Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Besonderheiten der Mitarbeitermotivation geringfügig beschäftigter Mitarbeiter/innen (GBMs) herauszustellen und umsetzbare Handlungsvorschläge für Unternehmen zu konzipieren. Dazu werden folgende Forschungsfragen gestellt: Welche Besonderheiten in Bezug auf Mitarbeitermotivation von GBMs lassen sich feststellen? Welche Handlungsvorschläge ergeben sich aus diesen Besonderheiten in Bezug auf den Umgang mit GBMs für Arbeitgeber/innen?
Um diese Fragen zu beantworten, wurde zunächst eine Literaturanalyse durchgeführt, um potenzielle Besonderheiten der Mitarbeitermotivation von GBMs zu hypothesieren. Unter anderem wurden dabei die Motivationstheorien Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie und die Selbstbestimmungstheorie nach Deci & Ryan als theoretischen Rahmen verwendet. Daraufhin wurden diese Hypothesen mithilfe einer standardisierten Online-Befragung, die sich an GBMs richtete, überprüft.
Die erhobenen Daten zeigten, dass organisationale Identifikation einen signifikanten Einfluss auf die Mitarbeitermotivation von GBMs hat. Außerdem wurde festgestellt, dass eine positive Ausprägung der Selbstbestimmung ebenfalls einen eindeutig positiven Effekt auf die Mitarbeitermotivation von GBMs hat. Unterforderung stellte sich dabei als starker Prädiktor für eine geringe Selbstbestimmung heraus. Des Weiteren konnte ein schwacher, aber signifikanter Einfluss der zwischenmenschlichen Beziehung zu Vorgesetzten auf die Mitarbeitermotivation der GBMs festgestellt werden.
Daher wird empfohlen in folgenden Aspekten des Internal Employer Brandings Anpassungen vorzunehmen. Zunächst sollten intern eindeutige Unternehmenswerte vermittelt werden, die mit der externen Kommunikation übereinstimmen. Regeln und Bräuche bieten sich als Kommunikationsmittel dieser Unternehmenswerte für GBMs an. Die transformationale Führung sollte als primäre Führungskultur gefördert werden. Die Unterforderung sollte durch Entwicklungsmöglichkeiten für GBMs und Job-Rotation verringert werden. Die Kompetenzen können durch die Verwendung von Kompetenzen Modellen gefördert werden. Vorschläge für weiterführende Forschung werden erläutert.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Literaturanalyse
2.1 Besonderheiten der geringfügigen Beschäftigung
2.1.1 Definition und Entwicklung
2.1.2 Festzustellende Unterschiede von GBMs zu Vollzeitangestellten
2.1.3 Motive und Motivation für geringfügige Beschäftigungen
2.2 Mitarbeitermotivation
2.2.1 Definitionen und Abgrenzungen
2.2.2 Einflussfaktoren und Maßnahmen der Mitarbeitermotivation von GBMs
2.2.3 Messung von Mitarbeitermotivation
2.3 Motivationstheorien
2.3.1 Extrinsische und intrinsische Motivation
2.3.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
2.3.3 Selbstbestimmungstheorie
2.4 Hypothesen
2.4.1 Soziales Arbeitsumfeld
2.4.2 Organisationale Identifikation
2.4.3 Selbstbestimmung
3 Methodik
3.1 Wahl der Forschungsmethode
3.2 Vorbereitung der Erhebung
3.2.1 Hypothesenbildung
3.2.2 Operationalisierung
3.2.3 Zielgruppe
3.3 Fragebogenentwicklung
3.4 Datenerhebung
3.4.1 Pretest
3.4.2 Durchführung der Befragung
4 Auswertung der Daten
4.1 Statistische Auswertung
4.1.1 Stichprobe
4.1.2 Gütekriterien
4.1.3 Hypothesenprüfung
4.2 Interpretation und Diskussion
4.3 Limitationen der Studie
4.4 Handlungsempfehlungen
4.4.1 Internal Employer Branding
4.4.2 Transformationale Führung
4.4.3 Unterforderung verringern
4.4.4 Kompetenz verbessern (Kompetenzen Modelle)
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhänge
Anhang A: Kontaktnachricht für potenzielle Teilnehmer/innen
Anhang B: Einleitungstext des Online-Fragebogen
Anhang C: Operationalisierung
Anhang D: Fragebogen
Anhang E: Normalverteilung der Variablen
Anhang F: Motivationsfaktoren nach Zámečník (2014)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozentuale Altersverteilung GBMs (2019) und Erwerbstätige (2018) gesamt (Österreichische Sozialversicherung, 2020; Statistik Austria, 2020)
Abbildung 2: Einfluss von Mitarbeitermotivation auf Unternehmungsleistung (Drumm, 2008, S. 386)
Abbildung 3: Interne Faktoren von Employer Branding (Schuhmacher & Geschwill, 2009, S. 42)
