Ziel dieser Masterarbeit ist es, über eine systematische Literaturrecherche mit anschließender Auswertung Möglichkeiten zum Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit in Zeiten des demografischen Wandels aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang soll primär die Bedeutung des Betrieblichen Gesundheitsmanagement analysiert und diskutiert werden. Über eine strukturierte Literatursuche auf renommierten Plattformen sollen relevante Studien zu diesem Themengebiet ausfindig gemacht werden, um anschließend folgende Fragestellung beantworten zu können: Kann über Maßnahmen und Interventionen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit des Personals gesteigert oder erhalten werden, um so dem demografischen Wandel nachhaltig entgegenzuwirken?
Diese Fragestellung gilt es abschließend zu diskutieren. Außerdem soll ein schließendes Fazit gezogen und eine komprimierte Zusammenfassung der Arbeit gegeben werden. Der demografische Wandel in Deutschland ist mittlerweile ein Thema der allgemeinen Öffentlichkeit geworden. Die Überalterung unserer (zukünftigen) Gesellschaft ist längst bekannt und bereits für die gesamte Bevölkerung spürbar. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird es immer mehr Menschen im Alter von 50 Jahren oder älter geben, die weiterhin arbeiten müssen, um so unsere Wirtschaft aufrechterhalten zu können. Geschuldet ist dies der größer werdenden Lücke von zu wenig Geborenen und besonders vielen Sterbenden aus geburtenstarken Generationen. Aus dieser ungünstigen Situation resultieren ein zahlenmäßiges Absinken der Erwerbsfähigen in Deutschland und das immer weiter ansteigende Renteneintrittsalter.
Neben der Politik und den Sozialversicherungen beschäftigen sich daher zunehmend auch Arbeitgeber, beziehungsweise Unternehmen, mit dieser Problematik. Denn der demografische Wandel bringt einige Herausforderungen für die Arbeitswelt mit sich. Es wird nach aktuellem Stand zu einem Engpass bei der Gewinnung von Fachkräften kommen. Des Weiteren müssen die, immer weniger werdenden, Erwerbstätigen mehr und länger arbeiten. Für die Betriebe ist es wichtig, den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, bestenfalls ohne Einbuße von Leistungen der Beschäftigten, durch auserwählte betriebsinterne Prozesse und Methoden gewährleisten zu können. In diesem Zusammenhang wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagement, kurz BGM, immer populärer.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
2 Zielsetzung
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
3.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.1.1 Definition und Bestandteile des BGM
3.1.1.1 Arbeitsschutz
3.1.1.2 Betriebliches Eingliederungsmanagement
3.1.1.3 Betriebliche Gesundheitsförderung
3.1.1.4 Digitales BGM
3.1.2 Aufbau und Organisation des BGM
3.1.2.1 Entscheidungsfindung über Handlungsansätze
3.1.2.2 6-Phasen-Modell des BGM
3.1.2.3 DIN ISO 45001 – Neuer „Goldstandard“ im BGM?
3.1.3 Erfolgsfaktoren eines BGM
3.2 Demografischer Wandel in Deutschland
3.2.1 Beschreibung des demografischen Wandels
3.2.2 Auswirkung auf die Arbeitswelt und Unternehmen
3.2.3 Demografiemanagement
3.3 Gesundheit und Alter(n)
3.3.1 Modelle der Gesundheit
3.3.2 Definition von Alter(n) und Altersmodelle
3.3.3 Die biologische Erklärung des Altern
3.3.4 Veränderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit
3.3.5 Einflussfaktoren auf das Altern
3.4 Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit
3.4.1 Arbeitsfähigkeit
3.4.2 Messung der Arbeitsfähigkeit
3.4.3 Beschäftigungsfähigkeit
4 Methodik
5 Ergebnisse
6 Diskussion
6.1 BGM als Instrument in Zeiten des demografischen Wandels
6.2 Methodendiskussion
6.3 Ausblick
7 Zusammenfassung
8 Literaturverzeichnis
9 Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
Der demografische Wandel in Deutschland ist mittlerweile ein Thema der allgemeinen Öffentlichkeit geworden. Die Überalterung unserer (zukünftigen) Gesellschaft ist längst bekannt und bereits für die gesamte Bevölkerung spürbar. In den kommenden Jahren und Jahrzenten wird es immer mehr Menschen im Alter von 50 Jahren oder älter geben, die weiterhin arbeiten müssen, um so unsere Wirtschaft aufrechterhalten zu können. Geschuldet ist dies durch die größer werdende Lücke von zu wenig Geborenen und besonders vielen Sterbenden, aus geburtenstarken Generationen (Statistisches Bundesamt, 2019).
Aus dieser ungünstigen Situation resultieren ein zahlenmäßiges Absinken der Erwerbsfähigen in Deutschland und das immer weiter ansteigende Renteneintrittsalter (Statistisches Bundesamt, 2015).
Neben der Politik und den Sozialversicherungen beschäftigen sich daher zunehmend auch Arbeitgeber, beziehungsweise Unternehmen, mit dieser Problematik. Denn der demografische Wandel bringt einige Herausforderungen für die Arbeitswelt mit sich. Es wird nach aktuellem Stand zu einem Engpass bei der Gewinnung von Fachkräften kommen. Des Weiteren müssen die, immer weniger werdenden, Erwerbstätigen mehr und länger arbeiten (Badura, Walter & Hehlmann, 2010).
Im Alter verliert der Mensch jedoch an Leistungsfähigkeit und erkrankt öfters und vor allem länger (Busch, 2015, S. 55). Außerdem wird das Auftreten mehrerer Krankheiten gleichzeitig immer wahrscheinlicher (Dräger & Blüher, 2011).
Dies bringt wiederum erweiterte Verantwortung und Aufgabenbereiche für die Betriebe mit sich, um immer älter werdende und immer länger arbeitende Menschen auch erfolgreich länger beschäftigen zu können. Für die Betriebe ist es daher wichtig, den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, bestenfalls ohne Einbuße von Leistungen der Beschäftigten, durch auserwählte betriebsinterne Prozesse und Methoden gewährleisten zu können (Badura, Walter & Hehlmann, 2010; Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2018, S. 57-59).
