Bei weitem nicht erst seit den Anschlägen vom 11.September und der subsäquent geführten Debatte um die Ursachen von Terrorismus werden schwache und gescheiterte Staaten untersucht, allerdings hat diese Zäsur in der außenpolitischen Entwicklung zu Beginn des 21.Jahrhunderts dazu beigetragen, dass aus den ehemaligen Fachtermini, bereits fast alltagsgebräuchliche Vokabeln geworden sind. Gleiches gilt für den abstrakten, und in der Entwicklungspolitik häufig gebräuchlichen Begriff der „demokratischen Konsolidierung“
Allerdings stellt sich die Frage welche Kriterien man an „funktionierende“ Staatlichkeit überhaupt stellt und in welchem Maße ein Defizit an ebendiesen in einem beliebigen Land auftreten müssen um von „weak“ oder „failing“ bzw. „failed States“ zu sprechen. Und welche Veränderungen müssen in ein ebensolchen messbar sein, um von einer demokratischen Konsolidierung zu sprechen?
Diese Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht o.g. Kriterien herauszuarbeiten und auf konkrete Länderbeispiele anzuwenden. In einem zweiten Schritt soll zusätzlich die Frage beantwortet werden, ob – so sich überhaupt eine demokratische Konsolidierung feststellen lässt – diese auf der Grundlage eigener Bemühungen mit eigenen Ressourcen oder externer Interventionen fuß.
Diese Arbeit ist Teil einer gemeinschaftlichen Forschungskollaboration der Autoren. Bereits früh in der Forschungsarbeit wurde den Autoren bewusst, dass sich die Eingangs gestellten Fragen zwar durchaus einzeln und unabhängig voneinander für die Fallbeispiele Liberia und Indonesien beantworten ließen, die Deutlichkeit der gefundenen, z.T. unterschiedlichen, Antworten – besonders im Bereich der Frage nach demokratischer Konsolidierung aus eigener Kraft – sich aber erst im Vergleich wirklich und eindringlicher erfassen lässt. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, haben sich die Autoren auf eine gemeinsame theoretische Grundlage verständigt, welche in beiden Arbeiten deckungsgleich zu finden sein wird, und haben im folgenden die o.g. Fallbeispiele in ihren individuellen Arbeiten untersucht.
Gliederung
1 Einführung
2 Theoretische Grundlage – Schneckener und Linz/Stepan
3 Fallspezifische Untersuchung: Indonesien
4 Fazit: Teil 1 - Demokratische Konsolidierung…..(?)
5 Fazit: Teil 2 – …Aus eigener Kraft?
6 Anhang:
7 Bibliographie
1 Einführung
Bei weitem nicht erst seit den Anschlägen vom 11.September und der subsäquent geführten Debatte um die Ursachen von Terrorismus werden schwache und gescheiterte Staaten untersucht, allerdings hat diese Zäsur in der außenpolitischen Entwicklung zu Beginn des 21.Jahrhunderts dazu beigetragen, dass aus den ehemaligen Fachtermini, bereits fast alltagsgebräuchliche Vokabeln geworden sind. Gleiches gilt für den abstrakten, und in der Entwicklungspolitik häufig gebräuchlichen Begriff der „demokratischen Konsolidierung“
Allerdings stellt sich die Frage welche Kriterien man an „funktionierende“ Staatlichkeit überhaupt stellt und in welchem Maße ein Defizit an ebendiesen in einem beliebigen Land auftreten müssen um von „weak“ oder „failing“ bzw. „failed States“ zu sprechen. Und welche Veränderungen müssen in ein ebensolchen messbar sein, um von einer demokratischen Konsolidierung zu sprechen?
Diese Arbeit hat es sich zur Aufgabe gemacht o.g. Kriterien herauszuarbeiten und auf konkrete Länderbeispiele anzuwenden. In einem zweiten Schritt soll zusätzlich die Frage beantwortet werden, ob – so sich überhaupt eine demokratische Konsolidierung feststellen lässt – diese auf der Grundlage eigener Bemühungen mit eigenen Ressourcen oder externer Interventionen fuß.
Diese Arbeit ist Teil einer gemeinschaftlichen Forschungskollaboration der Autoren Alexander Kasten und Michael Moschke. Bereits früh in der Forschungsarbeit wurde den Autoren bewusst, dass sich die Eingangs gestellten Fragen zwar durchaus einzeln und unabhängig voneinander für die Fallbeispiele Liberia und Indonesien beantworten ließen, die Deutlichkeit der gefundenen, z.T. unterschiedlichen, Antworten – besonders im Bereich der Frage nach demokratischer Konsolidierung aus eigener Kraft – sich aber erst im Vergleich wirklich und eindringlicher erfassen lässt. Um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen, haben sich die Autoren auf eine gemeinsame theoretische Grundlage verständigt, welche in beiden Arbeiten deckungsgleich zu finden sein wird, und haben im folgenden die o.g. Fallbeispiele in ihren individuellen Arbeiten untersucht.
