Die Arbeit setzt sich mit den Wäldern in Deutschland auseinander. Deutschland ist ein Waldland. Diese These, ohne nähere Erläuterungen aufgeführt, mag auf den ersten Blick verwundern – zumal in einem Land, das maßgeblich von Urbanisierung, zunehmender Flächenversiegelung und dem weitläufigen Auftreten von Ackerlandschaften geprägt ist. Im allgemeinen Bewusstsein spielt der Wald hierzulande eine untergeordnete Rolle, er wird vielmehr mit den nördlichen Ländern Skandinaviens assoziiert.
Die große Rolle, die der Wald – im Speziellen Buchenwälder – dennoch für Deutschland spielt, zeigt sich bereits im alltäglichen Sprachgebrauch und geht damit weit über den Bereich der Vegetationsgeographie hinaus. So stammt das Wort Buchstabe vermutlich von den Buchen-Stäbchen, in welche die Germanen vor wenigen tausend Jahren erste Runen ritzten, und zeugten somit beispielhaft von der Bedeutung der Buche bei der kulturellen Entwicklung des Menschen.
Auch die Vielfalt an deutschen Ortsnamen, in denen der Begriff Buche enthalten ist, spiegelt deren Omnipräsenz in der Vergangenheit wieder. Vor diesem Hintergrund erscheint der einleitende Satz ins Präteritum überführt nun aber schlüssiger – Deutschland war ein Waldland. Ohne das Eingreifen des Menschen wäre Deutschland auch heute noch zum überwiegenden Teil von Wald geprägt. 97% der Landesfläche wären mit Wäldern bedeckt und lediglich 3 % waldfrei, hauptsächlich auf Extremstandorte wie Hochgebirge, Küstenbereiche oder Moore begrenzt.
Erklärbar ist dies durch die hohe Konkurrenzfähigkeit von Wäldern, die sich über lange Zeiträume hinweg gegenüber anderen Pflanzenformen behaupten, sofern sie nicht von ihren ökologischen Grenzen oder anthropogenen Einflüssen limitiert werden. Faktisch erreicht der Waldanteil Deutschlands aktuell jedoch lediglich noch einen Wert von rund 32 %, was in etwa dem weltweiten Durchschnitt der Landschaftszusammensetzung entspricht. Er bleibt also weit unter seinem natürlichen standörtlichen Potential.
Fraglich ist zudem, ob der Begriff Wald für eine Großteil der angesprochenen 32 % der deutschen Landesfläche überhaupt noch Gültigkeit besitzt. Demgegenüber stellt der Forst die bewirtschaftete Form des Waldes dar, welche die meisten Waldbestände in Deutschland darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung1
2 Biogeographische Prozesse und Raummuster
3 Historische Entwicklung der zonalen Wälder
4 Klimatische Bedingungen
5 Nemorale Zone – Sommergrüne Laubwälder
6 Zonale Waldgesellschaften
7 Anthropogene Überprägung der Wälder
8 Schutz der zonalen Wälder
9 Wald und Klimawandel
Abstract
Zonal forests are characterized by large climatic conditions and thus represent the native forest stands. Despite its small area, different types of forests coexist in Germany, which is naturally a predominance of beech forest communities. The aim of this thesis is to describe these communities as well as their historical development. In addition, the human overprinting of the forests is mentioned, which has resulted in a reversal to predominant coniferous forests. Protective measures are being addressed to secure the original beech forest stands. Finally, the challenge of anthropogenic climate change is addressed.
1 Einleitung
Deutschland ist ein Waldland. Obige These, ohne nähere Erläuterungen aufgeführt, mag auf den ersten Blick verwundern – zumal in einem Land, das maßgeblich von Urbanisierung, zunehmender Flächenversiegelung und dem weitläufigen Auftreten von Ackerlandschaften geprägt ist. Im allgemeinen Bewusstsein spielt der Wald hierzulande eine untergeordnete Rolle, er wird vielmehr mit den nördlichen Ländern Skandinaviens assoziiert.