In diesem Zusammenhang wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagement, kurz BGM, immer populärer. Hiermit wird ein zu implementierendes System beschrieben, das Unternehmen dazu verhilft, gesundheitsförderliche Gegebenheiten im Betrieb aufzubauen. Das Betriebliche Gesundheitsmanagement soll weiterhin dazu verhelfen die Beschäftigungsfähigkeit des Personals nachhaltig zu verbessern (DIN SPEC 91020, S.7).
Da das BGM deshalb ein zentrales Instrument bei der Problemlösung des demografischen Wandels darstellen könnte, gilt es zu untersuchen, ob Maßnahmen und Interventionen zur Gesundheitsförderung (im Rahmen eines BGM) einen Einfluss auf den im Alter fortschreitenden Verlust der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit haben können.
Hierbei soll in einem systematischen Review überprüft werden, ob durch die positiven Einflüsse eines BGM die Problematiken des demografischen Wandels in Unternehmen vermindert werden können. Um diesem Sachverhalt systematisch nachgehen zu können werden hierfür Rückschlüsse aus empirischen Studien gezogen.
Aus der Gegebenheit des demografischen Wandels, den hieraus entstehenden Herausforderungen, und der eventuellen Bedeutsamkeit des Betrieblichen Gesundheitsmanagement für die gegenwärtige und zukünftige Situation in Unternehmen, ergibt sich die nachfolgende Zielsetzung dieser Arbeit. Es gilt dabei zu analysieren, welcher Bedeutung einem BGM hierbei zugeschrieben werden kann.
2 Zielsetzung
Um ein besseres Verständnis für diese Untersuchung herstellen zu können, gilt es zunächst eine Übersicht der einzelnen Bestandteile der Thesis zu geben. Hierbei wird der Begriff und die Bedeutung des Betrieblichen Gesundheitsmanagement in der heutigen Zeit erläutert. Außerdem wird das Konstrukt des demografischen Wandels erklärt und durch Gesundheitsmodelle und Alterstheorien dessen Problematik in der Arbeitswelt beschrieben. Abschließend gilt es die Definition und Messbarkeit von Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit darzulegen.
Ziel dieser Masterarbeit ist es über eine systematische Literaturrecherche, mit anschließender Auswertung, Möglichkeiten zum Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit in Zeiten des demografischen Wandels aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang soll primär die Bedeutung des Betrieblichen Gesundheitsmanagement analysiert und diskutiert werden. Über eine strukturierte Literatursuche auf renommierten Plattformen sollen relevante Studien zu diesem Themengebiet ausfindig gemacht werden, um anschließend folgende Fragestellung beantworten zu können:
Kann über Maßnahmen und Interventionen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit des Personals gesteigert oder erhalten werden, um so dem demografischen Wandel nachhaltig entgegenwirken zu können?
Diese Fragestellung gilt es abschließend zu diskutieren. Außerdem soll ein schließendes Fazit gezogen und eine komprimierte Zusammenfassung der Arbeit gegeben werden.
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Um die Fragestellung dieser Arbeit beantworten zu können, gilt es zunächst Fachbegriffe und Sachverhalte aufzuzeigen und zu erläutern. So wird zunächst die Thematik des Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) aufgegriffen und dessen einzelne Bestandteile beschrieben. Anschließend wird das Konstrukt des demografischen Wandels beleuchtet. Um die Folgen des Wandels besser verstehen zu können, werden ebenso die Begrifflichkeiten „Gesundheit“ und „Alter“ aufgegriffen und entsprechende Modelle vorgestellt. Abschließend wird die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit definiert, um die Kernfrage aus der zuvor genannten Zielsetzung beantworten zu können.
3.1 Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.1.1 Definition und Bestandteile des BGM
Zu Beginn soll die Definition von Betrieblichem Gesundheitsmanagement geklärt und die einzelnen Bestandteile erläutert werden. Einige Definitionen des BGM werden in Normen beschrieben und folgend aufgezeigt.
Mit dem Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagement beschreibt man die „systematische sowie nachhaltige Schaffung und Gestaltung von gesundheitsförderlichen Strukturen und Prozessen einschließlich der Befähigung der Organisationsmitglieder zu einem eigenverantwortlichen, gesundheitsbewussten Verhalten“ (DIN SPEC 91020, S. 7). BGM beschreibt demnach nicht nur das Integrieren eines Systems, sondern bezieht Führungskräfte und Mitarbeitende direkt mit in den Prozess ein.
Auch Wienemann (2002) beschreibt BGM als Managementaufgabe mit dem Ziel, alle betrieblichen Prozesse auf die Gesundheitsförderung und die Steigerung des Wohlbefindens der Beschäftigten auszurichten und zu lenken.
Folglich beschreibt BGM alle Aktivitäten eines Unternehmens, bzw. Arbeitgebers, um die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern und zu erhalten. Hierbei unterteilt man das BGM in drei Bestandteile (Struhs-Wehr, 2017, S. 176):
- Arbeitsschutz (AS)
- Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
- Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)
Die nachfolgende Abbildung (Abb. 1) veranschaulicht das Konstrukt des BGM als Haus mit den drei Säulen AS, BEM und BGF.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Haus des BGM (Rimbach, 2013, S. 12)
Wie im Haus des BGM abgebildet, stellen Organisation und Führung das Fundament des BGM Systems dar. Warum dies für ein funktionierendes BGM so fundamental wichtig ist, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschrieben.
Die drei Säulen des BGM, bestehend aus AS, BGF und BEM, werden nun näher betrachtet und erläutert.
3.1.1.1 Arbeitsschutz
Der Arbeitsschutz (auch: Arbeits- und Gesundheitsschutz) beschäftigt sich mit dem Abwehren von arbeitsbedingten Unfällen, Verletzungen und Gefahren. Des Weiteren beschäftigt sich der AS mit der Vorbeugung von Berufskrankheiten und generell berufsbedingten Erkrankungen und sorgt somit für eine menschengerechte Gestaltung und Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen. Hierzu gehört grundlegend, dass die Arbeit den physischen und psychischen Voraussetzungen der Beschäftigten entspricht und die Gesundheit nicht beeinträchtigt (DIN SPEC 91020, S. 6).
