Das Forschungsinteresse der vorliegenden Bachelorarbeit besteht darin, zu untersuchen, wie und unter welchen historischen Bedingungen die Lehnwörter aus dem Deutschen in das Serbokroatische bzw. seine Varianten (Bosnisch, Kroatisch und Serbisch) nach der Auflösung Jugoslawiens Anfang der 1990er Jahre eingedrungen sind. Außerdem soll untersucht werden, ob sich die These verifizieren lässt, dass die deutschen Integrate – trotz der Zersplitterung der ehemaligen Amtssprache Jugoslawiens und der vom Staat unterstützten sprachpuristischen Strömungen – eine immer noch herausragende Stelle in der heutigen Umgangssprache einnehmen.
In der hier vorgenommenen lexikologischen Untersuchung wird kontrastiv und sachgruppenspezifisch vorgegangen, indem die durch sprachkontaktinduzierten und übereinstimmenden Integrate im Bosnischen, Kroatischen und Serbischen nach Dornseiff (2004) in onomasiologische Paradigmen eingeordnet und synchron mit dem Deutschen verglichen werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse, 180 Worteinheiten deutscher Herkunft, lassen Regelmäßigkeiten bei der Verwendung der Integrate im Wortschatzsystem der drei Standardvarietäten beobachten, sodass die Befürchtungen ihres Nicht-Fortbestehens unbegründet sind.
INHALTSVERZECHNIS
ZUSAMMENFASSUNG
ABSTRACT
Abkürzungsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 SERBOKROATISCH ALS OFFIZIELLE SPRACHE JUGOSLAWIENS UND DIE NEUEN OFFIZIELLEN SPRACHEN IN DEN HEUTIGEN NACHFOLGESTAATEN
2.1 Historische Entwicklung arealer Sprachgruppierungen in Mitteleuropa
2.1.1 Serbokroatisch (Kroatoserbisch) und seine Entstehung
2.1.2 Bosnisch, Kroatisch, Serbisch: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
3 DER SPRACHKONTAKT ZWISCHEN DEM DEUTSCHEN UND DEM SERBOKROATISCHEN (BKS) UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
3.1 Das Mittelalter
3.2 Vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
4 SPRACHKONTAKTPHÄNOMENE: URSACHEN UND TRIEBKRÄFTE
4.1 Sprachkontakt und Interferenzen
4.2 Erscheinungsformen der sprachlichen Interferenz
4.2.1 Codewechsel (Codeswitching)
4.2.2 Entlehnung (Fremdwort vs. Lehnwort): terminologischer Klassifikationsrahmen
4.2.3 Sprachreinigung und Sprachpurismus
5 STAND DER LEHNWORTFORSCHUNG IN DER SERBOKROATISCHEN SPRACHE
5.1 Einschlägige Veröffentlichungen
6 ENTLEHNUNGEN DEUTSCHER HERKUNFT IM BKS AUS KONTRASTIVER UND SACHENGRUPPENSPEZIFISCHER SICHT
6.1 Identifikation der deutschen Integrate im Bosnischen, Kroatischen und Serbischen
6.2 Gemeinsame Integrate deutscher Herkunft im BKS
6.2.1 Methodologische Vorgehensweise
7 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK
8 LITERATURVERZEICHNIS
Gedruckte Werke
Beiträge im Internet
Bildquellen
9 ANHANG
9.1 Militärgrenze (17.- 18. Jh. ): Habsburger vs. Otomanisches Reich
9.2 Volksgruppen in Exjugoslawien (1981)
9.3 Volksgruppen in den heutigen Nachfolgestaaten
9.4 Dialekte im Serbokroatischen (Kroatoserbischen)
9.5 Verbreitungsgebiet der bairisch-österreichischen Mundarten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 EINLEITUNG
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Kontakteinflüssen des Deutschen auf die südslawischen Sprachen (Bosnisch, Kroatisch und Serbisch)1 und versucht der Frage nachzugehen, in welcher Weise und aufgrund welcher historischen Bedingungen die Entlehnungen als eine eklatante Bereicherung der Sprache in das Serbokroatische bzw. in seine Varianten – nach der Auflösung Jugoslawiens Anfang 90-er – integriert werden.
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die von uns vertretene These, dass die deutschen Integrate – trotz der Zersplitterung der ehemaligen Amtssprache Jugoslawiens in drei offizielle Sprachen (BKS 2 )und der vom Staat unterstützten sprachpuristischen Strömungen – eine immer noch herausragende Stelle in der heutigen Umgangssprache einnehmen. Die Bedingungen dafür sind einerseits die kontinuierlichen Beziehungen zum deutschsprachigen Raum (zu Österreich, zur Bundesrepublik Deutschland und zur Schweiz) durch die zahlreichen Sprachkontakte der Völker im Laufe der Geschichte und die jahrhundertlangen Immigrationsflüsse der Südslawen in die erwähnten deutschsprachigen Gebiete, und andererseits die gleitenden Grenzen der damaligen und der heutigen Nachbarstaaten Jugoslawiens, wo der gegenseitige Einfluss u. a. auch auf der linguistischen Ebene ein Kontinuum darstellt. Angesichts dieser Entwicklungen ist es umso verwunderlicher, dass die „Ausrottung“ der Germanismen in naher Zukunft vorstellbar wäre.
Unser Ziel ist es auch, insbesondere den Gemeinsamkeiten des BKS eine gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Bisher gerieten praktisch nur die Unterschiede in den Blickpunkt der Forschungen. Diese aus den 90-er Jahren stammenden Studien waren bedauerlicherweise subjektiv gefärbt und politisch bestimmt.3
Schließlich ist es unsere Absicht zu beweisen, dass im heutigen BKS immer noch eine bedeutsame Anzahl deutscher Integrate erhalten ist, die sowohl isosemantisch als auch homofon ist. Die gemeinsamen Integrate deutscher Herkunft im BKS werden in Kapitel 6 einzeln und ausführlich dokumentiert. Auch der Begriff „Integrat/-e“ und weshalb wir uns für ihn entschieden haben, wird hier näher bestimmt. Damit kommen wir zum Hauptteil unserer Arbeit.
