Beim Kino des Dritten Reiches denken viele Menschen heutzutage hauptsächlich an Propagandafilme wie „Jud Süß“ und „Hitlerjunge Quex“, an die Dramen mit Zarah Leander oder an die Revue- und Musikfilme mit Marika Rökk. Es entstanden aber neben den offensichtlichen Propaganda- und Unterhaltungsfilmen, die beide als jeweiliges Extrem der Zeit angesehen werden können, noch viele weitere Filme, die schwieriger zu klassifizieren sind.
Preußische Führer waren bereits von Beginn der Filmgeschichte an begehrte Filmmotive. Im Dritten Reich haben diese sogenannten Preußenfilme jedoch nochmals eine Wandlung mitgemacht. Worin diese Veränderungen liegen, woran sie erkennbar und deutlich werden, und in wiefern die Preußenfilme, die schon vorher der Verherrlichung des preußischen Reiches und deren Königen und Führern dienten, erst im Dritten Reich ausgeschlachtet wurden um Hitlers Politik zu rechtfertigen, soll die folgende Arbeit zeigen. So spielt die Handlung von „Bismarck“, „Der große König“ und Co zwar im Preußen der Vergangenheit, aber die Bezüge auf die aktuelle politische Lage im Deutschland des Dritten Reiches, und auch in Europa sind mehr als offensichtlich. Die Darstellung und Nutzung Preußens zur Propaganda der Nationalsozialisten werden in dieser Arbeit analysiert. Diese Tendenzen und nationalsozialistischen Elemente werden beispielhaft anhand von Wolfgang Liebeneiners „Bismarck“ und Veit Harlans „Der große König“ herausgearbeitet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Rolle der Historienfilme im Dritten Reich
2.1 Geschichte und Geschichten mit Vorbildfunktion
2.2 Fortsetzung einer Tradition
2.3 Der „Preußenfilm“ im Dritten Reich
3. Propaganda in den Preußenfilmen
3.1 Festgelegte Darstellung
3.2 Propagandafilm oder nicht?
3.3 Das Führerprinzip
3.4 Preußische Helden als Hitlers Vorfahren
3.5 Vergangenheit und Gegenwart
3.6 Preußens Verhältnisse zum Ausland als Spiegel der NS-Politik
4. Die Darstellung des „Eisernen Kanzlers“
4.1 Der „Eiserne Kanzler“ als nationaler Held
4.2 Legitimation der Abschaffung des Mehrparteiensystems
4.3 Bismarck, der wahre und alleinige Führer
4.4 Legitimation der Pressezensur
4.5 Eine beispielhafte Familie
5. Die Darstellung des „großen Königs“
5.1 Frühe Fridericus-Filme der Nationalsozialisten
5.2 Der große König
5.3 Die Worte Hitlers verpackt als die Friedrich des Großen
5.4 Völlige Unterwerfung: Der Führer, seine Armee und das Volk
5.5 Die mythische Gestalt Friedrichs
5.6 Das Mythische erhält menschliche Züge
5.7 Glaube an Führer und Fahne
6. Resümee
7. Literatur
8. Anhang
Sequenzprotokoll „Bismarck“
Sequenzprotokoll „Der große König“
1. Einleitung
Beim Kino des Dritten Reiches denken viele Menschen heutzutage hauptsächlich an Propagandafilme wie „Jud Süß“ und „Hitlerjunge Quex“, an die Dramen mit Zarah Leander oder an die Revue- und Musikfilme mit Marika Rökk. Es entstanden aber neben den offensichtlichen Propaganda- und Unterhaltungsfilmen, die beide als jeweiliges Extrem der Zeit angesehen werden können, noch viele weitere Filme, die schwieriger zu klassifizieren sind.