Im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) wird geregelt, wie der AS durchzuführen ist und welche zwingenden Bestandteile es gibt. Daraus wird abgeleitet welche Schutzmaßnahmen der Arbeitgeber durchzuführen hat. Außerdem ist geregelt, dass der Arbeitnehmer dem AS genauso verpflichtet ist, wie der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber muss hierfür die Beschäftigten auf den Arbeitsschutz hinweisen und diese entsprechend unterrichten. Des Weiteren ist 2013 im ArbSchG festgelegt worden, dass neben der physischen auch die psychische Gesundheit gewahrt werden und eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden muss (Struhs-Wehr, 2017, S. 177; § 5, ArbSchG).
Der Arbeitsschutz beschäftigt sich folglich mit der menschengerechten Gestaltung der Arbeit, um körperliche und geistige Gesundheit, unter Einbezug der individuellen Ressourcen der Beschäftigten, zu schützen.
3.1.1.2 Betriebliches Eingliederungsmanagement
Die Rahmenbedingungen des Betrieblichen Eingliederungsmanagement werden im Sozialgesetzbuch geregelt. Hierin wurde festgelegt, dass ein Arbeitgeber allen Beschäftigten, welche länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein BEM anzubieten hat. Dieses BEM soll das Ziel verfolgen, die bestehende Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, eine erneute Arbeitsunfähigkeit zu verhindern und somit den Arbeitsplatz dauerhaft erhalten zu können (§ 167 Abs. 2, SGB IX).
Zusätzlich muss eine Zustimmung der betroffenen Person erfolgen und die zuständige Interessensvertretung oder gegebenenfalls der Werksarzt oder die Werksärztin mit eingebunden werden (DIN SPEC 91020, S. 7). Das BEM ist somit als betriebliche Hilfeleistung zu verstehen, die freiwillig wahrgenommen werden kann.
Ein BEM sollte weiterhin auf dem Prinzip der Gleichheit aufgebaut sein, bei welchem alle Betroffenen die gleichen Voraussetzungen und Chancen haben. Weitere Grundprinzipien des BEM sind, neben der stetigen Beteiligung der Betroffenen in den Prozess, auch die dauerhafte Gewährleistung des Datenschutzes (Reuter, Liebrich & Giesert, 2016).
Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) (2018, S. 53-54) steht den Betrieben mit einem BEM außerdem ein effizientes Verfahren zur Verfügung, um betriebliche Probleme in Hinblick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz aufzudecken und somit beispielsweise den Folgen des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken. Demnach ist es sinnvoll, ein BEM systematisch aufzubauen und durchzuführen. Hierbei werden Betriebe nicht nur dem rechtlichen Anspruch gerecht, sondern können durch gezielte Analysen betriebsinterne Probleme identifizieren und möglichst schnell lösen.
3.1.1.3 Betriebliche Gesundheitsförderung
Unter den Begriff Betriebliche Gesundheitsförderung fallen alle Maßnahmen eines Betriebes zur Stärkung der Gesundheitskompetenz und zur Gestaltung von gesunden Arbeitsbedingungen, unter Einbezug der Belegschaft. Weiterhin stellt die BGF die Basis zur Verbesserung der Gesundheit im Betrieb und zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit dar (DIN SPEC 91020, S. 7).
Die BGF hat demnach das Ziel Kompetenzen und gesunde Arbeitsbedingungen zu fördern und dabei Chancen zu nutzen, während der AS im Vergleich hierzu darauf ausgelegt ist, Gefahren wahrzunehmen und Risiken abzubauen (Struhs-Wehr, 2017, S. 22).
Seit 2015 sind die gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz in der Pflicht, Arbeitgebern und Arbeitnehmern Leistungen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung anzubieten. Hierbei bewerten die Krankenkassen die gesundheitliche Situation in Betrieben und bieten Vorschläge zur Verbesserung dieser an. Des Weiteren sollen dabei die gesundheitlichen Ressourcen und Fähigkeiten der Beschäftigten gefördert werden (§ 20 b, SGB V).
Für die BGF kommen folgende Präventionsfelder auf (Barth, 2018, S. 91):
- Bewegung
- Ernährung
- Stress/Stressbewältigung
- Entspannung
- Suchtprävention
Die BGF agiert hierbei über Maßnahmen auf Verhaltens- und Verhältnisebene. Einen Überblick der wichtigsten Maßnahmen wird in Kapitel 3.1.2.2 gegeben.
Die bedeutsamsten internen Akteure für das BGF (bei kleinen und mittleren Unternehmen, bis 249 Mitarbeiter) stellen der Unternehmer selbst und auch die Führungskräfte dar. Diese Personen haben eine besondere Vorbildfunktion und personifizieren die „gesunde Führung“ im Unternehmen (Barth, 2018, S. 91-92).
3.1.1.4 Digitales BGM
„Digitales BGM kann als Übertragung von vorhandenen oder neu erfassten Daten im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements in ein digitales Format, mit dem Ziel der Verbreitung in und über Datennetze/n verstanden werden“ (Walle, 2018, S. 86).
Hierbei unterscheidet man grob zwischen Informationssystemen, Softwarelösungen (Apps) und Datenerfassungssystemen. Informationssysteme stellen digitale Informationen über das Thema BGM zur Verfügung. Sie stellten den Beginn des digitalen BGM dar. Die Breite an Informationssystemen reicht von einfachen PDF-Dateien bis hin zu Webseiten zur Wissensvermittlung. Softwarelösungen und Apps bieten Unternehmen die Möglichkeit, BGM für die Mitarbeitenden überall und jederzeit abrufbar zu machen. Hierbei steht neben der Wissensvermittlung vor allem auch die Kommunikation zu anderen Nutzern, am Arbeitsplatz und in der Freizeit, im Vordergrund. Datenerfassungssysteme gehen hierbei noch einen Schritt weiter in Bezug auf die Digitalisierung. Hierunter versteht man technische Lösungen und Produkte, mit denen Daten des BGM erfasst und verarbeitet werden können. Bekannt sind hierbei vor allem Wearables wie Smartwatches oder Fitness-Tracker. Besonders interessant für den Arbeitsschutz sind hierbei Sensoren zur Erfassung der Arbeitsumgebungsbedingungen wie Lärm, Temperatur, Licht oder auch Zugluft (Walle, 2018, S. 86-88).