Den Hauptteil bildet der empirische Teil. Dieser lässt sich im Rahmen der kontrastiven Lexikologie als sprachwissenschaftliche Methode eingliedern. Er soll dazu beitragen, aktuelle Ausschnitte, sprich onomasiologische Paradigmen, aus dem Wortschatz zweier Sprachen (deutsch – serbokroatisch bzw. BKS ) synchron zu vergleichen. Beim Vergleich des Serbokroatischen spielt die Verwandtschaft der heutigen Nationalvarietäten mit. Dabei wird exemplarisch vorgegangen und eine Auswahl getroffen, die darauf abzielt, einen Vergleich mit dem Deutschen synchron zu veranschaulichen. Der Befund liegt dem usuellen Gebrauch der Lexeme im Wortschatzsystem zugrunde.
Anhand existierender und lebendiger Materialien kann man die Theorie oft besser erfassen und leichter in der eigenen Sprache wiederfinden. Deshalb lehnt sich unsere Forschung an vier bereits veröffentlichten Studien, und zwar an einem fundamentalen Beitrag in der südslawischen Lehnwortforschung Deutsche Lehnwörter im Serbokroatischen von Striedter-Temps aus dem Jahre 1958 und an drei Werken, die erst nach der Teilung des Serbokroatischen in BKS in den 90-er Jahren erschienen: 1) Deutsche Lehnwörter in der Stadtsprache Zagreb von Glovacki-Bernardi (1998) mit der kroatischen Varietät im Mittelpunkt; 2) Germanizmi u govornom jeziku Vojvođana – dt. Germanismen in der gesprochenen Sprache Woiwodinaer von Mrazović (1996) mit einer intensiven Auseinandersetzung mit der serbischen Variante und 3) Entlehnungen aus dem österreichischen Deutsch in der Stadtsprache von Sarajevo von Memić (2006) mit dem Bosnischen im Vordergrund. Seit der Anerkennung dreier offiziellen Standardsprachen als Amts- bzw. Regionalsprachen, nämlich Kroatisch, Serbisch und Bosnisch, beschränken sich die letzten drei Forschungen auf ganz konkrete Städte, wie Zagreb, Novi Sad und Sarajevo. Schließlich ist das wichtigste Untersuchungsziel der vorliegenden Arbeit, den in den drei Sprachen identischen sprachkontaktinduzierten Lehnwortschatz, d. h. die übereinstimmenden Integrate, in Sachgruppen nach Dornseiff (2004) einzuordnen.
Die Arbeit ist also in sechs thematische Kapitel und eine Schlussfolgerung eingeteilt. An erster Stelle erfolgt, in Kapitel 2, eine Einführung zum Thema mit den Begriffen Serbokroatisch und BKS . Das dritte Kapitel widmet sich dem Sprachkontakt zwischen dem Deutschen und dem Serbokroatischen bzw. BKS unter besonderer Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung. Darauf aufbauend wird im vierten Kapitel auf die Ursachen und Treibkräfte der Sprachkontaktphänomene eingegangen. Nach einer kurzen theoretischen Vorstellung des Lehnwortforschungstands in der serbokroatischen Sprache oder BKS im fünften Kapitel, gelangt man in Kapitel 6 zum analytischen Kern der vorliegenden Arbeit. Hierzu gehört schließlich die Darstellung der Analysemethoden und das Resultat unserer Forschung: die aus kontrastiver Sicht gleichlautenden Integrate deutscher Herkunft im BKS .
Abschließend werden in Kapitel 7 Schlussfolgerungen gezogen und die am Anfang der Arbeit gestellte These bestätigt. Es werden die wichtigsten Untersuchungsergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick künftiger Forschungsvorhaben gegeben. Dem Literaturverzeichnis folgt in Punkt 9 ein Anhang, der drei Karten aufzeigt, die zur Erläuterung der Volksgruppen Jugoslawiens, der dort verwendeten Dialekte und der Zone des bairisch-österreichischen Dialekts dienen sollen.
2 SERBOKROATISCH ALS OFFIZIELLE SPRACHE JUGOSLAWIENS UND DIE NEUEN OFFIZIELLEN SPRACHEN IN DEN HEUTIGEN NACHFOLGESTAATEN
Nach der im XIX Jahrhundert von August Schleicher entwickelten Stammbaumtheorie4, in der es zu einer Aufspaltung der Sprachen in Tochtersprachen kommt, gehören die slawischen genauso wie die germanischen Sprachen zur indoeuropäischen5 Sprachfamilie. Die gemeinsame sprachgeschichtliche Entwicklung ist bei der Betrachtung der Ähnlichkeiten und der Integration lexikalischer Einheiten bzw. Integrate von großer Wichtigkeit, da sie die durch den Kontakt der slawischen Sprachen mit dem Deutschen entstandenen Interferenzen und Übereinstimmungen beim Wortschatz nach ihrer Herkunft aufdeckt.
Die slawischen Sprachen kommen aus dem Urslawischen und werden in drei Untergruppen gegliedert: die ostslawische Gruppe (Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch), die westslawische Gruppe (Tschechisch, Slowakisch, Polnisch, Sorbisch, pommeranisch Slawisch) und die südslawische Gruppe (Bulgarisch, Mazedonisch, Serbokroatisch bzw. Kroatoserbisch, Slowenisch). Nach dem 11. Jahrhundert, als das Altkirchenslawische als einzige Literatursprache zu gelten aufhörte, entstanden regionale Varianten. Eine dieser Varianten ist das Serbokroatische (d. h. die Varianten: Bosnisch, Kroatisch, Serbisch), das im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht und auf welches im nächsten Abschnitt genauer eingegangen werden soll(vgl. Tošović, 2010, S. 21).