Abbildung 4: Darstellung der Motivatoren und Hygienefaktoren (Herzberg, 1987, S. 8)
Abbildung 5: Items anderer Studien
Abbildung 6: Streudiagramm Mitarbeitermotivation, OID
Abbildung 7: Normalverteilung der Variable Mitarbeitermotivation
Abbildung 8: Streudiagramm Residuen Mitarbeitermotivation
Abbildung 9: Balkendiagramm Häufigkeiten, Mittelwerte zwischenmenschliche Beziehungen zu Vorgesetzten
Abbildung 10: Zusammenfassung Themengebiete Item 46
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Operationalisierung nach Atteslander (2010)
Tabelle 2: Demographische Daten der Stichprobe
Tabelle 3: Reliabilitätsstatistiken nach Cronbachs Alpha
Tabelle 4: Häufigkeiten Item 37
Tabelle 5: Mittelwerte und Standardabweichungen der Variablen
Tabelle 6: Korrelation nach Spearman, Mitarbeitermotivation
Tabelle 7: Shapiro-Wilk-Test der Normalverteilung
Tabelle 8: Modellzusammenfassung für OID, Mitarbeitermotivation
Tabelle 9: ANOVA für OID, Mitarbeitermotivation
Tabelle 10: Koeffizienten für OID, Mitarbeitermotivation
Tabelle 11: Modellzusammenfassung für zwischenmenschliche Beziehung zu Arbeitskollegen/-innen, Mitarbeitermotivation
Tabelle 12: ANOVA für zwischenmenschliche Beziehung zu Arbeitskollegen/- innen, Mitarbeitermotivation
Tabelle 13: Koeffizienten für zwischenmenschliche Beziehung zu Arbeitskollegen/-innen, Mitarbeitermotivation
Tabelle 14: Modellzusammenfassung für zwischenmenschliche Beziehung zu Vorgesetzten, Mitarbeitermotivation
Tabelle 15: ANOVA für zwischenmenschliche Beziehung zu Vorgesetzten, Mitarbeitermotivation
Tabelle 16: Koeffizienten für zwischenmenschliche Beziehung zu Vorgesetzten, Mitarbeitermotivation
Tabelle 17: Items 23 und 27
Tabelle 18: Item 23 vgl. Mittelwert „Mitarbeitermotivation“
Tabelle 19: ANOVA für Mitarbeitermotivation, Teilnahme an einer Betriebsfeier
Tabelle 20: Item 23 vgl. Mittelwert „zwischenmenschliche Beziehungen“
Tabelle 21: ANOVA für zwischenmenschliche Beziehungen, Teilnahme an Betriebsfeier
Tabelle 22: Items 24 bis 26
Tabelle 23: Modellzusammenfassung für Selbstbestimmung, Mitarbeitermotivation
Tabelle 24: ANOVA für Selbstbestimmung, Mitarbeitermotivation
Tabelle 25: Koeffizienten für Selbstbestimmung, Mitarbeitermotivation
Tabelle 26: Modellzusammenfassung für Unterforderung, Selbstbestimmung
Tabelle 27: ANOVA für Unterforderung, Selbstbestimmung
Tabelle 28: Koeffizienten für Unterforderung, Selbstbestimmung
Tabelle 29: Items 15 und 16
Tabelle 30: Häufigkeiten Item 37
Tabelle 31: Häufigkeiten Item 42
Tabelle 32: Die Charakteristiken von transformationalen und transaktionalen Führungskräften nach Bass (1990, S. 22)
Tabelle 33: Allgemeine Grundstruktur eines Kompetenzen Modells nach Spencer & Spencer (1993)
Abkürzungsverzeichnis
GBM = geringfügig beschäftigte/r Mitarbeiter/in
IEB = Internes Employer Branding
OID = Organisationale Identifikation
WLB = Work-Life-Balance
1 Einleitung
Die Mitarbeitermotivation innerhalb eines Unternehmens hat einen direkten Einfluss auf die Performance und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter/innen eines Unternehmens. Dementsprechend liegt es im Interesse eines jeden Unternehmens diese höchstmöglich zu steigern bzw. hoch zu halten. (Zámečník, 2014)
Die Wissenschaft beschäftigt sich daher seit vielen Jahrzehnten intensiv mit dem Thema Mitarbeitermotivation von Vollzeitangestellten (Pinder, 2014). Unternehmen, die sich einer in Österreich und Deutschland viel verwendeten Beschäftigungsform, der geringfügigen Beschäftigung, bedienen, profitieren jedoch ggfs. nur bedingt von dieser Forschung. Geringfügig beschäftigte Mitarbeiter/innen (GBMs) könnten aufgrund ihrer geringeren monatlichen Arbeitszeit und weiterer Einflussfaktoren anders zu motivieren sein als Vollzeitangestellte (Sobaih, 2011). Wie sich dieser Einfluss auswirkt, ist jedoch noch sehr wenig erforscht. Kaum empirische Erhebungen oder praktische Handlungsvorschläge existieren momentan spezifisch über die Mitarbeitermotivation von GBMs. (Riesenfelder et al., 2011)
Die Anzahl an GBMs in Österreich hat sich in den letzten 22 Jahren mehr als verdoppelt, was die zunehmende Relevanz dieser Beschäftigungsgruppe für die Motiva-tionsforschung verdeutlicht (Österreichische Sozialversicherung, 2020).
