder und vielfältige diverse Assoziationen in den Kopf. Es existiert keine einheitliche anerkannte Definition von Pornografie, vielmehr bieten diverse Personen- und Berufsgruppen ihre eigenen Definitionen an. Dominant finden sich hier die Stimmen einer gesetzesgebenden Instanz (der Bundesgerichtshof), Medien- und Sexualforschern, sowie die Definition einer Pädagogin wieder.
Die Definition durch den Bundesgerichtshof (BGH) bestimmt eine Darstellung als pornografisch wenn sie folgende Kriterien enthält:
1. sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise im Vordergrund (unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge)
2. ausschließliche oder überwiegende Tendenz auf die Abzielung des triebhaften Interesses der Rezipient:innen an sexuellen Dingen (1 StR 485/13 - Urteil vom 11. Februar 2014) Die Pädagogin und Expertin für Sexualerziehung, Prof. Dr. Karla Etschenberg, fügt einen weiteren, auf das Ziel fokussierten, Punkt hinzu:
3. Zweck der sexuellen Stimulation der Kosument:innen: Anregung zum Mit- und Nachmachen (im parner:innenschaftlichen Kontext) oder Stimmungsaufbau bei der Selbstbefriedigung (vgl. Etschenberg 2019: 149).
Sexualforscher Dr. Richard Weber und Kommunikationswissenschaftler Mathias Lemke definieren damit einhergehend zwei wesentliche Ebenen der Pornografie:
1) Inhaltliche Ebene: Pornografie zeigt detaillierte sexuelle Handlungen mit expliziter Sichtbarkeit der primären Geschlechtsorgane
2) Funktionale Ebene: Produktion und Rezeption dient der sexuellen Erregung (vgl. Weber/Lemke 2016: 104)
Somit gelten nach der Definition von Weber und Lemke so genannte Erotikfilme mit Andeutungen einer sexuellen Handlung und ohne detaillierte Aufnahmen der primären Geschlechtsorgane, sowie simple Nacktdarstellungen in Zeitungen (wie beispielsweise in der Zeitschrift Playboy), nicht als Pornografie.
Eine ganz ähnliche Definition der Film- und Medienmachenden Kleiner und Stigleg- ger stellt ebenfalls diese zwei Ebenen dar. Sie sehen die Grundlage der Pornografie als ein „Prinzip der maximalen Sichtbarkeit“: Nahaufnahmen von Genitalien, die interagieren, eine Inszenierung einer realen sexualisierten Situation, mit dem Ziel, die Stimulation der Rezipient:innen zu erreichen (2018: 2). Außerdem scheint es für sie, durch die Betrachtung der Geschichte, ein ganz (ur-)menschliches Bedürfnis nach Pornografie zu geben, Pornografie als eine Art Kulturgut.
Die dargestellten Definitionsversuche spiegeln ein eurozentrisches Bild von Pornografie wider und sind nur in Nuancen unterschiedlich. Definitionsversuche von Pornografie können sich jedoch erheblich unterscheiden, sie unterliegen entsprechende Prägungen und Beeinflussungen, besonders durch
1. historische Kontexte
2. Wertewandel der Gesellschaft
3. kulturelle Hintergründe (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 2)
Auf diese Definitionen wird im Folgenden weiter eingegangen.
2.2 Frühere Entstehungsgeschichte
Pornografie ist wohl so alt wie die Menschheit selbst und weist dabei eine beachtliche mediale Diversität auf, von erotischen Malereien und Plastiken vorchristlicher Epochen bis hin zu pornografischer Literatur, vertonten Geschichten, Fotografien, in Zeitschriften. Diese jahrtausendalte Geschichte ist zwar durchaus das Fundament der heutigen Pornografie, dennoch fokussiert sich dieses Kapitel auf die jüngere Geschichte und hauptsächlich auf den Film als Medium für pornografische Darstellung.
Pornografie im Medium Film entstand in Deutschland parallel zur Entstehung des Kinos. Die frühen Anfänge heutiger Pornos begannen im Geheimen, im (nächtlichen) Rahmen von Herrenclubs, Bordellen und privaten Partys. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es dahingehend eine Veränderung, besonders in den USA wurde der Konsum von pornografischen Filmen eine normalisierte Form der Freizeitunterhaltung für proletarisch-kleinbürgerliche weiße Männer. Diese Filme hatten die Länge einer Filmrolle, also 10-12 Minuten und waren durch eine mangelnde Qualität in Hinblick auf ihre Produktion ausgezeichnet: sie waren schwarz-weiß auf Schmalformat gedreht, tonlos oder mit asynchronem Ton (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 6).
Mit Einführung eines Zensursystem in Hollywood, den Production Codes, waren pornografisch explizite Filme nur noch in halblegalen Milieus zu sehen, der Konsum wurde gesamtgesellschaftlich abgelehnt (ebd.). In 1969 wurde dieses Verbot schließlich doch wieder aufgehoben, was dazu führte, dass Pornografie erneut mehr Ansehen bekam (vgl. Lust 2008: 105). Die Periode der frühen 1970er Jahre bis hin zu den 1980ern wird als „das goldene Zeitalter der Pornografie“ bezeichnet. Dies beruht darauf, dass Pornofilme mit großem Budget und unter hohen Standards produziert wurden (vgl. Penley et al. 2014: 16f).
