Seit der Jahrtausendwende ist interkulturelle Kompetenz durch einen enormen Bedeutungszuwachs in Deutschland gekennzeichnet und wird häufig sogar als Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Wie der Begriff definiert werden kann und ob die Möglichkeit zur gezielten Aneignung dieser Kompetenz besteht, wird fachlich heterogen debattiert. Nicht nur dadurch, als dass sich Deutschland als Einwanderungsgesellschaft begreift, sondern auch aufgrund von Globalisierungsprozessen erfährt der interkulturelle Kompetenzbegriff steigende Aufmerksamkeit. Sowohl im privaten als auch beruflichen Bereich nimmt die kulturelle Vielfalt zu, weshalb auch in Unternehmen internationale Vernetzungen stets bedeutsamer werden. Gleichzeitig lässt sich eine steigende Anzahl derjenigen Studierenden und Hochschulmitarbeitenden erkennen, die für mindestens ein Semester im Ausland studieren oder wissenschaftlich tätig sind.
Die soeben beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen betonen die Wichtigkeit interkultureller Kompetenz in der heutigen Zeit, wobei sich gleichzeitig eine zunehmende Zahl derjenigen verzeichnen lässt, die ein Auslandssemester absolvieren. Im Zuge dieser Bachelorthesis gilt es nun beide Komponenten miteinander zu verbinden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, der Frage, inwieweit Auslandssemester eine Wirkung auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz haben können, auf den Grund zu gehen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Bedeutung interkultureller Kompetenz
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Kulturbegriffund Interkulturalität
2.2 Kompetenzbegriff
2.3 Definition interkultureller Kompetenz
3 Forschungsstand
3.1 Querschnittstudien
3.2 Längsschnittstudien
3.3 Zusammenfassung
4 Methodik
5 Kritische Auseinandersetzung mit der „DAAD Wirkungsstudie“ und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“
5.1 Vorstellung der „DAAD Wirkungsstudie“
5.1.1 Einführungin zentrale Aspekte
5.1.2 Methodik
5.1.3 Präsentation der Ergebnisse
5.2 Vorstellung der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“
5.2.1 Einführung in zentrale Aspekte
5.2.2 Methodik
5.2.3 Präsentation der Ergebnisse
5.3 Kritische Auseinandersetzung mit der „DAAD Wirkungsstudie“
5.3.1 Erhebungsverfahren
5.3.2 Studiendesign
5.3.3 Methodik
5.3.4 Sample
5.3.5 Theoretische Kritik
5.4 Kritische Auseinandersetzung mit der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“
5.4.1 Erhebungsverfahren
5.4.2 Studiendesign
5.4.3 Methodik
5.4.4 Sample
5.4.5 Theoretische Kritik
6 Fazit
7 Implikationen
Literaturverzeichnis
Anhang
Vorwort
Ich, Lea Gobel, studiere Pädagogik und Sonderpädagogik. Die Inhalte und Module meines Bachelorstudiums, welches ich mit der vorliegenden Arbeit abschließe, empfand ich als äußerst spannend. Aus diesem Grund ergriff ich im Rahmen dessen die Möglichkeit mir bereits einiges an fachspezifischem Wissen anzueignen. Im Verlauf des Studiums hat sich meinerseits ein besonderes Interesse an Themen der Erwachsenenbildung herauskristallisiert, sodass ich den Schwerpunkt meines Pädagogikstudiums in diesem Bereich setzte.
Schon vor Beginn meines Studiums zum Wintersemester 2017/18 war ich mir im Klaren darüber, während meines künftigen Bachelorstudiums ein Auslandssemester zu absolvieren. Diesem Vorhaben folgte ich im Februar 2020 und begann mein fünfmonatiges Studium in Ljubljana, Slowenien. Trotz der Corona-Pandemie, welche etwas später allgegenwärtig wurde, war diese Zeit im Ausland eine der schönsten, aufregendsten und prägendsten bisher. Mein Horizont hat sich durch die internationalen Kontakte, das Aufeinandertreffen und Kennenlernen verschiedenster Kulturen und die englische Sprache enorm erweiterte. Das sind nur einige Beispiele neben weiteren Vorteilen, die ich in einem Auslandssemester sehe, sodass ich allen Studierenden nun dringlichst ans Herz legen kann, sofern möglich, solch einen Auslandsaufenthalt in das Studium einzubauen.
An die Rückkehr aus Ljubljana anschließend absolvierte ich ein Pflichtpraktikum im Bereich der Erwachsenenbildung und fühlte mich durch die dortig gesammelten Eindrücke in meinem Vorhaben bestätigt, dem Bachelor- ein einschlägiges Masterstudium der Erwachsenenbildung anzuschließen. Bestärkt durch die Praxiserfahrung war ich mir rasch bewusst darüber, mich im Rahmen meiner Abschlussarbeit dem Themengebiet der Erwachsenenbildung zu widmen. Die positiven Erinnerungen an mein eigenes Auslandssemester, die gesellschaftliche Erwartungshaltung gegenüber studienbezogenen Auslandsaufenthalten im Hinblick auf die Entwicklung bestimmter Kompetenzen und letztendlich die Frage danach, inwieweit solch eine Erfahrung diesbezüglich tatsächlich gewinnbringend ist, führte mich schließlich zu der Forschungsfrage vorliegender Arbeit.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lernspirale als Modell interkultureller Kompetenz
Abbildung 2: Relevante Hypothesen der "DAAD Wirkungsstudie"
Abbildung 3: Erfassung multikultureller Selbstwirksamkeit
Abbildung 4: Relevante Hypothesen der Studie nach Wolff
Abbildung 5: Zeitplan der Datenerhebungen der Studie nach Wolff
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichungen multikulturellerSelbstwirksamkeit
Tabelle 2: Wirkung von Ausländserfahrungen und -planen auf A Multikulturelle Selbstwirksamkeit
Tabelle 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der Kontakthäufigkeit und - qualität
Tabelle 4: Wirkung der Kontakthäufigkeit und -qualität auf A Multikulturelle Selbstwirksamkeit
Tabelle 5: Mittelwerte und Standardabweichungen von „Interkulturelle Kompetenz SE“ und „Interkulturelle Kompetenz SB“
1 Bedeutung interkultureller Kompetenz
Seit der Jahrtausendwende ist interkulturelle Kompetenz durch einen enormen Bedeutungszuwachs in Deutschland gekennzeichnet und wird häufig als „Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet (vgl. Boecker, 2008; Schondelmayer, 2018). Wie der Begriff definiert werden kann und ob die Möglichkeit zur gezielten Aneignung dieser Kompetenz besteht, wird fachlich heterogen debattiert (vgl. Schondelmayer, 2018, S. 49).
Beim Betrachten der demografischen Entwicklung Deutschlands lässt sich eine Zunahme an kultureller Diversität erkennen. Verzeichnete die Bundesrepublik im Jahr 2000 eine ausländische Bevölkerung von 7.296.817 Menschen, so zählte das Register 2019 laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits über 10.999.325 Personen. Dies entspricht einem Zuwachs von 3.702.508 Menschen, (vgl. Das Bundesamt in Zahlen 2018. Asyl, Migration und Integration, 2019, S. 111 f.) Beim Blick auf die Bevölkerung mit Migrationshintergrund lässt sich 2019 sogar eine Zahl von circa 21,2 Millionen Menschen feststellen. Dies entspricht 26 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands (vgl. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Ergebnisse des Mikrozensus 2019, 2020, S. 36). Diese Entwicklung sowie die fortschreitende Globalisierung bringen dem interkulturellen Kompetenzbegriff steigende Aufmerksamkeit (vgl. Schondelmayer, 2018, S. 50). Auch in Unternehmen gewinnt internationale Vernetzung stetig an Bedeutung, sodass interkulturell kompetente Mitarbeitende gefragt sind (vgl. Spitzberg & Changnon, 2009). Damit ergeben sich unter anderem Anforderungen an Hochschulen, welche Studierende durch den Erwerb der interkulturellen Schlüsselkompetenz auf das Berufsleben vorbereiten sollen (vgl. Hiller, 2010a, S.19).
