Die Beschäftigung mit der Fähigkeit von Tieren, kommunizieren und Gedanken lesen zu können, spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion um den Geist der Tiere. Vor allem aus dem Bereich der Affenforschung und Affensprachenforschung können hier wichtige und nützliche Erkenntnisse erlangt werden.
Die vorliegende Arbeit stellt drei Aufsätze von verschiedenen Biophilosophen vor, die sich mit unterschiedlichen Aspekten aus dem Bereich „Kommunikation und Gedankenlesen“ beschäftigen.
John Dupré, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der University of Exeter, gibt einen Einblick in das Feld der Affensprachenforschung und der aus ihr resultierenden Möglichkeiten, Erkenntnisse über den Geist der Tiere zu erlangen.
Colin Allen, Professor für Philosophie an der Indiana University in Bloomington, und Eric Saidel, Assistenzprofessor an der George Washington University in Washington D.C., beschäftigen sich mit der Evolution der Referenz als einem von vielen Merkmalen menschlicher Sprachfähigkeit.
Schließlich gibt Kim Sterelny, Professor für Biophilosophie an der australischen Victoria University in Wellington, Einblicke in Primatenwelten und Primaten als Gedankenlesern.
Gliederung
I. Einleitung
II. John Dupré: Gespräche mit Affen. Reflexionen über die wissenschaftliche Erforschung der Sprache
1. Was lernen Affen?
2. Kritik an der Affensprachen-Forschung
3. Ziele der Affensprachen-Forscher und ihrer Kritiker
II. Colin Allen und Eric Saidel: Die Evolution der Referenz
1. Drei Ansichten über die Sprache
2. Was ist ein Merkmal?
3. Referenz und Sprache
4. Drei Arten der Referenz
5. Aufmerksamkeit und Referenz
6. Schlussbemerkungen
III. Kim Sterelny: Primatenwelten
1. Primaten als Gedankenleser
2. Geistige Zustände repräsentieren
3. Eine Fallstudie: Visuelle Aufmerksamkeit und implizites Wissen über Fremdpsychisches
4. Eine »Theorie des Geistes« nachweisen: Was die Experimente zeigen
IV. Zusammenfassung
V. Literatur
I. Einleitung
Die Beschäftigung mit der Fähigkeit von Tieren, kommunizieren und Gedanken lesen zu können, spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion um den Geist der Tiere. Vor allem aus dem Bereich der Affenforschung und Affensprachenforschung können hier wichtige und nützliche Erkenntnisse erlangt werden.
Die vorliegende Arbeit stellt drei Aufsätze von verschiedenen Biophilosophen vor, die sich mit unterschiedlichen Aspekten aus dem Bereich „Kommunikation und Gedankenlesen“ beschäftigen.
John Dupré, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der University of Exeter, gibt einen Einblick in das Feld der Affensprachenforschung und der aus ihr resultierenden Möglichkeiten, Erkenntnisse über den Geist der Tiere zu erlangen.
Colin Allen, Professor für Philosophie an der Indiana University in Bloomington, und Eric Saidel, Assistenzprofessor an der George Washington University in Washington D.C., beschäftigen sich mit der Evolution der Referenz als einem von vielen Merkmalen menschlicher Sprachfähigkeit.
Schließlich gibt Kim Sterelny, Professor für Biophilosophie an der australischen Victoria University in Wellington, Einblicke in Primatenwelten und Primaten als Gedankenlesern.
II. John Dupré: Gespräche mit Affen. Reflexionen über die wissenschaftliche Erforschung der Sprache
In seinem Aufsatz gibt Dupré einen Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Affensprachen-Forschung und der Kritik, welche an ihr geübt wird.
Dupré geht in seinem Überblick in drei Schritten vor: zunächst beschreibt er, was verschiedene Affen in der Forschung tatsächlich zu tun gelernt haben, dann geht er den verschiedenen Einwänden nach, die gegen einen Spracherwerb der zuvor beschriebenen Affen erhoben werden und schließlich untersucht er unterschiedliche Ziele und Interessen, denen die Forschung und Kritik zugrunde liegen.
1. Was lernen Affen?
Nach Dupré scheint weitestgehend unbestritten zu sein, dass Affen „etwas verlangen“ können. Das beinhaltet zwei Behauptungen, nämlich dass es möglich ist, Affen die Verwendung von Symbolen beizubringen und dass Affen gewisse Sprechakte bewerkstelligen können. Kritiker verweisen in diesem Zusammenhang auf Skinners Konditionierung. In der neueren Affenforschung wird dieser Einwand weitestgehend auszuschalten versucht, indem komplexere Fertigkeiten und Fähigkeiten trainiert werden. Ein Resultat ist zum Beispiel die Fähigkeit, bestimmte Äußerungen nicht nur selbst zu produzieren, sondern auch zu beantworten und schließlich sogar in Bezug auf neu erworbene Zeichen zu verallgemeinern. Die Forschungsarbeiten von Patterson zeigen sogar Ergebnisse, die deutlich über den Rahmen konditionierter Reflexe hinausgehen, nämlich von Gorillas getroffene Beschreibungen gegenwärtiger und vergangener Ereignisse, Witze, Drohungen und Beleidigungen.
