In den heute als Metaphysik bekannten Schriften des Aristoteles soll die Frage: „Was ist
das Seiende?“ beantwortet und zudem die allem zugrunde liegende Substanz definiert
werden, welche sowohl Seins- als auch Erklärungsgrund alles Seienden ist. Aristoteles
spricht von der in der Metaphysik vorgestellten Wissenschaft als erster Wissenschaft, die
im Gegensatz zu Einzelwissenschaften wie Physik oder Mathematik eben nicht einzelne
Seiende oder Seinsgebiete untersucht, sondern das Seiende an sich zum Gegenstand hat.
Natürlich setzen sich auch Einzelwissenschaften mit Seiendem auseinander. Sie setzen aber
bereits gewisse Begriffe voraus, welche von ihnen zwar benutzt werden, aber eben weil sie
vorausgesetzt werden, nie selbst Untersuchungsgegenstand sind. So zum Beispiel die
Begriffe „Art”, „Form”, „Gattung”, „Wesen”, etc. Die Metaphysik, verstanden als erste
Philosophie, beschäftigt sich hingegen mit „Prinzipien und Ursachen des Seienden,
insofern es ist” oder wie Aristoteles selbst es ausdrückt mit „im höchsten Grade
Wissbarem“. Gesucht ist letztlich eine Substanz, die ihrerseits Prinzip und Ursache anderer
Substanzen ist. Wichtig ist, dass man sich bei diesem Unterfangen Aristoteles’ Abneigung
gegen Platons Ideenlehre bewusst bleibt. Aristoteles wird diese letzte Ursache oder
Substanz also nicht in einer parallelexistenten, von der materiellen Welt getrennten
Ideenwelt vermuten.
Bei der Beantwortung der Frage, ob Form etwas Seiendes sei, konzentriert sich diese Arbeit
auf die Substanzbücher Z (VII), H (VIII), und Θ (IX) der Metaphysik. Die Frage kann nur
über Umwege beantwortet werden. So muss zuerst geklärt werden, wann etwas und was
genau „seiend“ ist, respektive nach welchen Kriterien etwas „seiend“ ist. Sodann wird die
Rolle der Form im Aristotelischen Begriffsuniversum ausgemacht werden müssen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Mehrdeutigkeit des Begriffes „seiend“
- Substanz - ousia
- Zwei Verwendungen von “Substanz”
- Die vier Bedeutungen von “Substanz”
- Das Zugrundeliegende (hypokeimenon)
- Synholon, morphê und hylê
- Das to ti ên einai ist eidos
- Das eidos als Form
- Eidos, hylê und synholon im Prozess des Werdens und Entstehens
- Formursache
- Form ist ein relativ Seiendes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht anhand der Substanzbücher Z (VII), H (VIII), und Θ (IX) der Metaphysik des Aristoteles die Frage, ob Form etwas Seiendes ist. Die Beantwortung dieser Frage erfordert zunächst eine Klärung der Mehrdeutigkeit des Begriffs „seiend“ und der Bestimmung der Kriterien für „Substanz“ und „erste Substanz“. Die Rolle der Form im aristotelischen Begriffsuniversum wird im weiteren Verlauf analysiert.
- Klärung der Mehrdeutigkeit des Begriffs „seiend“
- Untersuchung des Begriffs der Substanz (ousia) und der ersten Substanz (eidos)
- Analyse der Rolle von Form und Materie
- Diskussion des Prozesses des Werdens und Entstehens
- Untersuchung der Formursache
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der aristotelischen Metaphysik ein und erläutert die zentrale Forschungsfrage nach der Bedeutung des Seienden und der zugrundeliegenden Substanz. Sie beschreibt den Ansatz der Arbeit, der sich auf die Substanzbücher Z, H und Θ konzentriert und die Frage nach dem Seinscharakter der Form schrittweise über die Klärung des Begriffs "seiend" und der Rolle der Form im aristotelischen System bearbeitet. Die Arbeit betont die Vernetzung der einzelnen Kapitel und die Vermeidung einer streng linearen Argumentationsstruktur.
Zur Mehrdeutigkeit des Begriffes „seiend“: Dieses Kapitel beleuchtet die Vieldeutigkeit des Begriffs „seiend“ bei Aristoteles. Es wird herausgearbeitet, dass die verschiedenen Bedeutungen nicht willkürlich sind, sondern einen gemeinsamen Bezugspunkt aufweisen: das Seiende als Seiendes (on hê on). Der Text differenziert die verschiedenen Bedeutungen – das Was (ti esti), ein Dieses-da (tode ti), ein Qualitatives, ein Quantitatives, sowie weitere Kategorien – und betont die Vorrangigkeit des tode ti als die umfassendste Bedeutung des Seienden.
Synholon, morphê und hylê: Dieses Kapitel befasst sich mit den Wesensbestandteilen Form (morphê) und Materie (hylê) sowie deren Verhältnis zum Ganzen (synholon). Es analysiert die Bedeutung des eidos als Form und dessen Rolle im aristotelischen Verständnis von Substanz und Sein. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Verbindung von Form und Materie und deren Bedeutung im Kontext des Seins.