Im Zeitgeist der 1980er Jahren entstand eine Art Faszination um Pornografie, die sich in Kunst und Popkultur, in Hollywoods Kinos und Literatur, Werbung, Mode und in akademischen Kontexten zeigte. Der Diskurs um Pornografie und die Übernahme von pornografischen Konventionen wurde nicht nur enttabuisiert und akzeptiert, sondern galt sogar als schick und angesagt (vgl. McNair 2009: 55).
Deep Throat, ein Pornofilm aus 1972, in dem auch die bereits erwähnte Darstellerin Linda Lovelace mitspielte, genoss dabei eine außerordentliche Popularität. Deep Throat verbindet auch aktuell in Pornografie relevanten Motive: Maximale Sichtbarkeit, Phallozentrik und Misogynie (vgl. Williams 1989: 106ff.). Ein Film, der auf die heterocis-männliche Rezeption abgestimmt ist.
Den deutschen Markt eroberte vor allem Beate Uhse, ihr „Pornoimperium“ umfasste erst Kinos und später den Heimvideomarkt (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 8). Anfang der 1980er Jahre begann die Bewegung hin zum privatisierten Pornokonsum, welcher Pornokinos schließlich ablöste. Der Anstieg in der Nachfrage nach Pornofilmen für die häusliche Rezeption sorgte für eine Massenproduktion unter schlechteren qualitativen Bedingungen (vgl. Lust 2008: 62).
Das Forschungsfeld der porn studies bekam in anglo-amerikanischen und französischen Räumen früh, mit Beginn des kommerziellen Erfolges von Pornofilmen in den 1970er Jahren, eine feste Etablierung zwischen film studies und gender studies, während pornografische Filme im deutschsprachigen Raum wissenschaftlich bagatellisiert wurden. Die wissenschaftliche Marginalisierung des Pornofilms liegt nicht etwa daran, dass pornografische Filme im deutschen Raum weniger verbreitet waren, sondern an der Annahme, dass der Blick auf pornografische Ästhetik als nicht rational-analytisch und mit genügend Distanz gelingen könne (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 5).
Linda William trug mit Hard Core. Power, Pleasure and the ,Frenzy of the Visible ‘ aus 1989 viel zur Etablierung der porn studies bei . Erstmalig unterlagen Pornofilme hier einer Gleichstellung zu anderen Genres, historische und ästhetische Aspekte wurden gewürdigt und analysiert. Motive und Inhalte insbesondere der Hardcore-Pornografie wurden an populären Filmbeispielen wie Deep Throat von Williams erforscht (vgl. Williams 1989).
2.3 Mainstream-Pornos und Internet
Die einschlägigste Suchmaschine Google bekommt in weniger als einer Sekunde ungefähr 2.330.000.000 Ergebnisse für den Suchbegriff „Porno“ (Google 2021). In den späten 1960er-Jahren begann die Etablierung der Pornofilme und verzeichnet bis heute einen internationalen Erfolg, wobei sich die Rezeption von der Leinwand über die Sexshops (Videokabinen), Videotheken und das Heimkino (VHS, DVD) weitgehend auf das Internet verlagert hat. Das Internet als neues Marketingmedium hat dafür gesorgt, dass aus längeren Pornofilmen heute meist kürzere Clips werden, die in der Schnelllebigkeit des Internets kommerziell besseren Erfolg haben (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 3f.). Im August 2006 veränderte sich der Online-Pornomarkt: Youporn ging online und es wurden Tausende von kurzen Pornofilmen zum kostenlosen Ansehen angeboten. Täglich kommen unzählige neue Filme dazu, es gibt zahlreiche Websites und ein riesiges Überangebot, das Internet ist „das größte Warenhaus der Sexualität, das je auf der Welt existierte“ (Dannecker 2009: 31). Um als Portal dabei noch Relevanz behalten zu können, müssen Pornos gratis angeboten werden (vgl. Wettstein 2018: 2). Die Logik der Massenmedien, eine Dynamik des ständigen Steigerns und Überbieten, trifft auch auf pornografische Darstellungen zu: Sie können kaum eine adäquate Abbildung der sexuellen Realität leisten, da sie sich innerhalb der massenmedialen Aufmerksamkeitsökonomie orientieren. Es werden Abweichungen und Besonderheiten dargestellt, um Zuschauer:innen zu gewinnen. Aktuelle Pornografie im Internet ist also statt einer Alltagsrealität viel mehr eine Art der Sexualität der Massenmedien (vgl. Lewandowski 2017: 51).
