In der deutschen Kriminalpolitik werden deutliche Zeichen einer Doppelstrategie im Vorgehen gegen Kriminalität: Einerseits soll der Bevölkerung ein konsequentes Handeln bzgl. der Sicherheit gezeigt werden, was sich zum Beispiel in härteren Strafen gegenüber Sexual- und Gewaltstraftätern durchgeführt wird. Ebenso hat sich die Praxis bei der Strafaussetzung zumindestens bei diesen Tätergruppen verschärft. Auf der anderen Seite jedoch hat man das Ziel, die Justiz und die Gefängnisse im Bereich der leichten und mittleren Kriminalität entlasten. Der Ruf nach einer härteren Strafjustiz ist weit verbreitet. Kriminalität ist potentiell in allen Menschen, auch wenn schwere Delikte nur von einer Minderheit verübt werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis der Schaubilder
1. Fragestellung und Anlage der Arbeit
2. "Nothing Works" - Erläuterung und Entwicklung einer These
3. Evaluationsforschung – Was wirkt?
4. Resozialisierung – ein interpretationsbedürftiger Begriff
4.1. Definition – Resozialisierung
4.2 Aufgaben von Resozialisierung
4.3 Resozialisierungsmaßnahmen im Strafvollzug – eine Übersicht
(a) Geschlossener und offener Vollzug (§ 141 Abs.2)
(b) die sozialtherapeutische Anstalt
(c) die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen
(d) den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung, sowie schulische Maßnahmen
(e) Lockerungen des Vollzuges
(f) notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung
5. Stimmt die These des „nothing work“?
6. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Internetverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
§ Paragraph
Verzeichnis der Schaubilder
Abbildung: Sozialtherapeutische Einrichtungen: Entwicklung 1969- 2004
1. Fragestellung und Anlage der Arbeit
Bestimmend für unsere Themenwahl war unser Interesse an der in den letzten Jahren meistens ansteigenden Kriminalität, sowie deren Ursachen und Folgen. Einen besonders wichtigen Aspekt für die Wiederherstellung eines „normalen“ Lebens nach dem Strafvollzug stellen nach unserer Auffassung die Resozialisierungsmaßnahmen und deren Anwendung für Straffällige während dem Strafvollzug dar.
Die unterschiedlichen Resozialisierungsmaßnahmen während eines Strafvollzuges sollen im Anschluss an dieses Kapitel näher betrachtet und erläutert werden. Wir werden anhand von diversen Beispielen versuchen, die Wirksamkeit der verschiedenen Maßnahmen zu erörtern und zu bewerten. Das Erkenntnisinteresse, dass sich aus diesen Fragestellungen ergibt, lässt sich nach Eberhard (1999, S.17ff) als das phänomenales Erkenntnisinteresse definieren, welches sich auf die tatsächlichen Begebenheiten der Resozialisierung im Strafvollzug und auf deren Organisation bezieht.
Das kausale Erkenntnisinteresse welches sich auf die Ursachen von Phänomenen bezieht und nach den Gründen fragt, wird unter den Punkten des „nothing works“ deutlich.
In den siebziger Jahren fasste der amerikanische Soziologe Robert Martinson mehrere Studien über die Wirksamkeit von verschiedenen Resozialisierungsprogrammen zu der These „nothing works“ (Cornel u. Nickolai 2004, S.9, unter Bezug auf Martinson) zusammen. Auch noch dreißig Jahre später scheinen die damals aufgeworfenen Fragen nach wie vor aktuell aber auch weitgehend unbeantwortet zu sein. Denn sowohl Martinsons Fazit: „nothing works“, wie auch das häufig zu hörende „everything works – but nobody knows how and why“[1] befriedigen letztendlich nicht. Was hier bleibt ist eine große Unsicherheit, ob Resozialisierungsmaßnahmen wirken bzw. -folgt man der zweiten These- wie und warum sie wirken.
Wir werden versuchen im Laufe der Arbeit die These zu erläutern, ihre eigentliche Aussage, ihre Entstehung und ihre Entwicklung bis zur heutigen Zeit zu klären.
Abschließend ist es noch wichtig zu prüfen, ob die These des „nothing works“ richtig ist.
Die abschließende Zusammenfassung soll ein allgemeines Fazit der kompletten Thematik darstellen.