Figur 1: indoeuropäische Sprachfamilie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Darstellung nach v. Polenz 2009, S. 21
2.1 Historische Entwicklung arealer Sprachgruppierungen in Mitteleuropa
2.1.1 Serbokroatisch (Kroatoserbisch) und seine Entstehung
Nach Roland Marti gibt es zwei entgegensetzte Tendenzen der standardsprachlichen Situation im südslawischsprachigen Raum als Sprachareal. Nach dem Ersten Weltkrieg, als der Staat die Sprache bestimmte, kam es zu einer Vereinheitlichung durch sprachpolitische Maßnahmen, wie es beim Serbokroatischen der Fall war. Seit dem Zerfall Jugoslawiens in den neunziger Jahren ließe sich jedoch die umgekehrte Tendenz erblicken, wo die Sprache den Staat bestimme(so Marti, 2000, S. 527-542). Bezüglich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Bosnischen6, Kroatischen und Serbischen gibt es entgegengesetzte Meinungen und Positionen. Einige Autoren (Tošović, 2010, Kordić, 2008 usw.) sprechen von sehr geringen Unterschieden und stellen die Behauptung auf, dass es sich um eine einzige Sprache handele und dass das Bestehen von drei unterschiedlichen Standards nicht gerechtfertigt sei. Im Gegensatz dazu weisen die Vertreter der offiziellen kroatischen Sprachpolitik (Brozović, 1998 und Babić, 1995) auf die Unterschiede der kroatischen Sprachen hin, wobei die Gemeinsamkeiten als möglichst gering dargestellt und betont werden. Sie befürworten eine Intervention, wo das von außen eingegangene zu entfernen sei, um dadurch an die Tradition anzuknüpfen. In diesem Zusammenhang sollte u. a. das Ergebnis der Analyse der lexikalischen Unterschiede unter den drei Amtssprachen anhand dreier textueller Versionen des Gralis-Korpus7 von Tošović hervorgehoben werden:
Die Untersuchung zeigte, dass die Unterschiede bei den 200 häufigsten Lexemen nur zu einem kleineren Teil den Charakter von systematischen Verschiedenheiten besitzen und in erster Linie auf Grund einer unterschiedlichen/spezifischen Wahl von Synonymen und Varianten eines Wortes entstehen. [...] Die Analyse zeigte weiter, dass innerhalb der Gruppe der 200 häufigsten Wörter einer Sprache A keine Lexeme gefunden werden konnten, die durchschnittlich gebildeten Sprechenden der Sprache B oder C unbekannt oder unverständlich wären, sondern dass der Grad der semantischen Erkennung bei 100% lag bzw. die Verständlichkeit eine vollständige war.(Tošović, 2009, S. 48-49)
Dieses Zitat betont insbesondere die sprachlichen Konvergenzprozesse zwischen Sprachen, die in einem bestimmten Raum durch Sprachkontakt gemeinsame Eigenschaften besitzen. Abseits dessen gibt es dennoch konkrete Unterschiede und die wichtigsten werden wir unter Punkt 2.1.2 behandeln, wo die drei neuen Amtssprachen näher präsentiert und abgebildet werden sollen.
Hundert Jahre vor dem Ersten Weltkrieg ist für den serbokroatischen Sprachraum die bedeutsame Reform8 von Vuk Stefanović Karadžić (1787-1864), dem mit Jacob Grimm befreundeten Volkskundler und Sprachwissenschaftler, ausdrücklich zu erwähnen. Zu dieser Zeit existierten in Serbien das Altkirchenslawische, die Volkssprache und das Slawenoserbische (eine Mischung selbst aus dem Altkirchenslawischen und der Volkssprache). Vuk schuf eine neue Standardsprache, die auf der Volkssprache und auf dem neuštokavisch9 -ijekavischen im ostherzegowinischen Raum gesprochenen Dialekt basierte. Auf die ijekavische Variante gehen wir näher im Abschnitt 2.1.2 ein.
Die Bezeichnung „Serbokroatisch“ wurde zum ersten Mal von Jacob Grimm in seinem Vorwort zur Übersetzung der Kleinen Serbischen Grammatik (1824) Vuks benutzt. 1836 verwendete der slowensiche Philologe, Jernej Kopitar, den Begriff serbochrovatica sive chrovatoserbica (vgl. Tošović, 2010, S. 20).
Karadžić führte zugleich eine orthographische Reform durch. Seine Faustregel war, man solle so schreiben, wie man spricht und so sprechen wie man schreibt: „ Piši kako govoriš! Govori kako je napisano !“ (Neweklowsky, 2010, S. 24)Seiner Auffassung nach sollte ein Buchstabe einem Laut entsprechen („ jedan glas – jedno slovo “). In seiner Reform schaffte er die altkirchenslawischen Buchstaben ab und führte neue ein (j, lj, nj, đ, dž). Zur gleichen Zeit breitete sich in Kroatien die sogenannte illyrische Bewegung (1830-1840) aus, die das Štokavische als Grundlage der Schriftsprache befürwortete. Der Aufruf Proglas unter der Leitung von Ljudevit Gaj führte eine allgemeine Sprache für alle Südslawen ein. Gaj führte die Reform der Lateinschrift durch und es wurden die Buchstaben č, ž, š, ć eingeführt. In Anlehnung daran erschienen zwei bemerkenswerte Werke: Die Grundlagen der slawischen Grammatik des illyrischen Dialekts (1836) von Vjekoslav Babukić und die 1839 erschienen Grundlagen der illyrischen und lateinischen Sprache von Mažuranić (vgl. Neweklowsky, 2010, S. 170).