Diese gesellschaftlichen Entwicklungen untermauern die Wichtigkeit interkultureller Kompetenz in der heutigen Zeit. Gleichzeitig lässt sich eine steigende Zahl an Studierenden und Hochschulmitarbeitenden erkennen, die für mindestens ein Semester im Ausland studieren oder wissenschaftlich tätig sind. Ein Blick auf die Zahlen des Deutschen Akademischen Austauschdiensts („DAAD“) zeigt eine Zunahme der geförderten Personen. Waren es im Jahr 2010 105.886 Menschen, die von dem deutschen Austauschdienst profitierten, so stieg die Zahl 2018 bereits auf 145.188. (vgl. Jahresbericht 2018, 2019, S. 1-12) Seit Einführung des europäischen Austauschprogramms „Erasmus“ im Jahr 1987 wurden bis 2017 ebenfalls insgesamt über 4,4 Millionen Personen bei ihrem Vorhaben unterstützt, vorübergehend im Ausland zu studieren. Darunter fallen allein 651.000 deutsche Studierende, (vgl. Fact Sheet - 30 Jahre Erasmus, 2017) Die vorliegende Bachelorthesis beschäftigt sich nun mit der Beziehung zwischen interkultureller Kompetenz und studienbezogenen Auslandsaufenthalten. Im Detail ist es Ziel der Arbeit zu analysieren, inwieweit Auslandssemester die Entwicklung interkultureller Kompetenz bewirken.
Die Beantwortung dieser Forschungsfrage soll auf Basis einer kritischen Auseinandersetzung mit der „DAAD Wirkungsstudie“ (Zimmermann et al., 2018) und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandssemester“ (Wolff, 2017) erfolgen. Zunächst werden diesbezüglich theoretische Grundlagen geschaffen (Kapitel 2). Im Anschluss daran werden in Kapitel 3 Aspekte des aktuellen Forschungsstandes präsentiert. In Kapitel 4 wird die Methodik vorgestellt, um sich danach dem Kern der Arbeit, der kritischen Auseinandersetzung mit der „DAAD Wirkungsstudie1 “ und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“, zu widmen (Kapitel 5). Dazu werden beide Studien zunächst getrennt voneinander vorgestellt und kritisch betrachtet. Im Rahmendes Fazits werden gewonnene Erkenntnisse zusammengeführt und in den gegenwärtigen Wissenschaftsdiskurs eingeordnet, um letztendlich die Forschungsfrage, inwieweit Auslandssemester eine Wirkung auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz haben können, zu beantworten (Kapitel 6). Abschließend werden Implikationen für weitere Forschungstätigkeiten gegeben (Kapitel 7).
Es ist unabdingbar, darauf hinzuweisen, dass diese Arbeit in Zeiten des SARS-CoV-2- Virus entstanden ist, welches, so der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, bisher unabsehbare, dennoch fundamentale Folgen für den internationalen Studierendenaustausch mit sich bringt (vgl. Mukherjee, 2020, S. 6). Da Ausmaß und Art der entstandenen Konsequenzen noch unbekannt sind, wird im Folgenden nicht weiter auf die Corona-Pandemie eingegangen.
2 Theoretische Grundlagen
Die wachsende Bedeutung interkultureller Kompetenz wurde eingangs bereits thematisiert. Zur Beantwortung der zuvor definierten Forschungsfrage ist es allerdings notwendig, den Begriff der interkulturellen Kompetenz klarer zu definieren und weitere theoretische Grundlageninformationen zusammenzutragen. Im Zuge dessen folgt im nächsten Abschnitt eine Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff und mit Interkulturalität (2.1). Anschließend widmet sich diese Arbeit dem Kompetenzbegriff (2.2), um sich letztlich einer möglichen Definition interkultureller Kompetenz (2.3) anzunähern.
2.1 Kulturbegriff und Interkulturalität
Bezogen auf die Verwendung des Kulturbegriffs, so Römhild (2018), hat sich ein Wandel vollzogen. Der Ausdruck, der zunächst ausschließlich Teil der Wissenschaft gewesen ist, findet sich nun in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wieder. Aus dieser Verschiebung resultieren alltägliche „Kulturdiskussionen“, die unter anderem Themen der Einwanderung, soziale Differenzen oder Konflikte basierend auf kulturellen Unterschieden beinhalten. Auch die Politik begründet derartige gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend mit Kulturdifferenzen, sodass eine Politisierung von Kulturfestzustellen ist. Diesbezüglich warnt Römhild vor einer illegitimen Vereinfachung eines vielschichtigen Konstrukts, (vgl. ebd., S. 17)
Vogelsang (2017) sieht Kultur als „Orientierungssystem“ (ebd.) an, welches dem Individuum hilft, Dinge und Situationen einzuordnen. Dieses Verständnis basiert auf der Annahme, dass in kulturellen Gemeinschaften spezielle Normen und Werte gelten, die eventuell in anderen keinen Zuspruch finden. Jedes Individuum ist einerseits von der Gesellschaft, in die es hineingeboren wird, geprägt und wird andererseits im Laufe der Zeit durch diverse Kulturen sozialisiert. Eine individuelle Prägung einer jeden Person tritt folglich hervor. Darüber hinaus befinden sich die Kulturen selbst stetig im Wandel, weshalb Vogelsang eine generationenübergreifendende Konstanz einer Kultur ausschließt. Durch die Einordnung des Kulturbegriffs nach Vogelsang wird die Komplexität des Konstrukts erneut deutlich, (vgl. ebd., S. 1 f.)
Das „Eisberg-Modell“ ist ein häufig herangezogenes Modell zur Erklärung dessen, was Kultur in der soeben beschriebenen Vielschichtigkeit meint (vgl. ebd., S. 2-4). Aufgrund der strukturellen Gegebenheiten ragen circa zwanzig Prozent eines Eisbergs aus dem Wasser heraus, wohingegen sich achtzig Prozent unter der Wasseroberfläche befinden. Übertragen ist die Metapher Ausdruck dafür, dass nur ein Fünftel aller kulturellen Ausprägungen einer Person sichtbar sind und der deutlich größere Teil zunächst verborgen bleibt. Es gestaltet sich somit schwer, die individuelle Kulturprägung eines Menschen zu erkennen. Gemäß Vogelsang (2017) lassen sich „Symbole, Tänze, Sitten und Gebräuche sowie Kleidung oder Tracht“ (ebd., S. 4) zu dem Sichtbaren zählen. Aspekte der Persönlichkeit, Grundannahmen und zwischenmenschliche Beziehungen bleiben unsichtbar. (vgl. ebd., S. 2-4) Sowohl Römhild (2018) als auch Vogelsang (2017) zeigen auf, dass Kultur ein komplexes Konstrukt ist, über welches keine definitorische Einigkeit herrscht. Die Metapher des Eisbergs steht ebenfalls sinnbildlich für die Vielschichtigkeit des Kulturbegriffs (vgl. ebd.).
