In dieser Arbeit wird die These von Patrick Basham in seinem Artikel „Can Iraq be Democratic?“ analysiert. Die politische Kultur der islamischen Gesellschaften (inklusiv Irak), so Bashams Haupthese, sei ein Hindernis für die künftige Stabilisierung der Demokratie. Basham ist der Auffassung, dass die Demokratie eine eigene politische Kultur verlangt, eine „demokratische“ politische Kultur, die als Fundament für die demokratischen Institutionen dient.
Bashams These steht in der Tradition der Modernisierungstheorien und des kulturellen Ansatzes. “The building blocks of a modern democratic political culture are not institutional in nature...elections, parties, and legislatures...Rather...supportive cultural values” (Basham 2004:1). Vier kulturelle Faktoren spielen eine Rolle bei der Stabilisierung der Demokratie nach Basham (2004) : „ (1) political trust,..(2) social tolerance, .. (3) widespread recognition of the importance of basic political liberties, ...(4) popular support for gender equality“.
Bashams These wird nicht in Zusammenhang mit dem Irak betrachtet, sondern ihre allgemeine Gültigkeit für die islamischen Gesellschaften analysiert. Zunächst wird der Begriff von politischer Kultur erklärt und definiert. Danach wird der Begriff operationalisiert. Weil Bashams These die Annahme impliziert, dass es einen Zusammenhang zwischen dem politischen System und der politischen Kultur gibt, wird ich diese Annahme theoretisch näher betrachtet. Danach werden ich von Basham (2004) und anderen Autoren erwähnten Indikatoren theoretisch analysiert und deren empirischer Gehalt verifiziert. Das heißt, die Indikatoren sollen nicht nur statistisch in signifikante Beziehungen mit dem politischen Umfeld sein, sondern auch theoretisch überzeugend sein. Die Indikatoren, die ich analytisch betrachten werde, sind: (1) das politische Vertrauen, (2) Humanentwicklung (3) Religion und (4) die kulturelle Akzeptanz von Geschlechtergleichheit.
Inhaltsverzeichnis
1. Politische Kultur
1.1 Über die politische Kultur
1.2 Operationalisierung
1.2.1 AGIL – Schema, ein Systemmodell der politischen Kultur
1.2.2 Arten politischer Kultur.
1.3 Erklärungstraditionen und Methoden
1.3.1 Erklärungstraditionen der politischen Kulturforschung
1.3.2 Methoden zur Untersuchung von politischer Kultur.
2. Demokratie und die politische Kultur
2.1 Demokratie und ihre Funktionsvoraussetzungen
2.2 Indikatoren und Konstrukten der politischen Kultur
2.2.1 Partizipatorische politische Kultur (partizipatorische Demokratietheorie)
2.2.2 Die Indikatoren
2.2.2.1 Vertrauen (political und interpersonal trust)
2.2.2.2 Kulturelle Akzeptanz von Geschlechtergleichheit
2.2.2.3 Humanentwicklung
2.2.2.4 Religiosität, Religionszugehörigkeit und Religionsfreiheit.
3. Fazit
Einführung
Der Erfolg der Intervention der USA (oder der Koalition der Willigen) in Irak mit dem Ziel Demokratie zu fördern, wird von vielen Politikwissenschaftler skeptisch gesehen. Und die Gründe sind nicht wenig. Manche lehnen jede Art von Intervention ab. Andere missbilligen die Zwangsdemokratisierung und die Demokratisierung von außen mit der Begründung, dass die Expansion der Demokratie in nicht-westliche Gesellschaften mehr Feinde als Freunde schaffen würde, und so die Demokratie auch in den Demokratieförderländern gefährden. Für andere, Demokratie ist ein Produkt der Modernisierung, sei er der wirtschaftlichen Entwicklung und Industrialisierung oder sei er der gesellschaftlichen Emanzipation, was den Demokratisierungserfolg von einem gewissen kulturellen und wirtschaftlichen Wandel abhängig macht.