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich deshalb mit folgenden Forschungsfragen:
- Welche Besonderheiten in Bezug auf Mitarbeitermotivation von GBMs lassen sich feststellen?
- Welche Handlungsvorschläge ergeben sich aus diesen Besonderheiten in Bezug auf den Umgang mit GBMs für Arbeitgeber/innen?
Daraus ergibt sich das Forschungsziel, die Besonderheiten der Mitarbeitermotivation GBMs herauszustellen und anhand dessen umsetzbare Handlungsvorschläge zu konzipieren. Um dieses Ziel zu erreichen, wird zunächst eine Literaturanalyse durchgeführt. Zum einen wird dabei die geringfügige Beschäftigung definiert und erläutert, hinzukommend werden die Besonderheiten, die mit der Beschäftigung von GBMs einhergehen, mit der Beschäftigung von Vollzeitangestellten verglichen und herausgestellt. Zum anderen wird der theoretische Hintergrund der Mitarbeitermotivation dargelegt. Dabei wird spezifisch Bezug genommen auf die Unterscheidung von extrinsischer und intrinsischer Motivation sowie Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie und die Selbstbestimmungstheorie. Anhand der Literaturanalyse werden Hypothesen bezüglich potenzieller Besonderheiten der Mitarbeitermotivation von GBMs hergeleitet.
Eine quantitative Analyse wird verwendet, um diese Hypothesen zu überprüfen. Die Erhebung der Daten findet dafür in Form einer standardisierten und schriftlichen Online-Befragung statt. Darin werden die Teilnehmer/innen größtenteils nach Selbsteinschätzungen befragt, mit dem Ziel Information zu den hergeleiteten Hypothesen zu erlangen und damit die Forschungsfragen zu beantworten. Um die erhobenen Daten auszuwerten und interpretieren zu können, werden als primäre Auswertungsmethode lineare Regressionsanalysen verwendet. Die daraus resultierenden Ergebnisse ermöglichen die Formulierung von Handlungsempfehlungen für Unternehmen, die einen oder mehrere GBMs beschäftigen. Diese Handlungsempfehlungen werden konkret und praxisnah formuliert, sodass eine einfache Umsetzung einen direkten Effekt auf die Mitarbeitermotivation der GBMs des/der Lesers/-in hat.
Die Struktur der Masterarbeit ergibt sich somit wie folgt: Nach der Einleitung wird in Kapitel 2 der theoretische Rahmen erschlossen und die aktuelle Literatur für die Bildung der Hypothesen analysiert. Daraufhin werden die Methodik sowie die Durchführung der Erhebung in Kapitel 3 beschrieben und begründet. Anschließend werden die erhobenen Daten in Kapitel 4 ausgewertet, interpretiert und Handlungsempfehlungen werden abgeleitet. Schließlich wird am Ende der Masterarbeit im 5. Kapitel ein Fazit gezogen.
2 Literaturanalyse
2.1 Besonderheiten der geringfügigen Beschäftigung
Um Hypothesen bezüglich Besonderheiten der Mitarbeitermotivation von GBMs zu entwickeln, muss zunächst die atypische Beschäftigungsform der geringfügigen Beschäftigung analysiert werden. Deshalb wird in diesem Kapitel die geringfügige Beschäftigung zunächst definiert und dessen Entwicklungsgeschichte erläutert. Zudem werden Unterschiede der geringfügigen Beschäftigung zur Vollzeitbeschäftigung herausgestellt und die Motive eine geringfügige Beschäftigung einzugehen dargelegt. Ferner wird überprüft, welche üblichen Motivationsfaktoren ggfs. nicht auf GBMs übertragbar sind.