Wolff (2017), der in dieser Arbeit im Rahmen der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“ relevant ist, stellt zwei Sichtweisen auf Kultur gegenüber. Ein kohärenzorientierter Kulturbegriff, der Einheitlichkeit und Gemeinsamkeiten in das Zentrum rückt, kontrastiert einer differenzorientierten Sicht, die Widersprüche und individuelle Abweichungen innerhalb einer Kultur fokussiert. Obwohl erste Perspektive naheliegender scheint, plädiert Wolff, dass solch eine Position aufgrund von Globalisierungsentwicklungen untragbar ist und insbesondere hinsichtlich interkultureller Kompetenz von einer Differenzorientierung ausgegangen werden sollte, (vgl. ebd., S. 8; 16-18) Diesbezüglich greift er das differenzorientierte Kulturverständnis nach Hansen (2011) auf, welches nun in Teilen skizziert wird. Hansen beschreibt Kultur unter anderem als „das Brauchtum, die Sitten, die Manieren, die Religion etc., kurzum alle Eigenarten und Besonderheiten, die an einem fremden Volk auffallen“ (Hansen, 2011, S. 11). Damit beschränkt sich Kultur nicht mehr nur auf verschiedene Nationen, vielmehr beinhaltet diese Untergruppen/ Kulturen innerhalb der Kultur. Der Autor spricht von „Kollektiven“ (ebd.), die Vereine oder menschliche Zusammenkünfte einschließen, welche allesamt durch Verhaltensmerkmale oder milieuspezifische Angewohnheiten gekennzeichnet sind. Wie bereits bei Vogelsang (2017) deutlich wird, ist ein Individuum Teil mehrerer Kollektiven, wodurch unendliche Vernetzungen binnen dieser entstehen, (vgl. Hansen, 2011, S. 9-16)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass verschiedene Autoren unterschiedliche Auffassungen des Kulturbegriffes verfolgen, wobei sowohl von Römhild (2018), Vogelsang (2017) als auch von Wolff (2017) und Hansen (2011) Einigkeit über die Komplexität des Konstruktes herrscht. Im Zuge der vorliegenden Arbeit wird Kultur demzufolge als etwas Vielschichtiges betrachtet und dahingehend verstanden, als dass sich innerhalb von Kulturen verschiedene in sich nicht geschlossene Subkulturen etablieren. Dieser differenzorientierte Ansatz (vgl. Hansen, 2011) impliziert, dass Individuen durch unterschiedliche, sich ständig im Wandel befindende Kulturen geprägt sind, weshalb die persönliche Prägung schwierig zu erkennen ist (vgl. Vogelsang, 2017). In einer kulturellen Gemeinschaft gelten spezielle Normen und Werte, die sie zusammen mit milieuspezifischen Angewohnheiten als solche kennzeichnen, (vgl. Hansen, 2011; Vogelsang, 2017; Wolff, 2017; Römhild, 2018)
Um sich der interkulturellen Kompetenz weiter anzunähern, ist es grundlegend an das Kulturverständnis anschließend nun Interkulturalität zu definieren. Wolff (2017) führt das dargestellte Kulturverständnis Hansens (2011) weiter aus und überträgt es auf die Bedeutung von Interkulturalität. Er sagt aus, dass ,,[w]enn sich Kulturalität nicht durch Homogenität, sondern primär durch Bekanntheit von Differenzen auszeichnet, kennzeichnet Interkulturalität die Unbekanntheit von Differenzen.“ (Wolff, 2017, S. 19).
Interkulturalität in vorliegender Arbeit meint folglich das Unwissen darüber, inwieweit sich Unterschiede zwischen Kollektiven zeigen. Interkollektiver Kontakt kann somit zu Erfahrungen des Unbekannten führen und zunächst das Gefühl von Unsicherheit auslösen, (vgl. ebd.)
2.2 Kompetenzbegriff
Nachdem sich dem Kulturverständnis dieser Arbeit angenähert und daraufhin Interkulturalität abgeleitet wurde, wird sich in diesem Abschnitt dem Kompetenzbegriff zugewandt. Franz E. Weinert definiert Kompetenzen als
„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundene motivationale, volitionale und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2002, S. 27 f.).
Dieser Definition zufolge sind Kompetenzen im Individuum einerseits verfügbar, können andererseits auch erworben und erweitert werden. Kompetenzen lassen sich beschreiben als situationsabhängige kognitive Fähig- und Fertigkeiten, durch welche sich eine Person einem Problem annähern und auf eine jeweilige Situation angemessen reagieren kann. Dabei gibt es eine Vielzahl an Kompetenzen, sodass nicht von einer Basiskompetenz ausgegangen wird (vgl. Gniewosz, 2015, S. 69 f.). (vgl. Weinert, 2002, S. 27 f.)
Mit der Definitionen nach Weinert (2002) zeichnet sich bereits ab, dass neben dem Kulturbegriff auch eine Kompetenzbeschreibung komplexerscheint. Um eine Definition dieser Arbeit zu geben, ist es interessant zu klären, wovon sich Kompetenzen abgrenzen lassen. Diesbezüglich anzumerken ist es, dass der Kompetenzbegriff im heutigen Diskurs um das Bildungssystem häufig eine Rolle spielt, nämlich insofern, als dass mittels Bildung ein gewisser gesellschaftlicher Fortschritt erwartet wird. Dabei ist es das geplante Erwerben vorgegebener Kompetenzen, wodurch Bildungsstandards erfüllt werden sollen. Jedoch sei es diese Gleichsetzung zwischen Bildung und Kompetenz als äußerst kritisch zu betrachten, so Dörpinghaus und Uphoff (2015), denn Standards geben vor, in welcher Zeitspanne welche Kompetenzen zu erwerben sind. Allerdings meint Bildung eben nicht gezielter, schnellstmöglicher Wissenserwerb, sondern birgt Ent- schleunigung in sich, sodass neu Erworbenem reflexiv begegnet werden kann. Es gilt zu verdeutlichen, dass der Kompetenzbegriff vom Begriff der Bildung getrennt zu sehen ist. (vgl. ebd., S. 65 f.) Trotzdem besteht ein Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Bildung, so Gniewosz (2015), der Kompetenzen einerseits als Ergebnis von Bildungsvorgängen und andererseits als Voraussetzung für solche Vorgänge ansieht. (vgl. ebd., S. 71)
Weiterhin lässt sich festhalten, dass die Meinungen über die Möglichkeit des gezielten Kompetenztrainings auseinander gehen. Wolff (2017) beispielsweise hält dies für durchaus denkbar, wohingegen Schondelmayer (2018) beschreibt, dass es unmöglich sei, eine verallgemeinerte Aussage über die Möglichkeit der Aneignung aller Kompetenzen zu treffen, weshalb nach der jeweiligen Art der Kompetenz zu differenzieren ist. Sowohl die Herangehensweisen von Weinert (2002), Dörpinghaus & Uphoff (2015) und Wolff (2017) als auch von Schondelmayer (2018) weisen darauf hin, dass der Kompetenzbegriff vielschichtig ist. Dieser Komplexität müssen mögliche Messverfahren gerecht werden. Oft wird die Messung von Kompetenzen bildungssystematisch gedacht, wobei der pädagogische Diskurs durch Uneinigkeit über die Möglichkeit zur Messung dieser gekennzeichnet ist. Entscheidend bei der Testkonstruktion zur Kompetenzmessung, so Klieme & Hartig (2006), ist eine differenzierte theoretische Grundlegung (vgl. ebd., S. 132). Wie bereits dargelegt, zeigen sich Kompetenzen erst im Handeln oder in der Auseinandersetzung mit Personen (vgl. Wolff, 2017, S. 15), was impliziert, dass Kompetenzen nicht direkt messbar, sondern latente Konstrukte sind. Deshalb benötigt es zur Messung dieser manifeste Merkmale, (vgl. Klieme & Hartig, 2006, S. 131 f.).