Gegen die Schlussfolgerung, dass diese Affen echte Sprachfähigkeit zeigen, wurden jedoch einige Einwände erhoben, die Dupré im Folgenden näher betrachtet.
2. Kritik an der Affensprachen-Forschung
Zunächst trifft Dupré eine klare Unterscheidung zwischen Zeichensprachenprojekten und künstlichen Sprachen.
Zeichensprachenprojekte, als Vertreter nennt Dupré die Gardners, Fouts, Terraces und Pattersons, sind solche, die „durch das Ziel motiviert sind, die Ebene der Kommunikation mit den Probanden so hoch wie möglich anzusetzen.“[1]
Im Gegensatz dazu steht die Forschung mit künstlichen Sprachen, als deren Vertreter Premack, Rumbaugh und Savage-Rumbaugh genannt werden. Hier wird „der Möglichkeit, saubere, unzweideutige und gut kontrollierte Daten zu gewinnen, größte Bedeutung beigemessen“[2].
Dies bedeutet also, dass bei der zweiten Kategorie dem Probanten eine wesentlich geringere Anzahl von Symbolen und Zeichen zur Verfügung steht, was die Auswertung von Experimenten erleichtert. Dennoch greifen beide Kategorien ineinander und werden hier nur zur besseren Verständlichkeit der weiteren Ausführungen von Dupré gegenübergestellt.
Drei Hauptlinien der Kritik, welche auf Umiker-Sebeok und Sebeok zurückgehen, werden nun angeführt: „Diese sind (1) ungenaue Beobachtungen und/oder Aufzeichnungen des Affenverhaltens; (2) die Überinterpretation des Affenverhaltens; (3) die unbeabsichtigte Veränderung des Verhaltens eines Tiers in Richtung der erwünschten Resultate.“[3]
Der erste Kritikpunkt bezieht sich nach Dupré meist auf Forschung, die Gebärdensprache benutzt. Hier scheint möglich, dass Äußerungen von Affen von den Forschern nicht exakt wiedergegeben, sondern in gewisser Weise interpretiert werden, wenn sie womöglich ansonsten sinnlos erscheinen. Dupré verteidigt dieses Vorgehen mit dem Hinweis auf die Komplexität nonverbaler Kommunikation und fügt zwei Umstände an, die dazu berechtigen, „in diesen Fällen Nachsicht zu üben“[4]: Affen sind bei den Experimenten oft aufgeregt und Gebärdensprache ist gerade im Hinblick auf den Anteil von Gestik und Mimik wesentlich komplexer als zum Beispiel die englische Sprache, was die Übersetzung von Gebärdensprache in eine gesprochene Sprache ohnehin schon wesentlich schwieriger macht, als die Übersetzung einer gesprochenen Sprache in eine andere.
Den zweiten Kritikpunkt führt Dupré auf den Konflikt „zwischen intrinsischen Merkmalen dieser Art von Forschung und gemeinhin geteilten Idealen der wissenschaftlichen Forschung“[5] zurück. Demnach seien alle interpretationsbedürftigen Daten „wissenschaftlich inakzeptabel“[6], da theoretische Hintergründe zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt unumstritten sein können und Daten reproduzierbar sein müssen. Diese „Überlegungen zugunsten von Objektivitätsansprüchen“[7] lassen sich nicht automatisch auf die Affensprachen-Forschung anwenden. Dupré stellt aber sogleich die Unmöglichkeit heraus, „zu untersuchen, ob Affen etwas sagen, ohne dabei zumindest als Arbeitshypothese anzunehmen, dass sie genau dies versuchen.“[8] Die Forderung der Reproduzierbarkeit weist Dupré damit zurück, dass Sprache als „kreative und spontane Form von Verhalten“[9] voraussagbare und verlässliche Reproduktion nicht zulasse. Weiterhin verweist Dupré darauf, dass wissenschaftliche Objektivität, welche durch einen „unvoreingenommenen und emotionslosen Beobachter“[10] erlangt werden kann, in dieser Form der Affensprachen-Forschung aufgrund der affektiven Bindung des Forschers zum Probanden nicht erreichbar ist, was wiederum dieser wissenschaftlichen Objektivität zwar im Wege steht, jedoch unvermeidbar ist.
Dupré fügt nun an, dass im Bereich der Forschung, die künstliche Sprachen benutzt, zuvor beschriebene Abweichungen von Normen wissenschaftlicher Forschung zu vermeiden versucht werden, da hier unzweideutige Daten geliefert werden sollen. Dies führt dazu, dass anhand der Forschung mit künstlicher Sprache tatsächlich „diese Hypothese in einem strengeren analytischen Beweis […] [verankert wird], nämlich dass Affen Symbole mit kommunikativer Absicht verwenden können und dies tatsächlich auch tun“[11], was zum Beispiel die Forschungsarbeit von Savage-Rumbaugh zeigt, in welcher Affen die Fähigkeit erlangten, Sprache zur Erleichterung kooperativer Unternehmungen zu benutzen und sich sogar gegenseitig Symbole beizubringen.