Gerade in Zeiten des Home Office, stark vorangetrieben durch die Corona Pandemie seit 2019/2020, stellt das digitale BGM ein essentielles Tool dar. Home Office ist oftmals geprägt von wenig Bewegung und ungesunder, schnell verfügbarer Ernährung. Des Weiteren kann eine schlechte Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zum Verhängnis werden. Durch digitale Gesundheitsangebote wie Online-Seminare, Workshops und andere Anwendungen im Onlinebereich, kann die Mitarbeitergesundheit auch von den eigenen vier Wänden aus erfolgreich gefördert werden (DAK-Gesundheit, 2021).
3.1.2 Aufbau und Organisation des BGM
3.1.2.1 Entscheidungsfindung über Handlungsansätze
Ob sich ein Unternehmen für die Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement entscheidet, kann von vielerlei Faktoren abhängen. Diese Faktoren werden als Handlungsansätze bezeichnet. Bevor ein Unternehmen die Einführung und den Aufbau eines BGM initiieren kann, muss die Entscheidung über einen Handlungsansatz gefällt worden sein (Hunsicker, 2021).
Die wichtigsten vier Handlungsansätze werden nachfolgend beschrieben:
Rechtlicher Aspekt: Wie bereits in Kapitel 3.1.1 beschrieben, gibt es einige gesetzliche Verpflichtungen, welche Unternehmen erfüllen müssen. Hierunter fällt der AS, welcher über das ArbSchG geregelt wird, und das BEM aus dem Sozialgesetzbuch.
Wirtschaftlicher Aspekt: Chapman beschrieb bereits 2003 den wirtschaftlichen Nutzen der Gesundheitsförderung in seiner Meta-Analyse. Durch die Reduzierung betrieblicher Krankheitskosten (Reduzierung von Fehlzeiten) können Unternehmen enorm profitieren. Da Unternehmen sich größtenteils an ökonomischen Kennzahlen orientieren müssen, stellt der wirtschaftliche Aspekt eine große Bedeutung dar (Rudow, 2004).
Gestärkt wird dieser Ansatz durch eine erhöhte Arbeitgeberattraktivität, welche das Anbieten eines BGM mit sich bringt. Potentielle Bewerber werden eher einen attraktiveren Arbeitgeber aufsuchen, welcher durch das Anbieten eines BGM signalisiert, Wert auf die Gesundheit der Beschäftigten zu legen. Daraus resultiert ein wichtiger Wettbewerbsvorteil und somit ökonomischer Nutzen (DEKRA e.V., 2022).
Demografischer Aspekt: Eine Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) (2018) zeigt auf, dass mit fortschreitendem Alter die Tage im Krankenstand ebenso stark zunehmen. Unter dem Aspekt des demografischen Wandels in Deutschland stellt dies einen äußerst wichtigen Handlungsansatz dar. Näheres wird in Kapitel 3.2 erläutert.
Sozialer Aspekt: Des Weiteren sind soziale Handlungsansätze möglich. Unternehmen sollten nicht erst handeln, wenn die Fehlzeiten bereits überdurchschnittlich hoch sind und der demografische Wandel das Unternehmen längst eingeholt hat. Durch Einführung eines BGM aus Präventionsgründen drücken Unternehmen ihre soziale Verantwortung aus. Damit stärken Unternehmen zudem die Verbundenheit und Loyalität der Beschäftigten zum Unternehmen, welche auch als „Commitment“ bezeichnet wird (Moser, 1996).
3.1.2.2 6-Phasen-Modell des BGM
Ist die Entscheidung ein BGM einzuführen getroffen worden, kann nun die Implementierung initiiert werden. Hierbei empfiehlt sich eine strukturierte Vorgehensweise seitens des Unternehmens.
Walle (2021) beschreibt 6 Phasen zur Initiierung, Planung und Koordinierung eines BGM. Dieses 6-Phasen-Modell dient als praxisbewährter Handlungsleitfaden für ein qualitäts- und ergebnisorientiertes BGM.
In nachfolgender Abbildung wird das 6-Phasen-Modell dargestellt. Anschließend werden die einzelnen Phasen und deren Inhalte näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: 6-Phasen-Modell (eigene Darstellung, in Anlehnung an Walle, 2021)
Phase 1 „Bedarfsbestimmung“: Der erste Schritt in ein BGM sollte die Bildung des Arbeitskreis Gesundheit (AKG) darstellen. Dieser dient der Koordination und Überwachung des BGM im Unternehmen (Walle, 2021).
Dem Arbeitskreis Gesundheit gehören (je nach Unternehmensgröße) in der Regel Personen folgender Gruppen an (Weinreich & Weigl, 2002):
- Unternehmensleitung oder eine Vertretung dieser
- Betriebs- oder Personalrat
- Fachkraft für Arbeitssicherheit und ggf. Sicherheitsbeauftragte/r
- Betriebsmedizinisches Personal (Betriebsarzt/Betriebsärztin)
- Gesundheitsbeauftragte/r
- Schwerbehindertenvertretung
- Gleichstellungsbeauftragte/r
- Sozial-/Suchtberatung
- Mitarbeiter/-innen (-vertreter)
- Vertreter der Krankenkassen
- Berufsgenossenschaften/Unfallversicherungsvertreter
- Externer Gesundheitsmanager/BGM-Projektleitung
Wesentliche Aufgaben des AKG sind die Festlegung von Zielen des Betrieblichen Gesundheitsmanagement sowie das Ableiten und Durchführen von Maßnahmen zur Erreichung dieser. Außerdem ist der AKG verantwortlich für die Durchführung von Gesundheitsanalysen im Unternehmen, die Gewährleistung regelmäßiger Tagungen und die Kommunikation des Umsetzungsgrades im Unternehmen (Walle, 2021).