Von Relevanz ist das im Jahre 1850 unterzeichnete Wiener Schriftsprachabkommen (Bečki književni dogovor), an dem neben anderen zahlreichen kroatischen Philologen auch Vuk Karadžić teilnahm und welches eine gemeinsame Schriftsprache der Kroaten und Serben festlegte. Die Grundlage dieser Schriftsprache war der štokavski Dialekt. Siebzehn Jahre später wurde in Zagreb die Jugoslawische Akademie der Wissenschaften und Künste (Jugoslovenska Akademija Znanosti i Umetnosti) gegründet, die mehrere Bände des Wörterbuchs der kroatischen oder serbischen Sprache (Rječnik hrvarskog ili srpskog jezika 10 ) herausgab. Die Anerkennung des Begriffs „Serbokroatisch“ erfolgte erst am Ende des 19. Jahrhunderts, wobei die Veröffentlichung des Werkes Gramatica della lingua serbo-croata (illirica) von Budmani möglicherweise ausschlaggebend für diese Anerkennung war. Anfang des 20. Jhs. war sich die Öffentlichkeit fast vollkommen darüber einig, die Vereinheitlichung der Schriftsprache der Serben und Kroaten anzunehmen(vgl. Didić, 2017, S. 24).
Der in der Aussprache und in der Schrift11 stark eingewurzelte Dualismus konnte jedoch nicht beseitigt werden und wurde sogar noch komplexer nach der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen (später Königreich Jugoslawien) und mit der Einführung 1921-1931 des Serbokroatischslowenischen als Amtssprache (srpskohrvatskislovenački jezik), obwohl das Serbokroatische als Staatssprache weiterhin gültig war(vgl. Tošović, 2010, S. 27). 1929 wurde eine serbokroatische Rechtschreibung ausgearbeitet, die sich auf die Sprach- und Rechtschreibreform von Vuk Karadžić stützte. Als Antwort von denen, die für die Rückkehr zu den Wurzeln der kroatischen Sprache plädierten, erschien 1940 außerdem das Buch Unterschiede zwischen der kroatischen und serbischen Sprache von Petar Guberina und Krune Krstić. Daraufhin wurde ein Jahr später das Kroatische Sprachamt (Hrvatski državni ured za jezik) gegründet, das für die Reinigung der Sprache von fremden Elementen zuständig war(vgl. Neweklowsky, 2010, S. 186). Für die Verbreitung sprachpuristischer Intentionen war also die staatliche Organisation maßgebend. Nach dem Zweiten Weltkrieg und unter Titos Regime in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, unterzeichneten im Jahr 1954 Schriftsteller, Sprachforscher und Philologen aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Serbien und Montenegro das Abkommen von Novi Sad (Novosadski dogovor), in dem die serbokroatische Sprache als plurizentral definiert wurde. Dank dieser Vereinbarung etablierten sich auf paritätischer Weise sowohl beide Aussprachen (ijekavische, kennzeichnend für den kroatischen und bosnischen Sprachraum und ekavische, charakteristisch für das serbischsprechende Gebiet) als auch beide Schriften (lateinische und kyrillische). Sechs Jahre nach diesem Abkommen erschien die neue gemeinsame Rechtschreibung (Pravopis hrvatskosrpskog jezika)(vgl. Tošović, 2010, S. 27-28).
2.1.2 Bosnisch, Kroatisch, Serbisch: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zu Beginn der 1990-er Jahre brach der Separatismus auf politischer sowie auf sprachlicher Ebene ein.12 Laut Newelowsky: „Die Aktivitäten der Linguisten gingen im zu Ende gehenden Jugoslawien dahin, das Trennende zu betonen, wobei in allen Republiken eigene lexikographische Standardwerke, Grammatiken, Orthographien usw. entstanden.“ (Neweklowsky, 2010, S. 188)Die Werke hatten weniger einen linguistischen Hintergrund, da die phonetisch-phonologischen, akzentuellen, lexikalischen, idiomatischen, morphologischen und syntaktischen Unterschiede des Bosnischen, Kroatischen, Serbischen unzureichend erforscht wurden13. Die offizielle Unterstützung der mythischen Vorgabe, eine Übereinstimmung zwischen Nation und Sprache zu verteidigen, führte im südslawischen Raum zu einer Apartheid, die die Schüler aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit in getrennte Schulen oder Klassen aufteilte. Der Vorwand war, sie sprächen unterschiedliche Sprachen. Ein weiteres Phänomen ist die Entstehung von Plagiaten. Das Sprachlehrbuch Bosanski jezik za strance (1997) der bosnischen Autorin F. Pelesić-Muminović ist eine Vervielfältigung des Sprachlehrbuchs Srpskohrvatski jezik (1979) von den jugoslawischen Autorinnen Z. Vukadinović und J. Jovanović. Der einzige Unterschied ist der Titel bzw. die Bezeichnung der Sprache(vgl. Kordić, 2008, S. 94). Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass die sprachwissenschaftliche Diskussion über die heutigen Standardsprachen der Nachfolgerstaaten Jugoslawiens außerordentlich unübersichtlich und komplex ist.
In der Gegenwart erscheint das Serbokroatische in Form von vier getrennten Sprachen (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Montenegrinisch, die letzte erst seit 2007), in denen gewisse Unterschiede zu beobachten seien, jedoch eine Übersetzung nicht notwendig sei(vgl. Kordić, 2008, S. 100). Diese kroatische Sprachwissenschaftlerin bemerkt zu der Vertuschung von konvergenten Tendenzen folgendes: „Um die Tatsache zu vertuschen, dass es sich um eine Sprache handelt, haben südslawische nationale Ideologen die zweiteilige Sprachbezeichnung (Serbokroatisch) durch mehrere einteiligen Bezeichnungen ersetzt (Kroatisch, Serbisch, Bosnisch, Montenegrinisch).“(Kordić, 2008, S. 98) Diese Grundidee wurde auch in der internationalen Fachtagung Aktuelle Fragen der Bosniaken, Kroaten, Serben und Montenegriner von 2002 in Wien vertreten, in der alle Teilnehmer das Existieren einer einzigen und gemeinsamen Sprache einstimmig akzeptierten, aber zu keinem Entschluss kamen, wie man diese Sprache benennen sollte(vgl. Neweklowsky, 2003, S. 7).
