Das Medium Fotografie – Traumwelten, Versuche, die Wirklichkeit abzubilden, Plakativierung und andere Paradoxien, die es zu einem so faszinierenden Gegenstand machen. Inwieweit vermag ein Foto nun die Wirklichkeit 'einfangen' oder ist vielmehr alles letztendlich doch nur Fiktion? Wo beginnt Inszenierung oder ist nicht schon der Gedanke, die Absicht des Fotografen in seinem gedanklichen Schaffensprozess inszenierend für das Bild? Was bedeutet die Inszenierung für die inhaltliche Aussagekraft des Bildes?
Das Besondere an der Fotografie ist, dass zwischen dem Medium und dem Künstler ein Gerät ist, dass einerseits durch seine technischen Möglichkeiten begrenzend wirkt, andererseits jedoch die Frage nach der Wirklichkeit immer wieder neu überdenken lässt und zudem trotzdem einen Einfluss durch den Künstler zulässt.
Wie kann ein Realitätsanspruch gewahrt werden, wenn ein Bild extrem interpretationsoffen und hochgradig assoziativ ist? Unterliegt ein Bild tatsächlich so stark den Affekten des Betrachters, sodass seine immanente Wirklichkeit bis zum Äußersten verfremdet werden muss?
Inhalt
Einleitung
1 Wann ist Fotografie inszeniert?
2 Zwischenwelten – vom Traum und Albtraum in inszenierten Bildern.
3 Vom Gegenständlichen
Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
Einleitung
„Das Beste, was einem passieren kann: wenn die Wirklichkeit
sich in einen Traum verwandelt.“
Philippe Baron de Rothschild (1902-88)
Das Medium Fotografie – Traumwelten, Versuche, die Wirklichkeit abzubilden, Plakativierung und andere Paradoxien, die es zu einem so faszinierenden Gegenstand machen. In wieweit vermag ein Foto nun die Wirklichkeit 'einfangen' oder ist vielmehr alles letztendlich doch nur Fiktion? Wo beginnt Inszenierung oder ist nicht schon der Gedanke, die Absicht des Fotografen in seinem gedanklichen Schaffensprozess inszenierend für das Bild? Was bedeutet die Inszenierung für die inhaltliche Aussagekraft des Bildes? Das Besondere an der Fotografie ist, dass zwischen dem Medium und dem Künstler ein Gerät ist, dass einerseits durch seine technischen Möglichkeiten begrenzend wirkt, andererseits jedoch die Frage nach der Wirklichkeit immer wieder neu überdenken lässt und zudem trotzdem einen Einfluss durch den Künstler zulässt.
Wie kann ein Realitätsanspruch gewahrt werden, wenn ein Bild extrem interpretationsoffen und hochgradig assoziativ ist? Unterliegt ein Bild tatsächlich so stark den Affekten des Betrachters, sodass seine immanente Wirklichkeit bis zum Äußersten verfremdet werden muss?
Jonathan Friday versucht einen anderen Erkenntnisweg zu gehen:
„We do not have to check our emotional states – if such an activity makes any sense at all – to confirm our judgements. Indeed, feelings and emotions cannot confirm judgements of any sort, since non-cognitive states do not constitute a way of understanding the world.“1
Es geht also nicht um das Verständnis, was Bilder sind, sondern was sie darstellen und welches Bedeutungsspektrum sie eröffnen. Und genau dieses Spektrum ist unendlich in seiner Vielfalt, da jeder Betrachter individuelle Affekte, Emotionen und Erinnerungen mit dem Bild entwickelt.
1 Wann ist Fotografie inszeniert?
In den 70er Jahren war diese Frage relativ einfach zu beantworten, denn in dieser Zeit beschrieb die inszenierte Fotografie jener, welcher „man auf den ersten Blick ansieht, daß sie nicht im sog. Schnappschussverfahren entstanden ist“2.