Die bei den Jugendlichen beliebteste Website ist Pornhub, das Portal ist auf den Zugriff übers Smartphone ideal ausgelegt. Um finanziellen Gewinn erzielen zu können, werden verschiedene und mitunter schädliche Werbeanbieter akzeptiert. Die Website nimmt sich aus der Verantwortung, indem erwähnt wird, dass Pornhub für die Inhalte auf anderen Websites keine Haftbarkeit trage. Die Gratisinhalte von Pornhub sind weit weniger fraglich als die Inhalte auf den Websites der Werbeangebote (vgl. Wettstein 2018: 4).
Pornhub ist also wie die zahlreichen anderen Porno-Portalen im Prinzip nur eine sehr große Werbefläche für Drittanbieter. Die kostenlosen Clips auf den Websites sind nichts anderes als Anregungen und Lustgenerierung für die eigentlichen, längeren Pornofilme, die kostenpflichtig auf anderen Websites anzusehen sind. Es wird angenommen, dass Konsument:innen zuerst auf der Website kurze Clips sehen, um dann kostenpflichtige Angebote und Filme anzusehen, bei denen Registrierungen nötig sind. Andere Werbeangebote sind zum Beispiel kostenpflichtige Kontaktbörsen (vgl. Wettstein 2018: 3).
2.3.1 Hardcore / Softcore
Es findet sich eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Pornografie im Hardcore- und Softcore-Bereich: In Hardcore-Pornos dominieren meist lange Nahaufnahmen der (interagierenden Geschlechtspartien). Diese Aufnahmen sind hauptsächlich in dem Vi- deo-/Internet-Markt zu finden. Im Softcore-Porno werden diese langen Nahaufnahmen durch perspektivische Mittel und Fokus auf den ganzen Körper bzw. die Gesichter ersetzt, sodass diese Aufnahmen auch den Markt der Pay-TV-Programmen erschließen. Von einem Dreh werden also durchaus unterschiedliche Versionen hergestellt (vgl. Klei- ner/Stiglegger 2018: 3). Durch die Verlagerung des Pornomarktes auf das Internet und den höheren Konkurrenzdruck dominiert die Hardcore-Pornografie auf einschlägigen Seiten.
Als Basis der Hardcore-Pornografie kann man das Prinzip der maximalen Sichtbarkeit benennen. Dies ist der Gedanke, dass die intensive Sichtbarkeit (der Körper und Körperfunktionen) als Beweis dafür dient, dass sexuelle Lust und Begehren wirklich stattfinden. Aus diesem Prinzip gingen auch formgebende Konventionen hervor, zum Beispiel der meat shot1 oder der cum shot2 . Die Darstellung männlicher Lust beschränkt sich weitgehend auf Erektion und Ejakulation, also phallozentrischer Darstellung. Weibliche (und diverse) Lust entgeht diesem Prinzip maximaler Sichtbarkeit und wird zum problematischen Differenzobjekt (vgl. Ryberg 2009: 121).
2.3.2 Frauenbild / Gewalt
Wenn man Mainstream-Porn, also kommerziell erfolgreiche Pornos auf den einschlägigen dominierenden Websites, betrachtet, ist zu erkennen, dass die Geschlechterverhält- nisse sich nicht als ausgewogen beschreiben lassen. Männer sind primär Subjekte, Frauen werden zu Objekten der (vorwiegend) männlichen Lustbefriedigung degradiert (vgl. Villa 2012: 56f.). Diese Dysbalance rührt unter Anderem daher, dass Pornografie besonders in den Anfängen maßgeblich von Männern für ein männliches Publikum produziert wurde (vgl. Hardy 2009: 5).
Es herrscht ein Bild von „Sex on demand“ vor, also Sex als Konsumform ohne Beziehung zwischen den Akteur:innen (vgl. Etschenberg 2019: 151f.). Der definierende Aspekt der Pornografie, also die Generierung sexueller Lust bei der rezipierenden Person, wird maßgeblich durch Phallozentrik zu erreichen versucht. Die dargestellte Sexualität weist zwar diverse penetrative Akte auf, zeigt aber davon abgesehen wenig Diversität. Ein Pornofilm zeigt ein „Wunsch- und Traumgeschehen“, in dem der cis-Mann durch Omnipotenz, Dominanz und Begehrung (durch Frauen), ausgezeichnet wird. Der cis-männliche Körper scheint, außer beim beziehungsweise durch den Höhepunkt keine sexuelle Lust zu verspüren (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 4). Es werden unrealistische Normvorstellungen von männlichen Körperbildern und ihrer sexuellen Leistung produziert, die in der Realität nicht haltbar sind (vgl. Etschenberg 2019: 151f.). Diese sexuelle Leistung steht synonym für die erektile Performance (vgl. Maddison 2009: 52).