Die Phase der Bedarfsbestimmung endet mit der ersten Sitzung des AKG. Nach Freigabe der Unternehmensleitung sollte hierbei die Grobplanung des BGM, inklusive festgelegter Ziele, Maßnahmen und Analyseinstrumente, bereits stehen (Walle, 2021). Diese Faktoren sind abhängig von den zuvor aufgezeigten Handlungsansätzen des Unternehmens.
Phase 2 „Analyse“: Die Phase der Analyse richtet sich nach den Ergebnissen der ersten Phase. Walle (2021) unterscheidet hierbei zwei Schwerpunkte dieser Phase:
- Identifizierung von Faktoren, die den Gesundheitszustand der Beschäftigten beeinflussen und so beispielsweise hohe Krankenstände hervorrufen
- Potenzial der Gesundheitsförderung durch Einbezug der Belegschaft aufzeigen
Hierbei bietet die Analysephase ein großes Spektrum an Instrumenten. Dieses reicht von einer Analyse der körperlichen oder auch geistigen Belastungen, über eine Befragung bestimmter Abteilungen oder Personengruppen, bis hin zur Abfrage der Wünsche der Beschäftigten, um Maßnahmen aktiv gestalten zu können (Walle, 2021).
Phase 3 „Interventionsplanung“: Die Interventionsplanung stellt die herausforderndste Phase dar. Hierbei muss ein Fazit aus der Analyse gezogen werden, um anschließend passende Maßnahmen daraus ableiten zu können. Der AKG steht hierbei in der Pflicht, festgestellte Probleme zu diskutieren und Lösungen vorzuschlagen. Diese Phase endet mit der inhaltlichen und organisatorischen Planung konkreter Maßnahmen und geht direkt in die nächste Phase der Umsetzung über (Walle, 2021).
Phase 4 „Umsetzung“: Unter Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten (z. B. Urlaubsplanung, Arbeitszeiten, Verfügbarkeit des Personals innerhalb und außerhalb der Arbeitszeit) wird die Interventionsplanung nun auf das Unternehmen adaptiert. Die Mitarbeitenden werden informiert und zu Maßnahmen eingeladen. Je nach Gesundheitszustand der Mitarbeiter werden entsprechende Interventionen für den Einzelnen und für Personengruppen auserwählt und durchgeführt (Walle, 2021).
Bei den Maßnahmen der Umsetzungsphase kann unterschieden werden in verhältnisbezogene (bedingungsbezogene) Maßnahmen und verhaltensbezogene (personenbezogene) Maßnahmen. Verhältnisbezogene Maßnahmen richten sich an die Arbeitssituation und Arbeitsorganisation. Hierbei können sich die Maßnahmen an Aufgaben und Inhalt der Arbeit, soziale Beziehungen und Führung, oder auch Arbeitsumgebungsbedingungen, richten. Verhaltensbezogene Maßnahmen richten sich, im Gegensatz dazu, an das Verhalten der Beschäftigten selbst. Hierbei kann auf das Arbeitsverhalten und -erleben, oder die Gesundheit bzw. das persönliche Gesundheitsverhalten des Einzelnen abgezielt werden. In vielen Fällen gehen verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen ineinander über und beeinflussen sich gegenseitig (Bamberg et al., 2011, S. 190).
Oft eingesetzt werden außerdem sogenannte Mehrkomponenten-Interventionen. Hierbei handelt es sich um Programme aus mehreren Komponenten, das heißt mehreren Maßnahmen und Interventionen, auf Verhaltens- und Verhältnisebene. Genutzt werden diese, um ein Ziel verfolgen zu können (z. B. die Verringerungen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und das BGM speziell darauf auszurichten (Pieper & Schröer, 2015, S. 26).
In nachfolgender Tabelle (Tab. 1) werden einige Maßnahmen aufgezeigt und nach zuvor genanntem Kriterium unterschieden.
Tab. 1: Verhaltens- und verhältnisorientierte Maßnahmen (modifiziert nach Schwager & Udris, 1998, S. 438-439)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Phase 5 „Evaluation“: Als Evaluation bezeichnet man den systematischen Einsatz von Methoden, um die Wirksamkeit zuvor durchgeführter Maßnahmen messbar (überprüfbar) machen zu können (Maier & Nissen, 2018).
Zur Überprüfung der Wirksamkeit eines BGM eignen sich vor allem Kennzahlen. Wichtige Kennzahlen im BGM sind (Maier & Nissen, 2018):
- Krankheitsbedingte Fehlzeiten / Krankenstand
- Mitarbeiterfluktuation (Abgänge von Beschäftigten)
- Altersstruktur / Durchschnittsalter
- Produktivität („was schaffen Beschäftigte in welcher Zeit“)
- Unfälle / Unfallquote (Unfälle pro 1.000 Beschäftigte)
- Kennzahlen zur Erfassung von körperlichen und psychischen Belastungen
- BEM-Fälle
- Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation (Erhebung z. B. durch Befragung)
- Kennzahlen zur Messung der Beschäftigungsfähigkeit (Work Ability Index, siehe Kapitel 3.4.2)
- Oder auch der Return on Investment (ROI)
Walle (2021) fügt hierbei an, dass Evaluation zu unterschiedlichen Phasen des BGM Projektes stattfinden kann. Eine Strukturevaluation überprüft die Bedingungen im Betrieb zu Beginn des Projektes. Die Prozessevaluation erfolgt inmitten des Projektes und überprüft Maßnahmen direkt bei der Durchführung. Die Ergebnisevaluation erfolgt am Ende des BGM Projektes und überprüft die Erfolge als Ganzes oder von einzelnen Maßnahmen. Hierbei können dieselben Analyseinstrumente wie in Phase 2 erneut durchgeführt werden um einen Vorher-Nachher-Vergleich herzustellen.
Phase 6 „Nachhaltigkeit“: Die Phasen 1-5 bestimmen Start- und Endpunkt eines Projektes und werden nach gleicher Vorgehensweise auch im Projektmanagement eingesetzt. Um ein BGM als nachhaltigen Prozess in die Unternehmenskultur implementieren zu können, ist die Nachhaltigkeit besonders wichtig. Hierbei werden, je nach Ergebnis der Evaluation, Maßnahmen zur dauerhaften Implementierung eines BGM festgelegt und somit in den Unternehmensalltag integriert (Walle, 2021).