Bis zu den neunziger Jahren, als Jugoslawien während des Bürgerkriegs in sieben verschiedene Staaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro und Kosovo) zu zersplittern anfing, war das Kroatoserbische bzw. Serbokroatische die gemeinsame Schrift- und Standardsprache für ungefähr 17 Millionen14 Einwohner Bosniens und Herzegowina, Kroatiens, Serbiens und Montenegros (vgl. Tošović, 2010, S. 19). Die im damaligen Gebiet meist verbreiteten Dialekte waren: das Neuštokavische (novoštokavski) – in Serbien, BuH, Montenegro und im größeren Teil Kroatiens – das Kajkavische (kajkavski) – hauptsächlich in Slowenien und im Nordwesten Kroatiens – und das Čakavische (čakavski) – in Istrien und im Küstengebiet Kroatiens. Der neuštokavische Dialekt dient heutzutage als gemeinsame Grundlage für die Nachfolgerstandardsprachen BKS und Montenegrinisch, auf das in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden soll. Nach der erfolgten Normierung wird Kroatisch in Kroatien und Serbisch in Serbien gesprochen, während in Bosnien und Herzegowina alle drei Sprachen (Bosnisch, Kroatisch und Serbisch) verkehrsamtlich verwendet werden. Die Ernennung des Bosnischen als Staatssprache stieß auf Widerstand bei den dort lebenden Serben und Kroaten. Aus diesem Grunde spricht man Kroatisch in dem von Kroaten besiedelten Raum und Serbisch in dem Kanton der Republika Srpska (vgl. Tošović, 2010, S. 20).
Die heutigen ca. 17 Millionen BKS -Montenegrinisch-Sprecher verfügen über zwei Alphabete, das lateinische und das kyrillische. Historisch führt diese Trennungslinie auf die oströmische, byzantinisch-griechische und weströmische Herrschaft (bis 395 n. Chr.) zurück. Das wirkte sich auch im Mittelalter auf die Orientierung des Ostens am Griechischen und des Westens am Lateinischen aus. Bezüglich der Konfession existiert bis heute noch die Trennung, für die maßgeblich Serbien ein orthodoxer Staat ist und Kroatien ein katholischer. In BuH neben den katholischen Kroaten und orthodoxen Serben leben auch Muslime, die sich als Bosniaken kennzeichnen (damalige Bevölkerung, die während der Besetzung durch das Otomanische Reich zu Islam konvertiert wurde). Das lateinische Alphabet wird in Kroatien und dem größten Teil BuH bevorzugt, während das kyrillische in Serbien, aber auch in den von den Serben bewohnten Gebieten BuH dominiert.
Außer den oben erwähnten Dialekten und Alphabeten werden daneben noch drei Aussprachevarianten unterschieden: Ijekavisch, Ekavisch und Ikavisch. Sie haben ihre Wurzel im altkirchenslawischen Laut Jat (lateinisch: ě, kyrillisch: ѣ). Einen langen Laut ije findet man im ijekavischen cvijet (die Blume) oder svijet (die Welt), e im ekavischen cvet, svet und i im ikavischen cvit, svit. Einen kurzen Laut Jat findet man im ijekavischen ljepota (die Schönheit) und mjesto (der Ort), im ekavischen lepota, mesto und im ikavischen lipota, misto.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Desweiteren werden diese phonetischen Verschiedenheiten auf folgende Weise verteilt: in BuH, Kroatien, Montenegro und im westlichen Teil Serbiens wird die ijekavische Variante benutzt. Ekavisch wird hauptsächlich in Serbien und ikawisch im Süden Kroatiens (Dalmatien) und im westlichen Teil Herzegowinas verwendet.
Wie schon am Anfang erwähnt, lässt sich abschließend sagen, dass die eigentlichen Unterschiede der serbokroatischen Standardvarietäten nicht gravierend sind, so dass die Verständigung unter den Sprechern der drei Varianten fließend ist. Verglichen mit den deutschen Mundarten als diatopische Varietäten, sind die Unterschiede in ihrem Grundwortschatz noch geringer als in den meisten deutschen Dialekten. Das Bosnische, Kroatische und Serbische unterscheiden sich in ungefähr 4000 bis 25.000 Wörtern, das bedeutet in relativen Zahlen zwischen 10 und 16 Prozent(vgl. Hudeček, 1999, S. 9). In der Lexik sind uns bereits im 19. Jh. Abweichungen zwischen der östlichen (serbischen) und westlichen (kroatischen) Variante bekannt. Beispielsweise lassen sich folgende lexikalische Einheiten anführen: Kreuz: krst (serbisch) und križ (kroatisch), Theater: pozorište (serbisch) und kazalište (kroatisch). Es sind auch lediglich Divergenzen in den Wortbildungsmitteln zu kodifizieren. Im Kroatischen werden Berufsbezeichnungen auf –ist und im Serbischem auf –ista gebildet, z.B. germanist vs. germanista. Kollektivzahlen enden im Kroatischen auf – ero und im Serbischen auf – oro: petero vs. petoro (dt. fünf). Näheres zu den lexikalischen Unterschieden der drei Sprachen, die vor allem im fremdsprachlichen Lehngut zu finden sind, wird in Kapitel 6 der vorliegenden Arbeit beschrieben.