Die große Rolle, die der Wald – im Speziellen Buchenwälder – dennoch für Deutschland spielt, zeigt sich bereits im alltäglichen Sprachgebrauch und geht damit weit über den Bereich der Vegetationsgeographie hinaus. So stammt das Wort „Buchstabe“ vermutlich von den BuchenStäbchen, in welche die Germanen vor wenigen tausend Jahren erste Runen ritzten, und zeugten somit beispielhaft von der Bedeutung der Buche bei der kulturellen Entwicklung des Menschen.
Auch die Vielfalt an deutschen Ortsnamen, in denen der Begriff „Buche“ enthalten ist, spiegelt deren Omnipräsenz in der Vergangenheit wieder (Fischer 1995). Vor diesem Hintergrund erscheint der einleitende Satz ins Präteritum überführt nun aber schlüssiger – Deutschland war ein Waldland.
Ohne das Eingreifen des Menschen wäre Deutschland auch heute noch zum überwiegenden Teil von Wald geprägt. 97% der Landesfläche wären mit Wäldern bedeckt und lediglich 3 % waldfrei, hauptsächlich auf Extremstandorte wie Hochgebirge, Küstenbereiche oder Moore begrenzt (BfN 2007). Erklärbar ist dies durch die hohe Konkurrenzfähigkeit von Wäldern, die sich über lange Zeiträume hinweg gegenüber anderen Pflanzenformen behaupten, sofern sie nicht von ihren ökologischen Grenzen oder anthropogenen Einflüssen limitiert werden. Faktisch erreicht der Waldanteil Deutschlands aktuell jedoch lediglich noch einen Wert von rund 32 %, was in etwa dem weltweiten Durchschnitt der Landschaftszusammensetzung entspricht. Er bleibt also weit unter seinem natürlichen standörtlichen Potential (Bartsch und Röhrig 2016).
Fraglich ist zudem, ob der BegriffWaldfür eine Großteil der angesprochenen 32 % der deutschen Landesfläche überhaupt noch Gültigkeit besitzt. Denn der Namensherkunft nach bezeichnet das Wort „ein Gelände, das ‚wild‘, [und] somit nicht einer Kultur unterworfen ist“ (Bartsch und Röhrig 2016). Demgegenüber stellt derForstdie bewirtschaftete Form des Waldes dar, welche die meisten Waldbestände in Deutschland darstellen. Ursprünglicher Wald (“Urwald”) ist in Deutschland nicht mehr vorhanden (BfN 2007).
Eine allgemeingültige Definition von Wald existiert nicht. Aus botanischer Sicht wird Wald als Fläche deklariert, die wesentlich durch Bäume gekennzeichnet ist und charakteristische Merkmale wie ein dichtes Kronendach ausbilden. Daraus resultiert ein sogenanntes „Waldklima“, also die Ausprägung spezieller Vegetation-, Klima- und Bodenverhältnisse (BMEL 2014; Bartsch und Röhrig 2016). Klar ersichtlich wird anhand der Unterscheidung zwischenWaldundForstbereits, dass der Vegetationstyp heute neben einer ökologischen Funktion (CO2-Speicherung, Sauerstoffproduktion, Biodiversitätsspeicher) auch eine ökonomische Rolle zur Holzgewinnung spielt.
In der vorliegenden Arbeit soll es primär um die zonale Waldvegetation in Deutschland gehen. Sie umfasst dementsprechend die zonalen (heimischen) Wälder, die unter den gegebenen großklimatischen und umweltbedingten Standortfaktoren natürlich anzutreffen sind. Damit grenzen sie sich von der azonalen Vegetation ab, die keinerlei Bindung an eine bestimmte Vegetationszone besitzt und verstärkt über nicht-klimatische Standortfaktoren definiert wird. Auch unterscheiden sich zonale Wälder von jenen der extrazonalen Vegetation, welche an meist kleinräumigen Standorten, außerhalb ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes, wachsen können, wenn das Lokalklima dem des Haupthabitats entspricht (Frey und Lösch 2010).
