Ein jeder Bürger kennt sie aus Medien und politischen Debatten: die bedrohlich wirkenden Zahlen der Kriminalität gerade „ausländischer“ und jugendlicher Täter. Diskurse über schnellere Abschiebungsmaßnahmen, härtere Strafen und Reform des Jugendgerichtsgesetzes, aber auch über mangelnde Integration und Perspektiven sind bereits seit Jahrzehnten immer wieder zu verfolgen. Verstärkt in Zeiten von sozialer Unsicherheit oder vor anstehenden Wahlen kommt es zu einer Renaissance der angeblich gestiegenen und drastischer gewordene Kriminalität dieser beiden beständig tatverdächtigen Gruppen – gipfelnd in dem Symbol für rohe Delinquenz, dem „ausländischen Jugendlichen“ .
Angst und Unruhe führen zu ausladenden Diskussionen zur besten Sendezeit, bis auch der letzte Bundesbürger begriffen hat: Diesmal ist die Situation wirklich ernst, diesmal muss etwas getan werden. Außer endlosen Diskussionen und Berichten, eilig einberufenen Ausschüssen zur Erforschung des Problems findet aber – nachhaltig betrachtet – wenig tatsächliches Handeln statt.
Diese Arbeit hier will die realen und konstruierten Grundlagen allochthoner Jugendkriminalität aufzeigen, um dann die Frage zu beantworten, welche Arbeitsaufträge sich aus diesem Problemfeld ergeben. Dafür werde ich nach dem Erklären einiger wichtiger Worte aus dem Sprachgebrauch des Forschungsfeldes zunächst Theorien zur Erklärung von Devianz kritisch betrachten, um mich dann dem strafrechtlichen Umgang mit Jugendkriminalität zu widmen, unter besonderer Beleuchtung des Anteils der Sozialen Arbeit in diesem Aufgabengebiet.
Bewusst führt diese Arbeit aber nicht nur „Kriminalität“, sondern auch „Kriminalisierung“ in ihrem Titel. So werde ich aufzeigen, wie viel des sogenannten Anstiegs und der Verschlimmerung von delinquentem Verhalten in Wirklichkeit falsch verstandene Zahlenspiele sind, von Medien und Politik nur unvollständig gedeutet und aus Unkenntnis oder Absicht falsch benutzt. Ich werde dazu anhand einer Analyse der Polizeilichen Kriminalstatistik und an Erkenntnissen der Forschung zeigen, dass die von vielen wahrgenommene Realität von Kriminalität medial konstruiert ist und dass die Wirklichkeit der Gefühle und Gedanken nicht mit den tatsächlich zu messenden Fakten übereinstimmt, insofern man bei den eingeschränkt nutzbaren Messmethoden von „Fakten“ überhaupt reden kann.
Der abschließende Teil meiner Arbeit beschäftigt sich dann mit der Frage, welcher Aufgabe der Sozialen Arbeit im Umgang mit diesem Phänomen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Definitionen
- Norm
- Soziale Kontrolle
- Devianz
- Delinquent
- Kriminalität
- Stigma
- allochthon/autochthon
- Jugendlicher/Jugend
- Theorien abweichenden Verhaltens
- Die klassische Schule der Kriminologie
- Biologische Erklärungsansätze
- Multifaktorielle Ansätze
- Der psychoanalytische Ansatz
- Die Kontrolltheorie
- Frustrations-Aggressions-Hypothese
- Die Theorie der Neutralisationstechniken
- Der ökologische Ansatz der Chicagoer Schule
- Die Theorie der differentiellen Lernstrukturen
- Die Anomietheorie
- Die Theorie der differentiellen Gelegenheit
- Die Subkulturtheorie
- Die Kulturkonflikttheorie (und ihre Schwächen)
- Der Labeling Approach
- Exkurs: Ein kurzer Vergleich von Anomietheorie und Labeling Approach
- Neue Forschungsperspektiven nach Ottersbach und Trautmann
- Reaktion auf Kriminalität: Das Strafverfahren und die Jugendhilfe
- Grundsätzliches zu Jugendgerichtsgesetz und Jugendstrafverfahren
- Das Jugendstrafverfahren
- Systematik des Jugendgerichtsgesetzes
- Prinzip der Subsidiarität des JGG
- Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts
- Diversion
- Rechtsfolgen: Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel, Jugendstrafe
- Einheitliche Rechtsfolge
- Erteilung von Weisungen
- Hilfe zur Erziehung
- Zuchtmittel
- Jugendstrafe
- Schädliche Neigungen und Schwere der Schuld
- Bemessung der Jugendstrafe
- Bewährungszeit, Auflagen, Weisungen, Bewährungshilfe
- Erlass und Aussetzung der Jugendstrafe, Beseitigung des Strafmakels
- Zuständigkeit der Gerichte und Gerichtsverfassung
- Die Jugendgerichtshilfe
- Die Stellung der Erziehungsberechtigten
- Grundsatz der Nichtöffentlichkeit
- Zur Sinnhaftigkeit eines schärferen Jugendstrafrechts
- Die öffentliche Wahrnehmung der Kriminalität allochthoner Jugendlicher
- ,,Ausländer“ und „,Ausländerkriminalität“ – ein Problemaufriss
- Statistiken
- Die Normalität jugendlicher Abweichung
- Die polizeiliche Kriminalstatistik – Zweck und Kategorisierung
- Die Grenzen statistischer Aussagekraft
- Hellfeld und Dunkelfeld
- Gewaltdelikte
- Jugendkriminalität
- Die Frage der Nationalität
- Mediale Aufbereitung
- Die Funktion und Rechte der Medien
- Vorurteilsstützende Arbeitsweise der Medien
- Der politisch-publizistische Verstärkerkreislauf
- Das vermittelte Migrantenbild
- Instrumentalisierung der erzählerischen Wirklichkeit
- Eine Herausforderung an die Soziale Arbeit
- Handlungsfeld Jugendhilfe
- Handlungsfeld Politik
- Handlungsfeld Schule
- Handlungsfeld Medien
- Fazit
- Literaturverzeichnis
- Internetverweise
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit dem öffentlichen Diskurs über Kriminalität und Kriminalisierung allochthoner Jugendlicher. Ziel ist es, die realen und konstruierten Grundlagen dieses Problems aufzuzeigen und daraus Handlungsaufgaben für die Jugendarbeit abzuleiten.