Preußische Führer waren bereits von Beginn der Filmgeschichte an begehrte Filmmotive. Im Dritten Reich haben diese sogenannten Preußenfilme jedoch nochmals eine Wandlung mitgemacht. Worin diese Veränderungen liegen, woran sie erkennbar und deutlich werden, und in wiefern die Preußenfilme, die schon vorher der Verherrlichung des preußischen Reiches und deren Königen und Führern dienten, erst im Dritten Reich ausgeschlachtet wurden um Hitlers Politik zu rechtfertigen, soll die folgende Arbeit zeigen. So spielt die Handlung von „Bismarck“, „Der große König“ und Co zwar im Preußen der Vergangenheit, aber die Bezüge auf die aktuelle politische Lage im Deutschland des Dritten Reiches, und auch in Europa sind mehr als offensichtlich. Die Darstellung und Nutzung Preußens zur Propaganda der Nationalsozialisten werden in dieser Arbeit analysiert. Diese Tendenzen und nationalsozialistischen Elemente werden beispielhaft anhand von Wolfgang Liebeneiners „Bismarck“ und Veit Harlans „Der große König“ herausgearbeitet.
2. Die Rolle der Historienfilme im Dritten Reich
2.1 Geschichte und Geschichten mit Vorbildfunktion
„... Denn man lernt eben nicht Geschichte, nur um zu wissen, was gewesen ist, sondern man lernt Geschichte, um in ihr eine Lehrmeisterin für die Zukunft und für den Fortbestand des eigenen Volkstums zu erhalten.“[1]
Mit diesen Worten machte Adolf Hitler in „Mein Kampf“ klar, was für ihn Geschichte bedeutete. „In Gesprächen mit seinem Propagandaminister verwies Hitler seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wiederholt auf Bismarck und Friedrich II. als Vorbild für die Probleme der Gegenwart.“[2] Hitler selbst war es also der die Wichtigkeit dieser Persönlichkeiten erkannte, und sein Propagandaminister Goebbels setzte seinen Wunsch in die Tat um. Daher ist es auch kein Wunder, dass Filme über die deutsche Vergangenheit im Dritten Reich sehr populär beim Führer und seinem Propagandaminister waren.
Dem Publikum wurden des Öfteren Propagandafilme, die mit dem Holzhammer agierten vorgesetzt, aber es waren andere Filme, die das Kino der damaligen Zeit dominierten. „Massive politische Propaganda und nationalsozialistische Verkündungen von der Leinwand gehörten offenkundig nicht dazu“[3], musste selbst Goebbels feststellen. Man konnte die Kinozuschauer nicht in die Kinofilme hineinprügeln, und zu offensichtliche Propaganda wirkte in der Regel eher abstoßend auf eine große Zahl der Zuschauer.
Um dieses Publikum ins Kino zu locken, waren eher Filme geeignet, die subtilere Propaganda ausüben, zu welchen auch die historischen Filme über Preußen zählen. Diese nutzen keine nationalsozialistische Symbolik und beziehen sich nicht direkt auf Hitler und den Nationalsozialismus, dennoch sind in diesen Produktionen nationalsozialistische Tendenzen erkennbar, insbesondere das des Führerprinzips. Seine Kriege, aber auch seine innenpolitischen Entscheidungen wurden mit diesen Filmen entschuldigt und als legitime Handlungsweisen verkauft.
2.2 Fortsetzung einer Tradition
„Schon das Kaiserreich, besonders aber die Weimarer Republik, die NS-Diktatur, dann die Bundesrepublik beziehungsweise die DDR grenzen sich mit ihrem Selbstverständnis von der vorhergehenden Periode ab und behaupten eine neue historische Legitimation.“[4] Scheinbar hat jede Epoche sich in einer gewissen Tradition zur Vergangenheit gesehen. Dies war keine Tendenz die erst unter den Nationalsozialisten entstand, denn bereits zur Stummfilmzeit und in der Weimarer Republik war der Historienfilm, und mit ihm der historische Film über preußische Führer bereits ein Instrument um diese populären Figuren der deutschen Geschichte zur Popularisierung zu nutzen.