Die Kritik an der Affensprachen-Forschung ist aber auch damit noch nicht vollständig zurückgewiesen, was Dupré zum dritten Kritikpunkt führt, „nämlich zum Problem der ungewollten Hinweise oder der Manipulation eines Tieres zur Produktion des erwünschten Resultats.“[12] In diesem Zusammenhang spricht er das Problem an, dass es nahezu unmöglich sei, alle Kommunikationsebenen außer der intendierten zwischen Forscher und Probanten auszuschalten, da der Forscher in der Regel immer mit dem Affen zusammen ist. Hier wird nach Dupré meist versucht, den Mangel durch die Anwendung der Doppelblind-Strategie zu beheben, bei der ein Beobachter der Interaktion zwischen Forscher und Affe zugeführt wird, was aber in der Praxis häufig dazu führte, dass die Kooperation des Affen eingeschränkt wurde. Dies führt Dupré letztlich wieder zum Problem der Forderung der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen: „Einerseits gilt: Je genauer das Tierverhalten kontrolliert wird und je besser es voraussagbar ist, desto schwieriger wird es, den Vorwurf der Manipulation – erfolge sie nun bewusst oder anders – zurückzuweisen. Andererseits gilt: Je mehr Freiheit dem Tier gegeben wird und je spontaner und unkontrollierter seine Äußerungen sind, desto mehr sinken die Berichte über sein Verhalten in die wissenschaftlichen Niederungen des »Anekdotischen« ab.“[13] Daraus zieht Dupré den Schluss, dass eher die methodologischen Normen der Forschung angezweifelt werden müssen, da es dem Sinn der Forschung nicht entsprechen würde und dienen könne, Forscher vom Probanten zu isolieren, weil das Ziel der Kommunikation und der Interaktion damit ernsthaft eingeschränkt sei.
3. Ziele der Affensprachen-Forscher und ihrer Kritiker
Im Folgenden macht Dupré verschiedene Zielsetzungen der Forscher und Kritiker aus, von denen er einige, welche in Bezug auf die „Natur von Menschen und Affen“[14] gesetzt werden, genauer darstellt. Dazu differenziert er seine Ausführungen zu zwei Fragestellungen: „Was kann uns diese Forschung über Affen sagen? Und was kann sie uns über Menschen sagen?“[15]
Im Bezug auf die erste Fragestellung steht Dupré der Affensprachen-Forschung skeptisch gegenüber, da „weder domestizierte noch sozialisierte Tiere […] ein zuverlässiges Modell [liefern], um Kenntnisse von der Natur ihrer freilebenden Verwandten zu gewinnen, wenn man nicht sorgfältig auf die Auswirkungen achtet, die diese Prozesse auf ihr Verhalten haben.“[16] Beobachtungen von Primatologen im natürlichen Umfeld von Affen scheinen ihm diesbezüglich brauchbarere Ergebnisse zu liefern, wenngleich in Bezug auf die Kommunikationsfähigkeit von Affen untereinander bislang noch nicht viele Erkenntnisse gewonnen werden konnten.
In philosophischer Hinsicht viel interessanter scheint Dupré die Forschung im Hinblick darauf, „dass die Forschung Licht in das vermeintliche Problem des Innenlebens von Tieren (oder des Fehlens eines solchen Innenlebens) bringen soll.“[17] iHin
Dies steht im Zusammenhang mit der cartesianischen These, Sprache sei der einzige zuverlässige Indikator für genuin geistige Prozesse. Descartes steht die Auffassung Darwins gegenüber, wonach sich Tiere „an »Formen des Denkens« beteiligen, die »dem menschlichen Denken homolog sind«.“[18] Natürlicherweise stehen die meisten Affensprachen-Forscher der darwinistischen Auffassung näher, stimmen aber nach Dupré erstaunlicherweise in vielen anderen Punkten Descartes zu, zum Beispiel „dass es prinzipiell unmöglich sei, das Denken oder gar das Bewusstsein von Tieren zu beweisen, weil dies vom Verhalten begrifflich unabhängig sei.“[19]
Spannend sieht Dupré die Affensprachen-Forschung auch in Bezug auf neuere philosophische Fragestellungen, zum Beispiel der Behauptung von Donald Davidson, „dass Sprache eine notwendige Bedingung für Denken sei“[20], da dies sogar ermöglichen würde, Affen über Sprache hinaus das Denken beizubringen.
[...]
[1] Dupré, John: Gespräche mit Affen, S. 300.
[2] Ebd.
[3] Ebd., S. 301.
[4] Ebd., S. 302.
[5] Ebd., S. 303.
[6] Ebd.
[7] Ebd.
[8] Ebd., S. 304.
[9] Ebd.
[10] Ebd.
[11] Ebd., S. 306.
[12] Ebd., S. 307 f.
[13] Ebd., S. 313.
[14] Ebd., S. 315.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Ebd., S. 317.
[18] Ebd.
[19] Ebd., S. 318.
[20] Ebd., S. 319.
- Arbeit zitieren
- Peter Brendebach (Autor:in), 2006, Tierkognition, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126205
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