2.1.1 Definition und Entwicklung
Laut der Kammer für Arbeiter und Angestellte (2020) ist ein GBM, „wer bei regelmäßiger Beschäftigung (Arbeitsverhältnis für einen Monat oder für unbestimmte Zeit) nicht mehr als 460,66 Euro (Stand: 01.01.2020) im Kalendermonat verdient. Für diese Entgeltsgrenzen werden Sonderzahlungen (wie z.B. Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration), auf die man meistens Anspruch hat, nicht berücksichtigt“. Ty-pische Beispiele einer geringfügigen Beschäftigung sind freie Dienstnehmer/innen, Teilzeitangestellte, Saisonarbeiter/innen und Aushilfsjobber/innen (Wirtschaftskammer Österreich, 2020)1.
Arbeitnehmern/-innen wird in dieser Beschäftigungsform der Vorteil eingeräumt, dass sie als GBMs keine Sozialabgaben zahlen müssen und somit das Bruttogehalt dem Nettogehalt gleicht, solange die Geringfügigkeitsgrenze von 460,66 Euro im Monat (Stand: 01.01.2020) nicht durch einen oder mehrere geringfügige Beschäftigungen kumulativ überschritten wird. Ein weiterer Grund für die Überschreitung kann auch ein weiteres vollversichertes Dienstverhältnis sein. In diesen Fällen beträgt die Abgabe des Arbeitnehmers 14,12% der Beitrags-Grundlage. Der/Die Arbeitgeber/in muss ebenfalls weniger Abgaben zahlen als bspw. bei einem/einer Vollzeitangestellten. Für eine/einen GBM fallen lediglich Beiträge zur Krankenversicherung, Unfallversicherung und Pensions-Versicherung in einer Gesamthöhe von 17,6% der Beitrags-Grundlage an. (Wirtschaftskammer Österreich, 2020)
Dies führt jedoch dazu, dass die Arbeitnehmer/innen auf gewisse Sozialleistungen verzichten müssen bzw. diese selbst bezahlen müssen. Zunächst zahlen sie keine Arbeitslosenversicherung und erhalten somit auch kein Arbeitslosengeld im Falle einer Kündigung. Die Krankenversicherung muss ebenfalls separat bezahlt und eigenständig organisiert werden. Um eine Pensionsversicherung zu erhalten, müssen GBMs sich auch selbst versichern. (Wirtschaftskammer Österreich, 2020)
Die Geringfügigkeitsgrenze, die unter anderem bestimmt, ab wann ein/e Arbeitnehmer/in sozialabgabenpflichtig ist, wird jährlich erhöht, um sich der Inflation und der aktuellen Wirtschaftssituation anzupassen. So ist die Geringfügigkeitsgrenze in Österreich seit dem Jahr 2009 von € 367,74 auf € 460,66 im Jahr 2020 gestiegen. (Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend & Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, 2020)
Die Historie der geringfügigen Beschäftigung beginnt in Deutschland bereits Ende des 19. Jahrhundert, als Nebentätigkeiten erstmals von der Versicherungspflicht ausgeschlossen wurden. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden dann hinzukommend zu der Vorgabe, dass es sich um eine Nebentätigkeit handeln muss, erste Einkommensgrenzen für die Befreiung von der Kranken- und Rentenversicherung eingeführt. In den sechziger Jahren wurde die geringfügige Beschäftigung weiter gefördert, um besonders Student/innen, Hausfrauen und Hausmännern und Pensionisten/-innen eine Möglichkeit zu bieten, ihre Arbeitskraft stundenweise zur Verfügung zu stellen. (Wippermann, 2012) In Österreich wurde die geringfügige Beschäftigungsform, zumindest offiziell2, erst in der Nachkriegszeit im Jahr 1955 eingeführt. Seit dieser Zeit wurden die Gesetze bezüglich der geringfügigen Beschäftigung vielfach geändert, doch eine Form dieser bestand seitdem immer. (Riesenfelder et al., 2011)
Die Anzahl der GBMs in Österreich ist in den letzten 22 Jahren stark angestiegen. 1997 waren es durchschnittlich noch etwa 160.000 Menschen und im Jahr 2019 bereits etwa 346.000 Menschen, die gleichzeitig geringfügig angestellt waren (Österreichische Sozialversicherung, 2020; Riesenfelder et al., 2011). In Deutschland waren es im Jahr 2019 7,9 Millionen Menschen, die geringfügig beschäftigt waren (Bundesagentur für Arbeit, 2019). Die demographische Verteilung zwischen Männern und Frauen liegt im Jahr 2019 bei 62% Frauen und 38% Männern (Österreichische Sozialversicherung, 2020). Dies ist unter anderem auf die erforderliche Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit zurückzuführen, welche mit einer Familiengründung und der damit verbundenen Kinderbetreuung einhergeht (Heddendorp & Laß, 2018; Riesenfelder et al., 2011).