Der Historienfilm über Preußen war demnach keine Erfindung der Nazis. Dieser Filmstoff erlebte bereits zu Stummfilmzeiten in den 20ern seinen ersten Höhepunkt. Man erkannte schnell die Möglichkeit mit dem Medium Film die Vergangenheit wieder neu herbei zu beschwören. Der erste große Film über Friedrich den Großen „Fridericus Rex“ wurde von 1920 bis 1923 gedreht, und sein Erfolg führte zu einer weiteren großen Anzahl von Preußenfilmen, die in der Weimarer Republik entstanden.
„Die Perspektive auf die Geschichte blieb jedoch politisch heiß umstritten, so dass selbst dieser im Vergleich zu späteren Fridericus-Filmen eher betulich anmutende, mehrteilige Film scharfe Debatten auslöste. Von liberalen und linken Kritikern wurde er als Provokation gegenüber der Republik empfunden, dagegen begeisterten sich konservative und nationalistische Kreise gerade wegen der Preußenherrlichkeit für den Film.“[5]
Auch zu Beginn der Tonfilmzeit blieb die Thematik beliebt, wie „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ (1930) mit Otto Gebühr, „Kadetten“ (1931) von Georg Jacoby, „Luise, Königin von Preußen“ (1931) mit Henny Porten und Gustaf Gründgens oder „Die Tänzerin von Sanssouci“ (1932) mit Lil Dagover und wieder mit Otto Gebühr als Fridericus beweisen. Interessant ist es, dass die Besetzungslisten dieser in Preußen spielenden Filme oft mit ähnlichem Schauspielerstab verfilmt wurden. Otto Gebühr war bereits in der Weimarer Republik der Vorzeigedarsteller für die Rolle Friedrich des Großen, ebenso wie Lil Dagover die Erstbesetzung für die adlige Dame, insbesondere für die Marquise de Pompadour war. Beide sollten auch in der NS-Zeit diese Rollen regelmäßig verkörpern.
2.3 Der „Preußenfilm“ im Dritten Reich
Nach der Machtübernahme blieb die Thematik weiterhin beliebt. Während in der Weimarer Republik die preußenverherrlichenden Produktionen bei den Linken und Liberalen noch auf große Proteste stießen und sogar zu Demonstrationen im Falle des „Flötenkonzerts von Sanssouci“, waren die Nationalsozialisten natürlich Befürworter einer solchen Darstellungsweise. Ein Abriss in der Produktion dieser Filme war demnach nicht zu erwarten und Filme wie „Der alte und der junge König“ (1935) mit Emil Jannings und „Der höhere Befehl“ (1935) mit Lil Dagover hatten weiterhin großen Erfolg.
„Statt einen neuen Gründungsmythos zu schaffen, bestand die Arbeit der ‚nationalen Filme’ (eine z.B. bei der Ufa ab Ende der zwanziger Jahre übliche Bezeichnung) daher in der Fortsetzung und Veränderung bereits eingeführter Geschichtsmythen, namentlich der Preußen- und Weltkriegsfilme.“[6]
Die Filme um die preußischen Könige, den „eisernen Kanzler“ Bismarck und andere in der preußischen Zeit spielenden Themen boten sich den Nazis an, weil das diktatorische und straff geführte Preußen als ein ideales Vorbild verkauft werden konnte. Spielfilme um Friedrich den Großen wie „Fridericus“ (1936), „Der große König“ (1942), und um den „Eisernen Kanzler“ wie „Bismarck“ (1940) und „Die Entlassung“(1942), die große preußische Persönlichkeiten darstellen, wurden eingesetzt, um „aus dem geschichtlichen Werden unseres [des deutschen] Volkes einige Namen herauszuheben, und sie zum Allgemeingut des gesamten deutschen Volkes zu machen, um so durch gleiches Wissen und gleiche Begeisterung auch ein gleichmäßiges verbindendes Band um die ganze Nation zu schlingen“[7].