2. "Nothing Works" - Erläuterung und Entwicklung einer These
Die verbreitetste Form des Bestrafens in den letzten 400 Jahren stellte das Gefängnis dar und löste somit die Todesstrafe und Folter weitgehend ab. Seit dem 18. Jahrhundert begannen zahlreiche Persönlichkeiten europaweit, über den Sinn, den Umfang und die Durchführungsarten des Strafvollzugs nachzudenken: Voltaire sprach sich deutlich gegen die parallel zur Zuchthausstrafe existierende Todesstrafe aus, Montesquieu als wichtigster Vertreter und Vordenker der Aufklärung forderte mildere Strafen (durch die Erkenntnis, dass unbarmherzige Strafen nur selten ihre gewünschte Wirkung entfalten) und im Gegenzug mehr Raum und Möglichkeiten für die Resozialisierung. In den 20er Jahren kam es zu teilweise anerkennenswerten, im Detail oftmals aber nicht ausreichend entschlossenen Reformvorhaben.
Kennzeichen der Nachkriegsentwicklung ist die Rückbesinnung auf die humane Tradition des Strafvollzugs der Weimarer Zeit.
Grausame, ja oftmals sogar willkürliche Vollzugsmethoden, wie sie während des Nationalsozialismus tagtäglich gegenwärtig waren, sollten damit keinesfalls wiederholt werden.
Jedes mal, wenn die Kriminalität wieder zunahm, kam es zu einer Gefängnisreform. Mal wurden die Gefängnisse milder gemacht, um wirkungsvoller resozialisieren zu können, mal strenger, um Straftäter besser abzuschrecken. An der Idee, das Gefängnis als ideale Strafform für alle Arten von Kriminalität zu sehen, hielt man aber zunächst fest. (vgl. Stimmer 2000, S.712ff.)
Im Reformklima der 60er und 70er Jahre kam der Gedanke auf, die Haftzeit nicht sinnlos verstreichen zu lassen, sondern zu nutzen um den Gefangenen zur Einsicht zu bewegen, ihn nachzusozialisieren, pädagogisch, psycho- und sozialtherapeutisch zu behandeln und ihn auf sein Leben nach dem Gefängnis vorzubereiten, ohne daß er erneut kriminell werden muß.
Die Formel Gefängnis + Therapie = Resozialisierung hatte Konjunktur und Straftäterbehandlung, mit dem Ziel dass durch Behandlung Besserung erreicht werden sollte, wurde zum Modethema. (vgl. Spiess, S.13)
Zu dieser Zeit führte die Forschergruppe Lipton, Martinson und Wilks in den USA eine groß angelegte und eine bis dahin gründlichste Sekundäranalyse über die Wirksamkeit von Behandlungsprogrammen im Strafvollzug durch. Die Studie beruht auf der Erfassung von 1150 Publikationen von denen aber nur 231 den Mindestanforderungen entsprachen. Die Mindestanforderungen waren:
- empirisches Material muß durch den Vergleich einer Experimentalgruppe mit einer oder mehreren Kontrollgruppen durch einen Vorher-Nachher-Vergleich gewonnen werden
- Daten müssen anhand der Veränderungen einer abhängigen Variablen z.B. Rückfall, Kosten- Nutzen-Analyse gemessen werden[2]
Diese Analyse, welche hauptsächlich amerikanische Behandlungsobjekte der 50er und 60er Jahre zum Gegenstand hatte, wurde 1972 fertiggestellt erschien aber erst im Jahre 1975 als Buch. (vgl. Dünkel 1996, S.23f, zit. n. Kaiser/Schöch 2004, S.13) Robert Martinson ein amerikanischer Soziologe, veröffentlichte 1974 einen kleinen Ausschnitt aus dieser Untersuchung, unter dem Titel „What Works? – Questions and answers about prison reform“ in der Zeitung The Public Interest 35 über die Gefängnisreform in den USA. Diese Vorabveröffentlichung hatte zur Folge, dass sich kaum jemand noch die Mühe machte die vollständige Sekundäranalyse, die ein Jahr später veröffentlicht wurde, zu lesen. Martinsons Publikation wurde unter den Worten „nothing works“ bekannt. (vgl. Spiess 2004, S.14) Die Analyse war zu dem Ergebnis gelangt, dass von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Behandlungsbemühungen bei inhaftierten Straftätern keinen nennenswerten Einfluss auf das Legalverhalten gehabt hatten. (vgl. Lipton 1975, S.84 ff., Zit. n. Kaiser/ Schöch 2004, S.13)
Lipton, Martinson und Wilks forderten bessere und aussagekräftigere Studien und kritisierten vor allem die schlechte Durchführung der bisherigen Untersuchungen. (vgl. Kury 2004, S.63)
Und das hatte böse Folgen für die US-amerikanische Kriminalpolitik, die Spezialprävention erlitt einen schweren Schlag und ebneten vielen repressiven Ansätzen (Todesstrafe, „three strikes and you are out!“, lebenslanger Inhaftierung) den Weg.