Als Hinführung zu Waldgesellschaften und zonalen Wäldern, werden vor ab die biogeographischen Prozesse innerhalb dessen abgehandelt, damit ein Verständnis gegeben ist, wie sich Arten verbreiten, anpassen und konkurrieren, um die zonalen Wälder in Deutschland zu beschreiben. Nach dieser Einführung in die Grundlagen der Waldökologie wird auf die klimatischen Bedingungen in der Zone der nemoralen sommergrünen Laubwälder eingegangen, sowie die historische Entwicklung der zonalen Wälder in Deutschland beschrieben. Anschließend folgt ein Überblick über die Hauptvegetationsgesellschaften der zonalen Wälder, wobei der Fokus auf den in Deutschland vorherrschenden Buchenwäldern und Eichenmischwäldern liegt. Zuletzt soll ein Exkurs zur menschlichen Überprägung der Wälder erfolgen, Schutzmaßnahmen der natürlichen Vegetation aufgezeigt und ein Ausblick auf die Reaktion der Wälder auf den anthropogenen Klimawandel gegeben werden.
2 Biogeographische Prozesse und Raummuster
Aus- und Verbreitung von Arten
Verschiedene Waldgesellschaften und deren Arten unterliegen räumlichen Verbreitungsmustern, welche im Grunde auf Umweltbedingungen basieren, die an komplexe erdgeschichtliche Veränderungen gekoppelt sind. Arten und Gesellschaften passen sich in ihrer Aus- und Verbreitung an diese Bedingungen an und nutzen diese Fähigkeit zum Überleben, wie zum Beispiel durch Lebensraumwechsel, um den Existenzansprüchen gerecht zu werden.
Die ökologische Ausbreitung spielt dabei eine wichtige Rolle, da somit neue Habitate innerhalb eines Areals erschlossen werden können. Das Konkurrenzverhalten mit anderen Arten entscheidet hierbei, welche Art sich die Existenz sichern und somit Ihre Population weiterführen kann (Ellenberg & Leuschner 2010).
Eine weitere Art der Ausbreitung ist die biogeographische Ausbreitung, welche neue Habitate außerhalb des Areals darstellt. Dabei ist das Konkurrenzverhalten außerhalb des eigentlichen Areals noch größer, da die Verbreitung weitaus kleiner ist.
Die Ausbreitung findet über mehrere Mechanismen statt, welche sich im Laufe der Evolution gebildet haben. Dabei entscheidend ist der Transport der Diasporen, welche sich in vegetative und generative Ausbreitungseinheiten unterteilen. Die Diasporen sind fähig, neue Generationen einer Art hervorzurufen, wie durch Samen, Früchte und wurzelfähige Pflanzenteile. Die Diasporen nutzen dabei verschiedene Ausbreitungsmechanismen, wobei es sich meistens um eine passive Art der Ausbreitung handelt (Schroeder, G.-G. 1998).
Dabei werden für den Transport äußere Fremdkräfte genutzt, was als Allochorie (Fremdausbreitung) bezeichnet wird. Eine Ausbreitung über Tiere (Zoochorie) ist am verbreitetsten, aber auch über Wind (Anemochorie) oder über das Wasser (Hydrochorie) ist die Verbreitung möglich (Schmitt et al. 2012). Eine weitere Beschreibung wird im Kontext dieser Arbeit allerdings nicht verfolgt.
Biotische & Abiotische Interaktionen
Das Überleben und Vorkommen von Arten unter bestimmten Umweltbedingungen hängt nicht nur von der Anpassungsfähigkeit ab, sondern auch immer von funktionalen Wechselbeziehungen unter diesen bestimmten Umweltbedingungen. Diese Wechselwirkungen werden als biotische Interaktion bezeichnet und beeinflussen die lokale Verbreitung. Dazu zählen Faktoren wie Nahrung, Konkurrenten, Feinde, Parasiten etc. Diese Einflüsse sind abzugrenzen gegen abiotische Faktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit, Bodensubstratzusammensetzung, welche sich ebenfalls auf die Arten und deren Verbreitung auswirken (Odum 1980).