Die Filme kamen auch beim Publikum, insbesondere den Jugendlichen scheinbar sehr gut an. „Der große König“ wurde demnach zu einem der beliebtesten Filme von Jugendlichen gewählt, und insgesamt von über „18,6 Millionen Zuschauern“[8] gesehen.
Die beiden großen Persönlichkeiten wurden zu Vorbildern und Leitfiguren stilisiert, stärker noch als es schon in der Weimarer Republik gemacht wurde. „Der schicksalsbezwingende Alte Fritz sollte als Appell und Trost im harten Russlandwinter 1942 verstanden werden, in dem auch „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ von 1930, zusammen mit anderen erfolgreichen Fridericus-Filmen, gegen Defätismus re-aktiviert wurde.“[9]
Bei den Preußenfilmen im Dritten Reich handelt es sich um die Fortsetzung einer Tradition, weil wesentliche Merkmale aus der vorherigen Zeit übernommen wurden, dennoch war auch eine klare Veränderung zu erkennen. „Die Filme werden sozusagen härter, ihre Konflikte kennen keine Alternativen mehr, das Feindbild wird schärfer konturiert, der Gegner zugleich oft als minderwertig gekennzeichnet.“[10]
3. Propaganda in den Preußenfilmen
3.1 Festgelegte Darstellung
Historische, deutsche Persönlichkeiten waren ein beliebtes Filmmotiv der NS-Zeit. Wie wichtig die Darstellung dieser Personen den Nazis war, beweist ein Verbot vom 8. März 1937: Es „wird darauf hingewiesen, dass berühmte Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, sowohl der Vergangenheit als auch aus der Gegenwart auf den Varietébühnen bzw. in der Zirkusmanege nicht mehr dargestellt werden dürfen.“[11] Weder Bismarck, noch Friedrich der Große oder Hindenburg durften auf komische Art dargestellt werden. Sie waren Respektpersonen und Vorbilder, sozusagen „Vorfahren“ des Führers, und über diese durfte man sich nicht lustig machen oder amüsieren. Sie galten als Vorbilder und durften filmisch auch nur in Vorbildfunktion dargestellt werden.
Je weiter der Krieg fortschritt, desto mehr Kostüm- und Historienfilme entstanden. Die Belle Epoque ersetzte die Gegenwart. Die Preußenzeit bot den Nationalsozialisten historische Führer an, die von diesen auch als ideale Führertypen verkauft wurden. Große Menschen, und natürlich große Männer, die ihr Volk mit eiserner Hand führten. Hitler selber legte höchsten Wert auf die Verehrung der bedeutenden Männer der deutschen Vergangenheit. Die Filmindustrie unter den Nazis war daher auch geprägt davon, dass sie sich der Heroen der deutschen Geschichte annahm, um so der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, vergangene Größe sei nun, unterm Nationalsozialismus zurückgekehrt.
Frauen spielten kaum eine wichtige Rolle, und den Darstellerinnen blieben nur die Rollen als Gemahlinnen in diesen Männerfilmen, wie selbst Darstellerinnen wie Lil Dagover diese Produktionen nannten. „Die Staatsmänner, Wissenschaftler, Künstler und Ärzte sind die Vorläufer des Führers. In der Dramaturgie herrscht ein ‚magisches Paralleldenken’ von Gegenwart und Geschichte.“[12] Die Geschichte diente also der Selbstdarstellung des Regimes. „In einer solch teleologischen Konstruktion erschien das Dritte Reich dann als End- und Höhepunkt der deutschen Geschichte.“[13]
3.2 Propagandafilm oder nicht?
Die Darsteller, hier Lil Dagover, glaubten selbst Filme zu drehen „in die sich kaum merklich nationalsozialistische Tendenzen einschlichen. Immer nur tröpfchenweise – mit dem Holzhammer wurde nicht gearbeitet.“[14] Der Preußenfilm sticht wegen diesen klaren Tendenzen aber eindeutig aus den anderen historischen Produktionen heraus. Durch eine unverfrorene Verherrlichung des absolutistischen Staates und seines autoritären Herrschers, und durch die in der Figur des Ariers wiederzufindenden preußischen Tugenden ist die Verbindung zu NS-Idealen eindeutig erkennbar. Dennoch heißt es bei den Preußenfilmen zu interpretieren, denn sie auf Grund der Nähe zwischen autoritärem Regime in Preußen, sowie im Dritten Reich als Propagandafilme zu klassifizieren ist etwas zu einfach.