Der Bedarf an GBMs variiert zwischen verschiedenen Erwerbsbranchen stark. Der Handel (~16% aller GBMs in Österreich 2019) sowie die Gastronomie- und Beherbergungsbranche (~15,5%) sind dabei im Verhältnis zum Anteil an Vollzeitangestellten in diesen Branchen stark überrepräsentiert. Auch das Gesundheitswesen (~7%) bedient sich verhältnismäßig stark dieser Beschäftigungsform. Andere Branchen, wie z.B. der Finanzsektor (~1,5%) und die Kommunikationsbranche (~1,5%) hingegen sehen weniger Nutzen in der Beschäftigung von GBMs. (Arbeitsmarktservice Österreich & Hauptverband der Sozialversicherungsträger Österreich, 2020)
Eine geringfügige Beschäftigung kann außerdem auch als zweite Beschäftigung neben einer Vollzeitbeschäftigung eingegangen werden, um zusätzliches Einkommen zu generieren. In Deutschland waren im Jahr 2014 96,00 % aller Zweitjobs geringfügige Beschäftigungen. (Klinger & Weber, 2017)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Prozentuale Altersverteilung GBMs (2019) und Erwerbstätige (2018) gesamt (Österreichische Sozialversicherung, 2020; Statistik Austria, 2020)
Die Altersverteilung der GBMs unterscheidet sich deutlich von der Altersverteilung aller Erwerbstätigen in Österreich. In Abbildung 1 wird die prozentuale Altersverteilung der GBMs im Jahr 2019 (Österreichische Sozialversicherung, 2020) und der Erwerbstätigen (inkl. GBMs) im Jahr 2018 (Statistik Austria, 2020) dargestellt und miteinander verglichen. Besonders auffällig ist der hohe Anteil an GBMs im Alter von 15 bis 24 Jahren mit 21,42% (Erwerbstätige gesamt 11,13%). Ebenfalls auffällig ist ein sehr hoher Anteil an GBMs im Alter von über 65 Jahren. Dieser liegt bei GBMs bei 9,59% und bei den Erwerbstätigen lediglich bei 1,80%. In absoluten Zahlen beläuft es sich auf 33.245 GBMs und 77.915 Erwerbstätige insgesamt. Die GBMs machen somit 42,67% aller Erwerbstätigen im Alter von über 65 Jahren in Österreich aus. Die Unterschiede sind zurückzuführen auf die bereits beschriebene Eingliederung der geringfügigen Beschäftigung in bestimmte Lebensumstände, wie z.B. das Studium oder das Rentnerdasein für die hervorgehobenen Altersgruppen. (Österreichische Sozialversicherung, 2020; Statistik Austria, 2020)
2.1.2 Festzustellende Unterschiede von GBMs zu Vollzeitangestellten
Um Besonderheiten des Arbeitsverhaltens von GBMs herauszustellen, wird mit einem Vergleich zu Vollzeitangestellten hierzu eine Basis geschaffen. Die Beschäftigungsform der Vollzeitanstellung bietet sich aufgrund dessen, dass es sich dabei um die am meisten verwendete Beschäftigungsform in Österreich handelt, vorzugsweise als Referenz an. (Arbeitsmarktservice Österreich, 2020)
Die Charakteristika einer geringfügigen Beschäftigung lassen sich anhand von vier Dimensionen, welche GBMs von Vollzeitangestellten unterscheidet, gut beschreiben:
- Das Einkommen und inwiefern es existenzsichernd ist,
- die soziale Sicherung,
- die Beschäftigungsstabilität3 und
- die Beschäftigungsfähigkeit4. (Keller & Seifert, 2007)
Das Einkommen von GBMs ist in der Regel nicht existenzsichernd. In den meisten Fällen ist das Einkommen der geringfügigen Beschäftigung eine ergänzende Einkommensquelle. Primäre Einkommensquellen sind in den meisten Fällen entweder ein weiteres Angestelltenverhältnis, Selbstständigkeit, Sozialleistungen wie eine gesetzliche Altersvorsorge, Arbeitslosengeld und Studienbeihilfe sowie Stipendien oder finanzielle Unterstützung durch Familie oder Ehepartner. (Becker & Jörges-Süß, 2002) Dabei geben 48% der GBMs an, dass sie auf das Einkommen der geringfügigen Beschäftigung angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (Körner et al., 2013). Die soziale Sicherung ist allein durch das Angestelltenverhältnis als GBM nicht gegeben, was in Kapitel 2.1.1 bereits erläutert wurde.