Konkurrenz
Die Einflussreichste biotische Interaktion ist die inner- und zwischenartliche Konkurrenz. Dabei konkurrieren einzelne Arten mit anderen Arten innerhalb eines Habitats, und einzigartige und individuelle Strategien sowie Anpassungen entwickeln sich zur Durchsetzung. Diese Konkurrenzstrategien sind sehr vielfältig, da es für die Arten um das Überleben geht und lebenswichtige Ressourcen wie beispielsweise Licht, Wasser, Lebensraum oder Nährstoffe nur begrenzt zur Verfügung stehen.
NachT.W. Schoener(1983) gibt es dabei sechs Konkurrenztypen:
-Nährstoffe: Wettbewerb und Beeinträchtigungen zwischen Arten durch gleiche Ressourcennutzung
-schnelle Ausbreitung: bei ortsfesten Arten Manifestierung des Standortes und somit Unnutzbarkeit für andere Arten
-Überwuchs: Überwuchern von konkurrierenden Arten, um Licht zu gewinnen
-chemische Interaktionen: Wachstumshemmung anderer Arten durch Abgabe von Toxinen (Gifte) in den Boden
-Territorialität: starkes Revierverhalten führt zu Meidung anderer Arten innerhalb eines Habitats
-Aufeinandertreffen: Verdrängung von Arten aufgrund von Nahrungsquellen
Die Konkurrenzfähigkeit und Konkurrenzstärke sind an Umwelt und Genetik gebunden und somit artspezifisch. Sie bestimmen Merkmale wie die Populationsgröße und Populationsdichte. Dies bestimmt somit auch das Territorium durch Raumgewinn einer Art und Größe ihres Verbreitungsgebietes.
Die für zonale Wälder bedeutende interspezifische Konkurrenz, also zwischenartliche Konkurrenz, spielt dabei die größte Rolle. Intraspezifische Konkurrenz ist nur von Bedeutung dahingehend, dass konkurrenzschwache Individuen ausgelesen werden und lediglich leistungsstarke Individuen fortbestehen. Diese hat keinen Einfluss auf Vorkommen und Ausbreitung einer Art (Fischer 1995).
Wie bereits erwähnt, hängt das Vorkommen neben Umweltbedingungen von biotischen Interaktionen ab. Dabei weist jede Art standortbedingte Umweltfaktoren auf, welche ein genetisch festgelegtes Optimum bzw. festgelegten Lebensbereich besitzen. Das sogenannte Potenzoptimum, oder auch physiologisches Optimum. Reale Umweltbedingungen bringen selten an einem Standort ein solches Optimum der Ansprüche der Pflanze hervor. Jede Art bewegt sich innerhalb einer definierten Verteilung über einen Teilbereich eines bestimmten Faktors. In Abbildung 2 ist das physiologische Optimum mehrerer beispielhafter Arten aus dem mitteleuropäischen Raum in submontaner Stufe mit Phytomasse und Bodenfeuchte zu sehen, wobei erkennbar ist, dass mehrere Arten ähnliche Potenzbereiche haben, auch mit unterschiedlichen Optima.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Ökologisches Optimum Abb. 2: Physiologisches Optimum
Neben dem physiologischen Optimum mit standortspezifischen Umweltbedingungen (siehe Abbildung 1) bestimmt das Existenzoptimum (ökologisches Optimum) das angesprochene Konkurrenzverhalten. Das effektive Vorkommen ist daher vor allem vom ökologischen Optimum abhängig, da, wie in Abbildung 2 zu sehen, das physiologische Optimum sich bei mitteleuropäischen Arten bei ähnlichen Bedingungen der Bodenfeuchte oft stark überschneidet. Dabei werden Arten in suboptimale Lebensbereiche ihres Standortspektrums verdrängt und die Standorte entsprechen nicht deren physiologischer Optima. Dies ist am Beispiel der Rotbuche (Fagus Sylvatica) gegenüber der Waldkiefer (Pinus sylvestris) gut zu erkennen (Pfadenhauer & Klötzli 2014).