In meine Arbeit werde ich die These von Patrick Basham in seinem Artikel „Can Iraq be Democratic?“ analysieren. Die politische Kultur der islamischen Gesellschaften (inklusiv Irak), besagt Bashams (2004) Haupthese, sei ein Hindernis für die künftige Stabilisierung der Demokratie. Basham (2004) ist der Auffassung, dass die Demokratie ihre eigene politische Kultur verlangt, eine „demokratische“ politische Kultur, die als Fundament für die demokratischen Institutionen dient. Nach Basham (2004:1) „Hypothetical support for representative government, absent tangible support for liberal political norms and values and without the foundation of a pluralistic civil society, provides nether sufficient stimulus nor staying power for democracy to take root.” Bashams These steht in der Tradition der Modernisierungstheorien und des kulturellen Ansatzes. “The building blocks of a modern democratic political culture are not institutional in nature...elections, parties, and legislatures...Rather...supportive cultural values” (Basham 2004:1). Vier kulturelle Faktoren spielen eine Rolle bei der Stabilisierung der Demokratie nach Basham (2004) : „ (1) political trust,..(2) social tolerance, .. (3) widespread recognition of the importance of basic political liberties, ...(4) popular support for gender equality“.
Ich werde Bashams These nicht in Zusammenhang mit Irak betrachten, sondern ihre allgemeine Gültigkeit für die islamischen Gesellschaften analysieren. Erstens werde ich den Begriff von politischer Kultur erklären und definieren. Danach werde ich den Begriff operationalisieren und seinen Platz in den großen Theorien finden. Weil Bashams These die Annahme impliziert, dass es einen Zusammenhang zwischen das politische System und die politische Kultur gibt, werde ich diese Annahme theoretisch näher betrachten. Danach werde ich die von Basham (2004) und anderen Autoren erwähnte Indikatoren theoretisch analysieren und deren empirischen Gehalt verifizieren. D. h. die Indikatoren sollen nicht nur statistisch in signifikante Beziehungen mit dem politischen Umfeld sein, sondern auch theoretisch überzeugend sein. Die Indikatoren, die ich analytisch betrachten werde, sind: (1) das politische Vertrauen, (2) Humanentwicklung (3) Religion und (4) die kulturelle Akzeptanz von Geschlechtergleichheit.
1. Politische Kultur
1.1 Über die politische Kultur
Der Begriff[1] enthält zwei Aspekten: Politik und Kultur. Camilleri (1985) „bezeichnet Kultur durch die Gesamtheit der erlernten Bedeutungen, die in einer Population weit verbreitet sind, durch die Wirkung, dass Werthaltungen und soziales Verständnis von allen (mehr oder minder) geteilt werden und durch die Verhaltensmuster, die diese gemeinsamen Wertüberzeugungen widerspiegeln.“ (zitiert nach Oerter & Montada 2002:78, Hervorh. dort.). Das Insgesamt all dessen, was Personen von anderen Personen lernen ist nach Segal et al. (1990) Kultur (vgl. Oerter & Montada 2002:78).
Die politische Kultur bezeichnet „die Gesamtheit der Werte, Glaubensüberzeugungen, und Einstellungen der Bürger zu den politischen Institutionen, den politischen Vorgängen und der Staatstätigkeit. “ (Schmidt 2004:548-550). Sie ist die internalisierte Form („internalised in the cognition, feelings, and evaluations of its populations“ Almond & Verba 1989:13) eines politischen Systems. Die politische Kultur bezieht sich auf das Muster subjektiver Orientierungen gegenüber Politik einer ganzen Nation oder ihrer Teilgruppen (vgl. Almond & Verba 1989:15). Almond & Verba (ebd.) unterscheiden drei Dimensionen der Orientierung gegenüber dem politischen System:
1. Die kognitive Orientierung schließt Kenntnisse und Meinungen über politische Realität und das politische System, über seine Rolle und die Rolle der politischen Akteure, und über Inputs und Outputs ein.
2. Die affektive Orientierung meint die Gefühle über das politische System, über seine Performanz, und über die Rolle der politischen Akteure. Nach Rohe (2003:114) sie bezeichnet die Systembindung.
3. Die evaluative Orientierung bezieht sich auf “the judgments and opinions about political objects that typically involve the combination of value standards and criteria with information and feelings.“ (Almond & Verba 1989:15).
Das politische System wird (vgl. Almond & Verba 1989:15) zweierlei wahrgenommen, erstens als “allgemeines” politisches System (das System als eine Einheit), sie beinhaltet Gefühle wie Patriotismus oder Entfremdung, Kognitionen, die die Nation als stark oder schwach bezeichnen, und Evaluationen, die das System als „demokratisch“ oder „sozialistisch“ kategorisieren. Und zweitens, das Konzept orientiert sich an die Rolle des Selbst als politischer Akteur. Die Werte eines politischen Akteurs stellen die intensivsten und beständigsten Prädispositionen zu politische Handlung dar; die Meinungen sind die oberflächlichsten (vgl. Berg-Schlosser 2002:699).