Die Schlagworte von Martinson machten auch in Deutschland schnell die Runde. (vgl. Cornel/Nickolai 2004, S.7f) Da es aber in Deutschland in den siebziger Jahren nur sehr wenige ernsthafte und durchführbare Behandlungsmethoden gab, könnte die durchgeführte Analyse zur vermeintlichen Ineffektivität der Behandlung im Strafvollzug wenig ausrichten.[3] Jedoch gab es auch in Deutschland schon seit längerer Zeit Kritik an der hohen Rückfälligkeit und am Ausbleiben der angeblich abschreckenden spezialpräventiven Wirkung der Gefängnisse. Franz v. Liszt machte auf dieses Problem, in einem Vortrag, schon bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts aufmerksam. Er traf folgende Aussage: “Wenn ein Jugendlicher oder auch ein Erwachsener ein Verbrechen begeht und wir ihn laufen lassen, so ist die Wahrscheinlichkeit das er wieder ein Verbrechen begeht, geringer, als wenn wir ihn bestrafen [...]“.[4]
Während sich in anderen Ländern ein Rückzug vom Behandlungsgedanken feststellen ließ, setzte Mitte der siebziger Jahre die Behandlungsforschung in Deutschland erst richtig ein. (vgl. Kaiser 1977, S.362ff) Hier konzentrierte sich die Behandlungsforschung überwiegend auf die sozialtherapeutischen Anstalten, um intensive Behandlungen im Strafvollzug und deren Aufgaben, welche von Liszt, van Hameln, Prins, Ferri schon früher gefordert hatten, durchzuführen.
Das Strafvollzugsgesetz welches 1977 in Kraft trat, regelte alle Rechte und Pflichten des Gefangenen bzw. Untergebrachten sowie die Leistungspflichten und Interventions-befugnisse der Vollzugsbehörden. Das StVollzG bildete somit ein vorläufiges „Aus“, einer seit Ende des 19. Jahrhunderts andauernden Diskussionen und dem Bemühen eine umfassend gesetzliche Grundlage zu schaffen. (vgl. Stimmer 2000, S. 714) Man begann die Gefängnisse zu reformieren, versuchte den Strafvollzug zu humanisieren und konzentrierte sich mehr auf ambulanten Hilfen, als auf die Interventionsprogramme hinter den Gefängnismauern. (vgl. Cornel/Nickolai, 2004, S.7ff) Es wurden besondere, therapeutisch orientierte Haftanstalten aufgebaut und die Gestaltung des individuellen Haftverlaufes sollte nun in bedeutendem Maße an den Erfordernissen der Behandlung ausgerichtet werden.(vgl. Stimmer 2000, S.714) Unserer Meinung nach, war das erhoffte Ziel eine sinkende Zahl der Rückfälle, die man mit der Einführung von Vollzugslockerungen, der Etablierung von Sozialtherapie und dem Ausbau der Beschäftigungs- und Bildungsmöglichkeiten erreichen wollte. Nach der Behandlungs-euphorie der siebziger Jahre, ließ die Sekundäranalyse „nothing works“ sowie die wieder stark angestiegene Kriminalitätsrate die Behandlungseuphorie in den USA abklingen. Die Stimmung schlug wieder um. Gefängnisse sollten eine Strafe darstellen und das „unschädlich machen“ von Straftätern, durch wegsperren wurde wieder zur vorherrschenden Meinung in der US – amerikanischen sowie nordischen Kriminalpolitik. Diese war leicht zu handhaben und zu vermitteln. Man hielt auf dem Standpunkt fest, wer eingesperrt ist kann keine weiteren Straftaten begehen. (vgl. Spiess 2004, S.15ff)
Dies jedoch führte dazu, dass im April 2003 2,1 Millionen Menschen in US-amerikanischen Gefängnissen einsaßen. Dies ist inzwischen die weltweit höchste Gefängnisrate und im Bundesstaat Californien wird schon seit Jahren mehr Geld für Gefängnisse als für das Bildungswesen ausgegeben. (vgl. Spiess 2004, S.15ff.)