Indem sich der ausführende Fotograf Gedanken über die Komposition und die Auswahl der Objekte und Subjekte Gedanken macht, vollzieht sich ein subjektiver Selektionsprozess, der sicherlich oft unbewusst stattfindet. Hinzu kommt jedoch, dass in der inszenierten Fotografie nicht der Aufbau der Bühne oder die bloße Konstellation der Requisiten gemeint ist, sondern die gesamte Bildkomposition hinsichtlich der Wirkung auf den impliziten Betrachter des Bildes geschieht. Also wird eher die Narration als Ganzes inszeniert und nicht die einzelnen Objekte. Tim Walker macht dies an seinen Bildern deutlich, die im eigentlichen Sinne Modefotografien sein sollen, das Modell und die repräsentierte Mode jedoch im Gesamteindruck in den Hintergrund rücken lässt. Betrachtet man Walkers „Lily Cole – Earthquake damage“ aus dem Jahre 20053, verliert sich der erste Blick in den hunderten Details, die das Bild sehr lebendig machen. Die einzelnen Objekte sind scheinbar fest in ein narratives Gefüge eingebunden, ja wirken selbst fast als Sujet, sodass man glaubt, ohne sie könne das Bild nicht mehr funktionieren. Als Aufnahmeort wurde ein indischer Palast (Whadwhan Palace, Gujarat) gewählt und ein Raum mit sehr vielen Requisiten – unter anderem kaputte Tretautos und Möbel – ausgestattet. Hier zeigt sich, dass es Walker wohl mehr auf die Stimmung ankam, die eben nach einem Erdbeben vorliegt. Das Modell (Lily Cole) selbst rückt ganz nach Links an den Bildrand und steht erhöht auf einer Vitrine. Dunkle Pfauenfedern symbolisieren hinter ihrem Rücken an der Wand ihren Schatten, scharf als Schlagschatten ausgebildet. Wenige Lichtquellen (drei Fenster, zwei davon zum größten teil zugestellt)lassen ebenfalls eine düstere, beklemmte Stimmung erzeugen. All das lässt im Schaffensprozess nicht die Objekte in den Vordergrund geraten, sondern vielmehr den impliziten Betrachter, dem unmittelbar eine Stimmung provoziert werden soll. Nach Weiermeier lässt sich der Prozess der Inszenierung so verstehen, dass die Aufnahme an sich nur die Dokumentation des künstlerischen Aktes der 'Inszenierung' sein kann4. Der Stern beschreibt Walkers Schaffensweise in einem ähnlichen Sinn: er hat, was er macht, im Kopf, malt es sich tagelang still aus und lässt dann vor seiner Kamera eine Welt entstehen. Tim Walkers Modefotografien sind Weltbilder, die es lange nicht gegeben hat.“5
Dies ist also das Geheimnis von Walkers Inszenierungskunst? Eine, allein durch Denken erschaffene Welt, die dann künstlerisch und künstlich geschaffen wird. Aber eben durch eine vollkommen fiktive Welt, die aus den Gedanken eines kreativen Menschen entstand, wird es möglich, ein enormes Potential an Gefühlen in das Bild zu setzen, die eine starke Stimmung verursachen können und die Vorstellung einer Traumwelt provozieren.
Was oft als billiger Kontrast zur märchenhaften Kunst Tim Walkers wahrgenommen wird, zeigt bei Cindy Sherman eigentlich nur, dass es noch eine andere Form des Traues gibt. Man könnte nun behaupten, diese Form wäre der Alptraum oder der Traum der Realität, wie es Sherman selbst beschreibt – als Kritik an der Gesellschaft. Vielmehr vermittelt sie jedoch ein Bild von Klischees, die im negativsten Sinne zu verstehen sind. Als Beispiel soll hier ihr „Untitled #276“6 von 1993 stehen (oftmals als Cinderella betitelt). In erster Linie erscheint die Bildkomposition als idyllisch, einem Märchen entsprechend. Die vermeintliche Prinzessin (Sherman selbst, aber nur als Protagonistin tätig!) lässt sich jedoch durch Details in Klischees der Prostitution einordnen. Ihre langen, blonden, aber wenig gepflegten Haare, das teils durchsichtige Kleid, welches hängende Brüste und Schambehaarung vermuten lässt und die unvorteilhafte Haltung an sich mit gespreitzten Beinen und herunterhängender Schulter veranschaulichen keineswegs eine adlige Dame, geschweige denn ein unschuldiges Mädchen in ihrem Gemach. Kontrastiv wirkt hier demnach die weiße Lilie – oftmals als Symbol für Reinheit – die die Protagonistin in der linken Hand und mit der Blüte in Richtung Schambereich hält. Der teils lüsterne, teils schläfrige Blick und der leicht gespitzte Mund lässt das Gesicht relativ inhaltslos, mindestens aber gefühllos erscheinen.
Wichtig ist bei Shermans Bildern, wie auch bei denen Walkers, dass sie hochgradig assoziativ sind und enorm viel Spielraum für Interpretationen und Emotionen lassen.
Betrachtet man Fotografien, die Malerei imitieren – wie es bei Walker und Sherman zum Teil der Fall ist7 – erkennt man auch hier einen inszenierenden Charakter.
[...]
1 Friday, Jonathan: Aesthetics and Photography, S. 89.
2 Siehe Walter, Christine: Bilder erzählen!, S. 10
3 Siehe attachment Abbildungen, Abb. 1
4 Vgl ebd. S. 25
5 http://www.stern.de/unterhaltung/fotografie/:%3Ci%3Estern%3C-i%3E-FOTOGRAFIE-Tim-Walker:- Tr%E4umend-Spitze/558846.html?nv=ct_cb (20.5.2008, 15.03).
6 Siehe attachment Abbildungen, Abb. 4
7 Bei Sherman ganz klar die Serie „History Portraits“; Walker selbst wird oft mit Dalì verglichen. Walkers „Lily Cole & Spiral Staircase“ lässt auch malerische Elemente entdecken, die barock und jugendstilistisch wirken (Stichworte gusseiserne Wendeltreppe, Falten des langen Schleiers etc.).
- Citar trabajo
- Mathias Seeling (Autor), 2008, Inszenierte Fotografie bei Tim Walker und Cindy Sherman, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127100
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