Hinsichtlich der Syntax hebt sich der Status des Infinitivs im Kroatischen (Marina će pjevati; Marina wird singen) im Gegensatz zu der da -Konstruktion im Serbischen (Marina će da pjeva; Marina wird singen) ab.
Zusammenfassend lässt sich noch einmal betonen, dass sich Bosnier, Kroaten und Serben trotz der hier oberflächlich angerissenen Unterschiede ihrer Amtssprachen problemlos untereinander verstehen, und dass es keine spezifische Benennung gibt, die alle drei Sprachen umfassen könnte. Ergo verteidigt Tošović aus wissenschaftlichen Gründen einen gemeinsamen sachlichen Nenner zu finden: „[...] der alles umfasst, was der bosni(aki)schen, serbischen und kroatischen Sprache gemeinsam ist, ohne eine von ihnen zu negieren oder zu favorisieren“(Tošović, 2010, S. 38).
3 DER SPRACHKONTAKT ZWISCHEN DEM DEUTSCHEN UND DEM SERBOKROATISCHEN (BKS) UNTER BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
Davon, dass Sprache ein „unfertiges“ System ist, das sich konstant im Wandel befindet, zeugen zugleich die zahlreichen Sprachkontakte der Völker im Laufe der Geschichte. Insbesondere das Wortschatzsystem als lexisch-semantisches System erweist sich durch seine extreme Wandelbarkeit als ein sehr offenes System, das sehr empfindsam auf politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen reagiert. Mit anderen Worten, die historischen Entwicklungen unter ökonomischem, sozialem und politischem Einfluss verstärken areale Konvergenzprozesse.(vgl. Newerkla, 2014, S. 20)
Es ist eine Binsenweisheit, dass in der Geschichte eines jeden Wortschatzes Sprachberührungen eine führende Rolle spielen. Insbesondere die deutsch-serbokroatischen Sprachkontakte ändern sich im Laufe der Jahrhunderte grundlegend sowohl in der Art als auch im Umfang. Diese Grundidee, dass sich Sprachen wechselseitig beeinflussen, wird schon im 19. Jahrhundert von Wilhelm Grimm in seinem Deutschen Wörterbuch erörtert:
Kein Volk, wenigstens kein europäisches, scheidet sich streng von dem anderen und setzt geistigen Berührungen Grenzpfähle entgegen, wie man den Waren und Erzeugnissen des Bodens tut. Sobald aber die Völker sich äußerlich nähern, so erfahren ihre Sprachen eine notwendige Wechselwirkung(Grimm, 1986, S. 217).
Wir finden heute Sprachen, die sich gegenseitig in großem Maße beeinflussen als auch jene die Ausnahmefälle darstellen, in denen die Beeinflussungen nicht relevant sind. Wie dem auch sei, bleibt es unbestritten, dass Sprachberührungen Sprachen bereichern.
Deshalb soll in diesem Abschnitt ein historisch begründeter Überblick über die Kontakte geliefert werden, die eine Flut von Lehnwörtern und Lehnprägungen des Deutschen ins Serbokroatische gebracht haben.
3.1 Das Mittelalter
Die Berührungen zwischen Slawen und Germanen fanden bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. statt. Da die ersten gemeinslawischen Lehnwörter aus dem Urgermanischen, Gotischen, Balkangermanischen und dem Westgermanischen stammen, verfügt man über keinen konkreten Bezug zu den hier zu analysierenden Einzelsprachen (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch).
Schriftliche Beweise findet man erst Mitte des 8. Jahrhunderts als die Karantanier15 die Bayern um Hilfe baten, gegen die Bedrohung durch die Awaren in den Krieg zu ziehen. Als Resultat ergab sich die Angliederung des Herzogtums Karantanien (Kärnten, Obersteier, Osttirol und Lungau) an Bayern. 788 eroberte Karl der Große das Herzogtum Bayern und erweiterte sein Reich durch die Gebiete Südeuropas bis nach Syrmien16, Altserbien, Südbanat17, quer durch Bosnien und schloss die kroatische Küste ein. Der damalige Einfluss des Karl des Großen und seiner großen Herrscherpersönlichkeit blieb bis heute in BKS verewigt. Die Bezeichnung des Königs wurde vom Namen Karl abgeleitet: kralj.
Im südslawischen Sprachraum sind die sprachlichen Kontakte mit dem Deutschen unterschiedlich verteilt. Die Gebiete Kroatiens und Sloweniens standen mit der germanischen Sprache für sehr lange Zeit in Kontakt, während die Sprecher aus Bosnien und Serbien später mit ihr in Berührung kamen(vgl. Striedter-Temps, 1958, S. 16-17). Aus diesem Grund haben die deutschen Entlehnung im BKS keinen heterogenen Eingang gefunden. Hinzu kommt noch die Schwierigkeit, dass aufgrund mangelnder schriftlichen Quellen aus jener Periode (8. und 9. Jh.), die Entlehnungen allzu schwer nachweisbar sind.
Serben und Deutsche hatten kaum direkte Berührungen im Mittelalter. Erst im 13. Jh. erscheint beispielsweise das Wort špilman im Serbischen. Man vermutet nämlich, dass mit dem dritten Kreuzzug unter Friedrich Barbarossa (1189) und während der Stefan Nemanjas Herrschft in Serbien auch fahrende Spielleute nach Serbien kamen. Die serbisch-deutschen Kontakte werden nach Striedter-Temps im 14. Jh. dank 300 deutscher Söldner, die die Garde Stefan Dušans in Serbien bildeten, beschleunigt.