Die Diversität der Baumarten im Wald ist in Mitteleuropa weitaus geringer als in anderen Teilen der Erde, daher sind Bodenverhältnisse und Feuchte- und Nährstoffsituation entscheidend am Standort, welche die Wuchsleistung maßgeblich bestimmen. Das ökologische Optimum wird durch Verdrängungsprozesse wie diese bestimmt, wobei weitere Faktoren wie Wasser- und Nährstoffversorgung ebenfalls von Bedeutung sind.
Wettbewerb zwischen den Arten äußert sich oft in einem Wettlauf der Wuchsleistung und Wuchshöhe über die Zeit und führt somit zu einem Vorteil bezüglich des Faktors Licht. Um den Faktor Licht zu maximieren, wachsen bei Schattenholzarten wie der Rotbuche (Fagus Sylvatica) bereits die Jungpflanzen in gut beschatteten Standorten, wobei die ausgewachsenen Individuen diesen Schatten spenden. Schattenholzarten sind deutlich konkurrenzfähiger als Arten mit wenig Schattentoleranz (Lichtholzarten).
Klimatische und wetterbedingte Veränderungen können die Umweltbedingungen von Arten mit ähnlichen bis gleichen Potenzoptimums die Konkurrenzsituation schnell verändern. Dadurch werden Bedingungen für Arten begünstigt oder verschlechtert und somit für andere Arten Vor- oder Nachteile geschaffen. Die natürliche Variabilität schaffte bisher ein Equilibrium solcher Vor- und Nachteile, was sich durch den Klimawandel nun ändern könnte. Dieses Konkurrenzverhalten ist ein notwendiger und ein evolutionsbiologischer Prozess, um anpassungsfähig zu bleiben (Pfadenhauer & Klötzli 2014).
Neben den räumlichen Verbreitungsmustern der Art bilden sich standortabhängige Lebensgemeinschaften durch interspezifische Konkurrenz aus, bestehend aus einer Vielzahl von Pflanzenarten. Um dies möglich zu machen, bildeten sich über die Zeit unterschiedliche Lebensweisen und Lebensbedürfnisse aus, was eine gemeinsame Koexistenz hervorbrachte. Dies ermöglicht eine gemeinsame Nutzung an Ressourcen und direkte Konkurrenz wird minimiert. Eine Spezialisierung der verschiedenen Arten aufgrund einer speziellen Anpassung an einen Bereich (Umweltbedingung), um alle nötigen Ressourcen zur Verfügung zu haben, ergibt zusammen mit einem gleichzeitig minimierten Konkurrenzdruck die ökologische Nische (Frey und Lösch 2010).
Theoretisch wäre das physiologische Optimum einer Art als fundamentale Nische zu bezeichnen, wobei die Konkurrenz in realistischen Bedingungen dies durch Interaktion stark restringiert und somit die realistische Nische bildet (ökologisches Optimum). Es gibt noch weitere Formen der Nischenbildung, wobei im Zuge der Thematik die Konkurrenzstrategien von Bedeutung sind, um das Vorkommen von bestimmten Waldgesellschaften in Deutschland nachzuvollziehen. Diese Strategien entscheiden dabei über Größe der ökologischen Nische und die Ausbreitungsfähigkeit der Art und deren Häufigkeit. In Abbildung 3 ist dies exemplarisch anhand des Fagion-Verbunds dargestellt. Das Existenzoptimum (ökologisches Optimum) ist dabei immer ein Kompromiss aus in Wechselwirkung stehenden Umweltfaktoren (Kratochwill, A. & A. Schwabe 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Nische des Fagionverbunds
3 Historische Entwicklung der zonalen Wälder
Buchenwälder, die in Deutschland und Mitteleuropa unter den heutigen Klimabedingungen die potentielle natürliche Vegetation darstellen und somit die überragende Rolle in der hiesigen Waldvegetation einnehmen, sind erdgeschichtlich betrachtet ein vergleichsweise junges Ökosystem (BfN 2007). Als Klimaxvegetation der Waldzusammensetzung Deutschlands sind sie Ergebnis des Wechselspiels aus Glazialen und Interglazialen während des Pleistozäns, also der letzten zwei Millionen Jahre. Dieses Wechselspiel ist gleichsam der Grund für die relative Artenarmut der sommergrünen Laubwälder Europas, da Wanderungsbewegungen der Arten durch die breitengradparallele Ausrichtung der Alpen erschwert wurden. Die historische Entwicklung der zonalen Waldvegetation, hin zum heutigen „Buchenland“, soll im folgenden Abschnitt beispielhaft anhand der gut erforschten Zeitspanne von der letzten Eiszeit (Weichsel- bzw. Würmeiszeit) bis zur aktuellen Situation aufgezeigt werden. Sie wird vielfach als Mitteleuropäische Grundfolge, teilweise auch als Grundsukzession bezeichnet, die auf Basis von Pollenanalysen rekonstruiert werden konnte (Fischer 1995).