Der Begriff aber für manche Wissenschaftler ist strittig (vgl. Schmidt 2004:550, Nohlen & Schultze 2002). Für manche ist sie „besonders ergiebiges Werkzeug zur Erfassung politischer Wirklichkeit.“ (Schmidt 2004:550). So für die behavioralistisch orientierten Theoretiker besitzt der Begriff „Politische Kultur“ einen eigenständigen Stellenwert (Berg-Schlosser 2002:699). Für manche andere ist der Begriff theoretisch und empirisch unscharf (vgl. Easton 1990, Rössel 2006, Schmidt 2004). Für Marxisten ist die politische Kultur ein „bloß abgeleitetes, von den jeweiligen Produktionsverhältnissen determiniertes „Überbau“- Phänomen“ (Berg-Schlosser 2002:699). Kritisch zu bewerten ist die Annahme der politischen Kulturforschung:
„... die politische Kultur eines Landes sei relativ homogen, im Zeitverlauf relativ stabil, gründe sich auf gleichsinnig entwickelte Komponenten und sei unmittelbar einscheidend für Stabilität und Performanz der Demokratie. Tatsächlich aber sind Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen einer Gesellschaft i.d.R. inhomogen, in zeitlicher Hinsicht variable, widersprüchlich und keineswegs eng gekoppelt an bestimmte Stabilitäts- und Performanzniveaus...“ (Schmidt 2004:550)
Weil die politische Kultur nichts über die politische Performanz eines politischen Systems sagen kann (vgl. Schmidt oben.), wäre realistisch sie als eine intervenierende politische Erklärungsvariable anzuerkennen, die außerhalb der politischen Strukturen (im Sinne von politischer Handlung) liegt (vgl. Easton 1990:35). Ein normativfreier Erklärungsansatz bietet die Systemtheorie. Die Systemtheorie erkennt die politische Kultur als eine durch analytische Elemente konstruierende Struktur der politischen Struktur (vgl. Easton 1990). Die politische Kultur verfügt über politische Symbole, die den Charakter einer politischen Struktur zu definieren helfen (vgl. Easton 1990:34). Diese Symbole, oder der Inhalt von politischer Kultur ist „das Ergebnis von Kindheitssozialisation, Erziehung, Medieneinfluss und Erfahrungen im Erwachsenenleben mit den Leistungen von Regierung, Gesellschaft und Wirtschaft“ (Almond & Verba 1987, zitiert nach Dreier 2003:140, Hervorh. dort.).
„If the concept of political culture is to be effectively utilized, it needs to be supplemented with structural analysis, but the difficulty is that political structures can be seen on the one hand as products reflecting the political culture, while on the other hand they are also important ‘givens’ which shape the political culture” (Pye 1988 zitiert nach Easton 1990:35)
Eine gute Definition ist die von Rohe (2003). In seine Definition geht er von „Grundannahmen über die politische Welt und nicht, wie in der Almond &Verba- Tradition, von Einstellungen gegenüber politischen Systemen oder subjektiven Orientierungen der Systemmitglieder gegenüber politischen Phänomenen“ (Rohe 2003:111). Diese Grundannahmen setzen Maßstäbe, an Hand derer Politik wahrgenommen, interpretiert und beurteilt wird (vgl. Rohe ebd.). Man sollte von Einstellungen sprechen wenn es um ein konkretes politisches Regime handelt (vgl. Rohe ebd.). Nach Rohe (2003:111) „die politische Kultur manifestiert sich mithin einerseits als „Weltbild“ (Weber, 1988, S.252), das das politische Denken [konditioniert], andererseits als „ungeschriebene Verfassung“, die das öffentliche Reden und Handeln der Gruppenmitglieder konditioniert.“ Die politische Kultur stellt „so etwas wie einen mit Sinnbezügen gefüllten politischen Denk-, und Handlungs- und Diskusrahmen dar, innerhalb dessen sich das Denken, Handeln und öffentliche Reden politischer Akteure vollzieht.“ (Rohe 2003:111). Der Begriff hat nach Rohe (ebd.) „eine subjektive und objektive Doppelcharakter, dass sie als Ideensystem und gleichzeitig als Zeichen- und Symbolsystem gesehen werden muss. Zu ihr gehört „Sinn“, aber auch „Sinnlichkeit“ und „Sinnenfälligkeit“. Es geht nicht nur um Inhalte, sondern auch um Form.“
Um die Diskussion zusammenzufassen gilt, dass die politische Kultur (ob Einstellungen oder Grundannahmen) sein Erklärungswert in der politischen Struktur hat. Sie bestimmt diese Struktur aber nicht. Politische Kultur und politische Struktur bewegen sich in zwei verschiedene Funktionsbereiche (vgl. Easton 1990:35). „Politische Kultur beeinflusst die Struktur von Regierung und Politik und ihre Leistungen, schränkt sie ein, aber determiniert sie sicherlich nicht völlig. Die Kausalpfeile zwischen Kultur, Struktur und Regierungsleistungen weisen in beide Richtungen.“ (Almond & Verba 1987, zitiert nach Dreier 2003:140, Hervorh. dort.)