Die Beschäftigungsstabilität ist aufgrund von kurzen Kündigungsfristen und hoher Fluktuation oft nicht gewährleistet (Kammer für Arbeiter und Angestellte, 2020). GBMs haben im Vergleich zu Vollzeitangestellten nicht nur geringere monatliche Arbeitszeiten, sondern auch insgesamt durchschnittlich eine geringe Gesamtbeschäftigungsdauer (Becker & Jörges-Süß, 2002). Lediglich 29% der GBMs übten ihren Beruf im Jahr 2009 länger als 181 Tage aus (Riesenfelder et al., 2011). Diese erhöhte Fluktuation könnte dazu führen, dass Unternehmen den GBMs weniger Verantwortung zukommen lassen wollen. „Nahezu die Hälfte der geringfügig Beschäftigten (47%) übt im aktuellen Beobachtungsjahr [2009] eine Hilfstätigkeit aus, ein weiteres Viertel eine angelernte Tätigkeit und knapp jede/r Fünfte eine FacharbeiterInnentätigkeit. Der Anteil höherer und hochqualifizierter Tätigkeiten liegt bei 9%“ (Riesenfelder et al., 2011, S. 87). Damit einhergehend stellte Riesenfelder et al. (2011) einen hohen Anteil von gefühlter Überqualifizierung in einer Testgruppe von 291 Befragten fest. In dieser Studie gaben 40% der Befragten an sich in ihrer geringfügigen Beschäftigung überqualifiziert zu fühlen. Lediglich 6% schätzten sich selbst als unterqualifiziert ein. (Riesenfelder et al., 2011)
Des Weiteren kann es bei flexibel gestalteten Schichtplänen zu erhöhten Kosten für Koordination kommen (Becker & Jörges-Süß, 2002). Auch die Einschulungskosten von neuen Mitarbeitern erhöhen die Kosten dieser Beschäftigungsform (Drumm, 2008). Jedoch argumentiert Drumm (2008) auch, dass bei Teilzeitarbeitsmodellen Leistungen pro Stunde höher sein können als mit Vollzeitangestellten aufgrund von geringerer Ermüdung und höherer Konzentration in kürzeren Arbeitsperioden.
Die Beschäftigungsfähigkeit wird tendenziell weniger gefördert als bei Vollzeitangestellten. Personalabteilungen entscheiden sich überwiegend gegen die Förderung und Weiterbildung von GBMs, da das Risiko höher erscheint, dass sich diese Investitionen nicht auszahlen. Zum einen kann dieser „return on investment“ aufgrund der hohen Fluktuation geringer ausfallen. Zum anderen ist auch die wöchentliche Arbeitszeit, in welcher die neu erlernten Fähigkeiten angewandt werden, geringer. (Sobaih, 2011) In dieser Berechnung werden die Kosten, welche durch schlecht ausgebildete Mitarbeiter/innen entstehen können, jedoch nicht berücksichtigt (Inman & Enz, 1995). Daher besteht die Möglichkeit, dass auch andere Ansätze, wie z.B. das Fördern von GBMs, längerfristig sinnvoll sein könnten. (Sobaih, 2011)
2.1.3 Motive und Motivation für geringfügige Beschäftigungen
Nachdem die Unterschiede zwischen Vollzeitangestellten und GBMs präsentiert wurden, werden in diesem Kapitel folgende Fragen beantwortet:
- Warum gehen Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis ein?
- Welche Motivationsansätze können von Vollzeitangestellten nicht auf GBMs übertragen werden?