Während des Maximums der letzten Eiszeit vor rund 20 000 Jahren waren sowohl Norddeutschland, von den Ausläufern der skandinavischen Gletscher, als auch Süddeutschland, von den Alpengletschern, mit Eismassen bedeckt. Im Zwischenbereich fand sich kaltzeitliche Tundren- und Steppenvegetation, während die Waldbestände in glaziale Rückzugsgebiete – insbesondere nach Süditalien und auf den Balkan – verdrängt wurden (Pott 2005). Mit dem Ende der Eiszeit und einsetzender Klimaverbesserung begann die sukzessive Wiederbewaldung Deutschlands, in der sich die unterschiedlichen Baumarten gestaffelt über einen Zeitraum von annähernd 10 000 Jahren nach Norden ausbreiteten und sich dabei konkurrenzbedingt in Teilen wieder eliminierten (vgl. Abb. 4) (Pott 2005). Mit ihrer Reproduktionsfreudigkeit und den leichten, windverbreiteten Samen etablierte die Waldkiefer (Pinus sylvestris) über Pionierwaldstadien hinweg als erste Baumart ein stabiles Laubwaldsystem, das im Westen Deutschlands zusätzlich mit Birken (Betula pendula) durchsetzt auftrat (Fischer 1995). Bereits im Atlantikum war Deutschland somit, mit Ausnahme wenige Extremstandorte an Mooren und Küsten, wieder komplett von Wald besiedelt (Pott 2005). Verdrängt wurde die Kiefer in der anschließenden „Haselzeit“ vom Haselstrauch (Corylus avellana), der sich als lichtliebende Pflanzenart in den schütteren Birken- und Kiefernwäldern stark vermehren und schließlich durch eigene Beschattung zur Vorherrschaft gelangen konnte. Gleichzeitig wanderten erste Bestände von Eichen, Ulmen, Linden, Eschen und Erlen ein, die zusammen, in der „Eichenmischwaldzeit“ (vor 7500 bis 2500 Jahren) mündend, einen Rückgang der Hasel bewirkten. Großflächige Eichen(misch)wälder fanden sich bevorzugt im außeralpinen Bereich, zusammenhängende Ulmenbestände am Nordrand der Alpen (Fischer 1995).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Zeitliche Abfolge verschiedener Baumarten in Mitteleuropa von vor 11 000 Jahren bis heute (Pott 2005)
Buchenwälder schließlich bilden die chronologisch letzte Waldgesellschaft, die aus ihren Refugialgebieten nach Deutschland zurückkehrten. Etwa ab dem Subboreal vor 5000 Jahren begann sie sich, die Alpen sowohl östlich als auch westlich umwandernd, erst in Süddeutschland auszubreiten, um spätestens im Subatlantikum (ab 3000 Jahren vor heute) auf sämtlichen „Normalstandorten“ Deutschlands zur Dominanz zu gelangen (BfN 2007). Einmal ansässig, verdrängte die Rotbuche (Fagus sylvatica) durch ihre starke Konkurrenzkraft Eichen, Ulmen und auch Kiefern auf deren jeweilige Randbereiche des physiologischen Existenzbereichs, die gleichsam standörtlichen Extrembereichen wie Mooren, Feucht- oder Trockengebieten entsprechen (Pott und Hüppe 2007). Dass im heutigen realen Waldbestand dennoch kaum großflächige zusammenhängende Rotbuchenwälder in Deutschland vorzufinden sind, begründet sich in erster Linie durch anthropogene Tätigkeiten, die in Kapitel 7 näher erläutert werden. An der