1.2 Operationalisierung
Um von Anfang an die große Erwartungen über signifikante empirische Ergebnisse in der politischen Kulturforschung einzudämmen, soll gesagt werden, dass bis jetzt keine „präzise und eindeutig empirisch operationalisierbare Bestimmung von „politischer Kultur“ formuliert werden könnte“ (Dreier 2003:140). Statistische Zusammenhänge zwischen politische Kultur und politische System, sind als Folge theoretisch nicht immer überzeugend.
1.2.1 AGIL – Schema, ein Systemmodell der politischen Kultur
Eine Annäherung, die ich hilfreich finde, ist die der Systemtheorie, wo die unterschiedlichen Aspekte politischer Kultur differenziert in einem allgemeineren Systemmodell im Parsonschen (AGIL-Schema) Sinne eingebettet sind (vgl. Berg-Schlosser 2002:700 in Anlehnung an Münch 1982 und Pappi 1986).
Vorher werde ich die Grundannahme der Systemtheorie zu erklären versuchen, die für mein Thema von Relevanz ist, und dann das Parsons Modell des Sozialsystems.
Abbildung 1: Komponenten der politischen Kultur nach der Differenzierung von Handlungsorientierungen (Berg-Schlosser 2002:700)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Systeme nach Luhman sind selbstreferentiell, d.h. Systeme besitzen die „Fähigkeit, Beziehungen zu sich selbst herzustellen und diese Beziehung zu differenzieren gegen Beziehungen zu ihrer Umwelt.“ (Luhman 1994:31). Systeme (ob politisches oder gesellschaftliches etc.) sind komplex, die soziale Verhältnisse sind vielschichtig und verwickelt. Mit der Vielschichtigkeit sind der Grad der funktionalen Differenzierung des Systems und die Zahl der bedeutsamen Referenzebenen (Individuum, Gruppe, Organisation, Subkulturen etc. und ihre jeweilige Tätigkeitsfeld) gemeint (vgl. Wilke 1996:22). Verwickelung heisst, dass das System vernetzt und abhängig von anderen Systemen ist (vgl. Wilke ebd.). Es soll zwischen den zwei Welten eines Systems unterscheiden: Innenwelt und Außenwelt. „Die Innenwelt umfasst die Beziehungen zwischen dem System als Kollektiv (und seinen Kollektiveigenschaften) mit seinen Mitgliedern als Personen (mit ihren Individualeigenschaften).“ (Wilke 1996:57). Die Außenwelt „umfasst die externen Relationen des Systems,[...] alle input- und output-Beziehungen“ des Systems (Wilke ebd.).
Parsons strukturell-funktionale Systemtheorie „betont die Fähigkeit sozialer Systeme, sich selbst zu regulieren und sich aktiv mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen.“ (Wilke 1996:77). Die Abbildung 1. stellt die vier Grundfunktionen dar, die die jeweiligen sozialen Teilsysteme erfüllen sollen (vgl. Wilke ebd., Berg-Schlosser 2002:700). Öffnung (A daption) bezeichnet den Input, der von dem ökonomischen System „assimiliert“ wird. Spezifikation (G oal-attainment) oder Zielverwirklichung „bezeichnet den Output von Systemoperationen gegenüber der Umwelt.“ Spezifikation und Adaption beziehen sich auf die Relation des Systems mit der Umwelt. Mit I ntegration sind Formen der Integration gemeint (Sozialisation und Solidarorganisation), durch welchen, „Friktionen und Widersprüche“ innerhalb der differenzierten Struktur aufgefangen werden (vgl. Wilke ebd.). Generalisierung (L atent Pattern Maintenance) ist die Funktion der Strukturerhaltung. Der Begriff bezieht sich auf die Stabilisierung der internen Struktur eines soziokulturellen Systems. Die Integration und Generalisierung „beziehen sich auf die internen Vermittlungsprozesse zwischen input und output“. (Parson 1959, zitiert nach Wilke 1996:77).