Bezüglich serbisch-bosnisch-deutscher Kontakte zu jener Zeit ist von großer Bedeutung die Besiedlung von Teilen Serbiens sowie Bosniens durch die gewandten deutschsprachigen Bergleute, die ins Land gerufen wurden, um in den Silberbergwerken zu arbeiten. Sie hinterließen wichtige Beweise der Sprachkontakte, die heute noch im Wortschatz erstarrt sind. Andernfalls ist die Herkunft der sächsischen Bergleute schwierig nachzuweisen. Da es nicht genügend Quellennachweise gibt, weiß man nicht mit Sicherheit, ob es deutschsprachige Siedler aus Ungarn oder aus dem Gebiet der Ostalpen bzw. aus Mitteldeutschland und Böhmen waren. Einige Beispiele ihrer Präsenz sind die Ortschaftsnamen Sase (Sachsen bzw. Sachsendorf) in der Nähe von Srebrenica, Višegrad, Studenica und Kratovo. Striedter-Temps beteuert, dass die meisten BKS -Lehnwörter aus jener Epoche mit der Umgangssprache der Bergleute verbunden sind: šljaka (Schlake), šljam (Schlamm).
In Falle der Berührungen mit Kroatien, sieht es anders aus, da dieses Gebiet seit Ende des 13. Jhs. einen andauernden Kontakt mit dem deutschsprachigen Raum hatte. Die deutschen Siedler (Bauer, Händler, Handwerker) nahmen an der Bildung kroatischer Städte im Innenland teil, wie z.B. in Zagreb. Zu diesem Zeitpunkt erscheint die immer noch gültige Benennung bzw. Berufsbezeichnung im BKS šuster (Schuster) und die Handwerkbezeichung maler (Maler)(vgl. Striedter-Temps, 1958, S. 6-9).
Nach dem Fall des Bosnischen Königreichs 1436 bat Kroatien den Papst, den deutschen Kaiser Maximilian und den Erzherzog Ferdinand I18 um Hilfe. Letztendlich wurde 1522 in Kroatien die Militärgrenze19 gegen die Türken (das Osmanische Reich) errichtet. Dadurch wurde das Deutsche nicht nur zur Amtssprache, sondern auch zur Kommandosprache des Militärs. Die kroatische Bauernmilitz graničari (Grenzer)20 nahm die Hauptlast der Türkenabwehr auf sich und war für die Grenzverteidigung zuständig. Die Herrschaft der Habsburger übte einen großen kulturellen und gesitlichen Einfluss aus und etablierte Wien als kulturelles Zentrum des Reiches. Auf Grund des immer stärkeren Drucks der Osmanen flohen viele serbische Familien nach Slawonien, und ließen sich im Banat und Lika (der westliche Teil Kroatiens) nieder. Auf diese Weise kamen Serbisch- und Deutschsprechende in Kontakt miteinander. Aus dieser Epoche lassen sich, nach Striedter-Temps, Entlehnungen wie oficir (Offizier), oberarc (Oberarzt), ritmajster (Rittmeister) nachweisen(vgl. Striedter-Temps, 1958, S. 11-12).
[...]
1 Im folgenden BKS.
2 Ab 2007 wurde auch Montenegrinisch zu einer offiziellen Sprache.
3 Die Forschungen, die sich in den 90-er ausschließlich mit den Unterschieden beschäftigten, werden wir später in Kapitel 2 kurz erläutern.
4 Außer der Stammbaumtheorie sollte man zwei weitere Sprachtheorien aus dem 19. Jh. nennen: die Wellentheorie, die auf der Monogenese und einem sprachsoziologischen Gruppenbewusstsein beruht und die Entfaltungstheorie, deren Grundstein eine polygenetische Entwicklung repräsentiert. Diese drei Theorien sind eng mit einer diachronischen Forschungsweise verbunden. Das 20. Jh. wird im Gegensatz durch die strukturalistischen Sprachtheorien Ferdinand de Saussures und Leonard Bloomfields geprägt, die die Sprache als ein System (Sprache als ‚langue‘) bezeichnen und sich so mit einer synchronischen Sprachbetrachtung auseinandersetzen. In den fünfziger Jahren wird das Verhältnis zwischen Synchronie und Diachronie von E. Coseriu relativiert. Einige Jahrzehnte später stimmt ihm der deutsche Sprachforscher Cherubim überein; aus seiner Perspektive sind die beiden Forschungsweisen zu trennen. Der einflussreichste Linguist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist Noam Chomsky. Seine Beiträge zur allgemeinen Sprachwissenschaft sowie seine Modelle der generativen Transformationsgrammatik veränderten den bis dahin vorherrschenden US-amerikanischen Strukturalismus. Seine Kritik am Behaviorismus förderte den Aufstieg der Kognitionswissenschaft. Nach seiner Theorie wird eine Sprache mittels der Entfaltung angeborener Fähigkeiten erlernt. Diesen angeborenen Spracherwerbmechanismus nennt er Language Acquisition Device (LAD). Zum Nachweis inaugurierte Chomsky den Begriff einer Universalgrammatik. Nach dieser Annahme sei allen Sprachen eine universelle Grammatik gemein; über sie verfüge jeder Mensch, da sie angeboren sei. Damit erweist sich Chomsky als Vertreter des philosophischen Mentalismus, dessen Tradition auf René Descartes zurückgeht(vgl. Von Polenz, 2009, S. 13).
5 Der Terminus „Indoeuropäisch“ oder „Indogermanisch“ ist eine Sprachbezeichnung, womit eine Gruppe von miteinander verwandten Sprachen bezeichnet wird. Es handelt sich weder um eine „Ursprache“ noch um eine ethnische Gruppe mit dem Namen „Indoeuropäer“. Die Verwandtschaft kann vor allem anhand von flexionsmorphologischen und lexikalischen Phänomenen festgestellt werden. Diesen Sprachzusammenhang entdeckten Sir William Jones (1786) und Franz Bopp (1816). Sie hatten erkannt, dass die seit dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend überlieferte Literatursprache der alten Inder, das Sanskrit, mit den meisten europäischen Sprachen verwandt war und leisteten mit dieser These einen Beitrag zur Entstehung der vergleichenden Sprachwissenschaft (vgl. Von Polenz, 2009, S. 13-14).