Die Motive, eine geringfügige Beschäftigung einzugehen, variieren bei Arbeitgebern/-innen und Arbeitnehmern/-innen und sind von vielen individuellen Faktoren abhängig. Eines der wichtigsten Motive sind die reduzierten Sozialabgaben für beide Parteien (siehe Kapitel 2.1.1). Oftmals liegt das Hauptmotiv jedoch in der flexiblen Gestaltung der Arbeitszeiten. Arbeitgeber/innen müssen sich weniger an vorgegebenen Normen orientieren, die Vollzeitangestellten wichtig sind. Wenn es in einem Betrieb z.B. für einen gewissen Zeitraum Personalengpässe aufgrund von hohem Kundenaufkommen gibt, kann man dafür GBMs für wenige Stunden als Unterstützung einsetzen. Saisonale oder eventspezifische Engpässe können so ebenfalls mit GBMs überwunden werden. Diese Personalbedarfsschwankungen sind mit Vollzeitangestellten oft nur in Verbindung mit erhöhten Personalkosten und erhöhtem Organisationsaufwand zu bewältigen. (Becker & Jörges-Süß, 2002)
Aus Arbeitnehmersicht betrachtet, besteht gleichermaßen eine hohe Flexibilität. Die Arbeitnehmer/innen können die Arbeitszeiten gut mit ihren anderen Verantwortungen, wie z.B. einem Studium oder der Erziehung von Kindern, vereinbaren. So kann man bspw. tagsüber studieren und abends in einem Restaurant aushelfen. (Becker & Jörges-Süß, 2002; Heddendorp & Laß, 2018)
Hinzukommend besteht eine weniger verpflichtende Bindung für beide Parteien im Vergleich zu Vollzeitangestellten und ihren Arbeitgebern/-innen. Die Kündigungsfrist für GBMs lag in Österreich bis zum Jahr 2018 bei lediglich zwei Wochen. Seitdem wurde sie auf sechs Wochen erhöht. Dadurch können sich sowohl Arbeitnehmer/innen als auch Arbeitgeber/innen schnell neuen Umständen anpassen und ggfs. das Beschäftigungsverhältnis kurzfristig auflösen. (Kammer für Arbeiter und Angestellte, 2020)
Das Grundgehalt sowie monetäre Anreize werden in den meisten Studien, die sich mit Mitarbeitermotivation beschäftigen, berücksichtigt. Dabei stellt das Gehalt oft einen der wichtigsten extrinsischen Motivationsfaktoren (siehe Kapitel 2.3.1) dar. (Chiang et al., 2008; Deci, 1972; Wiersma, 1992)
Traditionelle Leistungsanreize, wie eine Erhöhung des Gehalts, können jedoch oft nicht in gleichem Ausmaß für GBMs umgesetzt werden wie für Vollzeitangestellte. Aufgrund der Geringfügigkeitsgrenze sind Gehälter nicht total, sondern lediglich auf Stundenbasis zu erhöhen, was wiederum weniger Arbeitszeit des Mitarbeiters bedeutet. Auch Provisionszahlungen wirken sich negativ auf die Arbeitszeit aus. Dies führt dazu, dass die Verwendung von monetären Anreizen kaum als primäres Mittel der Mitarbeitermotivation von GBMs verwendet werden kann. Arbeitgeber/innen können durch andere Motivationsfaktoren ggfs. ähnliche oder bessere Ergebnisse erzielen, ohne dabei die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter/innen zu reduzieren. (Becker & Jörges-Süß, 2002)
Außerdem ist Motivationsförderung durch Versprechen von Beförderungen oder Übernahmen zum einen oft nicht tragbar für viele Unternehmen und zum anderen auch oft nicht interessant für die Arbeitnehmer/innen. Diese haben sich häufig bewusst aus zuvor genannten Gründen für diese Beschäftigungsform entschieden. (Becker & Jörges-Süß, 2002; Brülle, 2013)
2.2 Mitarbeitermotivation
In diesem Kapitel wird der Begriff Mitarbeitermotivation definiert, abgegrenzt und in Motivgruppen zergliedert. Des Weiteren wird der Einfluss von Mitarbeitermotivation auf die Unternehmungsleistung erläutert. Daraufhin werden Einflussfaktoren und Maßnahmen untersucht, welche einen besonderen Effekt auf die Mitarbeitermotivation von GBMs haben könnten. Letztlich werden verschiedene Arten der Messung von Mitarbeitermotivation vorgestellt.
2.2.1 Definitionen und Abgrenzungen
Den Begriff Motivation zu definieren ist eine Herausforderung, der sich viele Wissenschaftler stellen. Im Literaturbestand bestehen laut Kleinginna & Kleinginna bereits im Jahr 1981 über 100, für die Wissenschaft relevante, Definitionen von Motivation. Ein Großteil dieser Definitionen deckt den Begriff Motivation jedoch nicht in seinem gesamten Umfang ab. Stattdessen fokussieren sie sich auf einzelne Aspekte, welche die Motivation ausmachen oder auf diese Einfluss nehmen (Pinder, 2014).
Einige Definitionen fokussieren sich auf die internen Faktoren, die sich auf Motivation auswirken, wie z.B. Bedürfnis und Verlangen (Kleinginna & Kleinginna, 1981). Ein Beispiel dafür ist folgende Definition von Maslow (1955) : „I am motivated when I feel desire or want or yearning or wish or lack” (zitiert nach Kleinginna & Kleinginna, 1981, S. 273; Maslow, 1955).