Jetzt werde ich die Komponenten der politischen Kultur nach der Differenzierung von Handlungsorientierungen (in Anlehnung an Berg-Schlosser 2002:700-701, Abbildung 1.) darstellen.
1. (I.) Ein Gemeinschaftssystem ist von anderen Gemeinschaftssystemen abgegrenzt. Diese Abgrenzung setzt die Grenzen der Innen- und Außenwelt, und dadurch entscheidet das System wo die Integration und wo die Trennung notwendig ist. So wird auf der Basis der nationalstaatlichen Grenzen ein System wie Nationalstaat von anderen nicht nur analytisch, sondern auch konkret von anderen politischen Systemen getrennt. Die politische Kultur spiegelt diese Abgrenzung, sie tut das in Form von politischen Symbolen (Fahne, Gedenktagen, Hymnen), die historisch vermittelt und systemisch bedingt sind, und in Form von nationalen Identitäten. Auch innerhalb der Innenwelt, als ein System in sich, findet eine Differenzierung statt. Diese Differenzierung innerhalb des Systems selbst, ist dadurch gekennzeichnet, dass sie vertikal ist, und in Form von sozioökonomischen Ungleichheiten zu finden ist. Auch solche Sub-Systeme (wie das Klassensystem) bedienen sich ihrer Symbole und Ausdrucksformen der sozialen Identität.
2. (L) „Das sozio-kulturelle System enthält die Grundwerte jeder Gesellschaft, die ihren inneren und subjektiv weitgehend internalisierten Sinngehalt und seine Ausdeutungen ausmachen.“(Berg-Schlosser 2002:701). Weil soziale Systeme sich auf der Grundlage von Kommunikationen bilden, sie „prozessieren Sinn in Form sprachlich-symbolisch vermittelter Kommunikation“ (vgl. Luhman 1986, zitiert nach Wilke 1996:65). Mit Sinn sind eine Reihe von Konzepten verbunden wie „kognitive Struktur, Image, Rolle, Norm, Wert, Ideologie, Weltbild oder symbolische Codes wie Sprache, Recht, Moral, Wahrheit oder Geld, die sowohl bestimmte Handlungszusammenhänge strukturieren als auch Interaktionsprozesse steuern und dadurch zwischen die Vielfalt von Umweltereignissen und dem kontext- oder systemspezifisch Relevante strukturelle und prozessuale Filter errichten.“ (Wilke 1996:43, Hervorh. Ich). „Diese Sinngehalte sind häufig an religiöse Vorstellungen und ihre jeweiligen institutionellen Träger und Interpreten gekoppelt“ (Berg-Schlosser 2002:701). Rohe (2003) aber unterscheidet zwischen politischer „Soziokultur“ auf der allgemeinen Gesellschaftsebene und politischer „Deutungskultur“. Die Deutungskultur nach ihm verhält sich affirmativ zu einer Soziokultur, die ihrerseits Denk-, Rede- und Handlungsgewohnheiten thematisiert (vgl. Rohe 2003:114). Nach Rohe (2003) Bedeutungen werden von „profesionalisierten Sinn- und Symbolproduzenten fabriziert“. In dem Kommunikationssystem heißen diese Bedeutungen differentielle semantische Codes. Codes ermöglichen eine schnelle und zuverlässige Einordnung von Kommunikationen in je spezifische Kontexte (vgl. Wilke 1996:67). Im Prozess der Kommunikation werden Codes in Form von Code-Schlüsseln und Kontextsingalen mitgeliefert (vgl. Wilke ebd.). Die Grundwerte, entwickelt von religiösen oder säkularen Institutionen, und die durch Codes ermittelte Interpretation, schaffen die Legitimationsbasis des politischen Systems (vgl. Berg-Schlosser 2002:701).