Eidos, hylê und synholon im Prozess des Werdens und Entstehens: Dieser Abschnitt untersucht das Zusammenspiel von Form und Materie im Prozess des Werdens und Entstehens. Er beleuchtet wie die Form die Materie gestaltet und wie sich diese Beziehung auf das Seiende auswirkt. Der Fokus liegt auf der dynamischen Interaktion zwischen Form und Materie als konstitutive Elemente des Seins.
Formursache: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit dem Konzept der Formursache. Es untersucht die Rolle der Form als Ursache des Werdens und der Veränderung und erläutert deren Bedeutung im Kontext der aristotelischen Kausalitätslehre. Die Analyse beleuchtet die spezifischen Eigenschaften und Funktionen der Formursache im Gesamtverständnis des Seienden.
Form ist ein relativ Seiendes: Der fünfte Abschnitt, der vor der Schlussfolgerung liegt und daher hier zusammengefasst wird, wird die zuvor gewonnenen Erkenntnisse über die Kriterien einer letztendlichen Substanz und des Seienden zusammenführen, um die Ausgangsfrage nach dem Seinscharakter der Form zu beantworten. Die Kapitel zuvor ermöglichen es, die Frage nach dem Seienden der Form differenziert zu beantworten.
Schlüsselwörter
Aristoteles, Metaphysik, Substanz (ousia), Form (eidos), Materie (hylê), Seiendes (on), to ti ên einai, Formursache, Werden, Entstehung, hypokeimenon.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Aristoteles' Metaphysik - Substanz, Form und Seiendes
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Aristoteles' Metaphysik, insbesondere die Substanzbücher Z (VII), H (VIII) und Θ (IX), um die Frage zu beantworten, ob Form etwas Seiendes ist. Die Untersuchung konzentriert sich auf die Klärung des mehrdeutigen Begriffs "seiend" und die Bestimmung der Kriterien für "Substanz" und "erste Substanz". Die Rolle der Form im aristotelischen System wird detailliert untersucht.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Mehrdeutigkeit des Begriffs "seiend", die verschiedenen Bedeutungen von Substanz (ousia) und die Bestimmung der ersten Substanz (eidos). Sie analysiert das Verhältnis von Form (morphê) und Materie (hylê) sowie deren Rolle im Prozess des Werdens und Entstehens. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Konzept der Formursache und der Frage nach dem Seinscharakter der Form.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und was ist ihr Inhalt?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, die die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz erläutert. Es folgen Kapitel zur Mehrdeutigkeit des Begriffs "seiend", zu den Begriffen Synholon, morphê und hylê, zum Prozess des Werdens und Entstehens im Kontext von Form und Materie, zur Formursache und abschließend zur Frage, ob Form ein relativ Seiendes ist. Jedes Kapitel beleuchtet einen Aspekt der zentralen Forschungsfrage.
Wie wird die Mehrdeutigkeit des Begriffs „seiend“ behandelt?
Das Kapitel zur Mehrdeutigkeit von "seiend" untersucht die verschiedenen Bedeutungen des Begriffs bei Aristoteles und zeigt, dass diese Bedeutungen einen gemeinsamen Bezugspunkt haben: das Seiende als Seiendes (on hê on). Es differenziert die verschiedenen Bedeutungen (Was, Dieses-da, Qualitatives, Quantitatives etc.) und betont die Vorrangigkeit des "Dieses-da" als umfassendste Bedeutung.
Welche Rolle spielen Form (eidos) und Materie (hylê)?
Form und Materie (mit dem Ganzen als Synholon) sind zentrale Begriffe. Die Arbeit analysiert ihr Verhältnis zueinander und ihre Rolle im aristotelischen Verständnis von Substanz und Sein. Der Fokus liegt auf ihrer dynamischen Interaktion im Prozess des Werdens und Entstehens, wobei die Form als gestaltendes Prinzip der Materie fungiert.
Was versteht Aristoteles unter Formursache?
Das Kapitel zur Formursache untersucht die Rolle der Form als Ursache von Werden und Veränderung im Kontext der aristotelischen Kausalitätslehre. Es beleuchtet die spezifischen Eigenschaften und Funktionen der Formursache im Gesamtverständnis des Seienden.
Welche Schlussfolgerung zieht die Arbeit bezüglich des Seinscharakters der Form?
Die Arbeit kommt zu einer differenzierten Antwort auf die Frage nach dem Seinscharakter der Form, die auf den Erkenntnissen der vorherigen Kapitel basiert. Die Zusammenfassung der Schlussfolgerung im letzten Kapitel fasst die gewonnenen Erkenntnisse über die Kriterien einer letztendlichen Substanz und des Seienden zusammen, um die Ausgangsfrage zu beantworten.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Aristoteles, Metaphysik, Substanz (ousia), Form (eidos), Materie (hylê), Seiendes (on), to ti ên einai, Formursache, Werden, Entstehung, hypokeimenon.
- Arbeit zitieren
- Elena Holzheu (Autor:in), 2005, Aristoteles, Metaphysik: Ist Form etwas Seiendes?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126406