Mitteleuropäischen Grundfolge entzünden sich vor allem zwei grundlegende Fragen, die die Verbreitung der Buche in Deutschland betreffen: welche Ursachen bedingen das späte Einwandern vonFagus sylvatica, nachdem sich bereits alle anderen heimischen Baumarten in Deutschland wieder angesiedelt hatten? Und wie konnte sich die Buche, trotz des verzögerten Immigrierens, gegen ein intaktes Waldsystem aus Eichen und Haseln durchsetzen, sodass letztlich ein Rotbuchenareal in Deutschland dominierte?
Ersteres – die späte Einwanderung – lässt sich auf Verbreitungsursachen zurückführen, die sowohl florengeschichtlich als auch ökologisch begründet sein können (Pott und Hüppe 2007). Neben den Klimaänderungen nach der Eiszeit ist hierbei im Speziellen die differierende Art der Ausbreitung und Vermehrung anzuführen. Im Gegensatz zu Kiefern und Birken besitzen Buchen (ebenso wie Eichen) keine flugfähigen Diasporen, die sich mit dem Wind rasch verbreiten ließen. Die Fruktifikation erfolgt bei der Buche zudem erst in fortgeschrittenem Alter, was der frühzeitigen Diasporenproduktion von Kiefern und Birken ebenfalls nachteilig gegenübersteht. Ferner wird davon ausgegangen, dass die eiszeitlichen Rückzugsgebiete der Buchen in größerer Distanz zu Deutschland lagen, als dies bei anderen Baumarten der Fall war – und allein dadurch eine längere Ausbreitungsdauer folgte (Fischer 1995).
Das schlechte Ausbreitungs- und Vermehrungspotential der wenig pionierfreudigen und vorrangig im Verband wachsenden Buche leitet über zur zweiten Frage, die dadurch zusätzlich an Relevanz gewinnt – denn trotz später und kurzer Blüte, häufigem Schädlingsbefall und geringer Fernverbreitung haben Buchenwälder alle anderen heimischen Baumarten in ihrem Areal verdrängen können (BfN 2007). Die Gründe hierfür liegen vor allem im Konkurrenzverhalten der Buche, welches bereits im vorhergehenden Kapitel angerissen wurde. Der Buche kommt dabei zugute, dass sie als Schattbaumart von allen Baumarten der sommergrünen Laubwälder den meisten Schatten tolerieren kann. Verantwortlich ist insbesondere die Ausbildung mehrerer Schichten sogenannter Schattenblätter, die Buchen zusätzlich zu den, auch für Lichthölzer typischen, Sonnenblätter-Schichten anlegen. Da die Photosyntheseleistung in der nemoralen Zone primär durch die Lichtverfügbarkeit limitiert wird, erzielen Buchenwälder mit ihrem mehrschichtigen Blattwuchs einen existentiellen Vorteil. Sie können einen größeren Anteil des verfügbaren Lichts verbrauchen, ihre Photosyntheseleistung steigern sowie den Konkurrenzdruck im schattigen, und daher kaum ausgeprägten Unterwuchs erhöhen. In der Konsequenz produzieren Buchenwälder ab einem gewissen Alter deutlich mehr Biomasse und wachsen schneller. Für die anderen, weniger schattentoleranten Baumarten bedeutet dies, dass wenn sie einmal in den Einflussbereich des Buchenwaldes kommen, also stark beschattet werden, sie nicht mehr gegen diese konkurrieren können – es findet Verdrängung statt (BfN 2007).