3. (A) + (G) Das ökonomische System bezieht sich auf die materiellen Grundlagen und die wirtschaftlichen Organisationsformen der jeweiligen Gesellschaft (vgl. Berg-Schlosser 2002:701). Würde man das AGIL-Schema als eine hierarchische Einordnung den Systemen ansehen, die Rolle des ökonomischen Systems nach Th. Mills ist die Befriedigung der „unmittelbaren individuellen Bedürfnisse der Mitglieder“ durch Ressourcenallokation (vgl. Wilke 1996:78). Danach können die „Bedingungen der Aufrechterhaltung dieser Bedürfnisbefriedigung stabilisiert und in normativen Rollen strukturiert werden [in das politische System].“ (Wilke ebd.). Die ökonomischen Erwartungshaltungen und materiellen Befriedigungen sind also mit konkreten Ansprüchen und Forderungen gegenüber dem politischen System verbunden (vgl. Berg-Schlosser 2002:701). Die politische Kultur spiegelt diese Verknüpfung zwischen die Befriedigungen und Forderungen durch die Unterstützung für das System. Die Forderungen gegenüber dem politischen System und die Unterstützung sind nach Easton (1956) die Inputs eines politischen Systems. „These inputs give a political system its dynamic character. They furnish it both with the raw material or information that the system is called upon to process and with the energy to keep going.” (Easton 1956:356). Easton (1975) unterscheidet zwischen spezifischen Unterstützungen („specific support“), die in ökonomischen Krisenzeiten leicht ins Wanken geraten können, und diffuser Unterstützungen („diffuse support“), die eine stabile Verankerung im sozio-kulturellen Wertesystem haben (vgl. Berg-Schlosser 2002:701; Easton 1975). „Specific support is a response to the authorities; it is only indirectly relevant, if at all, to the input of support for the regime or political community.“ (Easton 1975:438). Die spezifische Unterstützung setzt eine Relation zwischen die Bedürfnisse und der politischen Handlung der Autoritäten voraus (vgl. Easton 1975). Die Relation spiegelt die Wahrnehmung und die Interpretation dieser Relation als solche, dass die Befriedigung dieser Bedürfnisse in irgendeine Form von der Autorität abhängt (vgl. Easton ebd.). Die diffuse Unterstützung nach Easton (1975:444):
„ refers to evaluations of what an object is or represents – to the general meaning it has for a person – not of it does. It consist of a reservoir of favourable attitudes or good will that helps members to accept or tolerate outputs to which they are opposed or the effects of which they see as damaging to their wants. Outputs and beneficial performance may rise and fall, while this support in the form of a generalized attachment, continues….Where support is negative, it represents a reserve of ill-will that may not easily be reduced by outputs or performance”.
Die diffuse Unterstützung ist also, im Sinne von Rohe (2003), eine Grundannahme, da sie stabil ist, hat sie auch einen größeren Erklärungswert als bloße Einstellungen (vgl. auch Easton 1975). Sie ist das Resultat der Sozialisation und der eigenen Erfahrungen (vgl. Easton 1976).
Um das ganze zusammenzufassen. Die politische Kultur bezieht sich auf das politische System. Die politische Kultur spiegelt die Interaktion der Systeme (innerhalb und außerhalb des Systems) in verschiedene Formen der Kommunikation wieder, so z.B. durch politische Symbolen, Deutungen oder Einstellungen, und in der aktiven Form durch Unterstützung für das politische System. Die politische Kultur ist ja eine Art Kommunikation zwischen das System und die Umwelt. Die politische Kultur kann die Handlung unbewusst beeinflussen, und wäre sie bewusst, könnte sie wohl bewusst unterdrückt werden. Sie wäre dann der Babyschrei als dies mit der Welt außerhalb seinen „Ozean“ in Berührung kommt, hat also dann keine sinnhafte Verbindung weder mit der Umwelt noch mit dem Säugling (das Volk).
Ich entferne mich aus der Diskussion über die Wirkung der politischen Kultur auf das politische System, und ziehe mich auf eine minimalistischer Position zurück. „In programming language, culture provides the „default option,“ followed when there are no particular reasons for choosing another pattern of behaviour. Culture provides the “script” when opportunity and information costs suggest restricting effort.” (Barnes 1994:53).
Welche politische Objekte sind im Fokus der politischen Kultur? Objekte der Wahrnehmung für die politische Kultur (vgl. Almond & Verba 1989:14-15) können spezifische Handlungsrollen oder politische Strukturen sein, wie die Legislative und die Exekutive, oder Amtsinhaber wie Monarchen und die Verwaltung. Diese Objekte können auch politische Prozesse sein, wie Entscheidungsprozesse und die Vollziehung dieser Entscheidungen.