Weibliche Lust findet ebenso kaum bis gar nicht statt, höchstens in Subgenres wie „Squir- ting“, wo der weibliche (inszenierte) Orgasmus im Mittelpunkt des Aktes steht. Die Muster der Minimaldramaturgie von Pornofilmen sind wiederholend, der weibliche Körper wird „konsumiert“ wie ein Objekt, welches nach dem sexuellen Akt beliebig ausgetauscht werden kann (und muss). Durch Internetpornografie wird aus der Idee der permanenten Verfügbarkeit über Frauen eine reale und normalisierte Wirklichkeit in den Medien. Pat- riacharchale Strukturen werden gefestigt und reproduziert (vgl. Kleiner/Stiglegger 2018: 4). Sexualisierte Gewalt ist nicht zwingend Bestandteil von Pornografie, faktisch jedoch in großen Anteilen (vgl. Villa 2012: 56f.). Aufgrund scheinbar fehlender Empathie zwischen den Sexualpartner:innen werden auch schmerzhafte Praktiken dargestellt. Die Verbindung von Sex und Gewalt (besonders gegen weiblich gelesene Personen) scheint luststeigernd zu wirken (vgl. Etschenberg 2019: 151f.).
2.4 Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen der Darsteller:innen in Mainstream-Pornografie sind heutzutage oft prekär. Rechtlich sind diese kaum bis gar nicht reguliert, da Pornografie nicht unter die Gesetze zu Prostitution fallen. Somit stellt sie ein weitgehend unreguliertes Arbeitsfeld dar, woraus Probleme entstehen können, die im folgenden Kapitel beschrieben werden.
2.4.1 Bezahlung
Durch das sich stetig ausweitende digitale Überangebot an Pornografie und der daraus entstehende steigende Konkurrenzdruck kommt es zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Darsteller:innen. Wo sie in den 1980er Jahren als Berühmtheiten gefeiert wurden und während der Drehs glamourös in Szene gesetzt wurden, gelten heute andere Prämissen. Es gibt schnelle Drehs bei schlechterer Bezahlung mit der Intention, möglichst harte, neue Bilder einzufangen (vgl. Arte 2019).
„Was das Pornogeschäft angeht, müssen die Darsteller*innen sich angesichts der Zunahme kostenloser Angebote im Internet mit immer geringeren Gagen in Low- Budget-Produktionen abfinden. Als Pornhub in den 2000ern den Betrieb aufnahm, sanken die Gagen dramatisch.“
- Erika Lust, Produzentin feministischer Pornos3
Erika Lusts Aussage ist nur evident, denn die Erträge der Filme sind bei Weitem nicht mehr so üppig wie früher, und diese Gewinne müssen weiterhin durch mehrere Posten geteilt werden: unter anderem für die Miete der Location und Löhne für Produzent:innen, Kamerapersonal und eben die Darsteller:innen.
2.4.2 Karrierendauer
Die männliche Porno-Karriere wird später begonnen: Männliche amerikanische Darsteller beginnen durchschnittlich mit einem Alter von 24 Jahren, Darstellerinnen hingegen im Durchschnitt mit 22 Jahren. Während das weibliche Einstiegsalter in den letzten 40 Jahren keiner Veränderung unterlag, begannen in den 1970er Jahren männliche Darsteller erst mit durchschnittlich 29 Jahren (vgl. Millward 2013: o.S.). Die männliche Porno-Karriere ist außerdem typischerweise länger. Eine Studie aus 2013, in der 10.000 amerikanische Darsteller:innen analysiert wurden, fand raus: Während Frauen durchschnittlich drei Jahre lang für 19 Filme vor der Kamera stehen, bleiben Männer ein Jahr länger im Business und drehen 16 Filme. Zum Vergleich: In den 1980er Jahren waren Frauen noch durchschnittliche sieben Jahre zu sehen und ihre männlichen Kollegen 11 Jahre (vgl. Millward 2013: o.S.). Der Trend geht also dahin, dass Karrieren potenziell immer kürzer werden.
2.4.3 Rechtsverletzungen
Insbesondere weibliche Darstellerinnen leiden unter der wenig regulierten Industrie. Unerfahrenen Darstellerinnen fällt es schwer, selbstbewusst ihre Rechte einzuklagen, da Erfahrungswerte fehlen und der Konkurrenzdruck enorm groß ist. Daraus folgt, dass sie sich nicht beschweren, wenn Vernachlässigungen der Gesundheitstest vor den Drehs stattfinden, keine Scripts im Vorfeld gesendet werden oder Szenen (auch ohne Verhütung) drehen zu müssen, die nicht oder nicht in der Härte im Voraus abgesprochen waren, so zumindest laut Arte4. Das liegt unter anderem auch daran, dass Darstellerinnen oft, im Gegensatz zu männlichen Darstellern, neben ihrer Reputation dafür bezahlt werden, welche sexuellen Akte sie umsetzte (vgl. Ryan 2016: o.S.).