Ob die Nachhaltigkeit eines BGM durch das Erfüllen einer Norm erreicht werden kann, wird im Folgenden erläutert.
3.1.2.3 DIN ISO 45001 – Neuer „Goldstandard“ im BGM?
Wie bereits zu Beginn des Kapitels erwähnt, gibt es Normen, in welchen BGM als System definiert und einzelne Prozesse beschrieben werden. Die zwei wichtigsten Normen werden hier nochmals erläutert und verglichen.
Die im März 2018 beschlossene DIN ISO 45001 legt Anforderungen an Managementsysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SGA) fest. Des Weiteren liefert die Norm Anleitung zur Umsetzung, um einen gesunden und sicheren Arbeitsplatz gewährleisten zu können. Arbeitsbedingte Erkrankungen und Verletzungen sollen durch Handeln nach der Norm vermieden werden. Hierbei gilt sie für alle Organisation gleich, unabhängig von Art, Größe und Typ (DIN ISO 45001).
Die DIN ISO 45001 regelt jedoch nicht den betrieblichen Arbeitsschutz, sondern trägt als Managementsystemnorm eine ergänzende Rolle zur betrieblichen Praxis bei. Die Verantwortung der Unternehmen, zum Schutz und zur Förderung der physischen wie auch psychischen Gesundheit, ist Hintergrund der Norm (DIN ISO 45001).
Walle (2019) merkt hierzu an, dass bei der DIN ISO 45001 dennoch hauptsächlich der Arbeitsschutz im Vordergrund steht. Neu ist dabei, dass nach der Norm Ziele für die SGA festgelegt werden sollen. Hierbei ist darauf zu achten, dass neben Risiken nun auch die Chancen für die Gesundheit beleuchtet werden sollten.
Durch die neue Norm bietet sich nun die Chance ein BGM mithilfe der DIN SPEC 91020 aufzubauen und BGM-Ziele zu definieren, welche gleichzeitig SGA-Ziele im Sinne der neuen DIN ISO 45001 darstellen. Denn besonders in den Bereichen Arbeitsfähigkeit, Arbeitsbedingungen, Demografiefestigkeit und Führung herrschen Überschneidungen zwischen BGM und dem reinen Arbeitsschutz. Im Zuge der Implementierung dieser neuen Norm gilt es je nach Unternehmen spezifisch zu überprüfen, ob das BGM in die DIN ISO 45001 komplett integriert werden sollte, um dieses strukturell stärker zu verankern, oder nicht. Das Unternehmen könnte dabei Gefahr laufen, dass die differenzierten BGM-Ziele und Anforderungen (festgelegt nach DIN SPEC 91020) an Bedeutung verlieren. Denkbar ist auch, dass das BGM (aufgebaut nach den Anforderungen der DIN SPEC 91020) und der Arbeitsschutz sowohl gemeinsame, als auch eigene Ziele definieren, um die Koexistenz beider Normen und Systeme gewährleisten zu können (Walle, 2019).
Auch Weigl (2016) sieht den Vorteil der DIN SPEC 91020 im fachlich stärkeren Bezug zum BGM, während bei der DIN ISO 45001 der Einbezug des BGM lediglich durch die Risiko- und Chancenbewertung und die daraus abzuleitenden SGA-Ziele stattfindet.
Wie oben beschrieben, bietet die DIN ISO 45001 neue Ansätze für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Als Norm für Managementsysteme scheint sie allerdings weitaus weniger effektiv beim Aufbau eines BGM zu wirken. Da die DIN SPEC 91020 spezialisiert auf das BGM ist, ist die Berücksichtigung beider Normen ratsam, um neben Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz auch ein qualitatives BGM aufbauen zu können.
3.1.3 Erfolgsfaktoren eines BGM
Um ein BGM integrieren und somit erfolgreich und nachhaltig durchführen zu können, bedarf es einer strukturierten und geplanten Vorgehensweise. Hierbei können sich Betriebe an aktuelle Normen halten. Neben einer Struktur bedarf es noch weiteren entscheidenden Faktoren, um ein BGM erfolgreich werden zu lassen.
Einige, in der wissenschaftlichen Literatur als Erfolgsfaktoren beschriebenen Erkenntnisse, werden nachfolgend erläutert:
- Die ausdrückliche Rückendeckung durch das (Top-)Management ist einer der bedeutsamsten Faktoren für ein erfolgreiches BGM. Da das BGM eine Management-Aufgabe darstellt, kann es erst durch Schaffung entsprechender betriebspolitischer Voraussetzungen seine volle Wirksamkeit entfalten (Weinreich & Weigl, 2002, S. 67). Das BGM muss den Mitarbeitenden „vorgelebt“ werden.
- Die Partizipation aller Mitarbeiter/-innen des Unternehmens und die Anpassung des BGM an spezifische betriebliche Gegebenheiten sind ein zentraler Erfolgsfaktor (Rothe & Beermann, 2014, S. 184-185).
- Des Weiteren ist die Kommunikation ein entscheidender Faktor, um das BGM im Unternehmen aufleben zu lassen (Uhle & Treier, 2019, S. 258-259). BGM muss „transparent“ und einheitlich im gesamten Unternehmen kommuniziert werden.
- BGM muss evaluiert werden (siehe Kapitel 3.1.2.2), um erfolgreich zu sein. Durch ein Gesundheitsmonitoring können BGM Maßnahmen überprüft und gesteuert werden. Durch Evaluation kann das BGM-System und das Unternehmen an sich stetig lernen und mit neuen Aufgaben und Erfolgen wachsen (Uhle & Treier, 2019, S. 259-260).
- Als Erfolgsfaktoren zählen außerdem die „Verbesserung der Führungskultur, Qualifikation der Mitarbeiter, Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf und die altersgerechte Arbeitsgestaltung“ (Pfannstiel & Mehlich, 2016, S. 5). Neben der altersgerechten Gestaltung der Arbeit sollten vor allem auch die Work-Life-Balance und ein gesunder Führungsstil im Vordergrund stehen.
