Eine moderne Sicht auf einen Klassiker zum 10.Todestag von Heinz Leymann. Von Dr. jur. Frank Sievert
Rezension des Buches
„ Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann “
von Heinz Leymann,
Rowohlt Taschenbuch Verlag 1993, 13. Auflage 2006, 188 Seiten, zum Preis von 6,90
Euro
Heutzutage kann fast jeder etwas mit dem Begriff Mobbing anfangen und er wird nicht selten sogar mit der Arbeitswelt in Verbindung gebracht. Doch das war nicht immer so. In der Schnelllebigkeit der heutigen Zeit vergisst man leicht, dass sich diese Betrachtungsweise erst Ende des letzten Jahrhunderts etabliert hat. Ein Meilenstein war dabei Heinz Leymanns Werk, so dass ein Blick durch die heutige Brille sich geradezu anbietet.
1. Der Autor, Struktur und Zielstellungen des Werkes
Der Autor widmete sein Leben zum großen Teil der Erforschung der Ursachen und Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz. Er wurde in Deutschland geboren, lebte aber von 1955 bis zu seinem Tod 1999 in Schweden. Er war von 1979 bis 1990 Forschungsleiter am Reichsinstitut für Arbeitswissenschaften und von 1994 bis 1996 Klinikchef der damaligen schwedischen Spezialklinik für Mobbingopfer. Ziel seiner Forschung war es, das Phänomen Mobbing wissenschaftlich zu beschreiben und auf der Basis der gewonnen Erkenntnisse einen Weg zur Mobbingprävention zu entwickeln. Der Autor hatte im Rahmen seiner Forschung erkannt, dass neben allen medizinischen und psychologischen Aspekten Mobbing auch eine bedeutsame volkswirtschaftliche Komponente beinhaltet. Leymann gelang es darzustellen, das die Mobbingprävention einen immensen wirtschaftlichen Nutzen für die Unternehmer und den Staat mit sich bringt. In seinem Buch gelang es dem Autor den Begriff Mobbing einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland bekannt zu machen. Das zu besprechende Buch ist in 8 Kapitel gegliedert, die jeweils anhand von Beispielen erläutert werden. Systematisch gliedert sich das Buch, indem zuerst die Angriffsarten der Mobber genannt werden, daraufhin die Mobbingphasen und die Bekämpfung des Mobbings dargestellt werden.
2. Die Angriffsarten der Mobber
Leymann untergliedert den Mobbingbegriff in Angriffe auf die Möglichkeit, auf die sozialen Beziehungen, auf das soziale Ansehen, auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation und auf die Gesundheit. Danach bringt er eine Liste von 45 Mobbinghandlungen, auf denen auch der von ihm entwickelte Fragebogen basiert, mit dessen Hilfe untersucht werden soll, ob es in einem Betrieb Mobbingfälle gibt. Aus heutiger Sicht ist zu kritisieren, dass es keine vollständige Liste aller Mobbingangriffe geben kann, weil jeder Mensch unterschiedliche Handlungen als Angriffe auf sich empfindet und unmöglich alles Denkbare explizit aufgelistet werden kann. Daher verwendet beispielsweise der 2002 veröffentlichte Mobbingreport von Meschkutat, Stackelbeck und Langenhoff einen anderen Frageansatz. Er unterteilt die Angriffe lediglich in „Angriffe auf der Arbeitsebene“ und „Angriffe im sozialen Kontakt“ und fragt dann in einer offenen Kategorie nach der konkreten Art der Angriffe.
3. Phasen und Definition von Mobbing
Leymann definiert Mobbing, „wenn eine oder mehrere von 45 genau beschriebenen Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen“. Die ist aus heutiger Sicht viel zu starr und unflexibel. Um erst einmal überhaupt Grund in ein neu zu beackerndes Gebiet zu bekommen, war der Ansatz jedoch wegweisend. Weiterhin führt er vier Phasen an: 1. Die täglichen Konflikte, 2. Mobbing etabliert sich, 3. Destruktive Personalverwaltung und 4. Der Ausschluss. Diese Einteilung ist heutzutage immer noch Standard, wenngleich sie meistens etwas anders formuliert wird, z.B. im Mobbingreport als 1. Konflikte, einzelne Vorfälle, 2. Der Psychoterror setzt ein, 3. Der Fall wird offiziell, arbeitsrechtliche Sanktionen und 4. Der Ausschluss.
4. Wie oft kommt Mobbing vor, wo und wie geschieht es am häufigsten?
Hierzu gibt es heutzutage wesentlich genauere Untersuchungen und Statistiken als zu Leymanns Zeit, der hier einer der Pioniere war und in Schweden eine detaillierte Umfrage durchführen ließ. Viele seiner Erkenntnisse sind jedoch immer noch gültig. So zeigen Männer und Frauen als Mobber ein anderes Verhalten. Männer ziehen psychologisch gesprochen passive Handlungen vor, wie das Einstellen der Kommunikation oder die Einteilung des Opfers zu immer neuen Arbeiten. Frauen verbreiten aktiv falsche Gerüchte oder kritisieren ständig die Arbeit. Jüngere Arbeitnehmer und Auszubildende haben ein höheres Risiko gemobbt zu werden als ältere. In das Mobbing sind fast immer auch Vorgesetzte involviert, sei es aktiv oder durch Wegsehen bzw. Unterlassen. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen und zeigt exemplarisch wie grundlegend Leymanns Werk ist.
5. Zusammenfassung
Leymanns Arbeiten stellen immer noch das Fundament der Mobbingforschung im deutschsprachigen Raum dar. Die Arbeitswelt ist in den beiden Jahrzehnten seit den Forschungen Leymanns noch deutlich härter geworden, nicht zuletzt durch die aktuelle Finanzkrise aber auch durch langfristige Entwicklungen wie die Theorie des Shareholder Value. Mit diesen Veränderungen in der Arbeitwelt stiegen Zahl und Intensität der Mobbingübergriffe in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Die neuen Entwicklungen in der Arbeitswelt bedürfen einer ständig aktuellen wissenschaftlichen Aufarbeitung. Heinz Leymann und dem von ihm verfassten, hier gewürdigten Buch gebührt dabei das Verdienst, ein festes Fundament der wissenschaftlichen Aufarbeitung von Mobbing geschaffen zu haben. Aktuelle Forschung und Mobbingprävention ohne die bahnbrechenden Erkenntnisse aus dem Buch „Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man dagegen wehren kann“ ist schlicht nicht vorstellbar.
Dr. jur. Frank Sievert
23.April 2009
Kontakt:
Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Frank Sievert
Alsterkamp 26
20149 Hamburg
Telefon/ Fax: 040 / 51 97 94
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- Dr. jur. Frank Sievert (Author), 2009, Mobbing als Rechtsbegriff, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126695
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