2.4.4 Urheber:innenrecht
Ein weiteres Problem für die Lage der Darsteller:innen ist, dass sie selbst nicht die Urhe- ber:innenrechte an ihren Filmen haben. Das sorgt dafür, dass die Gesamteinnahmen für die Filme noch so hoch sein mögen - bei den Darstellerinnen jedoch wenig davon ankommt. Mia Khalifa, eine der berühmtesten Pornodarstellerinnen aller Zeiten, berichtet, dass sie nur wenig in ihrer dreimonatigen Tätigkeit verdient habe, obwohl sie bis heute noch eine große Bekanntheit hat und ihre Filme noch immer gestreamt werden können und werden. Die Gesamtgewinne ihrer Filme sind um ein vielfaches höher als der Anteil, den sie verdiente (vgl. Schock 2020: o.S.).
2.5 Alternativen
Alternativen zur gängigen Pornografie beschreibt man als Alt-Porn (alternative Pornografie). Insbesondere bei früheren Darstellungen von Alt-Porn waren andere Körperbilder dominant, die subkulturell markiert waren (beispielsweise mit Tattoos und/oder Piercings). Die Darsteller:innen waren (früher) oft nicht professionell und entsprachen deswegen auch nicht dem im Mainstream-Porno umgänglichen eurozentrischen Schönheitsbild. Zielgruppe hierbei waren jüngere, urbanere Personen (-gruppen), die auch subkulturelle Bezüge hatten (vgl. Lust 2009: 143). Heutzutage müssen die Darsteller:innen alternativer Pornografieangebote jedoch nicht mehr offensichtlich Teil einer Subkultur sein, Alternativen zu Mainstream-Pornografie sind heute divers.
2.5.1 Feministisch-Ethisch
Insbesondere in der näheren Vergangenheit wurde alternative Pornografie mit (queer-)fe- ministischen Ansprüchen immer populärer. Seit den 1980er Jahren gibt es eine feministische sexpositive Bewegung in der Pornografie, welche somit als emanzipatorischen Mittel dient (vgl. Schmidt 2017: 334). Im Jahr 2006 wurde erstmalig das Porn Film Festival in Berlin veranstaltet, welches den Fokus auf nicht-heterosexuelle und Pornos mit Transpersonen legt. In dem selben Jahr starteten auch die jährlich stattfindenden Feminist Porn Awards. Hinter diesem gesteigerten Interesse steht die gesellschaftliche Erscheinung, dass Sexualität besonders im Zusammenhang mit den neuen Medien verbreiteter ist, was man auch daran erkennen kann, dass Produktion und Verteilung von amateurpornografischem Material steigen (vgl. Ryberg 2009 :119).
Ethik in Pornografie kann in zwei Ebenen aufgeteilt werden: Ethisch korrekte Produktion und moralischer Konsum. In Hinblick auf Produktionsbedingungen stellt Sexualtherapeut Dr. David Ley in einem Interview5 dazu folgende Kriterien auf:
1. Ethisch vertretbarer Produktionsbedingungen (faire und angemessene Bezahlung der Darsteller:innen)
2. Respektvoller Umgang mit Darsteller:innen (insbesondere Respekt vor ihren Grenzen)
3. Sexualität und sexuelles Empfinden soll als diverse und individuelle Erfahrung dargestellt werden (Einbezug von LGBTQ+-Personen und verschiedenen Körpertypen)
Ihm ist wichtig, dass ethische Pornografie ebenso hart wie Mainstream-Porn sein darf, jedoch der Konsens aller Darsteller:innen maßgeblich vorher einzuholen und zu wahren ist.
2.5.2 Amateur-Porn
Als weiteres vermeintliches Gegenbeispiel zu Mainstream-Porn gilt das sogenannte Genre „Amateur-Porn“. Scheinbare Laien produzieren hierbei pornografisches Material und nutzen dabei den Begriff der Amateurhaftigkeit aus, die eine Tätigkeit aus Leidenschaft mit weniger fachlichem Wissen als Professionelle impliziert, was mit einer grundlegenden Aufwertung einhergeht: Die Amateur:innen seien authentischer und somit besser, da sie nicht aus kommerzieller Motivation, wie sonst üblich, handeln, sondern unabhängig und selbstbestimmt und aus der Leidenschaft heraus, nicht aufgrund finanzieller Motivation (vgl. Hofer 2012:199ff.). Die Erwartungen der Rezipient:innen, die daran gestellt werden, sind zum einen eine höhere Echtheit, also Teil von realexistierender Wirklichkeit zu werden und zum anderen eine höhere Diversität, die in den Filme abgebildet wird, in verschiedenen Konstellationen von zum Beispiel (Sub-)kultur oder sozialen Zusammenhängen, sowie Diversität in den einzelnen Praktiken.
Doch diese Konstruktion ist in der Realität nicht haltbar. „Amateur“ ist unlängst zu einem lukrativen Genre im Mainstream-Porn geworden. Viele „Amateur“-Produzent:innen und Darsteller:innen werden monetär vergütet, viele davon sind professionelle beziehungsweise erfahrene Darsteller:innen, die in ihren Videos lediglich einen laienhaften Look imitieren (vgl. Hofer 2012: 199ff.).