- Theorien abweichenden Verhaltens und ihre Anwendung auf die Kriminalität allochthoner Jugendlicher
- Der Umgang mit Jugendkriminalität im Strafrecht und die Rolle der Jugendhilfe
- Die öffentliche Wahrnehmung von Kriminalität allochthoner Jugendlicher und die Rolle der Medien
- Die Konstruktion von Kriminalität durch Medien und Politik
- Herausforderungen für die Jugendarbeit im Kontext von Kriminalität und Kriminalisierung allochthoner Jugendlicher
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und beleuchtet die Relevanz des Diskurses über Kriminalität allochthoner Jugendlicher.
Das Kapitel „Definitionen“ klärt wichtige Begriffe wie Norm, soziale Kontrolle, Devianz, Delinquent, Kriminalität, Stigma, allochthon/autochthon und Jugendlicher/Jugend.
Das Kapitel „Theorien abweichenden Verhaltens“ analysiert verschiedene Theorien, die versuchen, abweichendes Verhalten zu erklären, darunter die klassische Schule der Kriminologie, biologische Erklärungsansätze, multifaktorielle Ansätze, der psychoanalytische Ansatz, die Kontrolltheorie, die Frustrations-Aggressions-Hypothese, die Theorie der Neutralisationstechniken, der ökologische Ansatz der Chicagoer Schule, die Theorie der differentiellen Lernstrukturen, die Anomietheorie, die Theorie der differentiellen Gelegenheit, die Subkulturtheorie, die Kulturkonflikttheorie, der Labeling Approach und neue Forschungsperspektiven nach Ottersbach und Trautmann.
Das Kapitel „Reaktion auf Kriminalität: Das Strafverfahren und die Jugendhilfe“ beleuchtet das Jugendgerichtsgesetz und das Jugendstrafverfahren, die Prinzipien der Subsidiarität und Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts, Diversion, Rechtsfolgen wie Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe, die Bemessung der Jugendstrafe, Bewährungshilfe, Erlass und Aussetzung der Jugendstrafe, die Zuständigkeit der Gerichte, die Jugendgerichtshilfe, die Stellung der Erziehungsberechtigten, den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit und die Sinnhaftigkeit eines schärferen Jugendstrafrechts.
Das Kapitel „Die öffentliche Wahrnehmung der Kriminalität allochthoner Jugendlicher“ analysiert die Begriffe „Ausländer“ und „Ausländerkriminalität“, die polizeiliche Kriminalstatistik, die Grenzen statistischer Aussagekraft, Hellfeld und Dunkelfeld, Gewaltdelikte, Jugendkriminalität, die Frage der Nationalität und die mediale Aufbereitung von Kriminalität.
Das Kapitel „Eine Herausforderung an die Soziale Arbeit“ beleuchtet die Handlungsfelder Jugendhilfe, Politik, Schule und Medien im Kontext von Kriminalität und Kriminalisierung allochthoner Jugendlicher.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Kriminalität, Kriminalisierung, allochthone Jugendliche, Jugendkriminalität, öffentlicher Diskurs, Theorien abweichenden Verhaltens, Jugendgerichtsgesetz, Jugendstrafverfahren, Jugendhilfe, Medien, öffentliche Wahrnehmung, Statistiken, Vorurteile, Integration, Jugendarbeit.
- Arbeit zitieren
- Carolin Berger (Autor:in), 2009, Kriminalität und Kriminalisierung allochthoner Jugendlicher im öffentlichen Diskurs - Eine Herausforderung für die soziale Jugendarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126458
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