Abschließend sei erwähnt, dass der Sukzessionsvorgang und das Erschließen neuer Areale der Buchenwälder auch heute weiter voranschreitet, jedoch mit dem Fokus auf Nordeuropa (Pott 2005). Im Zuge des anthropogenen Klimawandels sind aber auch in Deutschland fortlaufende dynamische Waldbestandsänderungen wahrscheinlich, auf die in Kapitel 9 eingegangen wird.
4 Klimatische Bedingungen
Deutschland befindet sich, aus vegetationsgeographischer Sicht, in der nemoralen Zone. Unter heutigen Standortbedingungen ist für diesen Bereich der nördlichen Hemisphäre die weiträumige Verbreitung sommergrüner (bzw. winterkahler) Laubwälder charakteristisch (Frey und Lösch 2010). Sie zeichnen sich in ausgewachsenem Zustand durch meist 30 bis 35 Meter hohe Baumbestände in der Gehölzschicht aus, vielfach durchsetzt mit einer Strauch- und Krautschicht, welche – je nach edaphischen und klimatischen Verhältnissen – unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Wie der Name vermuten lässt, tragen die Bäume lediglich während der Hauptvegetationsphase im Sommerhalbjahr eine Blattschicht, die im Herbst wieder abgeworfen wird. Dadurch tritt eine typische Folge von Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Winteraspekt ein (Pott 2005).
Die Voraussetzungen für das Entstehen sommergrüner Laubwälder sind an ein relativ ausgeglichenes Klima gekoppelt (Bartsch und Röhrig 2016). Sind die Bedingungen während der Vegetationsperiode zu trocken, erfolgt der Übergang zu den sommer- und immergrünen Steppen (z.B. Südeuropas), bei zu kurzen Vegetationsspannen durch Kälte dagegen der Wechsel hin zu borealen Nadelwäldern (z.B. Skandinaviens) (Frey und Lösch 2010). In der Kernzone der nemoralen Wälder ist demnach eine Vegetationsperiode von mindestens 120 frostfreien Tagen nötig, die von einer rund 4-monatigen Winterzeit mit Vegetationsruhe abgelöst wird (BfN 2007). Frey und Lösch (2010) definieren die Länge der Vegetationszeit über den Tagesmittelwert, der an mindestens 120 Tagen über 10 °C liegen muss. Die Niederschläge fallen entweder relativ gleichmäßig über das Jahr verteilt, wie dies in vielen Teilen Deutschlands der Fall ist, oder konzentrieren sich auf das Sommerhalbjahr (Fischer 1995). Als Mindestniederschlagsmenge während der Vegetationsperiode werden 250 mm angegeben, ausgeprägte Trockenphasen sind in der Regel nicht vorhanden (BfN 2007). Durch ein west-östliches Ozeanitätsgefälle ergeben sich im westlichen Teil Deutschlands grundsätzlich feuchtere Bedingungen als im trockeneren Nordosten (Bohn und Gollub 2007). Auch der Bereich des Alpenvorlandes ist von relativ hohen jährlichen Niederschlagssummen betroffen. Günstige sommerliche Strahlungsverhältnisse, die den ausreichenden Aufbau von Biomasse ermöglichen, begünstigen zudem das Auftreten laubabwerfender Bäume in der nemoralen Zone (Fischer 1995). Dies trifft ebenso auf die vereinzelt vorkommende Winterfröste von unter -10 °C zu, die an immergrünen Gehölzen Frostschäden nach sich ziehen können, winterruhenden Laubbaumarten also einen weiteren Vorteil in der nemoralen Zone bringen (Pott 2005).
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- Citar trabajo
- Maurice Maaß (Autor), 2021, Die zonalen Wälder Deutschlands. Historische Entwicklung, klimatische Bedingungen, anthropogene Überprägung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1270232
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