Oft wird angenommen, dass Amateur:innen nur Pornografie „nachspielen“ und das Geschehen in Pornos nachzueifern versuchen. Dem gegenüber steht jedoch, dass amateurhafte Darsteller:innen ihre körperliche sexuelle Habitus und damit einhergehende Interaktionsmuster nicht unterdrücken können und diese sich auch (unwillentlich) durchsetzen würden, wenn sie dies umgehen zu versuchen (vgl. Lewandowski/Siemer 2021: 75). Doch dies müsste auch auf „professionelle“ Darsteller:innen übertragbar sein, die ebenso habitualisierte sexuelle Interaktionsmuster internalisiert haben.
Alle Amateurdarsteller:innen, seien sie auch noch so laienhaft, unterliegen der Präparation der eigenen Körper, sobald sie wissen, dass sie aufgenommen werden. Darstellung von Nacktheit ist immer in gewisser Weise performativ. Diese Präparation des zur Schau gestellten Körpers bleibt den Rezipient:innen meist versteckt. Es entsteht ein inszenierter „spezifischer Körper“, einen außerhalb des pornografischen Settings non-existenter Körper (vgl. Boll 2019: 159).
Die Dichotomie der Begrifflichkeiten von real-unauthentisch, uninszeniert-performativ und amateur-profi ist also hinfällig, da bei allen Aufnahmen das potenzielle, hinter der Kamera liegende, Publikum im Unterbewusstsein der Darsteller:innen präsent ist und Sexualität und Darstellung von Lust und Erregung somit automatisch (auch in unterbewussten Prozessen) verändert wird. Aber auch scheinbare professionelle Darsteller:innen, die offensichtlich sehr performative und inszenierte Szenen erzeugen, beziehen ihre habitua- lisierten Muster von Sexualität mit ein (vgl. Mercer 2009: 95). Somit ist keine Pornografie rein performativ oder rein authentisch.6
3 OnlyFans
Dieses Kapitel widmet sich dem Entstehungshintergrund von OnlyFans und welche Parameter die Arbeit auf der Plattform kennzeichnend ausmachen.
3.1 Entstehungsgeschichte von OnlyFans
OnlyFans ist eine abonnementbasierte Social-Media-Plattform, ähnlich zu Facebook oder Instagram, die es Creators ermöglicht, authentische Beziehungen zu ihren Fans aufzubauen, indem sie Inhalte teilen. Durch das (meist) gebührenpflichtige Abonnieren einer OnlyFans-Seite sehen die Abonnentinnen exklusive Inhalte und kommunizieren direkt mit ihren Lieblings-Creator, ohne Werbung oder algorythmenbasierte Vorschläge, es werden nur abonnierte Content-Creator im Feed angezeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vorteile eines Abonnements (Screenshot Onlyfans)
OnlyFans wurde im Jahr 2016 innerhalb von sechs Monaten vom aktuellen CEO von OnlyFans, dem britischen Unternehmer Tim Stokely, entwickelt. Hintergrund war, dass er Content-Creators eine Plattform bieten wollte, auf der sie Inhalte teilen und diese mo- netarisieren können. Es gibt diverse Content-Creator verschiedener Genres, neben Sexarbeiterinnen, die pornografische Inhalte anbieten, nutzen beispielsweise Musikerinnen und Sportler:innen die Seite. OnlyFans ist dadurch bis heute eine der am schnellsten wachsenden Social-Media-Plattformen, mit über einer Million Content-Creators. Innerhalb eines Jahres gab es die erste Million an Konsument:innen, der derzeitige Stand liegt bei 100 Millionen registrierten Nutzer:innen. Nach Angaben von Stokely und OnlyFans wurden bereits über 3 Milliarden US-Dollar an Content-Creator ausgezahlt 7.
3.2 OnlyFans-Nutzungsbedingungen
3.2.1 Monetarisierung
Content-Creator können auf vier Wegen Geld auf Onlyfans verdienen:
1) Monatsabonnement der Kund:innen
Der Preis eines Abonnements startet bei 4,99 US-Dollar bis hin zu 50 US-Dollar monatlich. Abonnements können auch als kostenlos eingestellt werden. Creator können einen Rabatt einstellen, falls man direkt mehrere Monate bucht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Abonnement kaufen (Screenshot OnlyFans)
Der durchschnittliche Preis eines Monatsabonnements liegt bei 12,99$ (vgl. Ryan 2019: 218)
2) Verkauf besonderer (oder personalisierter) Inhalte („Paid Posts“)
Diese Dateien (meist Bilder und Videos) werden für einen Extrabetrag angeboten (Pay per View). Der Minimalbetrag für diese Dienstleistung beträgt 3 US-Dollar, der Maximalbetrag liegt bei 50 US-Dollar. Eigens nach der Nachfrage der Kund:innen personalisierte Inhalte werden „customs“ oder „customized“ genannt, abgeleitet vom englischen „benutzerdefiniert“ oder „angepasst“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Button für Custom Content (Screenshot OnlyFans)
3) Bezahlte Privatnachrichten („Paid Private Message“)
Creator können mit der Möglichkeit, ihnen Privatnachrichten senden zu dürfen, Geld verdienen. Der finanzielle Rahmen dieser Dienstleistung liegt bei 3-100 US- Dollar.