Diese Produktionen machen es dem Zuschauer deutlich schwieriger als andere Produktionen im Nationalsozialismus, denn die Sympathieleitung der Emotionen vom Zuschauer auf den jeweiligen Führer (Bismarck oder Friedrich) ist beim ersten sehen durchaus geschickt gemacht. Doch ein ideologisches Merkmal der Nationalsozialisten kommt in den Filmen immer vor, das des Führerprinzips. Das Naziregime schuf ein politisches System, das auf absoluter Macht basiert, und zwar auf der Macht einer Person, eines alleinigen Führers.
Durch die Preußenfilme, die starke deutsche Helden darstellen, wird diese Schaffung des absolutistischen Staates, und der Macht einer Person legitimiert. Das Führertum einer Person ist auch noch keine neue Tendenz., „in Wirklichkeit bedeutete jedoch das Führerprinzip des Nationalsozialismus gegenüber dem Führertum traditioneller Prägung etwas vollständig anderes“[15], nämlich die uneingeschränkte Alleinherrschaft eines einzelnen, das „keinerlei Schranken, weder rechtlicher, noch sittlicher, noch moralischer Art“[16] kennt.
3.3 Das Führerprinzip
Dennoch gibt es erst mal einige Gemeinsamkeiten zwischen dem traditionellen Führertum und dem nationalsozialistischen Führerprinzip. „Von letzterem übernahmen die Nationalsozialisten nur die äußeren Formen, wie Massenversammlungen, Aufmärsche, Paraden, Fackelzüge, Fahnenweihe, Eidesschwüre etc., die vielen aus den völkischen Organisationen, der Jugendbewegung, den militärischen Gruppen und Verbänden wohl vertraut waren und die als mystische Rituale von Führer und Gefolgschaft eine große (...) Anziehungskraft ausübten.“[17] Das Führerprinzip bedeutete hierüber hinaus jedoch Entscheidungen einer einzelnen Person, nämlich Hitlers, ohne nötige Berater oder Mitsprache anderer, selbst ohne sittliche und religiöse Schranken.
„Der mit dem Autoritarismus verbundene Mythos Preußens befriedigte die nationalsozialistischen Phantasien der Militarisierung des öffentlichen Lebens auf äußerste.“[18] An der Spitze dieser Militarisierung steht ein despotischer Führer, der unantastbar und fehlerfrei ist. Sowohl Friedrich der Große, wie auch Bismarck sind in den Filmen der NS-Zeit solche praktisch allein herrschenden Führer. Sie stehen über allem und entscheiden über die Köpfe aller anderen Menschen hinweg. Dies ist das Prinzip des absoluten Führertums einer Person. „Damit war gemeint, dass das gesamte Volk, von den zentralen Einrichtungen des Staates, bis zur kleinsten Gruppe und bis zur Familie, in einem ‚Führer’ repräsentiert war, der unumschränkte Gewalt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht hatte.“[19]
Diese diktatorischen Züge hatte Hitler bereits Jahre zuvor in der NSDAP durchgesetzt, seit er Vorsitzender dieser war. Dies war ein Merkmal, was den Nationalsozialismus beispielsweise von Mussolinis faschistischer Regierung in Italien unterschied. Mitbestimmung oder Selbstverwaltungseinrichtungen wurden im Dritten Reich abgeschafft, und an deren Stelle trat die Entscheidung des Führers.