In der vorliegenden Arbeit wird Kompetenz als Abgrenzung zum Bildungsbegriff gemäß der weiter oben ausgeführten Definition Weinerts (2002) verstanden.
2.3 Definition interkultureller Kompetenz
Mittels der Vorüberlegungen zur Bedeutung des Kulturbegriffs und das Einführen in den Kompetenzbereich wird jetzt interkulturelle Kompetenz als Konglomerat definiert. Um sich der Begrifflichkeit annähern zu können und somit eine wichtige Grundlage für die vorliegende Arbeit zu legen, gelten folgende Annahmen. Zunächst wird davon ausgegangen, dass Menschen Zugehörigkeitzu verschiedenen Kulturen aufweisen und miteinander in Interaktion treten. Weiter wird es angenommen, dass das Individuum übereine bestimmte Kompetenz verfügen muss, um in der sozialen Interaktion mit Menschen anderer Kulturen mit Erfolg agieren zu können. Ob diesen Grundannahmen eine Berechtigung zugesprochen werden kann, soll nicht Thema dieser Arbeit sein. Nichtsdestotrotz bedarf es diesen beim Lesen kritisch zu begegnen. Hiller zeigt auf, wie eine Definition, die Aspekte des Kulturverständnisses und des Kompetenzbegriffs beachtet, aussehen kann. Die Autorin sieht in einem Individuum mit interkultureller Kompetenz eine Person, die „ein Set an Fertigkeiten (skills), Wissen und Werten, die sie befähigen, in einer selbstorganisierten, effektiven und angemessenen Weise in interkulturellen Begegnungen zu handeln“ (Hiller, 2010b, S. 46) aufweist. Als Ausdruck dieser Definition erweitert Hiller das durch die Bertelsmann Stiftung entwickelte Modell der „Lernspirale“ (Interkulturelle Kompetenz - Die Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert?, 2008, S. 3), welches in Abbildung 1 einzusehen ist. Das Symbol,,+“ markiert die Ergänzungen durch Hiller (2010b). Im Zentrum der Lernspirale steht die Lernbereitschaft, denn ohne die Motivation zu lernen, ist das Entwickeln interkultureller Kompetenz nicht möglich. Die Spirale lässt sich in die vier folgenden Bereiche unterteilen, die allesamt Teil interkultureller Kompetenz sind: Handlungskompetenz, Reflexionskompetenz, Haltungen und Einstellungen, konstruktive Interaktion. Die grauen Pfeile sind Ausdruck für ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis dieser Dimensionen, welche sich in Unterfähigkeiten aufspalten. Eine interkulturell kompetente Person versteht beispielsweise, dass diverse Einflüsse den Rahmen interkultureller Interaktionen beeinflussen, weiß über die eigene Kulturprägung Bescheid und bringt umfassendes kulturelles Wissen in die Situation mit. Der spirale Charakter des Modells betont die Dynamik des Erwerbs interkultureller Kompetenz, (vgl. Hiller, 2010b, S. 46 f.; Interkulturelle Kompetenz - Die Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert?, 2008, S. 7 f.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Lernspirale als Modell interkultureller Kompetenz
Quelle: Hiller, 2010b, S. 47 in Anlehnung an Bertelsmann Stiftung (vgl. Interkulturelle Kompetenz - Die Schlüsse kompetenz im 21. Jahrhundert?, 2008, S. 4) Neben dem Kulturbegriff und der Auffassung von Kompetenz im Allgemeinen ist auch das Verständnis interkultureller Kompetenz durch Komplexität gekennzeichnet, sodass diese bislang nicht allgemeingültig definiert werden kann (vgl. Interkulturelle Kompetenz - Die Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert?, 2008, S. 4). Nichtsdestotrotz sind sich neben Hiller und den Autoren der Bertelsmann Stiftung viele weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig, dass interkulturelle Kompetenz unterschiedliche Fähigkeiten ineinander vereint, nichts Statisches ist und insbesondere in interkulturellen Interaktionen zum Tragen kommt (vgl. Schnabel et al., 2014; Wolff, 2017; Schondelmayer, 2018). Aus diesem Grund wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Auffassung Hillers (2010b) samt vorgestellter Lernspirale übernommen.
3 Forschungsstand
An die theoretische Grundlegung interkultureller Kompetenz anschließend wird nun ein Überblick über den gegenwärtigen Forschungsstand bezüglich der Wirkung von Auslandssemester auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz gegeben. Wichtig an dieser Stelle zu erwähnen ist es, dass Studien auf unterschiedlichen Theorien basieren und dass, wie zuvor dargestellt, verschiedene Auffassungen von Kultur, Kompetenz und vor allem interkultureller Kompetenz existieren (siehe Kapitel 2). Die im Rahmen dieses Abschnitts herangezogenen Begrifflichkeiten beziehen sich folglich auf Termini der Autorinnen und Autoren der jeweiligen Studien und nicht auf die im vorherigen Kapitel grundgelegte Theorie.
Seit den 1950er-Jahren wird zum Thema Auslandsaufenthalte und ihrer Wirkung geforscht. Die Methoden der jeweiligen Datenerhebungen variieren stark. Grundsätzlich lässt sich ein Trend dahingehend erkennen, quantitative Verfahren zur Messung interkultureller Kompetenz zu entwickeln, (vgl. Zimmermann et al., 2018, S. 7) In diesem Zusammenhang lassen sich die angewendeten Forschungsmethoden in Querschnittsund Längsschnittstudien unterteilen. Diese beiden Forschungsdesigns unterscheiden sich hinsichtlich der Zahl der Messzeitpunkte. Während bei Querschnittsstudien Daten zu ausschließlich einem Messzeitpunkt erhoben werden, werden im Rahmen von Längsschnittstudien Erhebungen zu mehreren Zeitpunkten durchgeführt. Ersteres beschreibt somit eine Momentaufnahme, sodass beispielsweise die Ausprägung interkultureller Kompetenz nach einem Auslandsaufenthalt in der jeweiligen Untersuchungsgruppe festgestellt werden kann. Jedoch ist es nicht möglich, die Ausprägung mit dem Ausmaß dieses Merkmals vor dem Aufenthalt zu vergleichen. Mithilfe von Längsschnittstudien hingegen können genau solche Schlüsse über mögliche Entwicklungen gezogen werden. Aus diesem Grund schätzen einige Forscherinnen und Forscher (siehe Wolff, 2017; Zimmermann et al., 2018; Goldblatt, 2019) Studien mit mehreren Messzeitpunkten als aussagekräftiger ein, um die Effekte bildungsbezogener Ausländserfahrungen zu untersuchen. (vgl. Zimmermann et al., 2018)
Um jedoch das Spektrum der aktuellen Befundlage bezüglich der Wirkung von Auslandssemester auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz aufzeigen zu können, werden in diesem Kapitel Ergebnisse aus beiden Studiendesigns herangezogen. Zuerstwerden die wichtigsten Erkenntnisse einiger Querschnittstudien (3.1) präsentiert, um anschließend eine Auswahl an Längsschnittstudien (3.2) aufzuzeigen. Hierbei werden sowohl Arbeiten zum Thema von Effekten verschiedener Arten von Auslandsaufenthalten als auch explizit zu der Wirkung von studentischen Ausländserfahrungen auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz oder ähnlicher Konstrukte vorgestellt. Herangezogen werden ausschließlich quantitative Studien, da eine Etablierung dieser in den letzten Jahren stattgefunden hat (vgl. ebd., S. 7) und sich im Verlauf der Bachelorthesis mit zwei quantitativen Arbeiten befasst wird. In einem letzten Schritt wird der Forschungsstand zusammengefasst (3.3). Da von einer Wandelbarkeit des Kulturbegriffes (siehe Kapitel 2) ausgegangen wird, wird sich zur Sicherstellung der Aktualität der Erkenntnisse auf Studien des 21. Jahrhunderts beschränkt.
