„Ich kann und mag natürlich den Lesern nicht vorschreiben, wie sie meine Erzählung zu verstehen haben. Möge jeder aus ihr machen, was ihm entspricht und dienlich ist! Aber es wäre mir doch lieb, wenn viele von ihnen merken würden, dass die Geschichte des Steppenwolfes zwar eine Krankheit und Krisis darstellt, aber nicht eine, die zum Tode führt, nicht einen Untergang, sondern das Gegenteil: eine Heilung.“
In dieser Arbeit soll der Steppenwolf von Hermann Hesse auf den Hintergrund „Psychologie“ bezogen werden. Dabei stellt der Individuationsprozess das Hauptmotiv dar, wofür das System und die Symbolwelt Carl Gustav Jungs als übergeordnetes Referenzobjekt gelten.
Aufgezeigt wird hier die Identitätsproblematik des Protagonisten Harry Haller, der unter der Spaltung zweier polarisierender Teilidentitäten leidet und nur jeweils in diesen Extrema leben kann. Aus diesen Umständen heraus verzweifelt und resigniert, stagniert er in seiner Persönlichkeitsentwicklung. Erst als Haller auf seine Seelenbilder, ausgedrückt durch Hermine, Maria und Pablo, trifft, scheint eine weitere Entfaltung möglich. Als Bestandteil Hallers Psyche stehen sie nämlich jeweils für einen ungenügenden Teil seiner Persönlichkeit und stellen deshalb eine Ressource zur Heilung dar, die Haller nutzen kann, indem er seine ihn konstituierenden Figuren in sein Selbst integriert. Dies bedeutet für Haller im Konkreten, die verdrängten Anteile seines Wesens anzunehmen und in sein Ich, sein Bewusstsein, einzufügen, wofür er den Maskenball und das Magische Theater besuchen muss. Die scheinbar unabhängig voneinander handelnden Teilidentitäten bedingen sich dabei gegenseitig und erst in ihrer Verschmelzung kann die Gesamtperson Haller, ausgesöhnt mit seinen polarisierenden Teilidentitäten, „werden“.
Auf welche Weise sich nun bei Haller diese Entwicklung im Einzelnen vollzieht und ob man sie schlussendlich als gelungen bezeichnen kann, dies soll im Folgenden geklärt werden. Dafür wird zunächst in Jungs Begrifflichkeit eingeführt und davon ausgehend Hallers Ausgangskonflikt analysiert. Im Hauptteil der Arbeit soll das Eigentliche, nämlich der Individuationsprozess, das heißt die Handlungsschritte und –träger, die Haller für sein Fortkommen benötigt, skizziert werden. Abschließend sollen diese Punkte diskutiert und der Frage unterworfen werden, ob man diesen Prozess nun „erfolgreich“ durchgegangen nennen darf.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- I. Theoretischer Teil: Der Individuationsprozess nach C.G. Jung
- II. Die Ausgangssituation Harry Hallers
- 1. Hallers Identitätsproblematik in den Erzählperspektiven
- a) Vorwort des Herausgebers
- b) Harry Hallers Aufzeichnungen
- c) Traktat vom Steppenwolf
- 2. Hallers Identitätsproblematik psychoanalytisch besprochen
- 1. Hallers Identitätsproblematik in den Erzählperspektiven
- III. Haller begibt sich auf den Weg der Selbstveräußerung
- 1. Voraussetzung für eine gelingenden Veräußerung Hallers
- a) Die Mehrseelentheorie
- b) Das Humorprinzip und die Unsterblichen
- 2. „Anstoß“: Haller begegnet seinen Seelenbildern
- a) Hermine -für Hallers geistiges Wachstum
- b) Maria -für die sexuelle Liebe
- c) Pablo -der Unsterbliche
- 3. In medias res: Die Identitätsspiele
- a) Der Maskenball
- b) Das Magische Theater: Der Eintritt kostet den Verstand
- 1. Voraussetzung für eine gelingenden Veräußerung Hallers
- Schlussbetrachtungen
- Verwendete Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Analyse des Romans „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse im Kontext der Psychologie. Der Fokus liegt auf dem Individuationsprozess des Protagonisten Harry Haller, der unter einer gespaltenen Identität leidet und in zwei extremen Lebensformen gefangen ist. Die Arbeit untersucht, wie Haller durch die Begegnung mit seinen Seelenbildern, Hermine, Maria und Pablo, die Möglichkeit erhält, seine Persönlichkeit zu integrieren und zu einer Ganzheit zu gelangen.
- Individuationsprozess nach C.G. Jung
- Identitätsproblematik Harry Hallers
- Bedeutung der Seelenbilder Hermine, Maria und Pablo
- Die Rolle des Maskenballs und des Magischen Theaters
- Gelungener Individuationsprozess?
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Individuationsprozesses im Kontext von Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ ein. Sie stellt die zentrale Frage nach der Möglichkeit eines gelungenen Individuationsprozesses bei Harry Haller und skizziert den Aufbau der Arbeit.
Der theoretische Teil der Arbeit erläutert den Individuationsprozess nach C.G. Jung. Er beschreibt die verschiedenen Instanzen der Psyche, wie den Schatten, Anima/Animus und das Selbst, und ihre Bedeutung für die Bewusstwerdung und Integration des Individuums.
Im zweiten Kapitel wird die Ausgangssituation Harry Hallers analysiert. Es wird seine Identitätsproblematik in den verschiedenen Erzählperspektiven des Romans beleuchtet, insbesondere im Vorwort des Herausgebers, in Hallers eigenen Aufzeichnungen und im Traktat vom Steppenwolf.
Das dritte Kapitel widmet sich Hallers Weg der Selbstveräußerung. Es werden die Voraussetzungen für eine gelingende Veräußerung, wie die Mehrseelentheorie und das Humorprinzip, sowie die Begegnung mit Hallers Seelenbildern, Hermine, Maria und Pablo, untersucht.
Im vierten Kapitel werden die Identitätsspiele, die Haller im Maskenball und im Magischen Theater erlebt, analysiert. Es wird gezeigt, wie diese Erfahrungen ihn auf seinem Weg der Selbstfindung unterstützen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Individuationsprozess nach C.G. Jung, die Identitätsproblematik Harry Hallers, die Seelenbilder Hermine, Maria und Pablo, den Maskenball und das Magische Theater sowie die Frage nach einem gelungenen Individuationsprozess. Der Text analysiert die Entwicklung des Protagonisten und untersucht, wie er durch die Begegnung mit seinen Seelenbildern und die Teilnahme an den Identitätsspielen seine gespaltene Identität integrieren und zu einer Ganzheit gelangen kann.
- Arbeit zitieren
- Marie-Luise Leise (Autor:in), 2009, Hermann Hesse: Der Steppenwolf , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126326
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