Auch 20 Jahre nach Einführung des Strafvollzugsgesetz ist man unserer Meinung nach, den damit verbundenen großen Hoffnungen nicht wesentlich näher gekommen. Die empirischen Ergebnisse der Evaluation von Reformmaßnahmen und Resozialisierungs-maßnahmen lassen auch heute noch Ratlosigkeit und Unentschiedenheit zu den Erfolgen von Resozialisierung entstehen.
3. Evaluationsforschung – Was wirkt?
Evaluationen bei empirisch-kriminologischen Forschungen beschäftigt sich insgesamt mit der Frage und der Einschätzung von Wirkungsweisen bestimmter resozialisierender Maßnahmen bzw. Programmen zur Erreichung eines Zieles.
Die Menschen im allgemeinen zeigten schon immer ein sehr großes Interesse an Veränderungen an denen sie beteiligt waren und natürlich war es auch in ihrem Interesse wichtig zu erfahren, ob es etwas bewirkt hat oder gewirkt hat.( vgl. Kury 2004, S. 61)
Bereits in den 30er Jahren entwickelte sich die moderne Evaluationsforschung in den USA. Sie war ein fester Bestandteil der Sozialpolitik und des Gesundheitswesens. Es wurden neben der Bewertung/Evaluation von Programmen, Interventionen oder Maßnahmen auch formale Regeln und Kriterien für die Erfolgs- und Wirkungskontrolle derartiger Maßnahmen entwickelt.
Neue und teilweise privatisierte Institutionen und Ämtern deren Aufgabe darin bestand Statistiken über diverse Ereignisse, z.B. die Wirkung von Resozialisierungsmaßnahmen zu erstellen, wurden eingerichtet.
Letztlich umfasst Evaluationsforschung alle forschenden Aktivitäten, bei denen es um die Bewertung des Erfolges von gezielt eingesetzten Maßnahmen oder um Auswirkungen z.B. von Wandel der Gesellschaft, der Kultur, etc. geht. ( vgl. Kury 2004, S.61f)
Das Forschungskonzept der meisten Evaluationsstudien zur Wirkung von Strafvollzugsmaßnahmen, vor allem aus dem deutschsprachigen Raum, laufen nach einem bestimmten Konzept ab. Es werden z.B. zwei Gruppen gebildet. Eine Gruppe erhält ein Behandlungsprogramm (z.B. klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie) während die andere, die so genannte Kontrollgruppe das Behandlungsprogramm nicht erhält.
Anhand dieser Untersuchung wird geprüft ob die Rückfallkriminalität bei der Behandlungsgruppe höher oder niedriger ist als bei der Kontrollgruppe. (vgl. Ortmann 1987, S.32) Im Übrigen braucht die Zuweisung zur Kontrollgruppe nicht zu bedeuten, dass mit der betreffenden Person nichts geschieht. Oft bedeutet dies bloß, dass sie ein übliches Programm durchläuft, was nicht unbedingt schlechter sein muss als die neue Behandlung.
Besonders in Deutschland werden soziale Programme nicht, bzw. nicht genügend evaluiert. Dadurch entsteht die Gefahr, dass ineffektive Programme und Maßnahmen über Jahre fortgesetzt werden. Es werden enorme Finanzmittel für Behandlungs-methoden ausgegeben, deren Effektivität noch nicht eindeutig geklärt ist. (vgl. Kury 2004, S.88f)
Die Einschätzung der nationalen Academy of Sience aus dem Jahre 1979 (Sechrest u.a., 1979) ist aufgrund der noch nicht ausreichenden Evaluationen von Rehabilitationsmaßnahmen auch heute noch aktuell.
[...]
[1] Martinson 1974, “What Works?- Questions and Answers About Prison Reform“ in: The Public Interest, Seiten 22-54
[2] vgl. Martinson, Palmer, Adams 1976, S.9f, zit. n. v. Trotha 1983, S. 129
[3] vgl. Böhm 1986, S.34f, Dünkel 1987, S: 158, 190, zit. n. Kaiser/Schöch, 2004 S.14
[4] Franz von Liszt: Die Kriminalität der Jugendlichen. In: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge. Band 2 Berlin 1905 S. 339, zit. n. Spiess 2004, S. 18
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.