3.1 Querschnittstudien
Zielinski untersuchte mit Hilfe des „Cross-Cultural Adaptability Inventory“ (Kelley & Meyers, 1995) die „interkulturelle Anpassungsfähigkeit“ (Zielinski, 2007, S. 5; Übersetzung durch die Verfasserin) anhand der vier verschiedenen Faktoren „emotionale Resi- lienz“ (ebd.), „Flexibilität/ Offenheit“ (ebd.), „Wahrnehmungsgenauigkeit“ (ebd.) und „individuelle Autonomie“ (ebd.). Die Gesamtstichprobe von 207 Probanden aus den Vereinigten Staaten bildeten zum einen Personen, die für eine gewisse Zeit im Ausland studierten und andererseits Studierende ohne solch eine Ausländserfahrung. Die Ergebnisse der Studie weisen einen positiven Zusammenhang zwischen der Länge des Aufenthaltes und der Ausprägung der vier Messgrößen auf, da durchschnittlich diejenigen mit einer längeren Verweildauer ein höheres Maß an interkultureller Anpassungsfähigkeit erzielten. (vgl. Zielinski, 2007)
In ähnlicher Weise konnten auch Genkova & Kruse (2021), welche die Ausprägung kultureller Intelligenz von 155 auslandsmobilen Studierenden mit derer von 212 nicht-mobilen Personen verglichen, signifikant höhere Werte in der Auslandsgruppe feststellen. Dabei waren diejenigen mit längerer Aufenthaltsdauer im Mittel kulturell intelligenter. Dieselbe Studie erforschte zudem den Zusammenhang zwischen kultureller Intelligenz und der Quantität beziehungsweise der Qualität ausländischer Kontakterfahrungen. Dabei wurden signifikante Ergebnisse bei der untersuchten Variablen mit der Qualität, nicht aber mit der Häufigkeit der Kontakte nachgewiesen. (vgl. ebd)
Fantini führte von 2005 bis 2006 das Forschungsprogramm „Exploring and Assessing Intercultural Competence“ durch, wobei im Zentrum der Untersuchungen die Veränderung interkultureller Kompetenz stand. Durch Fragebögen wurden ehemalige Teilnehmende eines Freiwilligenprojekts aus Großbritannien, der Schweiz und Ecuador befragt, wobei sich eine starke Zunahme interkultureller Kompetenz während der Programmteilnahme zeigte. (vgl. Fantini, 2007)
Die Auswahl soeben beschriebener Arbeiten steht exemplarisch für zahlreiche weitere, die im Querschnitt ansetzten. Deutlich wird, dass diese Studien allesamt Hinweise auf eine positive Wirkung von Auslandsaufenthalten auf die Ausprägung interkultureller Aspekte liefern (siehe Fantini, 2007; Zielinski, 2007; Genkova & Kruse, 2021).
3.2 Längsschnittstudien
Neben Querschnittsstudien untersuchten auch Längsschnittstudien die Effekte von Auslandsaufenthalten auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz, wovon nun zwei beispielhaft genannt werden.
Salisbury et al. (2013) erforschten die Veränderung interkultureller Kompetenz durch ein Auslandsstudium anhand von 1.647 US-amerikanischer Personen über drei Messzeitpunkte hinweg. Dabei konnte ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen interkultureller Kompetenz und studentischen Auslandsaufenthalten nachgewiesen werden, (vgl. ebd.)
Auch Schartner (2016) erkundete die Entwicklung interkultureller Kompetenz von Studierenden verschiedener Nationen an einer britischen Universität. Diese berichtete von signifikanten Veränderungen der Ausprägung von insbesondere kognitiven Aspekten interkultureller Kompetenz über die Zeit von neun Monaten hinweg, die allerdings durch ein Absinken gekennzeichnet waren. Die Merkmalsausprägungen „Kulturelle Empathie“ (ebd., S. 410; Übersetzung durch die Verfasserin) und „Offenheit“ (ebd.) sanken über die Periode hinweg ab, wobei sich außerdem keinerlei Signifikanz in der Veränderung verhaltensbezogener Merkmale interkultureller Kompetenz zeigte. Somit kontrastieren diese Befunde vorherigen Studien, (vgl. Schartner, 2016)
3.3 Zusammenfassung
Anhand der Vorstellung des Forschungsstandes wird deutlich, dass sich bereits wissenschaftlich mit den Effekten von Auslandsaufenthalten auf interkulturelle Aspekte in einem breiten Umfang auseinandergesetzt wurde. Das Spektrum deckt dabei unterschiedliche Formen ausländischer Aufenthalte ab (siehe Fantini, 2007), betrachtet die Wirkung auf diverse Aspekte interkultureller Kompetenz (siehe Schartner, 2016), oder thematisiert differente Einflussgrößen (siehe Zielinski, 2007; Genkova & Kruse, 2021). Zusammenfassend legt die gegenwärtige Wissenschaftsdiskussion nahe, dass Auslandsaufenthalte positive Effekte auf die Entwicklung interkultureller Merkmale aufweisen. Es scheint, als würde die Länge des ausländischen Aufenthaltes (siehe Zielinski, 2017; Genkova & Kruse, 2021) und die Kontaktqualität (siehe Genkova & Kruse, 2021) eine solche Veränderung positiv beeinflussen. Bis zuletzt gab es nur wenige Arbeiten, die keinen Zusammenhang zwischen Auslandsaufenthalten und der Entwicklung interkultureller Merkmale bestätigen konnten (vgl. Zimmermann et al., 2018).