6 Bosnisch oder Bosniakisch. In der vorliegenden Arbeit wird im Folgendem der Begriff Bosnisch benutzt.
7 Verständnishalber führen wir folgendes Zitat ein: „Das Gralis-Korpus ist ein mehrsprachiges Parallelkorpus für das Studium und das Erlernen aller slawischen Sprachen, vor allem auch in Bezug auf das Deutsche. Es wurde im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Slawistik und dem Zentrum für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz erstellt. Als Clientprogramm dient das vom Institut für maschinelle Sprachverarbeitung in Stuttgart entwickelte CWB. Als Leiter des Projektes fungiert Branko Tošović, die Koordinierung nimmt Arno Wonisch wahr, sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Softwareentwicklung und serverfertigen Aufbereitung leitet Hubert Stigler, während für die Korpusadministrierung Olga Lehner verantwortlich zeichnet. Das Korpus besteht aus einigen Subkorpora, die einerseits in Makrogruppen (süd-, ost- und westslawische Sprachen) und andererseits Mikrogruppen (Korpora für einzelne Sprachen und individuelle Korpora – Korpora der Werke von Literaten wie etwa Ivo Andrić, Zoran Živković u. a.) unterteilt werden. Es besteht auch die Möglichkeit einer Wahl zwischen zwei Makrogruppen, wie etwa süd- und ostslawischer. Eine besondere Gruppe bilden mit dem Deutschen parallelisierte slawische Sprachen.“(Kral-Franzens-Universität Graz, 2022)
8 Bereits 1783 setzte sich Dositej Obradović für die Einführung einer Volkssprache, doch seine Bewegung ging erst mit Karadžić voran(vgl. Neweklowsky, 2010, S. 81).
9 Es gibt drei Hauptdialekte (štokaviš, kajkaviš und čakaviš). Sie besitzen ein Unterscheidungsmerkmal im Fragepronomen was als što, kaj, ča. Das Štokavische wird nach dem Akzent in zwei Gruppen unterteilt: das Neuštokavische und das Altštokavische. Das Altštokavische trägt die Akzentuierung auf der Endsilbe, während das Neuštokavische sich um eine Silbe zum Wortanfang verschoben hat. Eine vierte Gruppe der Dialekte, die durch Archaismen und Balkanismen aus dem Neuštokavischen ausgegliedert werden kann, wäre das Torlakische (torlački) oder Šopiše (šopski)(vgl. Tošović, 2010, S. 41-42).
10 Der letzte Band datiert von 1976.
11 Lateinisch, in Kroatien und Bosnien und kyrillisch, in Serbien und Montenegro.
12 Neben der Bezeichnung Bosnisch wird auch der Begriff Bosniakisch benutzt. Beide Konzepte bezeichnen die Standardsprache der Bosnier oder Bosniaken, die in Bosnien und Herzegowina leben und eine islamische Konfession haben. Verwendet man nur die Bezeichnung Bosanac (Bosnier) allein, so bringt man die Staatszugehörigkeit zu Bosnien und Herzegowina zum Ausdruck.
13 In dieser Hinsicht stellt das Engagement des Germanisten Branko Tošović von der Universität Graz eine der Ausnahmen dar. In seinen Werken (wie z.B. Korrelative Grammatik des Bosni(aki)schen, Kroatischen und Serbischen von 2010) und in den zwischen 2006 und 2010 von ihm geleiteten Projekten (Unterschiede zwischen dem Bosnischen/Bosniakischen, Kroatischen und Serbischen) stehen die empirische Forschung und das wissenschaftliche Vorgehen im Vordergrund.
14 22 Millionen Einwohner hatte das ehemalige Jugoslawien vor dem Bürgerkrieg im Jahre 1991. Die offizielle Amtssprache in ganz Jugoslawien war Serbokroatisch. In Slowenien und Mazedonien (beide Regionen mit ungefähr 2 Millionen Einwohnern) waren das Slowenische und das Mazedonische auch als offizielle Amtssprachen anerkannt.(vgl. Firth, 2018)
15 Ein slawisches Fürstentum im Gebiet des heutigen Kärntens.
16 Syrmien (serbisch Срем bzw. Srem, kroatisch Srijem, ungarisch Szerémség) beginnt westlich von Novi Beograd und endet ungefähr auf der Länge der Draumündung in die Donau. Es ist heute politisch zwischen Serbien und Kroatien verteilt, wobei der größere Teil zu Serbien gehört.
17 Das Banat, (serbisch-kyrillisch Банат), ist eine historische Region, die heute in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt. Der Begriff Banat leitet sich vom Herrschaftsbereich eines Ban (serbisch/kroatisch/ungarisch für Graf/Markgraf) ab(vgl. Körner, 1858, S. 42).
18 Die deutsche Kultur erfuhr ab 1527 in Kroatien eine Wiederbelebung mit dem Aufstieg Erzherzogs Ferdinand I von Habsburg zum König von Ungarn und mit seiner Machterweiterung bis Slawonien (östlicher Teil Kroatiens), wo er zum König ernannt wurde(vgl. Striedter-Temps, 1958, S. 10).
19 Diese Militärgrenze zwischen zwei Mächten existierte über drei Jahrhunderte (1522-1881) hinweg.
20 Die Grenzer waren die dazugekommenen griechisch-ortodoxen Serben, die das kroatische Land bearbeiten durften und als Gegenleistung die Grenzen als Militäre bewachen sollten(vgl. Rothenberg, 1970, S. 9-24).
- Citar trabajo
- Biljana Kolundzija Gavranovic (Autor), 2022, Zum Wortgut deutscher Herkunft im plurizentrischen Serbokroatischen nach der Auflösung Jugoslawiens, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1263754
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