Andere Definitionen fokussieren sich hingegen auf die Richtung oder Funktion, auf die sich die Energie richtet, z.B. eine Zielorientierung (Kleinginna & Kleinginna, 1981). „Motivated behavior may be characterised as guided by its consequences and is related to some end point linked with biological requirements of the organism” (Wong, 2000, S. 5).
Das Ziel von Motivationsforschung besteht laut Heckhausen & Heckhausen (2018) darin, „die Richtung, Persistenz und Intensität von zielgerichtetem Verhalten zu erklären“ (Heckhausen & Heckhausen, 2018, S. 4).
Das Zusammentragen einiger Definitionen kann dabei helfen, ein besseres Verständnis für das Konzept der Motivation zu entwickeln. Anhand der vielfältigen Literatur zum Thema Mitarbeitermotivation lässt sich der Konsens herausstellen, dass es sich um ein zielgerichtetes Verhalten handelt, welches durch interne sowie externe Faktoren beeinflusst wird. (Pinder, 2014)
Die Definition von Mitarbeitermotivation oder Arbeitsmotivation5 kann ebenfalls von diesen verschiedenen Ansätzen ausgehen und somit den Begriff unterschiedlich definieren. Pinder (2014) hat mit folgender Definition versucht den Konsens der Wissenschaft zusammenzufassen und dabei alle Ansätze zu berücksichtigen: „Work motivation is a set of energetic forces that originate both within as well as beyond an individual’s being, to initiate work-related behavior, and to determine its form, direction, intensity, and duration” (Pinder, 2014, S. 11). Diese Definition wird aufgrund ihrer Anerkennung6 sowie ihrer Ganzheitlichkeit als Grundlage dieser Masterarbeit verwendet.
Um die Mitarbeitermotivation genauer zu betrachten, kann diese in Motive, über die sie geleitet wird, unterteilt werden. Die größten Unterschiede der verschiedenen Motivationstheorien und -modelle liegen hauptsächlich in der Einschätzung der Wichtigkeit einzelner Motive und wie diese zueinanderstehen. Die wichtigsten Motivgruppen sind:
- Antriebsmotive
- Sichern der biologischen Grundbedürfnisse eines Menschen
- Anreizmotive
- Persönliche Interessen und das Leistungsbedürfnis
- Handlungsmotive
- Impulsive Handlungen (häufig, um einem Leistungsanspruch zu entsprechen)
- Sozialmotive
- Zugehörigkeit, Status, Ansehen und moralische Wertschätzung
- Abundanzmotive
- Selbstverwirklichung und Eigenständigkeit
Von diesen fünf Motivgruppen lassen sich alle Motivationsfaktoren für Motivationsmodelle oder -theorien ableiten. (Pelz, 2004)
[...]
1 Grundsätzlich wird sich an der geringfügigen Beschäftigungsform in Österreich orientiert. Einige sozialwissenschaftliche Quellen basieren ihre Forschung jedoch auf Erhebungen in Deutschland. Aufgrund der juristischen Ähnlichkeit der Beschäftigungsformen in Deutschland und Österreich wird dies nicht für jede Quelle explizit hervorgehoben (Kammer für Arbeiter und Angestellte, 2020). Die Forschung über deutsche GBMs wird somit denen aus Österreich gleichgesetzt. (Foerster, 2009)
2 Einzelne vergleichbare Regeln wurden auch schon vor 1955 angewandt. Im Jahr 1955 normierte das ASVG-Stammgesetz die geringfügige Beschäftigung gesetzlich. (Riesenfelder et al.,2011)
3 Beschreibt eine „kontinuierliche Erwerbstätigkeit, d.h. […] ein möglichst ununterbrochenes Beschäftigungsverhältnis, nicht [die] Arbeitsplatzsicherheit“ (Keller und Seifert, 2011, S.4).
4 „Das Konzept betont die Notwendigkeit ständiger Weiterqualifizierung und lebenslangen Lernens“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2020) Hierbei wird vor allem die Ermöglichung von Weiterbildungen betont (Keller und Seifert, 2011).
5 In dieser Masterarbeit wird der Begriff Mitarbeitermotivation verwendet. Dieser wird gleichgesetzt mit den Begriffen „Arbeitsmotivation“ oder „work motivation“ aus dem Englischen
6 2249 Zitationen laut Google Scholar (Stand 06.06.2020)
- Arbeit zitieren
- Nico Siegroth (Autor:in), 2020, Die Mitarbeitermotivation von geringfügig beschäftigten Mitarbeitern. Besonderheiten und Handlungsempfehlungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1267326
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