4) Trinkgeld („Tips“)
Trinkgelder werden freiwillig von den Fans an die Creators geschickt. Der maximale Trinkgeldbetrag beträgt 100 US-Dollar für neue Nutzer:innen und 200 US- Dollar für Nutzer:innen, die seit mehr als 4 Monaten auf der Plattform sind.8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Button für Trinkgeld senden, unter Creator-Post (Screenshot OnlyFans)
3.2.2 Zahlungen
Unter allen von Fans getätigten Zahlungen behält OnlyFans direkt eine Gebühr von 20% ein, die übrigen 80% gehen an die Creator als „Creator Earnings“. Diese Gebühr beinhaltet Kosten für die Bereitstellung, Wartung und den Betrieb der Plattform und die Speicherung der Inhalte der Creators (vgl. OnlyFans Nutzungsbedingungen 2021, Punkt
5) Auszahlungen werden ab verdienten 20 USD getätigt.
3.2.3 Creator und Agentur
Agenturen, Vermittlungen und Vertretungen („Agencies“) gelten nicht als Creator. Jede:r Ersteller:in ist Eigentümer:in des eigenen Kontos und muss jederzeit Zugriff auf das Konto haben. Bei Unterstützung oder Kontoleitung einer Agentur oder Vertretung hat dies keinen Einfluss auf die persönliche rechtliche Verantwortung der Creators. Sie sind rechtlich dafür verantwortlich, dass alle veröffentlichten Inhalte und die Nutzung des Kontos den Nutzungsbedingungen entsprechen (vgl. OnlyFans Nutzungsbedingungen 2021, Punkt 7).
3.2.4 Altersverifikation
Die Anmeldung auf OnlyFans ist aufgrund der Fülle pornografischer Inhalte sowohl für Content-Creator als auch für normale Nutzer:innen erst ab 18 Jahren gestattet. Das Alter muss mit einer Personalausweiskopie und einem Selfie mit dem Personalausweis nachgewiesen werden.
3.3 „Intimfluencer“
Das Wort „Intimfluencer:in“ setzt sich aus dem Begriff „Influencer:in“ und intim zusammen.
Der Terminus Influencer:in (vom englischen „to influence“: beeinflussen) entstand um das Jahr 2007. Der Begriff Influencer:in beschreibt Personen, die im Bereich der sozialen Medien eine starke öffentliche Präsenz und Reichweite haben, in einem oder mehreren sozialen Netzwerken. Diese Reichweite wird daran festgemacht, wie hoch die Anzahl an Follower:innen oder Abonnent:innen ist (vgl. Lammenett 2021: 132).
Unter solchen Intimfluencer:innen versteht man Influencer:innen, insbesondere auf Instagram und OnlyFans, die sich besonders wenig bekleidet und auf sexuelle Weise darstellen und dadurch Profit erzielen.
Am Beispiel einer der bekanntesten deutschen OnlyFans-Darstellerin Yma Louisa Nowak gestaltet sich das so: Sie hatte einen großen Instagram-Account und startete dann OnlyFans, nahm einen Teil ihrer Follower:innen und ihrer Reichweite mit auf OnlyFans. "Viele schreiben, hey, ich feiere deine Tweets, deshalb habe ich dein Onlyfans." sagte sie in einem Interview mit der Süddeutschen9.
Damit geht laut Ryan einher, dass die Pornoindustrie demokratisiert wird und durch den Wegfall von Agent:innen, Produzent:innen diese „mikro-Celebrities“, also die Intim- fluencer:innen erotisch-pornografische Inhalte monetarisieren können und ihr erotisches Kapital somit für sie nutzbar gemacht wird (vgl. Ryan 2019: 120).
Die Content-Creator, die davon am meisten profitieren sind, selbstredend, diejenigen, die ohnehin schon eine große Follower:innenzahl auf anderen sozialen Plattformen vorzuweisen haben. Der Erfolg hängt davon ab, wie gut die Creator sich selbst vermarkten können und aus ihrer digitalen Persönlichkeit eine Marke erstellen können (vgl. Ryan 2019: 128). Soziales Kapital wird also auf digitaler Ebene durch die Sexarbeit monetari- siert, als einfaches Tauschgeschäft: Geld gegen Aufmerksamkeit und (scheinbare) Nähe.
3.4 Kritik
3.4.1 Leaks
Unter Leaks (aus dem Englischen: „to leak“ - entweichen, undicht sein) versteht man die verbotene Speicherung und illegale Vervielfältigung von Material, das auf OnlyFans von den Creators hochgeladen wurde, was sowohl laut Onlyfans Nutzungsbestimmungen als auch durch das deutsche Urheberrecht verboten ist.