Genau diese uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis werden in den Preußenfilmen des Nationalsozialismus auf die großen Preußen der Geschichte projiziert. Und Filme wie „Bismarck“ oder „Fridericus“ lassen das Führerprinzip in genau dieser Verherrlichung der NSDAP auftreten, und Bismarck und Fridericus werden in ihnen als ebensolche unbeschränkten Despoten dargestellt, wie es Hitler war.
3.4 Preußische Helden als Hitlers Vorfahren
„Goebbels hielt (...) die filmische Historienmalerei mit Figuren wie dem identitätsstiftenden Alten Fritz für ein probates Mittel, etwas von der Genialität des Preußen als Führer der Nation und siegreicher Feldherr zur Folie für Hitler-Verehrung zu machen und diesen zum legitimen Erben preußischer Tugend und Tradition zu stilisieren.“[20]
Es fällt auf, dass Hitler sich nicht nur selber als Nachkomme Friedrich des Großen und Bismarcks gesehen haben muss, sondern dass die Darstellung aller großen Persönlichkeiten ob Könige, Kanzler oder auch Ärzte und Künstler, an Hitler erinnert. „Sie alle, Staatsmänner und Heerführer, Wissenschaftler oder Künstler sind Sehernaturen und Führergestalten; Titanen, die von ihrer Umwelt nicht verstanden werden, aber voll unerschütterlichen Glaubens und eisern entschlossen, den ihnen vom Schicksal bestimmten Auftrag zu erfüllen.“[21] Und sie alle tragen am Ende, egal gegen welche Feinde und Widersetzungen den Sieg davon.
Sicherlich ist die Darstellung der Vergangenheit als Legitimation der gegenwärtigen Politik nichts was man nur in Produktionen der NS-Zeit findet, aber im Dritten Reich waren diese Filme „darüber hinaus direkt auf die Person Hitlers bezogen. Sie dienten seiner Legitimierung und der Rechtfertigung seiner Taten aus der Geschichte. Sie legten den Schluß nahe, seine Politik der Diktatur im Inneren wie der Eroberungskriege nach außen folge nur ewig gültigen Gesetzen und knüpfe an große Traditionen an.“[22] Hitler wird demnach als Nachfolger oder gar als Krönung seiner Vorgänger stilisiert. Hitler vollendet das Werk, das Friedrich, Bismarck angefangen haben.
Um Friedrich den Großen und Bismarck als direkte ideologische und menschliche Vorfahren von Hitler zu zeichnen wurde die Darstellung verglichen zur bekannten Realität etwas verändert, Fakten frisiert oder weggelassen. „So gegensätzliche Figuren wie den Alten Fritz und Adolf Hitler wusste Goebbels mit Propaganda für das politisch ungebildete Volk in eine Zwangssymbiose zu bringen“[23]. Friedrich kam durch Geburt an seine Führerposition, Hitler durch Propaganda an die Macht. Friedrich war in Wahrheit „ein Exeget französischer Aufklärung und Philosophie und ein Freigeist, ein Freimaurer, musisch sensibel und hochgebildet.“[24] Alles was aus Frankreich kam, war für Hitler natürlich tabu, aber Hitler war ferner auch ein Gegner allen aufklärerischen Denkens und jeglicher wohltätiger und humanitärer Ideen. Durch Friedrichs im Film dargestelltes Interesse an Musik und Literatur, wenn auch im Film griechische Philosophen die französischen ersetzen, projiziert der Zuschauer diese Fähigkeiten auf Hitler. Obwohl dieser solche Fähigkeiten nicht besitzt, kann er sich so mit diesen profilieren.
3.5 Vergangenheit und Gegenwart
Die Filme stellen nicht nur die Vergangenheit dar, sondern auch die Gegenwart in der sie gedreht wurden. In den Filmen über Preußen fand man viele dankbare Vorlagen, um auch die politische Gegenwart zu beleuchten.