Weiterhin wird deutlich, dass eine Vielzahl der Arbeiten sich als Querschnittstudien einordnen lassen und es bisher wenige Längsschnittstudien gibt. Neben dieser Differenzierung nach der Anzahl der Messzeitpunkte lässt sich zudem eine Unterscheidung nach der Anzahl an Untersuchungsgruppen vornehmen. Einerseits gibt es Studien, die mit einer Gruppe als Forschungsgegenstand arbeiteten (siehe Fantini, 2007), andererseits zogen manche zusätzlich mindestens eine Kontrollgruppe hinzu (siehe Genkova & Kruse, 2021). Zimmermann et al. (2018) betont, dass das „prospektive Kontrollgruppendesign“ (ebd., S. 9) das geeignetste Design zur Untersuchung der Wirkung von Auslandssemester auf die Entwicklung individueller Merkmale darstellt, denn es lässt einen Vergleich zwischen Gruppen zu (Selektionseffekte) und kann darüber hinaus Entwicklungen über die Zeit hinweg innerhalb einer Gruppe abbilden (Sozialisationseffekte). An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an, die sich mit zwei Studien, die solch ein prospektives Kontrollgruppendesign aufweisen, kritisch auseinandersetzt. Im Rahmen dieses Kapitels zeigte sich außerdem, dass in zahlreichen Untersuchungen Daten über Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden gewonnen wurden (siehe Fantini, 2007; Genkova & Kruse, 2021) und es bisher wenige Studien gibt, in denen verhaltensbezogene Messinstrumente verwendet wurden (vgl. Wolff, 2017). Die Studie nach Schartner (2016) lieferte solche Ergebnisse bezüglich der Entwicklung verhaltensbezogener Merkmale, wobei keine signifikanten Veränderungen nachgewiesen werden konnten. Somit ergeben sich Diskrepanzen zwischen der Befundlage von Selbsteinschätzungstests und verhaltensbezogenen Erhebungsverfahren. Aus diesem Grund werden in der Bachelorarbeit zwei Studien mit diesen zwei unterschiedlichen Herangehensweisen miteinander in Verbindung gebracht, weshalb vorliegende Thesis von wissenschaftlicher Relevanz ist. (vgl. Wolff, 2017; Zimmermann et al., 2018)
4 Methodik
Inwieweit Auslandssemester eine Wirkung auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz haben können, kann auf Basis des bisher beschriebenen Forschungsstandes, die ersten Ergebnisse einer umfassenden Literaturrecherche, noch nicht beantwortet werden. Daher untersucht der Hauptteil der vorliegenden Thesis zwei systematisch ausgewählte Studien genauer. Die Methode besteht nun darin, sich kritisch mit der „DAAD Wirkungsstudie“ und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“ durch Einbezug themenbasierter Literatur auseinanderzusetzen. Wie Kapitel 3 zeigte, wurden in zahlreichen Arbeiten Studienteilnehmende durch Selbsteinschätzungsfragebögen befragt, wohingegen bisher nur wenige Studien Daten mit verhaltensbezogenen Messinstrumenten erhoben. Um einem einseitigen Beleuchten der Thematik entgegenzuwirken, wird sich deshalb in der Thesis mit zwei unterschiedlichen Herangehensweisen befasst. Während in der „DAAD Wirkungsstudie“ Selbsteinschätzungsfragenbögen mit Likertskalen als Erhebungsinstrument angewandt wurden, wurde in der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandssemester“ darüber hinaus mit der Kurzversion des psychologischen ,,Test[s] zur Messung interkultureller Kompetenz“ (Schnabel et al., 2014) gearbeitet. Beide deduktive Studien zogen quantitative Erhebungsmethoden heran, sodass auch in der Bachelorthesis diese quantitativen Messwerte argumentativ verwendet werden. (vgl. Wolff, 2017; Zimmermann et al., 2018)
5 Kritische Auseinandersetzung mit der „DAAD Wirkungsstudie“ und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“
Zur Beantwortung der Forschungsfrage lieferten die vorherigen Kapitel notwendige Vorüberlegungen. Um differenzierte Aussagen über die Wirkung von Auslandssemester auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz treffen zu können, werden nun die „DAAD Wirkungsstudie“ und die Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“ betrachtet. Zuerst werden beide Studien getrennt voneinander vorgestellt, wobei jeweils in zentrale Aspekte eingeführt (5.1.1 bzw. 5.2.1) und die Methodik beschrieben wird (5.1.2 bzw. 5.2.2), um letztlich zentrale Ergebnisse zu präsentieren (5.1.3 bzw. 5.2.3). Unter Punkt 5.3. wird sich schließlich kritisch mit der „DAAD Wirkungsstudie“ und unter 5.4 mit der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte“ 15 auseinandergesetzt, wobei jeweils auf das Erhebungsverfahren (5.3.1 bzw. 5.4.1), das Studiendesign (5.3.2 bzw. 5.4.2), die Methodik (5.3.3 bzw. 5.4.3) und das Sample (5.3.4 bzw. 5.4.4) eingegangen wird und die Studien hinsichtlich der zu Beginn grundgelegten Theorie betrachtet werden (5.3.5 bzw. 5.4.5).
5.1 Vorstellung der „DAAD Wirkungsstudie“
Die „DAAD Wirkungsstudie“ untersuchte die Effekte von Individualmobilität und Eras- mus+ Projekten auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz und Werteorientierung (vgl. Zimmermann et al., 2018). Diese Studie wurde durch den 1925 gegründete Deutsche Akademische Austauschdienst „DAAD“ durchgeführt. Die Förderung des wissenschaftlichen Austauschs macht den Schwerpunkt der Tätigkeiten des DAAD aus, sodass im Jahr 2018 in etwa 145.000 Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in dem Vorhaben unterstützt wurden in einem anderen Land als das eigene zu studieren oder Forschung zu betreiben. Gefördert werden Menschen aus Deutschland sowie aus dem Ausland Kommende (vgl. Jahresbericht 2018, 2019, S. 10).
5.1.1 Einführung in zentrale Aspekte
Der Studie lagen Beschlüsse der europäischen Bildungsministerinnen und Bildungsminister der EU-Kommission aus der Pariser Deklaration von 2015 zugrunde. Reaktiv zu einer erheblichen Zahl an Terroranschlägen in Europa wurden Entwicklungsziele zur Stärkung der in Art. 2 EUV verankerten europäischen Grundwerte formuliert (vgl. Erklärung zur Förderung von Politischer Bildung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung, 2015; Tahm & Feldmann-Wojtachnia, 2018). In diesem Zusammenhang wurde die Wichtigkeit von Bildungsmaßnahmen betont, welche auf die „Förderung von interkulturellen Kompetenzen, die Förderung des interkulturellen Dialogs sowie die Prävention von Diskriminierung“ (Zimmermann et al., 2018, S. 5) abzielen sollen. Auf diese Ziele Bezug nehmend wurde in der Studie die Wirkung „studienbezogener Auslandsaufenthalte auf die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen“ (ebd.) untersucht. Der Schwerpunkt der Studie ergab sich aus der Mobilitätsart studienbezogener