OnlyFans wirbt für sich zwar als sehr sichere, mit „Firewall-Schutz und Altersbeschränkungen“ beschützte Website10 und alle hochgeladenen Bilder und Videos unterliegen dem Urheberrecht der Content-Creator, eine unrechtliche Nutzung und Verbreitung wird mit einer Geldstrafe geahndet. Das hindert die User:innen jedoch nicht, dieses Urheberrecht zu verletzen: In der Realität kommt es, insbesondere bei großen Content-Creator immer wieder zu solchen Leaks.
Die gestohlenen Bilder und Videos werden auf Seiten von Drittanbietern veröffentlicht, zum Beispiel in Foren (wie Reddit) oder eigens dafür erstellte Pornoseiten, die man in dieser Art unzählig im Netz findet11. Für Content-Creators ist es dann enorm schwer, die Verbreitung dieser Inhalte nachzuvollziehen und zu beenden. Sie können dies zur Anzeige bringen, jedoch ist es oft nicht möglich, die Personen ausfindig zu machen, die dafür verantwortlich sind. Nicht nur, dass Darstellerinnen keine Kontrolle mehr darüber haben, wer ihre Medien sehen kann, es kann auch zu finanziellen Einbußungen kommen, die - je nach Reichweite der Leaks- auch existenzbedrohend sein kann.
Diese Datensicherheit stellt auch einen Kritikpunkt der European Sex Workers' Rights Alliance dar12, der laut ihnen Verbesserungsbedarf hat (vgl. ESWA 2020: o.S.)
3.4.2 Ausstieg
Der Ausstieg aus der Pornografie in einen anderen Job wird den Frauen schwer fallen, insbesondere auch aufgrund der Leaks ihrer Fotos. Wenn sie ihren Account auf OnlyFans löschen, so muss dies nicht bedeuten, dass alle ihre Fotos und Videos aus dem Internet verbannt sind: im Gegenteil.
Es ist außerdem ein Nachteil, dass ihre Person sehr eng mit ihren Inhalten verknüpft sind. Auch wenn viele Frauen unter Pseudonymen arbeiten und ihre Privatsphäre achten, so ist es unschwer möglich, herauszufinden, wo sie leben und wie ihr richtiger Name lautet.
3.4.3 Altersbeschränkungen
Ein weiterer Kritikpunkt, der immer wieder mediale Aufmerksamkeit bekommt, ist, dass auch Altersbeschränkung und Jugendschutz auf OnlyFans umgangen werden. Eine Recherche von Titheradge und Croxford zeigte, dass auch Minderjährige auf der Plattform pornografische Inhalte geteilt und verkauft haben (vgl. Titheradge/Croxford 2021: o.S.). Der Jugendschutz ist lückenhaft, es gibt Betrugsfälle durch gefälschte oder ausgeliehene Ausweise. OnlyFans betone zwar auf Nachfrage, dass ihre Bemühungen zum Jugendschutz solche Accounts direkt zu löschen, jedoch scheint es ein Problem bei der Erkennung solcher Accounts zu geben. So gibt es vermehrt Accounts minderjähriger Mädchen, die irgendwann gelöscht werden, die Bilder und Videos jedoch sind bis dahin nicht mehr auf anderen Plattformen nachvollziehbar und werden somit nahezu unlöschbar.
[...]
1 Meat shot: Nahaufnahme von Genitalien der Performer:innen
2 Cum shot: Nahaufnahme der Ejakulation des Mannes
3 Interview auf Arte mit Erika Lust vom 02.02.19 online unter https://www.arte.tv/de/articles/erikalust-iv
4 Bericht von Arte über faire Pornos vom 8. Februar 2019, online unter: https://www.arte.tv/de/articles/fair- porn
5 Das ganze Interview mit Dr. David Ley auf Goop.com: https://goop.com/wellness/sexual-health/can- porn-be-ethical/
6 Zumindest keine Pornografie bei der die Darsteller:innen in Kenntnis darüber sind, dass sie gefilmt werden, anders ist dies bei Pornografie, die ohne Wissen und somit ohne Konsens erstellt werden.
7 https://onlyfans.com/about
8 Alle Nutzungsbedingungen sind zu finden unter: https://onlyfans.com/terms (Stand: September 2021)
9 Das ganze Interview von Yma Louisa Nowak vom 04.09.2020 auf https://www.sueddeutsche.de/le- ben/erotik-plattform-onlyfans-ihr-kriegt-nur-meinen-koerper-1.5020228
10 Das beschreibt OnlyFans in einem Blogpost vom 05.11.2018: https://blog.onlyfans.com/knowing-on- lyfans/
11 Bspw. www.onlyfansleaks.com, www.getfappy.com und viele weitere, die nach kurzer Recherche mit eindeutigen Schlagwörtern auf Suchmaschinen erscheinen
12 Der ganze Artikel der ESWA unter https://www.eswalliance.org/digital_rights
- Citation du texte
- Leonie Höckendorf (Auteur), 2022, OnlyFans als Alternative zur Mainstream-Pornografie? Motivationen, Vorurteile und Arbeitsbedingungen im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1271462
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.