Dies ist allerdings ein bekanntes Mittel der Filmproduktion und nichts ausschließlich Spezifisches für Propagandafilme der Nationalsozialisten. Dies war bereits bei früheren Preußenfilmen so, wurde aber bei den Nazis wieder stärker ausgeschlachtet. „Ab Ende der zwanziger Jahre wurden die Stoffe zunehmend nach dem Kriterium ausgewählt, ob sie Parallelen zu Konflikten der Gegenwart aufwiesen, bei deren Lösung das historische Beispiel sich zur Nachahmung anbot. Zu diesem Zweck musste alles, was dem gewünschten Schema widersprach, aus der Handlung gestrichen getilgt, musste Geschichte korrigiert werden.“[25]
Dies zeigt, dass es nicht um die Darstellung der preußischen Epoche ging, als viel mehr um die NS-Zeit selber. Man schmückte die eigenen Reden und Sprüche nur mit Kostümen und historischen Kulissen aus. „Zumeist bediente man sich der Geschichte in den Selbstdarstellungen des Regimes durch die bekannten Muster von Kausalität und Kontinuität.“[26] Die Zuschauer sollten dann das Dritte Reich als Endpunkt dieser Kontinuität erkennen.
Vor den „begeisterten Besuchern wurden die großen Worte des Großen Königs von Otto Gebühr so deklamiert, als rezitiere er aus dem vollmundigen Repertoire des Führers. Aus Niederlagen des Alten Fritz wie jener bei Kunersdorf sollte angesichts von Stalingrad vorgespielt werden, wie metaphysischer Trost in Siegeszuversicht und eiserner Wille in Sieg kulminieren können, wenn nur alle fest an den Führer glauben!“[27]
Man konstruierte bewusst durch verfälschende Illustration der Zeit des Großen Friedrich oder Kanzler Bismarcks eine Parallele zur Gegenwart des Dritten Reiches. Typische Einzelzüge wie die Rhetorik des Führers oder typische Elemente des Reiches werden in die Vergangenheit zurückprojiziert. „Durch Einzelparallelen wird der Betrachter dann suggestiv zu einem totalen Analogieschluss veranlasst.“[28] Es entsteht hierdurch eine Deckungsgleichheit zwischen NS-Staat und Preußen, sowie Hitler und dem preußischen Führer. Damit werden die präsentierten Leistungen, Erfolge und Werte, die mit dem preußischen Staat verbunden werden, auch dem damals noch recht neuen Staat angeschlossen. Damit erbt das Dritte Reich praktisch die Errungenschaften Preußens.
3.6 Preußens Verhältnisse zum Ausland als Spiegel der NS-Politik
Österreich wird im „großen König“ feiernd dargestellt und Prinz Eugen stellt selber fest: „Wir tanzen und er marschiert.“ Preußen gibt nicht auf und greift sogar wieder an, während Österreich bereits am feiern ist. (Sequenz 23)
Diese Sequenz ist bezeichnend, denn nicht nur der preußische Führer wird verherrlicht, sondern auch das Volk. Die Preußen werden mit ähnlichen Mitteln dargestellt, wie Friedrich der Große und Bismarck selber. Sie sollen tapfer sein, stark, siegbewusst und patriotisch.
Da Österreich natürlich zum Dritten Reich gehörte, ist es nicht sonderlich überraschend, dass der Film, auf Grund seiner Darstellung der Österreicher dort nicht sonderlich euphorisch aufgenommen wurde.
Auffälliger ist aber noch die Verunglimpfung anderer Länder, nämlich derer mit denen die Nationalsozialisten im Krieg waren. Die Russen, Engländer und Franzosen werden kontinuierlich überzeichnet als geld-, spaß und machtsüchtig.
In den beiden Bismarck-Filmen von Wolfgang Liebeneiner „sind die Engländer die Ursache von Intrigen, ja sogar eines Attentates auf den Begründer des neuen deutschen Reiches.“[29] Die Franzosen werden in „Bismarck“ als hinterhältige Banditen dargestellt, die nur hinter Teilen Preußens her sind, und nur von Feier zu Feier leben. Der französische Kaiser regiert nicht, lenkt sein Land nicht und führt es nicht in Kriegen, sondern feiert ausnahmslos auf Bällen.