2 Theoretische Grundlage – Schneckener und Linz/Stepan
Um die Untersuchungsfälle möglichst objektiv und fundiert auf ihre jeweilige Leistungsfähigkeit im Bereich der staatlichen Strukturen und Institutionen und deren damit einhergehenden Akzeptanzgrad innerhalb ihrer Bevölkerungen hin betrachten zu können, erweist es sich als dienlich, anhand einer Kombination aus Ulrich Schneckener’s Analyseraster für Staatlichkeit[1] und Linz/Stepan’s „working definition“[2] für demokratische Konsolidierung zu klären, wie hoch der Grad an Staatlichkeit zum Zeitpunkt der Untersuchung des jeweiligen Staates einzuschätzen ist und in welchem Stadium demokratischer Konsolidierung sich sowohl Liberia als auch Indonesien befinden.
Da der Untersuchungsgegenstand „nachhaltige demokratische Konsolidierung“ durch Schneckener nur ansatzweise definiert wird[3], bedarf es zur Beantwortung der eingangs gestellten Untersuchungsfrage zusätzlicher analytischer Fundierung. Im folgenden sollen besagte Modelle zur Klärung der Fragen nach Grad der Staatlichkeit und Stadium nachhaltiger demokratischer Konsolidierung veranschaulicht werden, um sie in der späteren fallspezifischen Untersuchung anwenden zu können.
Schneckener’s Konzept des Staates und seiner Kernfunktionen
Ulrich Schneckener’s richtungweisender „States at Risk“ Studie liegt ein, nach eigenen Angaben, normativ konnotiertes, an Entwicklungen in der OECD-Welt des 20.Jahrhunderts orientiertes „Profil von Staatlichkeit“[4] zugrunde, welches sich über die klassischen konstituierenden Elemente von Staatlichkeit – hier von John-Peter Pham „population, territory, and a monopoly over the legitimate means of coercion within that territory that is recognized (or at least acquiesced to) by the population and the international community“[5] bezeichnet- hinwegsetzt und sie um die Konzepte „demokratische Verfassungsstaatlichkeit“, „Rechtsstaatlichkeit“ sowie „Verwaltungs- Sozial- und Wohlfahrtsstaatlichkeit“ erweitert. Kritiker dieses in der Forschung weit verbreitet akzeptierten[6] Aufgabenkataloges staatlicher Herrschaft bezeichnen dessen Adaption auf Staatlichkeitsuntersuchungen von Entwicklungsländern als Fehler, da unter anderen die Kapazitäten zur Erfüllung von Wohlfahrtsstaatsaufgaben in weiten Teilen der Entwicklungsländer gar nicht gegeben bzw. kulturell verwurzelt seien[7] und es somit in einem Großteil der Welt zu teilweise starken Abweichungen von der OECD Norm des demokratischen Wohlfahrtsstaates komme. Diese und zahlreiche weitere Einwände gegen eine Normierung in der Bewertung staatlicher Leistungsfähigkeit sind Schneckener wohl bekannt, werden von ihm jedoch aus den folgenden Gründen seiner „normativen Grundorientierung“[8] untergeordnet:
- das, an der OECD-Welt orientierte Staatsmodell sei ein Resultat langwieriger historischer Entwicklungsprozesse, deren Ursprung nicht notwendigerweise geografisch fixierbar sei und somit auch in anderen, scheinbar ungeeigneteren Regionen gedeihen könne
- selbst “innerhalb der westlichen Welt”[9] herrsche teilweise größte Heterogenität und Varianz der Ausgestaltungen der einzelnen staatlichen Kernbereiche
- weltweit scheinen keine alternativen staatsähnlichen Organisationsformen zu existieren, die gänzlich ohne die Elemente dieses Modells funktionieren
- das erarbeitete Modell bezeichne einen “relativen Maßstab”[10], der auch immer die jeweiligen regionalen Rahmengegebenheiten berücksichtige und die einzelnen Staatsfunktionen untereinander und gegeneinander aufwiege
- ein Interessenkonflikt bestehe nicht in der Frage nach dem geeigneten Modell, als vielmehr in der Frage nach dem aussichtsreichsten Weg und der Anwendung der effektivsten Mittel zur Zielerfüllung, da sich die zur Lösung von Erosionsproblemen angewandten Mittel und Strategien nicht automatisch Regionen übergreifend anwenden ließen
Aus den besprochenen Gründen für Schneckener’s Wahl eines normativ geprägten Modells für Staatlichkeit resultierend, ergibt sich ihm ein, „drei Kernfunktionen des Staates“[11] umfassender Katalog, deren unterschiedlich stark ausgeprägte Erfüllungsquoten ausschlaggebende Anhaltspunkte zur Einordnung staatlicher Einheiten in ein Spektrum fragiler Staatlichkeit, bzw. deren Erosionsgrade, liefern sollen. Kurz zusammengefasst ergeben sich ihm folgende drei Kernfunktionen von Staatlichkeit, die, verknüpft mit zahlreichen Indikatoren, die Hauptaufgaben eines Staates beschreiben:
1. Die Erfüllung der Sicherheitsfunktion, d.h. der Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols und die damit verbundene Fähigkeit der Ressourcenkontrolle und Befriedung innerstaatlicher Konflikte, sowie der Gewährleistung des Staatsvolkes und Staatsgebietes nach Außen. Als in Betracht zu ziehende Indikatoren für den Grad an Erfüllung dieser Funktion werden unter anderen Grenzüberwachung, Auftreten/Vorhandensein permanenter oder wiederkehrender gewalttätiger Konflikte, sowie Zustand und Praktiken des staatlichen Sicherheitsapparates genannt.