Auslandsaufenthalte, die zu 93,6 Prozent Studien und zu einem Teil von sechs Prozentpunkten Praktika ausmachten. Gegenstand der Untersuchungen waren zum einen die sozialen Kontakte der Befragten zu Angehörigen des Ziellandes und Studierenden anderer Nationen und zum anderen weitere interkulturelle Aktivitäten der Teilnahmegruppen. In der Längsschnittstudie, die sich über zwei Messzeitpunkte (T1, T2) erstreckte, wurde das prospektive Kontrollgruppendesign durch eine weitere Untersuchungsgruppe ergänzt. Die Studie bezog sich auf „aktuell mobile Studierende, AMS" (ebd., S. 15), die sich im Wintersemester 2017/18 während des ersten Erhebungszeitraumes bereits im Gastland aufhielten, Personen ohne bildungsbezogenen Auslandsplänen (Kontrollgruppe, KG) und Studierenden, die zum Sommersemester 2018 in den Auslandsaufenthalt starteten („/'n Kürze mobile Studierende, KMS“) (ebd.). Die Wartegruppe diente dazu, zwischen tatsächlichen und antizipierten Wirkungen zu differenzieren. Letztere beschreibt Effekte, die nur durch das Wissen darüber bald ins Ausland zu reisen, entstehen könnten. Wie anfangs dieses Kapitels erläutert, untersuchte die Wirkungsstudie die Effekte von Ausländserfahrungen auf individuelle Merkmale, die die Zielangaben der Pariser Deklaration von 2015 (vgl. Erklärung zur Förderung von Politischer Bildung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Nichtdiskriminierung, 2015) repräsentieren. Für die vorliegende Arbeit werden die Mobilitätseffekte zur „Förderung interkultureller Kompetenz“ (Zimmermann et al., 2018, S. 5) angesehen, da erwartet wird, dass diese bezüglich der Forschungsfrage Aufschluss geben können. Aus dem Grund, dass diese nicht primär das abbilden, was in der Bachelorthesis untersucht wird, werden die Ziele „Förderung des interkulturellen Dialogs“ (ebd.) und „Prävention von Diskriminierung“ (ebd.) hingegen und die Untersuchung weiterer interkultureller Aktivitäten der Teilnehmenden außen vorgelassen, (vgl. ebd., S. 1-25)
In der Studie wurde aufgrund nachgewiesener Validität interkulturelle Kompetenz durch das Konstrukt „multikulturelle Selbstwirksamkeit“ (ebd., S. 16) abgebildet. Hierbei wurde die Definition Banduras zur Beschreibung von Selbstwirksamkeit herangezogen. Selbstwirksamkeit beschreibt dieser als „one's perceived sense of competence to execute required courses of action“ (Bandura, 1986). Im Weiteren wird in Bezug auf die DAAD-Studie die Begrifflichkeit „multikulturelle Selbstwirksamkeit“ verwendet. (vgl. Zimmermann et al., 2018, S. 16)
Die relevanten Aspekte der Hypothesen bezüglich der „Förderung interkultureller Kompetenz“ (ebd., S. 5), welche sich in Abbildung 2 einsehen lassen, beziehen sich sowohl auf die Wirkung tatsächlicher Ausländserfahrungen (H1) als auch auf die Wirkung antizipierter Ausländserfahrungen (H2). Mit H1 wurde eine mögliche positive Wirkung auf das Konstrukt „multikulturelle Selbstwirksamkeit“ untersucht. Zu prüfen galt, ob eine stärkere Zunahme in der Gruppe „aktuell mobile Studierende“ (ebd., S. 15) als in der Kontrollgruppe und der „in Kürze mobile Studierende“ (ebd.) festzustellen ist. Mittels H2 (Wirkung antizipierter Ausländserfahrungen) wurde erkundet, inwieweit nur das faktische Erleben des interkulturellen Kontakts Wirkung zeigt oder ob sich durch den Gedanken daran, sich bald im Gastland zu befinden, bereits multikulturelle Selbstwirksamkeit entwickelt. Es wurde erwartet, dass zum einen Kontakte zu Menschen des Gastlandes und zu internationalen Studierenden zu einer positiven Entwicklung bezüglich der multikulturellen Selbstwirksamkeit führen und dass zum anderen bei diesen Auslandskontakten Qualität wirksamer als Quantität ist (H3). Die anderen Aspekte der Hypothesen sind an dieser Stelle zu vernachlässigen, da sie primär nicht das abbilden, was in der Bachelorarbeit untersucht wird. (vgl. ebd., S. 18)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Relevante Hypothesen der "DAAD Wirkungsstudie"
Quelle: Zimmermann et al., 2018, S. 18
5.1.2 Methodik
Nachdem zentrale Aspekte der „DAAD Wirkungsstudie“ vorgestellt wurden, wird sich nun der Methodik dieser gewidmet. Durch das Versenden von E-Mails einerseits und das Nutzen sozialer Netzwerke andererseits wurde die Stichprobe ausgewählt. Neben einer allgemeinen Studienbeschreibung erfolgte eine Einladung, sich auf einem spezifischen Online-Portal mit einer E-Mail-Adresse für die Teilnahme zu registrieren. Diese wurde auch später zum Zusenden der Fragebögen, das Erhebungsinstrument der Studie, genutzt. Anhand weiterer Abfragungen während des Registrierungsvorgangs erfolgte eine Zuordnung der Personen zu den drei Untersuchungsgruppen, wobei nur diejenigen, die zum Erhebungszeitraum an einer deutschen Hochschule eingeschrieben waren und ihren Hauptsitz in Deutschland aufwiesen, zugelassen wurden. Nach Beendigung der Datenerhebungen wurde zur retrospektiven Überprüfung eine erneute Gruppenzuordnung durchgeführt. Letztendlich ergab sich eine Gesamtstichprobe von 3.070 Studierenden, welche sich mit einer Stichprobengröße von 1.323 Studierenden der Kontrollgruppe, mit 1.264 Personen der Gruppe der derzeitig mobilen Studierenden und mit einer Zahl von 483 der Gruppe „in Kürze mobile Studierende“ (Zimmermann et al., S. 15) zuordnen ließen. Die Wirkungsstudie gibt genauere Auskunft zur Stichprobe, auf die im Rahmen der kritischen Auseinandersetzung näher eingegangen wird (5.3.4). Alle detaillierten Aspekte lassen sich dem Anhang A entnehmen. (vgl. ebd., S. 19-26)
Die Erhebungszeitpunkte T1 und T2 wurden basierend auf die jeweilige Gruppenzugehörigkeit unterschiedlich berechnet. Erneut wurden an den entsprechenden Daten standardisierte E-Mails versandt, die einen personalisierten Link zum Bearbeiten des ersten Fragebogens beinhalteten. Die Untersuchungszeit des Fragebogens T1 erstreckte sich vom 05.07.2017 bis zum 19.11.2017. Diesem Vorgehen entsprechend wurde auch zu T2 vorgegangen, wobei sowohl den Studierenden der Kontrollgruppe als auch „aktuell mobile Studierende[n/‘ (ebd., S. 5) 22 Wochen nach Erhalt des ersten Fragebogens ein Link zum Bearbeiten des zweitens zugesendet wurde. Die „in kürze mobile[n] Studie- rende[n/‘ (ebd.) wurden zwei Wochen vor dem jeweils individuellen Datum der Ausreise zur Bearbeitung des zweiten Onlinefragebogens eingeladen, sodass die gesamte Feldarbeit T2 den Zeitraum vom 08.01.2018 mit 23.04.2018 abdeckte. Grundsätzlich bestand zudem die Möglichkeit des Zwischenspeicherns der Fragebögen. (vgl. ebd., S. 20 f.)