Weshalb eine altersgerechte Gestaltung von Arbeit und Arbeitsplatz in Zukunft ein äußerst wichtiges Thema in der Arbeitswelt, und damit auch speziell im Kontext BGM, sein wird, zeigt das nachfolgende Kapitel. Dieses setzt sich mit der Thematik des demografischen Wandels in Deutschland auseinander und zeigt zukünftige Herausforderungen auf.
3.2 Demografischer Wandel in Deutschland
3.2.1 Beschreibung des demografischen Wandels
Laut Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) (2020) bezeichnet Demografie das Befassen mit der Entwicklung der Bevölkerung und ihren Strukturen. Der demografische Wandel beschreibt demnach die Veränderung der demografischen Lage.
„Anhaltend niedrige Geburtenraten, steigende Lebenserwartung und hohe Migration kennzeichnen den demografischen Wandel in Deutschland“ (BMAS, 2018, S. 56).
Da seit 1972 die Zahl der Gestorbenen die Anzahl der Geborenen übersteigt, würde ohne starke Zuwanderung die Bevölkerung in Deutschland schon lange schrumpfen. Dieser Sachverhalt wird sich in Zukunft noch stärker auf unserere Bevölkerung auswirken. Die geburtenstarken Generationen, welche heute im Alter zwischen 40 und 60 Jahren sind, gelangen in das höhere Alter und sterben natürlichen Todes. Dies verstärkt die Lücke zwischen Geborenen und Sterbenden zusätzlich (Statistisches Bundesamt, 2019).
Laut Statistischem Bundesamt (2019) wird die Bevölkerung in Deutschland in den nächsten Jahren zunächst noch aufgrund der Zuzüge anwachsen. Durch deutlich mehr Zuzüge als Abzüge aus Deutschland entsteht aktuell ein positives Wanderungssaldo. Bis 2024 soll die Bevölkerungsanzahl so noch zunehmen und spätestens 2040 anfangen abzunehmen. Die Bevölkerungsanzahl im Jahre 2024 soll demnach 83,7 Millionen Menschen betragen und, wie oben beschrieben, danach bis auf 78,2 Millionen im Jahre 2060 abnehmen. Das Statistische Bundesamt geht bei dieser Berechnung von einer moderaten Geburtenrate bei gleichzeitig moderatem Wanderungssaldo aus. Allerdings gibt es auch Berechnungen mit einem niedrigen Wanderungssaldo, bei welchem die Bevölkerung im Jahre 2060 nur noch 74,4 Millionen Einwohner betragen soll. Den Einfluss der Zuwanderung veranschaulicht die nachfolgende Abbildung (Abb. 3) nochmals. Hierbei zeigt Variante 1 den Einfluss eines niedrigen, Variante 2 eines moderaten und Variante 3 eines hohen Wanderungssaldos, auf (Statistischen Bundesamt, 2019).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Entwicklung der Bevölkerungszahl (Statistisches Bundesamt, 2019, S. 18)
Die Ablösung der Altersstruktur in Deutschland als klassische Alterspyramide (wie um 1910) ist schon seit längerem zu erkennen. Diese ursprüngliche Pyramidenform war gekennzeichnet von starken Geburtenjahrgängen, als am stärksten besetzte Jahrgänge, und der Abnahme der Jahrgangsstärke mit zunehmendem Alter. Der aktuelle Bevölkerungsaufbau ist, wie bereits erwähnt, geprägt von einem Sinken der Geburtenraten und einer deutlich zunehmenden Lebenserwartung. Des Weiteren sind durch die beiden Weltkriege, die Pandemie der Spanischen Grippe und die Weltwirtschaftskrise, starke Einkerbungen in der Urnenform zu erkennen. Die aktuelle Altersstruktur wird dominiert von den starken Jahrgängen der sogenannten „Babyboomer“, welche sich aktuell im Alter von Ende 40 bis Mitte 60 befinden. Diese Jahrgänge werden in den nächsten Jahrzehnten in das hohe Alter (> 65) kommen und damit in den oberen Bereich der Pyramide wandern. An ihrer Stelle werden zahlenmäßig weniger starke Jahrgänge stehen. Somit verschiebt sich das Verhältnis der Altersgruppen (Statistisches Bundesamt, 2019). Eine Berechnung dieser Verschiebung für das Jahr 2060 zeigt die nachfolgende Abbildung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2019, S. 20)
3.2.2 Auswirkung auf die Arbeitswelt und Unternehmen
Heute leben in Deutschland noch knapp 50 Millionen Einwohner im erwerbsfähigen Alter (15-65 Jahre). Bei unverändertem Renteneintrittsalter wird diese Anzahl auf 44-45 Millionen im Jahr 2030 schrumpfen. Je nach Stärke der zukünftigen Zuwanderung wird das Erwerbspotenzial im Jahr 2060 nur noch 34-38 Millionen Menschen betragen. Bei einer Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wird es im Jahr 2060 schätzungsweise zwei Millionen mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter geben (Statistisches Bundesamt, 2015).
Laut Statistischem Bundesamt (2015) wird sich die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schon in den kommenden Jahren zu etwa 40 % aus 30-49-Jährigen und nochmals zu 40 % aus 50-64-Jährigen zusammensetzen und damit den Großteil der Bevölkerung ausmachen.
Badura, Walter und Hehlmann (2010) beschreiben als wichtigste Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt in Deutschland deshalb folgende Situationen:
- Engpässe bei der Gewinnung von Fachkräften
- Beginn des „War of Talents“ (Kampf um die besten Arbeitskräfte), unter den Unternehmen
- Durch einen erhöhten Anstieg von Fehlzeiten und Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Alter steigt die Notwendigkeit von Investitionen in Weiterbildung und Gesundheit ebenso
Wie in nachfolgender Abbildung (Abb. 5) zu erkennen ist, erhöht sich die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) bei Männern und Frauen mit zunehmendem Alter. Diese steigen besonders ab 50 Jahren bis hin zum Renteneintrittsalter (hier Anfang 60) stark an. Dabei steigen die Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU-Fälle) zwar ebenso an, jedoch deutlich weniger stark. Dies bedeutet, dass mit zunehmendem Alter die Beschäftigten zwar öfters, aber vor allem deutlich länger, erkranken (Rennert, Kliner & Richter, 2021, S. 99).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: AU-Kennzahlen BKK-Versicherter nach Altersgruppen und Geschlecht (Rennert, Kliner & Richter, 2021, S. 99)
Busch (2015, S. 555) fügt zu diesem Geschehen hinzu, dass aufgrund der steigenden Krankenstände im höheren Alter, die Betriebe zusätzlich belastet werden. Des Weiteren wird die äußerst große Anzahl an Beschäftigten der Babyboomer-Generation in den Ruhestand eintreten und diese offenen Stellen müssen durch zahlenmäßig kleinere Generationen nachbesetzt werden. Diese beiden Faktoren könnten den betrieblichen Ablauf, und damit die gesamte Wertschöpfungskette, erheblich stören.