Die politische Kultur also kann sowohl als Input im Sinne von Forderungen und Unterstützung (nach Easton „Demands“ und „Support“) oder als Output (nach Easton „Feedback“), Meinungen und Einstellungen, die politische Prozesse in der Gesellschaft produzieren (vgl. Almond & Verba 1989:15, vgl. Easton 1990) sein.
1.2.2 Arten politischer Kultur.
Nach dem Modell von Almond & Verba (1989) gibt es drei verschiedene Arten von politischer Kultur: „parochial political culture“, „subject political culture“ und „participiant political culture“. Welche sind aber die Kriterien dieser Unterscheidung? Die Kriterien nach Almond & Verba (vgl. 1989:16ff) basieren auf der Kenntnis, Gefühle, Meinung und Wahrnehmung. So die Kenntnis über der eigenen Nation, dem politischen System, die Kenntnis über politische Strukturen und Rollen, über die politische Elite, das Wissen über den Entscheidungsprozess, das Wissen über seinen Rechten und Pflichten, strategisches Wissen um das System zu beeinflussen, kurzgefasst: das politische Wissen. Und Gefühle und Meinungen gegenüber dem politischen System und ihre Systemmerkmalen, ein Urteil über das Ganze. Letztes, wie ist es ein Mitglied eines politischen Systems zu sein, welche Wahrnehmungen sind damit verbunden, wie werden die eigenen Fähigkeiten geschätzt, welche Position wurde gewählt, ist man Mitspieler oder Zuschauer. Die Kriterien beziehen sich also auf die Rolle der Person als Betroffen, und der Person als Mitmacher. Noch mal bei der drei Arten von politischen Kulturen.
a. Die parochiale politische Kultur hat nach Almond & Verba (vgl. 1989:16ff) solche Merkmale: Die lokale Kommunitäten sind autonom; Die politischen Rollen sind nicht spezialisiert, sie sind diffuse und nicht von den religiösen und ökonomischen Rollen ausdifferenziert; Es liegen keine Erwartungen oder Forderungen an das politische System. Das politische System selbst ist nicht ausreichend von den anderen kommunalen Systemen abgesondert. „Parochialism“ nach Almond & Verba (1989:16) „is likely to be affective and normative rather than cognitive”. In dem kultur-anthropologischen Ansatz, wo zwischen verschiedene Formen sozialer Beziehungen unterschieden wird, entspricht diese Art von politischer Kultur der einfachsten Beziehungsform: „Teilen des gemeinsamen Besitzes“ (Fiske 1992). In solchen Sozialbeziehungen, die Mitglieder der Gruppe nehmen sich was sie brauchen und geben was sie können. „Ressourcen werden als Gemeingut angesehen, unabhängig davon, was der Einzelne dazu beigetragen hat. Moralische Normen legitimieren sich aus der Tradition der Gruppe. Das Selbst definiert sich durch Rasse, Verwandtschaft und gemeinsamen Ursprung.“ (Fiske 1992, zitiert nach Oerter & Montada 2002:76). Die Urform der Gemeinschaft ist die Familie.
[...]
[1] Wie fast alle politischen Begriffe wird auch dieser Begriff Aristhotel zugeschrieben (vgl. Brint 1994:4). Mit politischer Kultur meinte Aristhotel die politische Ethik und Mores, den Umgang der politischen Klasse mit der Macht zugunsten der Stabilität (vgl. Brint ebd.). Von einem Konzept, das aus der Machtkonstellation entwickelt ist, nämlich die Aufrechterhaltung eines Status Quo, wird ein neue individualistisches Konzept erfunden, das die Einstellungen der Individuen auf das politische System und ihre persönliche Rolle in diesem System ins Zentrum stellt. Bei Aristhotel ist dieser Begriff als elitär konzipiert. Weil aber in Demokratie die Macht aus dem Volk hervor- und für das Volk kommt, wiederspiegelt der Begriff die neuen Machtkonstellationen, die Politik der Massen.
- Citation du texte
- Arjan Shahini (Auteur), 2006, Politische Kultur und Demokratisierung in islamischen Gesellschaften. Auseinandersetzung mit den Thesen Patrick Bashams, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125789
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