2. Die Aufrechterhaltung der Wohlfahrtsfunktion durch Bereitstellung „Staatlicher Dienst- und Transferleistungen“[12] und Erhebung bzw. Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen, welche der gerechten Distribution und Bereitstellung staatlicher Hilfsdienste dient. Zu nennende Indikatoren sind: Wohlstandsverteilung, allgemein wirtschaftliche Performance, Grad der Besteuerung und Staatsausgaben, Beschäftigungsquote, Ausprägung staatlicher Wohlfahrts- und Infrastruktur, sowie „Zustand der menschlichen Entwicklung“.[13]
3. Die mit Legitimität/Rechtsstaatsfunktion betitelte dritte Hauptaufgabe umfasst Legitimitätsgrad, Stabilität und Qualität politischer Kerninstitutionen (Rechtsstaat, Justiz, Verwaltung, Zentrales politisches Entscheidungssystem) und lässt sich anhand folgender Indikatoren bemessen: Umfang politischer Freiheiten[14], Ausprägung von- und Zugangsmöglichkeiten zu politischen Wahl- und Entscheidungsprozessen, Vorhandensein schwerwiegender Fälle von Menschenrechtsverletzungen, Grad der Unabhängigkeit und Monopolstellung der Justiz, sowie Vorhandensein und Ausmaß an Korruption und Klientelismus
Anhand der hier kurz zusammengetragenen Instrumentarien stellt Schneckener eine so genannte „Typologie fragiler Staatlichkeit“[15] auf, aus der sich vier verschiedene Typen von Staatlichkeit ergeben: der konsolidierte bzw. sich konsolidierende Staat, der schwache Staat, der versagende/verfallende Staat und der auf der unterster Ebene von Staatlichkeit positionierte gescheiterte bzw. zerfallene Staat. Aus der Bewertung der einzelnen Staatsfunktionen, in: >>vollständig erfüllt<< (+), >>einigermaßen erfüllt<< (+/-), >>ansatzweise erfüllt<< (-/+) und >>kaum bzw. nicht erfüllt<< (-) resultiert die wie folgt veranschaulichte Kategorisierung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
+ : Funktion wird voll erfüllt
+/- : Funktion wird leidlich erfüllt
-/ +: Funktion wird ansatzweise erfüllt
- : Funktion existiert nicht oder nicht mehr
N.N. : alle Kombinationen denkbar
[...]
[1] Ein, im Rahmen seiner „States at Risk“ Studie erarbeiteter Teilschritt zur Analyse und Vergleich fragiler Staatlichkeit, die auf „nachhaltige Stärkung staatlicher Strukturen“ als „ein zentrales Anliegen deutscher und europäischer Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ abzielt. Siehe: Schneckener Ulrich: States at Risk—Fragile Staatlichkeit als Sicherheits- und Entwicklungsproblem, Berlin (Stiftung Wissenschaft und Politik), 2004, S.8.
[2] Linz, Juan J. /Alfred Stepan: Problems of Democratic Transition and Consolidation. Southern Europe, South America, and Post-Communist Europe. Baltimore, Johns Hopkins UP 1996.
[3] Er stellt in Aussicht, dass nachhaltige Konsolidierung nur dann zu erwarten sei, wenn in den drei Kernbereichen von Staatlichkeit: Sicherheit, Wohlfahrt und Legitimität/Rechtsstaatlichkeit positive Entwicklungen beobachtbar sind. Siehe: Schneckener,2004, S. 12.
[4] Schneckener, 2004, S.10.
[5] Pham, John-Peter: Liberia. Portrait of a Failed State, New York, Reed Press 2004, S.225.
[6] Neben Schneckener unter anderen einflussreiche Politologen, wie Francis Fukuyama, Dieter Grimm oder Jennifer Milliken
[7] Pham, 2004, S.225.
[8] Schneckener, 2004, S.10.
[9] Ibid, S.11.
[10] Ibid.
[11] Ibid, S.12.
[12] Ibid, S.13.
[13] Schneckener, 2004, S.13.
[14] Ibid,S.14.
[15] Ibid.
- Citation du texte
- Michael Moschke (Auteur), 2008, Rekonstruktion aus eigener Kraft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126641
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.