Zur Erfassung multikultureller Selbstwirksamkeit wurde in der Studie mit einer Skala von Mazziotta et al. (2015) gearbeitet, in der sechs Items, die nachfolgend in Abbildung 3 dargestellt sind, mittels siebenstufiger Skala (1 = stimme überhaupt nicht zu; 7 = stimme voll zu) beantwortet werden sollten. Die gesamte Stichprobe weist dabei eine interne Konsistenz von a = .80 zum Erhebungszeitpunkt T1 und a = .79 zum Erhebungszeitpunkts T2 auf. (vgl. Zimmermann et al., 2018, S. 26)
Die Kontaktquantität zu Menschen aus dem Gastland und weiteren internationalen Personen wurde retrospektiv insofern erfasst, als dass den Studierenden der AMS- und der KMS-Gruppe zur zweiten Datenerhebungsphase nachstehende Frage gestellt wurden: „Wie häufig haben/hatten Sie in Ihrem Alltag im Ausland persönlichen Kontakt (z.B. sich unterhalten, Zusammenarbeiten, zusammen lernen, Freizeit miteinander verbringen ...) zu Personen aus den folgenden Gruppen?“ (ebd., S. 27). Dabei wurde mittels siebenstufiger Skala (1 = sehr selten/nie; 7 = sehr oft) separat nach dem Kontakt zu Menschen aus dem Gastland und zu anderen Personen aus Drittländern gefragt. Analog dazu wurde ebenfalls zum zweiten Messzeitpunkt die Qualität der Kontakte ergründet, wobei sich die Studierenden selbst auf einer deutschen Ausgabe der Skala „General Intergroup Contact Quantity and Contact Quality“ (Islam & Hewstone, 1993) in Bezug auf fünf Adjektive „(gleichberechtigt, freiwillig, oberflächlich, angenehm, kooperativ)“ (Zimmermann et al., 2018, S. 27) von 1 = trifft gar nicht zu bis 7 = trifft voll zu, einschätzen sollten. Es wurde eine interne Konsistenz von a = .78 bei den Items, die den Kontakt zu den Menschen aus dem Gastland abbilden und a = .76 bezogen auf den Kontakt zu internationalen Studierenden, erreicht, (vgl. ebd., S. 27 f.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Erfassung multikultureller Selbstwirksamkeit
Quelle: Mazziotta et al., 2015, zit. nach J. Zimmermann, persönliche Kommunikation, 14. Januar 2021 (siehe Anhang B)
5.1.3 Präsentation der Ergebnisse
Unter 5.1.2 wurde aufgezeigt, wie in der „DAAD Wirkungsstudie“ vorgegangen wurde, um die Daten zu erheben. In diesem Kapitel werden die gewonnenen Ergebnisse und zum Teil die zugrunde liegenden Analysestrategien vorgestellt. Dazu werden zunächst deskriptive Ergebnisse des Konstrukts multikulturelle Selbstwirksamkeit präsentiert, um sich danach der Datenauswertung der Entwicklungseffekte und der Moderationseffekte zu widmen. Der Tabelle 1 können die Analyseergebnisse, die durch den manifesten Mittelwert und der Standardabweichung der drei Untersuchungsgruppen (KG, AMS, KMS) über beide Messzeitpunkte T1 und T2 hinweg abgebildet werden, entnommen werden. Anhand des Mittelwertvergleichs von T1 und T2 lässt sich bereits erkennen, dass der größte Unterschied bei den „aktuell mobilen Studierende[n/‘ (Zimmermann et al., 2018, S. 15) zu verzeichnen war. Wobei zur ersten Datenerhebungsphase ein Mittelwert von 5.62 erreicht wurde, war es hingegen zum Zeitpunkt T2 schon ein Wert von 5.75, was einen Anstieg von 0.13 ausmacht. Während sich bei den Studierenden der KMS nur eine verschwindend geringe Zunahme des Mittelwerts über die Zeit hinweg von 0.01 feststellen ließ, wies die Kontrollgruppe sogar einen Verlust von 0.02 auf. (vgl. ebd., S. 28-32)
Tabelle 1: Mittelwerte und Standardabweichungen multikultureller Selbstwirksamkeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Zimmermann et al., 2018, S. 31
Tabelle 2 zeigt Ergebnisse, die Aufschluss über die Entwicklungseffekte multikultureller Selbstwirksamkeit resultierend aus einerseits tatsächlichen und andererseits antizipierten Ausländserfahrungen geben. Modell 1 und 2 bilden dabei Ersteres und Modell 3 Letzteres ab. Das Anfangsniveau multikultureller Selbstwirksamkeit und die Veränderung dieses Merkmals über die Zeit hinweg (Veränderungsvariable) wurden als getrennte latente Variablen modelliert. Zur Untersuchung des faktischen Erlebens wurden im Modell 1 die KG mit der AMS und in Modell 2 die KMS mit der AMS als „dummykodierte Variablen“ (Zimmermann et al., 2018, S. 28) gebildet, um die Entwicklungen von Messzeitpunkt T1 zu T2 zwischen den drei Untersuchungsgruppen zu vergleichen. Anschließend wurden die Veränderungsvariablen auf diese Variablen KG-AMS und KMS- AMS regrediert. Dabei waren beide Regressionskoeffizienten b positiv, im Modell 1 mit einem Wert von .116 und im Modell 2 von .105, was einen stärkeren Anstieg multikultureller Selbstwirksamkeit der „aktuell mobilen Studierende[nJ‘ (ebd., S. 15) im Vergleich zur Kontrollgruppe in Modell 1 und zu den „in kürze mobilen Studierende[nJ‘ (ebd.) in Modell 2 bedeutet. Mit einem p-Wert von <.001 waren die Werte zudem signifikant. Diese stärkere Zunahme der AMS-Gruppe weist auf eine wesentliche Wirkung von Ausländserfahrungen auf die Entwicklung multikultureller Selbstwirksamkeit hin. Folglich wurde die H1 angenommen. Entsprechend dem Vorgehen zur Analyse des faktischen Erlebens wurde zur Untersuchung antizipierter Effekte in Modell 3 die KMS und die KG kodiert und die Veränderungsvariablen auf die „dummy-kodierte Variable[...]“ (ebd., S. 28) KG- KMS regrediert. In diesem Fall gibt der negative Regressionskoeffizient b mit dem Wert -.002 an, dass sich in der KMS ein geringerer Anstieg des Merkmals als in der KG abzeichnete. Dieser geringe negative Wert, der mit einem p-Wert von .937 keine Signifikanz aufwies, zeigt, dass nur allein der Gedanke sich bald im Auslandsaufenthalt zu befinden keine Auswirkung auf die Entwicklung multikultureller Selbstwirksamkeit hatte. Infolgedessen ließ sich auch die H2 bestätigen. (vgl. ebd., S. 33 f.)
Tabelle 2: Wirkung von Auslandserfahrugen und -plänen auf △ Multikulturelle Selbstwirksamkeit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Zimmermann et al., 2018, S. 34
Im Rahmen der Ergebnisse werden nun die Effekte der Kontakthäufigkeit und -qualität vorgestellt, wobei sich der Studie nur Daten der AMS-Gruppe entnehmen lassen. Die Merkmalsausprägungen sind in nachstehender Tabelle 3 aufgeführt. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass der Kontakt zwischen Studierenden und weiteren internationalen Personen (Mittelwert = 5.88) zwar häufiger als zwischen Studierenden und Angehörigen des Gastlandes (Mittelwert = 4.78) stattgefunden hat, diese Differenz aber äußerst gering ist. Gleicherweise verhält sich die Ausprägung der Kontaktqualität, sodass die Kontakte zu Studierenden anderer Nationen als etwas qualitativer angegeben wurden (Mittelwert = 5.89) als diese zu Angehörigen des Ziellandes (Mittelwert = 5.50). Die im Zuge der Erfassung der Entwicklungseffekte vorgestellten latenten Modelle wurden für die Ermittlung der Moderationseffekte angepasst, sodass ein Modell mit vier Moderatoren herangezogen wurde. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4 einzusehen. Sowohl bei einer höheren Kontaktquantität als auch -qualität zeigen sich bedeutsame Effekte. Zudem wird deutlich, dass häufigere Kontakte der Studierenden zu Personen des Gastlandes zu einem stärkeren Zugewinn multikultureller Selbstwirksamkeit führte (b =.018). Durch qualitative Kontakte ließen sich sogar bei beiden Bezugsgruppen effektive Entwicklungen erkennen (b =.074; b=.101). „Das bedeutet, dass Studierende, die eine höhere Kontaktqualität erlebten, eine stärkere Zunahme multikultureller Selbstwirksamkeit [...] verzeichnen.“ (Zimmermann et al., 2018, S. 35 f.) Demzufolge konnte die H3 nur in Teilen angenommen werden, (vgl. ebd., S. 35-38)
[...]
1 Zum Zweck der besseren Lesbarkeit wird auf die Quellenangaben der „DAAD Wirkungsstudie" (vgl. Zimmermann et al., 2018) und der Studie „Interkulturelle Kompetenz durch Auslandsaufenthalte" (vgl. Wolff, 2017) in dieser Arbeit nach ihrer Erstnennung verzichtet.
- Quote paper
- Lea Gobel (Author), 2021, Die Wirkung von Auslandssemestern auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz. Eine kritische Auseinandersetzung mit zwei Studien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1267942
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