Somit wird praktisch auch in der Außenpolitik das Führerprinzip angestrebt. Denn Deutschland bzw. Preußen soll nicht nur gleichberechtigt in Europa sein, sondern sich „als führende Großmacht in Europa etablieren.“[30]
Die Feinde der Preußen sind auch im nachfolgenden Jahrhundert noch die Feinde des Deutschen Reiches, und so bietet Preußen nicht nur die passenden Führer, sondern auch die richtigen Gegner um als perfektes Beispiel in Filmen gepriesen werden zu können.
[...]
[1] Courtade, Francis/ Cadars, Pierre: Geschichte des Films im Dritten Reich. München 1977, S.68.
[2] Kahlenberg, Friedrich P.: Preußen als Filmsujet in der Propagandasprache der NS-Zeit. In: Marquadt, Axel/ Rathsack (Hrsg.), Heinz: Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek. Hamburg 1981. S.156.
[3] Kleinhans, Bernd: Ein Volk, ein Reich, ein Kino. Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln 2003. S.90.
[4] Rother, Rainer: Mythen der Nationen. Völker im Film. München/Berlin 1998. S.63.
[5] Rother, Rainer: Mythen der Nationen. Völker im Film. München/Berlin 1998. S. 65.
[6] ebd. S. 70.
[7] Hoffmann, Hilmar: „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film. Frankfurt am Main 1988. S.105.
[8] ebd. S.110.
[9] ebd. S.53.
[10] Rother, Rainer: Mythen der Nationen, Völker im Film, München/Berlin 1998, S. 70.
[11] Wulf, Joseph: Theater und Film im Dritten Reich, Gütersloh 1964, S.44.
[12] Jacobsen, Wolgang/Kaes, Anton/Prinzler, Hans Helmut (Hrsg.): Geschichte des deutschen Films. Stuttgart 2004. S.143.
[13] Hake, Sabine: Film in Deutschland. Geschichte und Geschichten seit 1895. Hamburg 2004. S.150.
[14] Dagover, Lil: Ich war die Dame. München 1979. S. 184.
[15] Majer, Diemut: Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtsystems. Stuttgart 1987. S.78.
[16] ebd. S.80.
[17] ebd. S.78.
[18] Hake, Sabine: Film in Deutschland, Geschichte und Geschichten seit 1895, Hamburg 2004. S.150.
[19] Majer, Diemut: Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtsystems. Stuttgart 1987. S.77.
[20] Hoffmann, Hilmar: „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film. Frankfurt am Main 1988. S.10.
[21] Schoenberner, Gerhard: Das Preußenbild im deutschen Film. Geschichte und Ideologie. In: Marquadt, Axel/ Rathsack, Heinz (Hrsg.): Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek. Hamburg 1981. S.29.
[22] ebd. S.29.
[23] Hoffmann, Hilmar: „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film. Frankfurt am Main 1988. S.56.
[24] ebd. S.56.
[25] Schoenberner, Gerhard: Das Preußenbild im deutschen Film. Geschichte und Ideologie. In: Marquadt, Axel/ Rathsack, Heinz (Hrsg.): Preußen im Film. Eine Retrospektive der Stiftung Deutsche Kinemathek. Hamburg 1981. S.36.
[26] Hake, Sabine: Film in Deutschland. Geschichte und Geschichten seit 1895. Hamburg 2004. S.150.
[27] Hoffmann, Hilmar: „Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit“. Propaganda im NS-Film. Frankfurt am Main 1988. S.10-11.
[28] ebd. S.51-52.
[29] Toeplitz, Jerzy: Geschichte des Films. Band 4. 1939 – 1945. Berlin 1984. S.220.
[30] Majer, Diemut: Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtsystems. Stuttgart 1987. S.79.
- Citation du texte
- Luc Wildanger (Auteur), 2006, Die Darstellung der preußischen Führer im Film des Dritten Reiches, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126972
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