Die Problematik des sinkenden Erwerbspotenzials wird demnach noch zusätzlich durch steigende Krankenstände im höheren Alter verschlimmert. Laut BMAS (2018, S. 57-59) müssen die Unternehmen daher umdenken und Arbeit und Arbeitsbedingungen für alle Altersgruppen der Belegschaft anpassen. Hierbei spielen vor allem die Dauer und Art der Beschäftigung eine große Rolle. Auch ältere Beschäftigte müssen ihre Tätigkeit noch bis in das hohe Beschäftigungsalter (65 oder älter) ausüben können.
Um einem ansteigenden Krankheitsaufkommen der Belegschaft im höheren Alter entgegenzuwirken, gilt es sich mit diesen Erkrankungen auseinanderzusetzen. Nach dem Bericht einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse, dem DAK Gesundheitsreport, werden nachfolgend die häufigsten Erkrankungen in Deutschland, gemessen an den AU-Tagen, aufgezeigt (DAK, 2021).
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/77239/umfrage/krankheit-hauptursachen-fuer-arbeitsunfaehigkeit/
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Abb. 6: Anteile der zehn wichtigste Krankheitsarten in Deutschland 2014-2020 (DAK, 2021; zitiert nach Statista 2021)
Besonders auffallend ist der hohe Anteil der Muskel-Skelett-Erkrankungen, mit deutlich über 20 %. Besonders hoch sind außerdem psychische Erkrankungen (ca. 17 %), Erkrankungen des Atmungssystems (ca. 15 %) und Verletzungen (ca. 12 %).
Zusätzlich zu den Einflussfaktoren des demografischen Wandels, erhöhen sich laut BKK Dachverband e.V. (2017, S. 6) stetig die jährlich auftretenden Erscheinungen von Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychischen Erkrankungen und sorgen für Handlungsbedarf in den Unternehmen. Daher ist es sehr erfreulich, dass Unternehmen ihren Beschäftigten immer öfters gesundheitsfördernde Maßnahmen anbieten (Mächler, 2020).
Denn laut BAuA (2021) lässt sich diesen Erkrankungen schon präventiv sehr gut entgegenwirken. Allein durch Beratungen und Schulungen am Arbeitsplatz lässt sich hier eine bedeutsame Wirkung erzielen. Auch Ergonomiemanagement und die Durchführung von physischen und psychischen Gefährdungsbeurteilungen sind für Unternehmen im Hinblick auf diese Entwicklung unumgänglich. Mit der Durchführung von Sport- und Bewegungsprogrammen kann Muskel-Skelett-Erkrankungen nachhaltig entgegengewirkt werden. Durch die Minimierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz und dem Aufzeigen von Stressbewältigungsstrategien können außerdem Erkrankungen psychischer Art deutlich verringert werden.
Trotz klarer Datenlage agieren viele Unternehmen in Deutschland noch unzeitgemäß. Laut einer Studie der Mercer Deutschland GmbH in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung (2012) ist das Bewusstsein der Unternehmen in Hinblick auf den demografischen Wandel zwar vorhanden, jedoch könnte das aktive Handeln deutlich weiter ausgebaut werden. Auf die Frage nach der größten Veränderung im Unternehmen, ausgelöst durch den demografischen Wandel, nannten 74,8 % der Befragten die Veränderung der Wünsche und Erwartungen der Beschäftigten, 66,1 % die Altersstruktur, 37,2 % die kulturelle Zusammensetzung und 30,3 % die Geschlechterzusammensetzung. Weiterhin gaben nur ca. 8 % der befragten Unternehmen an, gezielt ältere Menschen (50plus) durch Rekrutierungsmaßnahmen anzusprechen. 40,6 % gaben an, dass der Erhalt der Arbeitsfähigkeit im Unternehmen eine hohe Priorität hat, jedoch teilten nur 2,4 % mit, dass der Förderung des Miteinanders der Generationen eine hohe Bedeutung zukommt. Die genannten Gründe dafür, dass keine gezielten Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels umgesetzt werden, sind zu 50 % fehlende personelle Ressourcen und zu 39 % die noch fehlende Dringlichkeit in den Unternehmen etwas zu tun.
Aus den Ergebnissen der Studie wurden einige Faktoren ersichtlich, mit denen Unternehmen die zukünftige Herausforderung des demografischen Wandels leichter bewältigen können (Mercer Deutschland GmbH & Bertelsmann Stiftung, 2012, S. 14-15):
- Die größte Herausforderung besteht darin, eine demografiefeste Unternehmensstrategie und -kultur zu entwickeln, um Menschen aller Altersgruppen nachhaltig miteinander beschäftigen zu können.
- Des Weiteren müssen die Unternehmen gezielt auf Wünsche und Bedürfnisse der verschiedenen Generationen eingehen.
- In der Personalentwicklung müssen die unterschiedlichen Kompetenzen von Älteren und Jüngeren berücksichtigt werden.
- Aufgrund des abnehmenden Pools an jüngeren Beschäftigten, sollten gezielt ältere qualifizierte Menschen angesprochen und rekrutiert werden.
- Die Einführung eines strategischen BGM ist für die Förderung und den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit (vor allem älterer Beschäftiger), in Hinblick auf den demografischen Strukturwandel, unumgänglich!
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- Arbeit zitieren
- Dominik Conrad (Autor:in), 2022, Betriebliches Gesundheitsmanagement zum Erhalt der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit. Demografischer Wandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1262746
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